ADB:Taxis, Lamoral Claudius Franz Graf von
Leonard’s II. von Taxis (S. 516), wurde am 14. Februar 1621 zu Brüssel geboren. Bis zu seiner mit dem fünfundzwanzigsten Lebensjahre eintretenden Volljährigkeit leitete seine hochbegabte Mutter Alexandrine de Rye als Vormünderin die Verwaltung der Posten in Deutschland, den Niederlanden, Burgund und Lothringen. Bei der selbständigen Uebernahme des seit dem Jahre 1615 erblich gewordenen Reichsgeneralpostmeisteramtes hatte Lamoral für sich und seine Nachfolger im Amte einen Revers auszustellen, in welchem er in allen das Postwesen betreffenden Angelegenheiten nächst dem Kaiser den Erzbischof und Kurfürsten von Mainz, den Erzkanzler des Reiches, als seinen Vorgesetzten anerkannte, das Zugeständniß der Portofreiheit für die Correspondenz des Kaisers, des Erz- und Vicekanzlers, der kaiserlichen geheimen und Reichshofräthe, „auch andere dero hohen Officieren abgehende Brief“ erneuerte und versprach, niemand durch übermäßiges „Tax- oder Briefgeld“ zu beschweren. Von dem Amtskreise der Verwaltung Lamoral’s blieben die kaiserlichen Hof- und niederösterreichischen Postämter nach wie vor ausgeschlossen.
Taxis (Thurn und Taxis): Lamoral Claudius Franz, Graf von Th. und T., einziger SohnUm für die Ausdehnung seines Generalates nach Kräften zu wirken, erschien Lamoral, der damals vom Kaiser durch die Verleihung der Kämmererwürde ausgezeichnet wurde, mit großem Gefolge im J. 1653 auf dem Reichstage zu Regensburg. Während der Wahl Leopold’s I. zum römischen Könige (1658) weilte Lamoral, namentlich auch zur Ausgleichung seiner Streitigkeiten mit dem kaiserlichen Hofpostmeister Grafen v. Paar, in Frankfurt am Main. Auch auf der Reichsversammlung, die im Winter 1663 auf 1664 zu Regensburg tagte, wurde über die Paarischen Angelegenheiten verhandelt, ohne daß man zu einem befriedigenden Abschlusse gelangt wäre. Lamoral gab in seiner Eigenschaft als Erbgeneraloberstpostmeister im Reiche damals dem Kaiser Leopold I. bei seiner Abreise von Regensburg das Geleite bis Vilshofen (an der Donau, sechs Stunden oberhalb Passau), der letzten zu seinem Generalate gehörigen Post, wie er ihm auch bei seiner Ankunft bis dorthin entgegengeritten war.
Die Drangsale des dreißigjährigen Krieges schlugen auch dem Verkehrsleben schwere Wunden. Handel und Wandel lagen darnieder. Die Posten, welche gerade in den beiden ersten Decennien des 17. Jahrhunderts recht erfreuliche Blüthen getrieben hatten, geriethen vielfach in Verwirrung und Verfall. War doch damals das Amt eines Posthalters kein beneidenswerthes und der Dienst eines Postillons mehr als sonst mit Gefahren für Leib und Leben verknüpft. Die größten Unbilden hatte die Post von jeher von streifenden Soldaten und Marodeuren zu ertragen. Beraubungen von Postillonen, Wegnahme und Aufbrechung der Felleisen, Durchsuchung der Briefschaften, Plünderung der Posthäuser, Wegführung der Postpferde, des Schlachtviehes und der Futtervorräthe waren bei der wilden Soldateska jener Zeit an der Tagesordnung. Eine große Anzahl von Posthaltern, besonders solche auf dem flachen Lande, wurden an den Bettelstab gebracht und oft zum Verlassen von Haus und Hof gezwungen. Sonst recht belebte Kurse der kaiserlichen Ordinaripost verödeten für Wochen und Monate vollständig. Die Post wurde durch den hier und dort auflodernden Kriegsherd von ihrem gewohnten Kurse verscheucht und genöthigt, zur Erreichung ihres Zieles große Umwege einzuschlagen (s. auch den Art.: Leonard II. v. T.). Diese Verkehrsstockungen machten sich nicht nur beim briefschreibenden Publicum, sondern auch bei der militärischen Oberleitung fühlbar, die gerade durch die Post wesentlich unterstützt wurde. Schutzbriefe für die Posten wurden daher von den Truppenführern meist bereitwillig ertheilt. Ihr Erfolg hing [511] allerdings von der Strenge ab, mit der die gegebenen Vorschriften gehandhabt wurden. Geordnete Verhältnisse traten erst allmählich wieder ein, zumal als der zu Münster und Osnabrück tagende allgemeine Friedenscongreß eine rasche und sichere Verbindung der dortigen Gesandten mit ihren Höfen erforderlich machte.
Der westfälische Frieden enthielt über die Posten zwar nur den Satz.: „Immoderata postarum onera penitus tollantur“, derselbe rief jedoch in seinen Folgen eine verhängnißvolle Bewegung gegen die Entwicklung der Reichspost hervor, an deren Spitze Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst von Brandenburg, stand. Als Lamoral sich anschickte, im ober- und niedersächsischen Kreise „das uralte und wohlgeordnete kaiserliche Postwesen, so durch langwieriges Kriegsunheil bisher in seinem richtigen Lauf gehindert worden“, wieder aufzurichten, weigerte sich Friedrich Wilhelm unter Hinweis auf seine landesherrlichen Rechte ganz entschieden, die Taxis’schen Posten in seinem Territorium aufzunehmen und veranlaßte auch seine Nachbarstaaten zum Widerstande gegen das Reichspostgeneralat. Kurbrandenburg konnte in seinem Vorhaben, ein eigenes Postnetz anzulegen, vom Kaiser nicht gehindert werden, zumal Friedrich Wilhelm in seiner Erklärung vom 26. April 1660 betonte, daß auch der Kaiser in seinen Erblanden das ius postarum dem Reichsgeneralpostmeister gegenüber sich vorbehalten habe.
Der Einfall der Franzosen in die Niederlande und die Freigrafschaft Burgund zur Zeit des ersten Raubkrieges (1667–1668) brachte dem gräflich Taxisschen Hause große Verluste, indem unter anderem auch „verschiedene gute Postämter, so sonsten die übrigen Postereien in esse erhalten und ein einträgliches adjuto geben können“, mit den abgetretenen Landstrichen der Krone Frankreich zufielen. Solche Ausfälle konnten nur durch eine wohlgeordnete Verwaltung ausgeglichen werden, worin Lamoral Meister war. Lamoral schloß mit Spanien, Frankreich, den Generalstaaten und England Verträge, bereiste und inspicirte die einzelnen Posten, stand in regelmäßigem Briefwechsel mit seinen Vertrauensmännern und Postmeistern und scheute sich nicht, zu Tage tretende Mißstände unnachsichtlich zu ahnden. Einige seiner Postverwalter gestatteten sich einen auffälligen Luxus, füllten ihre Taschen auf Kosten ihres Herrn und verletzten die Bevölkerung durch rücksichtsloses Gebahren. Um die bereits während der westfälischen Friedensverhandlungen lautgewordenen Klagen gegen die Habsucht der Postmeister abzustellen, verfügte Lamoral, daß „zu jedermänniglich Wissen und Nachricht unter seinem Namen eine allgemeine Briefportotaxe in offenem Druck publicirt werde“, und verbot aufs strengste, ohne sein Wissen eine Steigerung der Portosätze vorzunehmen.
Ein sprechendes Bild von der Pflichttreue, Arbeitskraft und Geschäftskenntniß Lamoral’s bieten die vielen Tausende seiner eigenhändig geschriebenen Briefconcepte. Sie beginnen sogleich mit dem Antritte seiner Postgeneralate, schwellen von Jahr zu Jahr an und hören erst mit seinem Tode auf. Diese in niederländischem, lateinischem, französischem, italienischem, deutschem und spanischem Idiom abgefaßten Schriftstücke geben Lamoral das Zeugniß eines scharfsinnigen, für alles besorgten und dabei zugleich vernünftigem Rathe leicht zugänglichen Mannes. Ohne sich in Kleinigkeiten zu verlieren, wie dies bei den Selbstherrschern jener Tage vorkam, überschaute und leitete er von hoher Warte den Betrieb einer Anstalt, welche trotz vielgestaltiger, unaufhörlicher Anfeindungen und schwerer Verluste an Größe und Bedeutung alle ähnlichen Erscheinungen auf dem Gebiete des Verkehrslebens weit überragte und sich noch zwei hundert Jahre lang als lebensfähig erwies. Famianus Strada, der Geschichtsschreiber des belgischen Krieges, gibt nur der Wahrheit die Ehre, wenn er die Taxis’sche Postanstalt als die: „Amplissima praefectura, quae tantam societatis humanae [512] partem amplectitur“ und das der fortschreitenden Entwicklung der menschlichen Gesellschaft gewidmete Wirken jenes Geschlechtes mit den Worten preist: „Nos certe posterique omnes Tassiorum genti non parum hoc nomine debemus, quod aucto per eos firmatoque transmittendarum commercio litterarum, dispositis ex eorum designatione certa per intervalla tabellariorum cursorumque stationibus, publicum factum est obviumque commodum, quod antea rarum ac tantummodo potentiorum non sine magnis impensis proprium fuerat.“ Sehr treffend bemerkt auch Abraham a Santa Clara, ein jüngerer Zeitgenosse Lamoral’s: „Es ist fast dem gemeinen Wesen in der Welt nichts so nützlich, als die Post, und wer selbige erfunden, verdient in alleweg einen unsterblichen Namen.“
War auch Lamoral durch die nimmerruhenden Geschäfte, welche die oberste Leitung des Postwesens mit sich brachten, sehr in Anspruch genommen, so vernachlässigte er doch keineswegs die Pflege der idealen Interessen seiner Familie. Vor allem schenkte er der Erforschung der ruhmvollen Geschichte seiner Ahnen seine volle Aufmerksamkeit. Das im J. 1647 von dem luxemburgischen Wappenkönige Engelbert Flacchio in Angriff genommene dreibändige mit werthvollen Kupferstichen ausgestattete Prachtwerk: „Généalogie de la très-illustre, très-ancienne et autrefois souveraine maison de la Tour“ erschien zwar erst unter Lamoral’s Sohn, dem Fürsten Eugen Alexander (S. 484), im J. 1709, aber Lamoral war es, welcher dazu die Anregung gegeben, den Verlauf der Arbeiten überwacht und durch brief1iche Anfragen bei seinen Stammesgenossen zu Madrid, Rom, Venedig, Bergamo, Augsburg und insbesondere auch zu Innsbruck das weitschichtige Material hatte herbeischaffen helfen.
Bereits im ersten und zweiten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts stellten die spanischen und italienischen Genealogen Alonso Lopes de Haro, Francesco Zazzera und Gio. Pietro Crescenzi die Abstammung der Familie Taxis von den Turriani (Torriani, della Torre, della Tour, vom Thurm bezw. Thurn), welche bis zu ihrer Vertreibung durch Kaiser Heinrich VII. und das Geschlecht der Visconti im J. 1311 in Mailand und einem großen Theile der Lombardei fast unbeschränkt geherrscht hatten, als eine erwiesene Thatsache hin, welche unter anderen von dem Biographen des Torquato Tasso, Gio. Battista Manso, von Chifletius, Carlo Lellis, Spenerus, Bucelinus, Aldimari, Biedermann und anderen hervorragenden Genealogen adoptirt wurde, und meines Wissens zuerst von Pierantonio Serassi (1785) und späterhin von Litta (1850) und Hopf (1858) in Zweifel gezogen bezw. bestritten worden ist, während neuerdings C. v. Wurzbach (1882) die Zusammengehörigkeit der heutzutage völlig getrennten Geschlechter Thurn-Valsassina und Thurn-Taxis für sehr wahrscheinlich hält.
Gestützt auf die vorgelegten Documente bezeugten die königlich spanischen Wappenkönige für Brabant, Geldern, Flandern, Artois und Hennegau „que l’illustre famille de Tassis prent son origine en ligne masculine et legitime de celle de la Tour, laquelle a possedé la principauté et seigneurie du Milanois“ und erklärten, daß die Glieder der Familie Taxis berechtigt seien, „les primitives armes de la Tour comme estans vraiment issuz d’icelle“ wieder in ihr Wappen aufzunehmen. Auf Grund dieses Gutachtens und im vollen Einverständniß mit den in Kärnten und Steiermark seßhaften Grafen von Thurn und Valsassina (Grafschaft östlich vom Comersee, uralte Besitzung der Torriani), deren Abstammung von den Mailändischen Torriani außer Zweifel stand, legte sich Lamoral den Titel und das Wappen derer von Thurn und Valsassina bei, welchem Vorgehen nach und nach sämmtliche Zweige der Familie Taxis folgten. König Philipp IV. von Spanien und Kaiser Ferdinand III. gaben hierzu durch die Diplome vom 6. October 1649 bezw. 24. December 1650 ihre Zustimmung. Lamoral gab daher seinem Wappen unter Weglassung des wachsenden Doppeladlers [513] (s. die Artikel über Franz und den Generaloberstpostmeister Johann Baptista) diejenige Form, welche der Mittelschild des heutigen größeren fürstlichen Wappens zeigt, wenn man sich die beiden im J. 1787 hinzugekommenen Felder am Fuße desselben hinwegdenkt (s. Karl Anselm, erster Artikel). Demnach kam seit 1652 in das erste und vierte silberne Feld des quadrirten Schildes ein rother Thurm zu stehen, hinter welchem zwei geschrägte Lilienscepter mit goldenen Lilien und blauen Schäften schweben (Wahrzeichen der Torriani), während im zweiten und im vierten goldenen Felde ein steigender rother blaugekrönter Löwe mit blauer Zunge und blauen Waffen (Wahrzeichen der Grafen von Valsassina) und in dem blauen Herzschilde ein schreitender silberner Dachs (Wahrzeichen der Taxis) sich zeigt.
Auch die Kunst fand im Hause Lamoral’s, einem der reichsten und angesehensten der Niederlande, eine treue Heimstätte. Nikolaus van der Horst, ein Schüler von Rubens, Eggermanns, Teniers, van der Kerke, Quellinus, Quesnoy, Grupello und andere schmückten die Wohnung des Grafen Lamoral mit Gemälden, Tapisserien und Statuen. Mit großer Pracht ließ Lamoral vor allem auch die der heiligen Ursula geweihte Taxis’sche Grabcapelle in der Kirche Notre Dame des Sablons zu Brüssel ausstatten, welche er sich zur letzten Ruhestätte auserwählt hatte. Am 13. September 1676 raffte ihn ein hitziges Fieber dahin, als er gerade in Antwerpen weilte.
Dreißig Jahre lang hatte Lamoral das Erbgeneraloberstpostmeisteramt im Reiche, den Niederlanden, Burgund und Lothringen mit selbstloser Hingebung verwaltet, als ihn mitten in seiner genialen, ein ganz gewaltiges weitverzweigtes Postterritorium umspannenden Wirksamkeit der Tod abberief. Seine rastlosen Bemühungen waren grundlegend für die nachmalige Größe seines Hauses. Seinen mit Anna Franziska Eugenia, einer geb. Gräfin v. Hornes, erzeugten und auf das sorgfältigste erzogenen Kindern hinterließ er ein reiches Erbe, darunter auch die Herrschaften Hemissem, Bussinghen, Hal, Beaulieu, Braine-le-Château und Haut-Ittre. Die Herrschaften Carnin, Foudremont und Tressilly, die beiden letztgenannten lagen in Burgund, waren von den Franzosen beschlagnahmt worden.
Unter den verschiedenen Bildnissen Lamoral’s erwähne ich hier nur die beiden besten in Folio bei Chifletius, les marques d’honneur de la maison de Tassis, S. 6, von Nikolaus van der Horst (invenit et pinxit) bezw. Paulus Pontius (sculpsit) und bei Flacchio I, 203 von R. Collin. Eine sehr hübsche Medaille auf Lamoral Claudius Franz mit dem gräflichen Wappenbilde findet sich abgebildet und beschrieben in Lochner’s Sammlung merkwürdiger Medaillen. Jahr 1742, S. 357.
- Bucelinus, Germaniae topo-chrono-stemmatographicae pars quarta. S. 294. Ulmae 1678. – Litta, Famiglie celebri italiane, fascicoli 125 e 130. – Stroobant, Notice sur les seigneurs de Braine-le-Château et Haut-Ittre, S. 66 ff. Bruxelles 1849. – Das deutsche Postrecht. In v. Linde’s Archiv für das öffentliche Recht II, 39. Gießen 1857. – Stephan, Geschichte der Preußischen Post, S. 38 ff. Berlin 1859. – Hartmann, Entwickelungsgeschichte der Posten, S. 311 ff. Leipzig 1868. – Ottavio Codogno, Nuovo itinerario delle poste per tutto il mondo. In Venetia presso Giacomo Zattoni. MDCLXVI, 8°. – Cherubino di Stella, Poste per diverse parti del mondo. In Venetia, 1674, 12°. – L. v. Hörnigk, Inauguralis conclusionum iuridicarum centuria de regali postarum iure. Francofurti. Typis haeredum Sigismundi Latomi. 1638, 4°. – Ch. Leonhardi, Scriptores et excerpta juris postarum. Lipsiae 1710, 2°.