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ADB:Simon, Heinrich

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Artikel „Simon, Heinrich“ von Alfred Stern in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 371–376, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Simon,_Heinrich&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:04 Uhr UTC)
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Simon: August Heinrich S., geboren am 29. October 1805 in Breslau als drittes Kind eines angesehenen Kaufmannes, † am 16. August 1860 durch Ertrinken im Wallenstädter See. Seine frühe Jugend fiel in die Zeit der Fremdherrschaft und der Befreiungskriege, die Sorgen und schmerzliche Verluste aller Art für das väterliche Haus mit sich brachten. Einfach und streng erzogen, aber durch das Glück des innigsten Familienlebens erquickt, wuchs er auf, schon als Gymnasiast in Breslau und Brieg durch Willenskraft, scharfen Verstand und edle Haltung ausgezeichnet. Er studirte in Berlin und Breslau die Rechte, lernte als Referendar in Brandenburg die Praxis kennen und genoß in vollen Zügen seine Jugend. Ein Duell, in dem er das Unglück hatte, seinen Gegner zu erschießen, machte einen tiefen Einschnitt in sein Leben. Zu lebenslänglicher Festungshaft verurtheilt, wurde er im März 1829 nach Glogau abgeführt, wo sein Aufenthalt, dank der Milde des Commandanten Grolmann, sich so günstig wie möglich gestaltete. Er durfte ein Privatquartier beziehen und am geselligen Leben der Stadt theilnehmen, das [372] die Freundschaft mit Gaudy ihm verschönte. Im Herbste 1830 begnadigt, kehrte er nach Breslau zurück, wo er am Oberlandesgericht arbeitete und seinem Schwager Gräff, einem beschäftigten Advocaten, zur Hand ging. Eifrige Studien, nahe Beziehungen zu geistreichen Persönlichkeiten, wie zu der Cousine Fanny Lewald, eine Reise nach Tirol und Oberitalien erweiterten seinen Blick. Vom Herbste 1834 an bis zum Herbste 1841 war er als Assessor am Berliner Kammergericht, in Magdeburg, Greifswald, Frankfurt a. d. O. und wiederum in Breslau thätig. Das Amt des Richters erschien ihm zwar als das höchste und doch meinte er: „Nicht leicht dürfte ein Mensch seine Bestimmung mehr verfehlt haben als ich – ich hinterm Actentisch! Ich, der ich so wesentlich ins Freie gehöre, daß sich erst draußen mein Wesen zu entwickeln beginnt.“ Aus ernster wissenschaftlicher Beschäftigung gingen die Werke hervor: „Das Preußische Staatsrecht“ (2 Theile. Breslau 1844), sowie die in Gemeinschaft mit Rönne unternommene Sammlung „Die Verfassung und Verwaltung des Preußischen Staates“ (Breslau und Berlin 1840–54), und doch verwahrte er sich dagegen, „ein Mensch der Studierstube“ sein zu sollen. Vielmehr reizte ihn der Kampf um die höchsten bürgerlichen Güter im öffentlichen Leben. Jacoby’s „Vier Fragen“ regten ihn, wie so viele Zeitgenossen, mächtig an und die Erringung einer Verfassung für Preußen erschien ihm als das nächste große Ziel, dessen Erreichung auch er seine Kraft zu widmen wünschte.

Unter diesen Umständen mußte es doppelt werthvoll für ihn sein, 1841 durch eine Aufforderung des neuen Cultusministers Eichhorn für längere Zeit in die Mitte der regierenden Gewalten versetzt zu werden. Er sollte Vorschläge zu einer Verbesserung des preußischen Schulwesens machen, welcher Gegenstand ihn bei seinen Studien einläßlich beschäftigt hatte. Die Summe seiner Reformideen findet sich in einer Denkschrift zusammengefaßt, in der namentlich die Nothwendigkeit betont wird, der körperlichen Ausbildung eine größere Stelle einzuräumen und dem Bedürfniß der Einrichtung von Real- und polytechnischen Schulen abzuhelfen. Da jedoch zwischen seinen und Eichhorn’s Ansichten keine Einigung erfolgte, fiel der ihm gewordene Auftrag 1842 dahin. Abgesehen von Reisen, die dem rüstigen Wanderer hohen Genuß gewährten, blieb nun wieder bis 1848 Breslau sein Aufenthaltsort. Hier trat er, 1844 zum Stadtgerichtsrath ernannt, immer entschiedener als einer der Führer der liberalen Partei in das bewegtere öffentliche Leben ein. Vielfach wurde sein juristischer Beirath von solchen gesucht, die sich über Maßregeln der Verwaltung zu beschweren hatten. Häufig bediente er sich der Presse, um für seine Ansichten zu wirken. Ein politischer Lesezirkel, den er begründen half, diente zu ihrer Verbreitung in der Stadt und Provinz. Ebenso wirksam war die Errichtung von Arbeitersparvereinen, an der er sich betheiligte. Ein wissenschaftliches Unternehmen, die „Sammlung der Gesetze und Verordnungen für das öffentliche Recht des Herzogthums Schlesien und der Grafschaft Glatz“ (Breslau 1846–48) blieb unvollendet. Er konnte sich um so freier allen diesen Bestrebungen hingeben, da er Ende 1845 aus dem Staatsdienste ausschied. Den Anlaß dazu bot eine aus seiner Feder stammende Kritik einiger in Mühler’s Ministerium bearbeiteter Disciplinargesetze, welche die richterliche Unabhängigkeit bedrohten. Diese Kritik nebst ergänzenden anderweitigen Zeitungsartikeln, zusammengefaßt in der Schrift: „Die preußischen Richter und die Gesetze vom 29. März 1844“ (Leipzig, Wigand 1845) rief eine große Bewegung in der Presse und bei den Provinzialständen hervor und machte den Namen Simon’s als eines Vorkämpfers des Rechtsstaates in weiten Kreisen bekannt. Mühler’s Nachfolger strafte S. durch Entziehung eines vorlängst zu schriftstellerischen Arbeiten ertheilten Urlaubes, worauf er um seinen Abschied bat. Es schloß sich noch eine Polemik gegen Kamptz daran („Ein Nachwort an [373] den Staatsminister v. Kamptz,“ Beilage zur zweiten Auflage der erwähnten Schrift), der in seinen Jahrbüchern, Heft 129, als Verfechter des Polizeistaates S. zu widerlegen versucht hatte. Endlich legte dieser die Gründe seines Verhaltens in der Schrift „Mein Austritt aus dem preußischen Staatsdienste“ Leipzig, Mittler 1846, öffentlich dar, indem er das Friedrich Wilhelm III. entlehnte Motto wählte: „Jeder Staatsdiener hat doppelte Pflicht: gegen den Landesherrn und gegen das Land. Kann wohl vorkommen, daß die nicht vereinbar sind, dann aber ist die Pflicht gegen das Land die erste.“ Er reichte beide Schriften mit einer würdigen Rechtfertigung dem König ein, der sie ihm jedoch zurückstellen ließ. Eine Anzahl preußischer Richter erfreute ihn aber durch Widmung eines Ehrenbechers mit der Inschrift: Virtuti. „Glücklich, das Joch abgeworfen zu haben“, wie er seinem Oheim, dem Geh. Justizrath Simon schrieb, widmete er sich doppelt eifrig der Beschäftigung mit den großen Fragen des Tages. Sowie das Patent vom 3. Februar 1847 erschienen war, das die Berufung des vereinigten Landtags ankündigte, stellte er sich mit seiner Schrift „Annehmen oder Ablehnen“ (Leipzig, Wigand 1847) in das Vordertreffen derer, welche, um mit ihm selbst zu sprechen, dem König zuriefen: „Wir baten dich um Brod und du gibst uns einen Stein.“ Das in sieben Tagen hingeworfene Werk, dessen treffenden Titel Berthold Auerbach erfunden hatte, machte neben dem der gleichen Sache gewidmeten von Gervinus den tiefsten Eindruck auf die öffentliche Meinung. Während es sich in tausenden von Exemplaren verbreitete, reiste S. zu seiner Erholung über Leipzig und Berlin nach Ostpreußen und erwarb sich überall zahlreiche Freunde. Inzwischen wurde eine Anklage auf „Majestätsbeleidigung“ und „frechen, unehrerbietigen Tadel der Landesgesetze“ gegen ihn eingeleitet, ja sogar ein Steckbrief gegen ihn erlassen. Er reiste sofort nach Breslau, um sich dem Gericht zu stellen, wodurch er verhindert wurde, der Eröffnung des vereinigten Landtags beizuwohnen. Von mehrereren Seiten hätte man ihn hier zum Rechtsbeistand zu haben gewünscht. Ein kurzer Aufenthalt in Berlin gewährte ihm jedoch wenig Befriedigung hinsichtlich der Haltung des vereinigten Landtags. Er kehrte bald wieder nach Breslau zurück und fand dort einen neuen Gegenstand für seine Feder in dem traurigen Zustande der Bewohner Oberschlesiens. Da die Censurbehörde den Abdruck seiner Artikel in den Zeitungen nicht gestattete, ließ er sie Anfang 1848 (anonym) unter dem Titel: „Die oberschlesische Hungerpest. Mit amtlichen Zahlen. Eine Frage an die preußische Regierung“ als Flugschrift bei Robert Blum in Leipzig erscheinen. Inzwischen ging die gerichtliche Untersuchung gegen ihn weiter, bis der Ausbruch der Revolution sie unterbrach.

Sobald infolge der Ereignisse vom 18. und 19. März das alte Staatswesen ins Wanken gerieth, trat S. als eines der Häupter der Demokratie auf den Vordergrund der politischen Bühne. Er war Mitglied des in Breslau gebildeten „Sicherheitsausschusses“. Er gehörte der zum König entsandten Deputation an. Er vertheidigte am 21. und 22 März vor dem Ministerpräsidenten Arnim, wie vor Friedrich Wilhelm IV. mit seinen Genossen die Forderung, ohne nochmalige Berufung des vereinigten Landtags eine aus Urwahlen hervorgehende Volksvertretung zu gewähren. Nach Breslau zurückgekehrt, erhielt er eine Einladung sich in Frankfurt auf den Bänken des Vorparlamentes einzufinden, wo er als einer der Secretäre viel Arbeit hatte. Er stimmte gegen die Permanenz und gegen den Zwang, das Princip directer Wahl bei den Wahlen zur constituirenden Nationalversammlung in allen Staaten anzuwenden. Auch dem Fünfziger-Ausschuß gehörte er an und erließ als Mitglied desselben im Vereine mit Abegg und Jacoby ein Schreiben an den Minister von Auerswald, in dem er darauf drang, Preußen möge die offene Erklärung abgeben, „daß man [374] ein selbständiges polnisches Reich wolle und daß man lediglich zu dem Zweck noch (in Posen) provisorisch die Regierungsgewalt inne behalte, um den Polen Gelegenheit zu geben, sich als Staat zu organisiren“. „Was wir in Polen wollen“, schrieb er mit Bezug auf die lombardisch-venezianische Frage, „müssen wir auch in Italien wollen.“ Hinsichtlich der deutschen Angelegenheiten verkannte er nicht, daß die Republik, obwohl er sie die richtigere „Staatsform“ nannte, zur Zeit aussichtslos sei, wünschte aber um so dringender, daß Preußen durch aufrichtige Unterordnung unter „die Beschlüße des konstituirenden deutschen Parlaments Oesterreich den Vorsprung abgewinne und „auch bei den größten, speciell preußischen Opfern die Einheit Deutschlands herstelle“. Schon 1842 hatte er gegenüber Freunden die Idee der deutschen Kaiserwürde entwickelt und hinzugefügt: „Zeigt mir einen anderen Weg zu Deutschlands Größe und ich gehe ihn mit.“

Von diesen Gesinnungen beseelt erschien er als Abgeordneter Magdeburgs in der Paulskirche. Seine Vergangenheit machte ihn zu einem der angesehensten Mitglieder der Linken und es fehlte gelegentlich wenig, daß er zu einem der Präsidenten der Versammlung gewählt worden wäre. Als Redner trat er jedoch nicht häufig hervor. War es der Fall, wie am 5. Septbr. über den Malmöer Waffenstillstand, am 14. Novbr. über das Ministerium Brandenburg, so war der Eindruck der von freiheitlicher Begeisterung und strengem Rechtsgefühl durchhauchten Worte groß. Da der Conflict zwischen der preußischen Regierung und der Nationalversammlung sich immer schärfer zuspitzte, und S., als Abgeordneter des Kreises Kosel, auch dieser letzten angehörte, so verließ er Frankfurt für kurze Zeit, um das Schicksal seiner Genossen in Berlin bis zu ihrem Weichen vor der bewaffneten Macht zu theilen. Nach Frankfurt zurückgekehrt versuchte er es jedoch vergeblich am 4. Januar 1849 das Parlament für die Annahme eines Beschlusses zu gewinnen, der die oktroyirte preußische Verfassung als Rechtsverletzung bezeichnen sollte. Hierauf wohnte er als Mitglied der zweiten preußischen Kammer bis zum 17. März deren Verhandlungen bei, nahm aber darauf wieder seinen Sitz in Frankfurt ein, um bei den Abstimmungen über die deutsche Kaiserwahl nicht zu fehlen. Bei diesem Anlaß warf er mit seinen Freunden vom Klub der Westendhalle ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale. Sie brachten am 21. März den Welcker’schen Antrag zu Fall, weil sie von einer hinreichenden Zahl der Weidenbuschpartei kein Versprechen hatten erhalten können, daß beim Angebot der Krone an den König von Preußen ohne Uebereinstimmung mit ihnen keine weiteren Zugeständnisse gemacht werden und daß einige der wichtigsten Verfassungsartikel (betreffend den Umfang des Reiches, Veto, Wahlrecht) in ihrem Sinne festgestellt werden würden. Vor der zweiten Lesung der Verfassung begannen aber die Unterhandlungen aufs neue. Heinrich S. mit seinen Freunden erhielt nunmehr von 114 Mitgliedern der Weidenbuschpartei das schriftliche Versprechen, für das suspensive Veto und geheime Wahl stimmen zu wollen. Er empfing außerdem am 26. März eine von 86 Mitgliedern (darunter Gagern, Mathy, Soiron, Biedermann) unterzeichnete Erklärung, „daß sie die Verfassung, wie solche von der Nationalversammlung beschlossen werden wird, dergestalt endgiltig anerkennen, daß sie für irgend wesentliche Abänderungen derselben oder irgend erhebliche weitere Zugeständnisse, von welcher Seite dieselben etwa auch verlangt werden sollten, nicht stimmen werden.“ Demnach stimmte am 27. März die Gruppe S. für das Erbkaiserthum. „Wir wollten, schrieb S. später, die drohende Schmach von Deutschland abwenden, daß seine aus freier Volkswahl hervorgegangene Vertretung nicht die Kraft gehabt, Deutschland eine Verfassung zu schaffen.“ Die Ablehnung der Kaiserwürde durch Friedrich Wilhelm IV. vernichtete die gehegten Hoffnungen und ließ neue Kämpfe [375] ahnen. Um sich für sie zu rüsten, eilte S., körperlich ermattet, mit Professor Bruno Hildebrand, seinem Freunde und Parlamentsgenossen, dem Süden zu. Marseille, Genua, Neapel, Rom entzückten ihn. In Rom war er Zeuge des Kampfes Garibaldi’s gegen die Franzosen. Gern hätte er der Entwicklung dieses Dramas beigewohnt, wäre er nicht durch die Pflicht nach Frankfurt zurückgerufen worden. Dort lichteten sich die Reihen. Er war dafür, zu bleiben und nur der Gewalt zu weichen; als aber der Beschluß der Uebersiedelung nach Stuttgart durchdrang, ordnete er seine Ansicht unter. Er wurde vom Rumpfparlamente in Stuttgart zu einem der fünf Reichsregenten gewählt und war am 18. Juni bei der Zersprengung der Versammlung gegenwärtig. Am 22. Juni gelangte die Reichsregentschaft nach Baden-Baden. Eine Woche später befand sich S. als Flüchtling auf schweizer Boden.

Tiefgebeugt durch das Scheitern der Revolution und das Walten der Reaction, wenn schon keineswegs an der Zukunft verzweifelnd, verbrachte S. zunächst mit J. Jacoby und Moritz Hartmann einige Wochen am Genfer See; dann siedelte er nach Zürich über. Hier stieß sein Freund Konrad v. Rappard zu ihm, mit dem er gemeinsam das Gut Mariafeld unweit Meilen am Züricher See kaufte. Seine Cousine, die verwittwete Frau Gärtner, die schon in Breslau seinen Haushalt geführt hatte, kam mit ihren zwei Kindern, um ihn nicht mehr zu verlassen. Sie teilte seinen Schmerz über den Tod der Eltern, denen er die Augen nicht hatte zudrücken können. Sorge für den häuslichen Kreis und für Leidensgenossen nahmen ihn neben ländlichen Arbeiten in Anspruch, bis er sich im Herbst 1851 entschloß, das Gut wieder zu veräußern und in die Stadt Zürich überzusiedeln, wohin sein Bruder Gustav mit den Seinigen ihm folgte. Hier wurde ihm das Erkenntniß des Breslauer Stadtgerichtes übersandt, wonach er in contumaciam wegen Hochverrathes zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtheilt worden war, er verweigerte jedoch die Annahme. An seinem neuen Wohnorte erfreute er sich großer Beliebtheit, und die juristische Facultät der Universität Zürich verlieh ihm die Würde eines Doctors beider Rechte honoris causa. Ausflüge in die Berge und Reisen (wie 1855 ein Aufenthalt in Paris mit Stahrs) erfrischten ihn. Industrielle Unternehmungen, Gründung eines Schiefergeschäftes zu Pfäffers und Engi, wie Anlage eines Bergwerkes an der Mürtschenalp (vgl. seine „Denkschrift, betreffend das Kupfer- und Silberbergwerk an der Mürtschenalp als Mskr. gedruckt.“ 4° 1857) nahmen seine Kraft, aber auch über die Maßen seine Geldmittel in Anspruch. Ueber Politik sprach er sich Jahre lang nicht öffentlich aus. Erst beim Ausbruch des italienischen Krieges von 1859 schrieb er einige Zeitungsartikel, die er unter dem Titel „Don Quixote der Legitimität oder Deutschlands Befreier“ (Zürich, Kiesling 1859) als Flugschrift herausgab, in welcher er sich dagegen erklärte, daß Preußen für Oesterreich Partei ergreife. „Preußen, hieß es hier, hat heute die Aufgabe, Deutschland zu einer vernünftigen Staatsverfassung zu helfen, in der es endlich sein staatliches Dahinsiechen abschütteln kann.“ Er forderte vom Prinzregenten Anerkennung der Rechtsbeständigkeit der Reichsverfassung von 1849 und stellte in Aussicht, daß alsdann das deutsche Volk Hand in Hand mit ihm gehen werde. Die Ankündigung der preußischen Heeres-Reorganisation in der Thronrede des Prinzregenten vom 12. Januar 1860 schien ihm weit ab von der Verwirklichung solcher Hoffnungen zu führen. Er sah darin den Versuch, „das einzige, wirklich volksthümliche Institut zu Gunsten eines vergrößerten stehenden Heeres umzugestalten“. Seine Ideen, in deren Mittelpunkt das Verlangen der zweijährigen Dienstzeit stand, legte er in seiner Schrift „Soll die Militärlast in Preußen erhöht werden“ (Berlin, Weidling 1860) nieder. Ein letztes öffentliches Wort sprach er in einer gegen die landesverrätherischen Drohungen des Ministers von Borries gerichteten [376] Erklärung. Auch hier wies er auf „die deutsche Reichsverfassung“ als „legitime Fahne Deutschlands“ hin, welche „Preußen die Berechtigung und die Verpflichtung habe, dem deutschen Volke vorzutragen“. Im Sommer 1860 machte er mit K. Hilty eine Reise nach Oberitalien und sah mit Freuden die Erfolge der nationalen Erhebung des italienischen Volkes. Zurückgekehrt machte er sich auf den Weg, um die Schieferbrüche und das Bergwerk zu besichtigen. Er traf am 16. August in Murg am Wallenstädter See ein, wollte sich vor dem Essen durch ein Bad erquicken, schwamm längere Zeit um den Kahn, auf dem er sich hatte hinausfahren lassen, herum und versank plötzlich vor den Augen des Schiffers. Der Leichnam ward nicht aufgefunden. Dem Todten wurde bei Murg ein Denkmal errichtet, das am 5. October 1862 unter zahlreicher Betheiligung von Schweizern und Deutschen, darunter vieler, die seit Jahren in der Verbannung lebten, feierlich eingeweiht wurde.

Simon’s Wesen und Erscheinung werden von Fanny Lewald folgendermaßen geschildert: „Er war ganz aus einem Gusse, eine in sich beruhende Natur, die bewußt und unbewußt daran arbeitete, sich selbst zu vollenden. Er trug ein Ideal von Mannestüchtigkeit und Manneswürde in der Seele, dem er nachstrebte und hatte eine Begeisterung für das Schöne, die ihn danach trachten ließ, sich selber zu einem in Schönheit lebenden Menschen zu erziehen. Seine Gesichtsbildung hatte in späteren Jahren die auffallendste Aehnlichkeit mit dem Moseskopfe von Michel Angelo“. B. Auerbach (Briefe an J. Auerbach I, 69) nennt ihn „einen echten Kernmenschen, eine Natur voll Edelsinn und allem Niedrigen von selbst fremd, bei aller Kraft doch zart poetisch überhaucht“.

Heinrich Simon. Ein Gedenkbuch für das deutsche Volk. Herausgegeben von Dr. Johann Jacoby. 2 Theile. Berlin, J. Springer 1865. (Das Manuscript dieses Werkes rührt von Simon’s Cousine, Frau Gärtner, her und ist ausführlicher als der Druck. Der Unterzeichnete verdankt Herrn und Frau Professor Hilty, einer Tochter Frau Gärtner’s, die Möglichkeit, es haben benutzen zu dürfen). – Fanny Lewald, Meine Lebensgeschichte. Zweite Abtheilung. Berlin 1862. – Biedermann, Erinnerungen aus der Paulskirche. Leipzig 1849. – Biedermann, Dreißig Jahre deutscher Geschichte. Breslau o. J. – Corvin, Erinnerungen aus meinem Leben. Leipzig 1880. III, 411 ff. – Corvin, Aus dem Zellengefängniß. Leipzig 1884. S. 511 ff.