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ADB:Kaulbach, Wilhelm Ritter von

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Artikel „Kaulbach, Wilhelm von“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 478–484, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kaulbach,_Wilhelm_Ritter_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:53 Uhr UTC)
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Kaulbach: Wilhelm von K., Historienmaler und Director der Münchener Akademie, geb. den 15. Octbr. 1805 in Arolsen, † in München den 7. April 1874.

Wenige Künstler haben so alle Höhen und Tiefen des Daseins durchgekostet, haben bei Lebzeiten solchen Ruhm genossen und sind dennoch nach ihrem Tode anscheinend so rasch vergessen worden als dieser berühmteste und allerdings auch begabteste Schüler des Cornelius, der selbst eine Zeitlang seinen Meister ganz aus dem Gedächtniß der Zeitgenossen verdrängen zu sollen schien.

Als der Sohn eines Graveurs geboren, eines verkommenen Genies, der durch unaufhörliche Unruhe erst die eigene ökonomische Stellung gänzlich zerstört, dann sich sogar eine kriminelle Strafe zugezogen hatte, wuchs K. unter dem Druck aller Entbehrungen der bittersten Armuth und der Mißachtung empor, die das Vergehen des Vaters immer auch der Familie zuzieht. In Folge der Zerrüttung des väterlichen Haushaltes gerade zu der Zeit, die Liebe [479] und Güte am meisten braucht, bei Verwandten mehr herumgestoßen, als gezogen, erhielt er nie ordentlichen Schulunterricht, sondern statt dessen früh die entsetzlichsten Eindrücke. Gezwungen erst mit den Stichen des Vaters, dann bei rasch hervortretendem künstlerischem Talent mit den Tassen und Tellern, die er selber bemalt, in der Nachbarschaft hausiren zu gehen, hatte er dann erst recht Gelegenheit, die übelsten Erfahrungen über die Rohheit und den Egoismus der Menschen zu machen. Hier legte er wol den Grund zu jener pessimistischen Weltanschauung, die nachher gleich in seinen ersten Werken so grell herausbrach und bald die Welt frappirte. – Von allen Seiten getreten und mißhandelt, bildete sich auch jener übergreifende und gewandte Charakter, jene frühe Menschenkenntniß und Verachtung, jene große Selbständigkeit, außerordentliche Vielseitigkeit und Elasticität, jenes dämonische Wesen bei ihm aus, Eigenschaften, die ihn später um so eher befähigten eine glänzende Carriere zu machen als er von Natur mit allen Gaben des Talents wie der einnehmendsten Persönlichkeit überreich ausgestattet war. So vorbereitet und gestählt kam er mit 17 Jahren nach Düsseldorf, um sich zum Künstler auszubilden und schloß sich der eben aufblühenden Schule des kurz vorher dahin berufenen Cornelius an, zu deren hervorragendstem Zögling er sich rasch aufschwang, wie er schon bald durch eine Composition der Manna sammelnden Israeliten bewies. Hatte er die Wirklichkeit bisher nur von der widerwärtigsten Seite kennen gelernt und war seiner reichbegabten Natur der Idealismus keineswegs fremd, so mußte ihm die Flucht vor der Gegenwart ins weite Reich der Phantasie, welche das charakteristische Moment der Schule wie der Romantik überhaupt bildet, wohl entsprechen, obwohl sein Leben ihn lehrte, sie bald mit dem härtesten Realismus zu verbinden. Bis er selber etwas gelernt hatte, lebte er davon Anderen Unterricht zu geben, und besonders das weibliche Geschlecht scheint den schönen und kecken Jüngling dabei sehr begünstigt zu haben, wobei er denn auch bald alle Seligkeiten und Schmerzen der Leidenschaft durchkostete. Einstweilen setzte es ihn in den Stand, daß er bald selbst seine Familie unterstützen konnte, eine Pflicht, der er zeitlebens mit rührender Treue genügte. – Hatte er so in einem Alter, wo Andere kaum anfangen, die reichste wie herbste Schule der Lebenserfahrung bereits durchgemacht, so sollte sich das alsbald in seiner ersten größeren Arbeit, durch welche er die Aufmerksamkeit der Welt in ganz ungeahntem Grade auf sich zog beurkunden. Es war dies die so berühmt gewordene Composition des Narrenhauses, die er einem Auftrage zu Engeln verdankte, welche er in der Kapelle des Irrenhauses der Stadt zu malen hatte, wobei er ausreichend Gelegenheit fand, die Insassen der Anstalt selber zu beobachten. – Man würde sich heute wundern, daß diese, weder großes malerisches Geschick in der Anordnung noch besonders frappante Schärfe der Naturbeobachtung verrathende Zeichnung einst so gewaltiges Aufsehen machen konnte, wenn man sich nicht alsbald sagen müßte, daß es trotz alledem doch ein für jene Zeit bewunderungswürdig kühner Griff mitten in die schauerlichste Wirklichkeit hinein war, inmitten einer Gesellschaft, die ihr sonst wie allem Unmittelbaren, Grellen und Grausamen durchaus aus dem Wege ging, die Gemüthserschütterungen lieber in die graue Vorzeit verlegte. Allerdings ward sie erst später in München vollendet, entstanden ist sie aber schon in Düsseldorf. Der schneidende Hohn, mit dem K. hier eine Anzahl für jene Periode besonders charakteristischer Zeitkrankheiten schilderte und sie zu Typen ihrer Gattung machte, so den Narren des Königthums von Gottes Gnaden, den der Napoleonischen Legende, den religiösen Schwärmer oder den Börsenmann, den aus Hochmuth toll gewordenen Philosophen etc. zeugte von einer seltenen Freiheit des Urtheils. Solch’ geharnischte Kriegserklärung gegen die ganze moderne Gesellschaft mußte schon durch ihre Kühnheit und Energie gewaltig imponiren. Von einer naiven [480] Wiedergabe der Wirklichkeit ist indeß dabei wenig Spur, sondern weit eher vom Gegentheil, einem bewußten, ja gesuchten Wesen in allem und jedem, das uns ebendeßhalb heute eher abstößt als anzieht. Merkwürdig ist auch, daß man hier bereits alle die Charaktermasken fertig vorfindet, die der Künstler nachher besonders bei seinen Frauen unzähligemale wiedergebracht hat.

Die Schärfe der ganz realistischen Weltbetrachtung, der beißende Witz, das Kokette, das vor allem auf die Verblüffung und den Beifall der Mitwelt, auf den Erfolg hinarbeitete, sie treten hier alle schon auffallend genug hervor, wie sie ihn sein ganzes Leben durch begleiteten. Ungefähr gleichzeitig entstand auch „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“ nach Schiller, in dessen Blättern die moderne Gesellschaft und ihre Einrichtungen noch rücksichtsloser angegriffen, sie als lediglich auf den Schutz der Reichen und Mächtigen und die Unterdrückung der Schwachen und Ungeschickten berechnet dargestellt werden, und wobei der Künstler offenbar viele persönliche Erinnerungen, vorab auch an das Schicksal seines Vaters, hineinverwebte. Er ist eben die Bitterkeit seiner ersten Jugendeindrücke niemals mehr losgeworden, wie unwandelbar treu ihm das Glück auch fortan blieb und ihn mit all’ seinen Gaben überhäufte.

Daß sich das Element von ätzender Schärfe, das sich so stark hier ausspricht, auch in seinem persönlichen Umgang fühlbar machte, hatte ihn schon in Düsseldorf wie später in viele Verdrießlichkeiten mit den Collegen und selbst mit seinem Meister verwickelt, den er so wenig als Andere mit seiner Satyre verschonte. – Dennoch folgte er Cornelius, als dieser 1826 ganz nach München übersiedelte, schon nach kurzer Zeit, und dieser verschaffte ihm, der bereits als das größte Talent neben ihm und als sein einstiger Nachfolger anerkannt, ja eher über- als unterschätzt ward, dort die ersten großen Arbeiten. – So zu den Hofgartenfresken, wo er die Personificationen der Donau und Isar, des Mains und Rheins mit hervorragendem Talent componirte, freilich auch ohne rechtes Verständniß für die Aufgabe der Farbe colorirte. Die Charakteristik wird man aber vortrefflich nennen müssen, trotz der diesen Productionen ganz ebenso wie allen anderen der Schule anklebenden Schwächen, vorab der eines ganz ungenügenden Naturstudiums, das selbst die Zeichnung und noch mehr die Modellirung der Gestalten noch ziemlich schwach erscheinen läßt. Sieht man in ersterer doch noch genug Spuren, daß K. die alten Meister wenigstens in Kupferstichen studirte, so möchte man bei seinem Colorit meinen, daß er nie einen Gang in die alte Pinakothek gewagt habe, wie er denn auch zeitlebens nie Verständniß für klassische Farbenanschauung gezeigt, sich auch gar nicht um sie bekümmert hat. Es folgte ein großes Deckenbild im Concertsaal des Odeon, „Apollo mit den neun Musen“, wo sich bei aller leichten Erfindung doch an der auffallenden Magerkeit der Gestalten der große Unterschied zwischen dem an den vortrefflichen klassischen Werken in Rom gebildeten Formensinn des Cornelius und seinem sehr modernen, vor Allem nach Eleganz hinstrebenden Schüler sehr deutlich zeigt. Eine Anzahl Scenen zu Klopstock’s Hermannsschlacht und zu Wieland’s Gedichten wie Goethe’s Faust in der Residenz schloß sich unmittelbar daran, die indeß von Anderen ausgeführt, wenig Werth haben. Weit bedeutender ist die 1834 entstandene Composition der Sachsenschlacht, die in ihrer Art vortrefflich genannt werden muß. Hier zeigt sich die Einwirkung Dürer’s in der wilden Energie einzelner Gruppen. Sie war indeß blos der Vorläufer der noch weit berühmter gewordenen „Hunnenschlacht“, die ihm zuerst einen europäischen Ruf verschaffte und den Grund zu seinem Glücke legte, nachdem er sich noch eben die Gnade König Ludwigs durch die Schärfe seiner Urtheile für lange Jahre verscherzt. – Dafür hatte er jetzt eben nach langem Werben die so edle als schöne Frau gewonnen, die ihm nachher als guter Engel lebenslang zur Seite gestanden. Des Abends einsam bei ihr sitzend, da er die Kneipseligkeit der Genossen [481] niemals getheilt, hatte er die einzelnen Gruppen nach und nach gezeichnet, aus denen er nachher jenes Ganze zusammensetzte, dessen Erscheinen einen bis dahin in München fast unerhörten Erfolg davontrug. Er hatte den Stoff von dem befreundeten Philosophen Lasaulx erhalten, der ihn in den Fragmenten des Damascius gefunden und seiner eines Tages bei ihm erwähnt hatte. Die Neuheit desselben wie die überaus großen Schönheiten der Composition, die im Ganzen auch seine beste geblieben ist, entzückten alle Welt. Man übersah dabei sogar, daß dieselbe pessimistische Weltanschauung, die sich durch alle seine Werke zieht, auch diesem zu Grunde liegt, wo der Despotismus und die Barbarei mit der alten Cultur und frommem Glauben in einem Kampf liegen, in welchem ihnen der Sieg zuzufallen droht, mindestens unentschieden bleibt. Daß er mit dem Instinkte des Genius herausgefühlt, wie derselbe nie ganz aufhören werde, das ist Kaulbach’s entschiedenes Verdienst. Zeigt sich auch hier sein niemals klassisch geschulter Formensinn in der Magerkeit vieler Gestalten, so ist doch in der Erfindung der einzelnen Gruppen und ihrer Motive ein solcher jugendlicher Reichthum der gestaltenbildenden Phantasie enthalten, es weht uns eine so durchaus schwungvolle Romantik, ein so edler Geist aus dem Ganzen an, es fesselt ein so gewaltiges dramatisches Leben, das Ganze trägt so sehr den Charakter der ächtesten Inspiration, daß man das Werk immer als eine der schönsten Perlen deutscher Kunst wird bezeichnen müssen. – Konnte er durch dasselbe den gegen ihn erbitterten König einstweilen noch nicht versöhnen, so führte doch sein Glück gerade jetzt den Grafen Raczynsky her, der die Ausführung im Großen bestellte. Dadurch der nächsten Sorgen enthoben, widmete sich K. mit seiner unermeßlichen Arbeitskraft – denn auch das Genie des Fleißes besaß er im höchsten Grade – der Composition jenes Werkes, welches zu seinem Rufe jetzt bald fast noch mehr beitragen sollte als die Hunnenschlacht: des Reineke Fuchs. – Gerade diese fortwährenden Sprünge der Empfindung von der poetischen Begeisterung und ihrem Pathos zur zersetzenden Ironie charakterisiren ihn aber durchaus als modernen Romantiker, dem es eigentlich mit nichts voller Ernst ist. – Er war zu dieser Bearbeitung der Thierfabel durch den Franzosen Grandville, der mit seinen derartigen Zeichnungen gerade damals viel Glück machte, geführt worden. Aber während dieser, der fast nur Tagesfragen und -Interessen witzig behandelte, längst vergessen ist, wird sich Kaulbach’s Illustration des altdeutschen Gedichts wol ewig erhalten, denn sie vertieft noch die naive Schalkhaftigkeit desselben zu einer Art von Welthumor. Das Komische ist hier überdies rein künstlerisch, liegt nicht wie so oft bei Grandville in dem Gegensatz des Textes zu den Bildern, sondern die seinigen haben gar keinen Text nöthig, Reineke, König Nobel, Isegrimm und alle Anderen sind komische Charaktere, wie man sie nur wünschen mag, ja im Reineke hat K. sogar einen guten Theil der eigenen Subjectivität niedergelegt. Ueberdies wimmelt das Werk von unsterblichen Einfällen, wie z. B. dem wo der Ochse den Orden an einem seiner Hörner trägt. Aber auch die Kenntniß der Formen und der Bewegung der Thiere, die K. hier zeigt, ist bewunderungswürdig. Hier mußte ihn indeß nicht nur sein ungeheures Gedächtniß und seine rasche Beobachtung unterstützen, sondern er machte auch so eingehende Naturstudien, daß sein Atelier in dieser Zeit einer Menagerie glich. Was aber für kleine Zeichnungen vollkommen genügte, reichte freilich nicht für lebensgroße Gestalten aus und darum wird er so oft leer bei diesen, weil er sich sehr ungern zu jenem genauen Studium der Modellierung bequemen mochte, welches die Werke eines Raphael oder anderer Classiker so nachhaltig und interessant in jeder Einzelheit macht, während letzteres bei denen Kaulbach’s selten der Fall ist, der hier weit eher mit den Zopfmalern auf einem Boden steht, ja oft selbst hinter ihnen zurückbleibt. Er hat daher trotz seines außerordentlichen Phantasiereichthums keineswegs [482] Ueberfluß an wirklich schönen und eigenthümlichen Gestalten, wiederholt überdieß viele seiner Figuren beständig, ist eigentlich neu nur in der Erfindung der mannigfachsten Situationen und dem geschickten Bau der Gruppen. Dies zeigte sich alsbald bei der ebenfalls um 1836 begonnenen Composition, der Zerstörung Jerusalems, die weit hinter der Hunnenschlacht zurückbleibt und wo er nicht nur in der Hauptgruppe, dem sich und seine Familie ermordenden Hohenpriester, sondern selbst in der viel bewunderten Episode der abziehenden Christen einen auffallender Mangel an wahrem und tiefem Gefühl verräth, statt dessen kokett und geziert wird. Nichts desto weniger imponirte das Ganze auch diesmal wieder so, daß er selbst den König Ludwig damit versöhnte, der bei ihm die Ausführung in Oel im größten Maßstabe und zu einem bis dahin fast unerhörten Preis bestellte.

Seiner gerade damals angegriffenen Gesundheit halber und um besser malen zu lernen, ging K. jetzt 1839 auf ein Jahr nach Rom, ohne daß indeß seine Production auch nur im mindesten dadurch beeinflußt worden wäre. Er malte auch nichts als Studien nach der Natur dort, ohne sich viel um die alten Meister zu kümmern, für deren Größe, Strenge und Keuschheit er offenbar wenig Sinn besaß. Die gleich nach der Rückkehr begonnene Ausführung seines Jerusalem in Oel bewies dies schlagend, da sie, obwol mit großem technischen Geschick gemacht, doch so kokett und manierirt wie nur die irgend eines Zopfmalers ist. – Auch eine Anzahl lebensgroße Portraite, die um diese Zeit entstand, zeigen dieselbe Neigung zu gezierter Auffassung und süßer, irisirender Färbung. – Indeß erregte gerade dies die größte Bewunderung. Da man in München bisher eigentlich gar nicht gemalt hatte, war es auch in der That schon fast ein Fortschritt, daß hier bereits schlecht, d. h. manierirt gemalt ward. Ja der Beifall war so groß, daß der Konig von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., der doch bereits Cornelius nach Berlin gezogen, jetzt K. die Verzierung des gewaltigen Treppenhauses seines neuen Museums mit großen, die Hauptepochen der Weltgeschichte darstellenden Bildern übertrug. Dieser Auftrag sollte für unseren Künstler die Hauptarbeit seines Lebens werden, da er sechs kolossale Compositionen und eine Anzahl sie verbindender Einzelfiguren sowie einen über dem Ganzen sich hinziehenden Kinderfries in sich schloß. Die Ausführung hat ihn mit Unterbrechungen denn auch gegen 20 Jahre beschäftigt. – Mag man nun gegen Einzelnes noch so viel einzuwenden haben, so wird man doch immer zugeben müssen, daß es nicht nur die bedeutendste Leistung monumentaler Malerei ist, die seit Cornelius Glyptothek und seiner Ludwigskirche in Deutschland zu Stande gekommen, sondern daß sie es auch bis heute unzweifelhaft geblieben ist. – Vor allem weil sie an tieferem geistigem Gehalt alle späteren weit übertrifft. K. zeigt in dieser gemalten Betrachtung der Universalhistorie einen überlegenen Geist, ein durchdringendes Verständniß des Weltlaufes, die einen noch mit weit größeren künstlerischen Mängeln versöhnen würden, als sie wirklich vorhanden sind. Ueberdies treten dieselben hier viel weniger hervor, wo er durch die beschränkten Mittel der angewendeten Wasserglasmalerei zu größerer Einfachheit und Ernst in der Färbung genöthigt war. Selbst seine Zerstörung Jerusalems, die er hier wiederholt, sieht deshalb viel weniger widerwärtig aus, und die Hunnenschlacht wirkt noch imponirender als im Carton. Ihnen geht der Thurmbau zu Babel voraus, eine grandiose Composition, wo besonders die sich vom Joch des Nimrod befreienden und hinaus in die Welt ziehenden drei großen Volksstämme der Hellenen, Semiten und Chamiten unstreitig zum Schönsten gehören, was die neuere deutsche Kunst überhaupt hervorgebracht. Es hängt das mit der Weltanschauung des Künstlers aufs Innigste zusammen, der ganz mit modernem Geist erfüllt, kein anderes Ideal kennt, als die Freiheit, [483] deren treuer Kämpfer er zu allen Zeiten, – wenn auch ohne ihr allzu große Opfer zu bringen – geblieben ist. Hier in der Schilderung ihres Ringens, ihrer Märtyrer und Sieger wird er allein warm und ächt, ja entwickelt glühende Leidenschaft in Bekämpfung jeder religiösen oder politischen Tyrannei. Sie ist die Religion dessen, der sonst keine andere hat, und deshalb weil er an sie glaubt, verdankt er auch seiner Begeisterung für sie seine schönsten Schöpfungen. Sind darum die „Blüthe Griechenlands“ und „Die Kreuzfahrer“, die dem Nimrod folgten, weniger bedeutend, so gehört dazu nächst dem Thurmbau unstreitig wieder das letzte der Bilder, die Renaissance. Ihre Ausführung ward lange Zeit hinausgeschoben, weil sich die in Berlin herrschende Richtung durchaus nicht darauf einlassen wollte, nach des Künstlers Absicht Luther und die Reformation zur Hauptsache gemacht zu sehen. Die jetzige Composition in der sie erst in zweiter Linie und die Renaissance überhaupt in erster kommt, ist daher nur ein Compromiß des Künstlers nach jahrelangem Streit mit der, selbst gemalten Befreiungen sehr abgeneigten damaligen Berliner Romantik. – Gerade darum, weil sie soviel später ausgeführt ist, zu einer Zeit, wo der Realismus in München unter Piloty’s Vortritt schon gewaltig mit der herrschenden Romantik um die Herrschaft rang und selbst auf K. unverkennbar stark und wohlthätig einwirkte, ist sie auch in Bezug auf Naturwahrheit besser ausgefallen als die meisten anderen. Fast alle bedeutenderen Repräsentanten jener ungeheuren Bewegung von der Mitte des 15. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in überaus geistvoll componirten Gruppen vereinigend, zeigt K. in ihrer Auffassung einen Scharfsinn und eine überlegene Weltkenntniß sowie eine Kraft der Charakteristik, der wir denn doch erst besseres entgegengesetzt sehen müßten, ehe wir sie so gering anschlagen dürften, als es jetzt oft geschieht. Wenigstens haben dies weder Delaroche in seinem Hemicycle, oder Ingres in seiner Krönung Homer’s, noch Piloty in seinem Rathhausbild vermocht, sie alle geben oft vortreffliche Portraite, K. aber als ächter Historienmaler giebt Charaktere.

Ueber seinen großen Bildern brachte er einen Kinderfries an, in welchem die Kleinen die Beschäftigungen der Großen unten oft sehr drollig travestiren, und wo der Meister eine Fülle witzigen Humors, schärfster Satyre mit viel Kenntniß der Kindernatur vereinigt zeigt.

Neben dieser gewaltigen Berliner Arbeit führte er im Laufe der vierziger Jahre eine andere räumlich noch größere, geistig wie artistisch freilich unendlich weniger bedeutende aus: die Verzierung der Außenseite der Münchener neuen Pinakothek mit Fresken, welche die Geschichte der modernen Münchener Kunst darstellen. Da das Wetter dieselben bereits fast ganz zerstört hat und das Erhaltene leider gerade das wenigst Gute ist, so kann hier um so eher von einer genaueren Aufzählung abgesehen werden. Immerhin zeigte der Meister aber selbst in der Behandlung dieses Stoffs die Ueberlegenheit seines Geistes, da er die geringe Wichtigkeit vieler Betheiligten viel früher einsah als die Welt und das Ganze demgemäß mehr spielend und humoristisch behandelte, übrigens wenigstens in der Auffassung der einzelnen Persönlichkeiten wiederum sein großes Talent der Charakteristik bethätigte. Dazwischen hinein entstanden nun noch eine Menge kleinerer Compositionen und Illustrationen aller Art, unter denen eine der schönsten „Die Zusammenkunft Karls des Großen mit Wittekind“ ist, nach dessen Unterwerfung und Taufe. Reicht sie freilich an die schlichte Größe nicht hin, die Rethel bei Behandlung dieses Stoffes zeigt, so ist sie immerhin interessant genug durch ihre Auffassung der beiden Helden sowie ihres Gefolges. – In der Mitte der fünfziger Jahre begann K. dann jene Illustrationen zu Goethe und Schiller, die einen enormen Erfolg hatten, ohne ihn gerade sehr zu verdienen, da sie großentheils nur aus Wiederholungen seiner alten Masken bestehen. [484] Am gelungensten sind die Kinder enthaltenden Blätter wie Lotte, Mignon oder der getreue Ekkehart, da K., obwol selbstverständlich alles eher denn gemüthvoll, doch die naive Kindernatur sehr liebte. In den meisten anderen Blättern fällt freilich der Mangel an innerem Ernst wie ächtem Gefühl und jene daraus entspringende Neigung zu theatralischem Wesen unangenehm auf, wie sie nachher noch lange Zeit nach seinem Vorgang die Schule beherrschten.

Da es ihm nach der Vollendung der Berliner Arbeit nicht mehr gelang einen größeren monumentalen Auftrag zu erhalten, so wählte er sich fortan seine Stoffe frei und verdankte dem dann noch eine Anzahl seiner bedeutendsten Arbeiten, da er sie alle im Bezirke der Kämpfe gegen Despotismus und Unterdrückung jeder Art aussuchte. – So die Schlacht von Salamis, die er für das Münchener Maximilianeum ausführte, ein Bild, das trotz der süßlichen und schwächlichen Malerei immerhin eine gewaltige Wirkung macht. Dann der Nero, der seine Christenverfolgung beginnt, eine Charakteristik des Tyrannen und seiner Umgebung, die trotz einer gewissen Schonungslosigkeit im Einzelnen doch tiefer ist als alle anderen von Piloty und Rahl bis Siemiradzki und Keller, ja in der Schilderung der Christen so große Schönheiten, ein so ächtes Gefühl zeigt, wie man es sonst gerade bei rührenden Figuren nur allzuoft bei ihm vermißt. Endlich veranlaßt durch die herausfordernde Heiligsprechung dieses Scheusals durch Pius IX., den „Arbues“, eine Composition voll erschütternder Kraft, von einer wahren Gluth des Hasses gegen jene entsetzlichste Erfindung der Menschheit: die Inquisition, durchweht. Was einem freilich hier ganz besonders auffallen wird, ist, daß K. die Schilderung der Nachtseite der menschlichen Natur, aller wilden und gemeinen Leidenschaften weit besser gelingt als die der Tugend, wo er oft leer und phrasenhaft wird, immer aber zu absichtlich und gesucht erscheint. – An all’ diesen Compositionen ist indeß die große Verständlichkeit, der Reichthum an Motiven und Episoden, die doch immer im genauesten Zusammenhang mit dem Ganzen stehen, die durchdringende Schärfe des Blicks und die Ueberlegenheit, die sich in der Betrachtung menschlicher Geschicke und Triebfedern ausspricht, zu bewundern. Freilich begegnet es ihm auch, daß er die Motive und Personen zu sehr häuft und dadurch die Einheit und Kraft des Totaleindrucks benachtheiligt. Er wird selten groß oder machtvoll. Dazu ist er schon viel zu unruhig, nervös und modern mager in seiner Formengebung. Es zeigt sich eben überall das romantisch hin- und hergezogene, bestimmter Ueberzeugung, festen Glaubens entbehrende, zu geistreich witziger Ironie neigende, gelegentlich innerlich nüchterne, berechnende Naturell. Will man Respekt vor K. bekommen, so muß man ihn nicht mit denen vergleichen, die ihm vorausgingen, sondern mit denen, die ihm nachfolgen, ohne seinen geistigen Reichthum und seine Ueberlegenheit zu besitzen. Er wirkt denn auch noch nach in der ganzen heutigen Münchener Schule, obwol er es früh aufgab, direkte Schüler anzunehmen. Aber sein Schwiegersohn Kreling, Piloty und hundert andere componiren bald besser bald schlechter, immer in der Weise, die er und nicht Cornelius vorgezeichnet. – Nach der Vollendung des Nero und Arbues hat K. keine größeren Arbeiten mehr ausgeführt, dagegen eine Reihe kleinerer, die meist auf die Zeitereignisse Bezug haben; so einen Todtentanz, in dem er aber weit hinter der erschütternden Kraft des Rethel’schen zurückbleibt, obwol es ihm wenigstens an witzigen Pointen durchaus nicht gebricht. Auch die einzelnen Scenen zur Sündfluth, die er noch entwarf, zeigen doch mehr nur seine ermattende Kraft. Er hatte sich denn auch so ganz und voll ausgelebt, wie es nur sehr wenigen Sterblichen vergönnt ist, als ihn nach langem Wüthen die Cholera als letztes und theuerstes Opfer dahinraffte, und damit die Cornelianische Schule in München um ihren bedeutendsten Vertreter brachte, der sie ebenso abschließt, wie der ihm vielfach geistesverwandte Heine die romantische Dichtung.