ADB:Schwarz, Friedrich Heinrich Christian
Bahrdt’sche Bibelerklärung durch Versetzung auf die Pfarrei in Alsfeld gemaßregelten Professors der Theologie (s. u. S. 239) und einer Mutter, die sich die pädagogische Methode von Locke und Rousseau ganz zu eigen gemacht hatte und dieselbe auf ihren Sohn anwandte, bezog S. nach erhaltener Vorbereitung auf dem Gymnasium in Hersfeld, 1784 die Universität Gießen, um Theologie zu studiren. Bei seinen beschränkten Mitteln kam dem jungen Mann sein schon mit 14 Jahren praktisch geübter Lehrtrieb wohl zu statten. Neben seinem Fachstudium und den Unterrichtsstunden, die er gab, erweiterte er aber auch noch seine Kenntnisse auf dem Gebiete der Philosophie und Mathematik. Nach Vollendung seiner Universitätsstudien wurde S. zunächst seinem Vater als Hilfsprediger beigegeben, nach dessen Tode er (1790) die Pfarrei Dexbach erhielt. Freundschaftliche Beziehungen, die er hier mit Jung-Stilling – damals in Marburg –, anknüpfte, wurden noch enger durch seine 1792 erfolgte Vermählung mit dessen Tochter Johanna Magdalena, die ihm zehn Kinder schenkte. Hier schon begann S. durch Errichtung eines Pensionates seine pädagogische Thätigkeit, die sich später in seinen Stellungen als Pfarrer zu Echzell in der Wetterau und in Münster bei Butzbach namhaft erweiterte und vertiefte. Dabei setzte er seine eingehenden philosophischen Studien fort und machte seinen Namen in der Gelehrtenwelt durch zahlreiche theologische und pädagogische Schriften bekannt. – Bei der Neugestaltung der Universität Heidelberg durch den damaligen Kurfürsten Karl Friedrich von Baden erhielt S. eine Berufung als Professor der Theologie an diese Hochschule – der erste Lutheraner in der bisher ausschließlich reformirten Facultät. Der Universität Heidelberg blieb S. fortan bis zu seinem Lebensende treu, obwohl ihn vortheilhafte Rufe 1809 nach Greifswald, 1834 – nach Schleiermacher’s Tode – nach Berlin zu ziehen suchten. In Heidelberg entwickelte S. eine rastlose Thätigkeit auf dem theologischen, ethischen und pädagogischen Gebiete. Seine Vorlesungen, zu denen er sich auf das gewissenhafteste vorzubereiten pflegte, wurden sehr eifrig besucht. Mit Creuzer errichtete er 1809 das pädagogisch-philosophische Seminar. Auch das homiletische Seminar stand unter seiner Leitung. Daneben war er in der in seinem Hause fortbestehenden Erziehungsanstalt auch als praktischer Pädagoge thätig und nahm reges Interesse an dem damals berühmten Mädcheninstitut von Karoline Rudolphi, später Emilie Heinz. – An dem Leben der evangelischen Gemeinde nahm S. eifrigen Antheil als Kirchengemeinderath und durch häufige aushilfsweise Predigtenübernahme. Um die Einführung der Union in Baden erwarb er sich als Mitglied der vorbereitenden Unions-Synode in Sinsheim und der eigentlichen Unions-Generalsynode in Karlsruhe (1821) große Verdienste. Die Eigenart dieses Mannes, welcher der große Erfolg seiner pädagogischen Thätigkeit zuzuschreiben ist, vereinigte in sich eine reiche Begabung, die Fähigkeit, sich mit größtem Ernste in die Wissenschaft zu vertiefen und den Trieb, das aus dem Born der Wissenschaft geschöpfte dem praktischen Leben dienstbar zu machen. Die reichen Erfahrungen, die er in seinem Berufe machte, construirte er wissenschaftlich und wandte die auf solche Weise praktisch und theoretisch gewonnenen Ergebnisse in seiner erzieherischen Thätigkeit nutzbringend an. Man [236] hat ihn deshalb mit Recht einen „empirischen Psychologen“ genannt. Dem entsprechend war er auch als Theologe weder ein Anhänger der Orthodoxie noch des Pietismus, ihm lag das praktische Christenthum am Herzen, in welchem der Glaube in Werken der Liebe thätig ist. Sein Geistes- und Gemüthsleben wurzelte in den Ideen der Humanität, die dem Ende des 18. Jahrhunderts die Signatur geben. Von seinen zahlreichen theologischen, ethischen und pädagogischen Werken führen wir an: „Grundriß einer Theorie der Mädchenerziehung in Hinsicht auf die mittleren Stände“, 1792. „Die moralischen Wissenschaften“, 1793. „Religiosität, wie sie sein soll und wodurch sie befördert wird“, 1793 (2. Aufl. 1818 u. d. T.: Katechet oder Lehre von der Bildung und dem Unterricht der Jugend für das Christenthum“). „Briefe, das Erziehungs- und Predigergeschäft betreffend“, 1796. „Der christliche Religionslehrer und seine moralische Bestimmung“, 2 Bde., 1798–1800. „Erziehungslehre“, 4 Bde., 1802–13, 2. Aufl. in 3 Bänden 1829. „Lehrbuch der Erziehungs- und Unterrichtslehre“ 1805 (1817 u. 1835 in umgearb. Aufl.) „Erster Unterricht in der Gottseligkeit oder Elementarunterricht des Christenthums für Kinder aller Confessionen“, 1803. „Gebrauch der pestalozzischen Lehrbücher beim häuslichen Unterricht“, 1804. „Grundriß der christl. protestant. Dogmatik“. „Das Christenthum in seiner Wahrheit und Göttlichkeit betrachtet, oder die Lehre des Evangeliums aus Urkunden dargestellt“. „Handbuch der evangel. christl. Ethik für Theologen und gebildete Christen“, 1821 (umgearb. 1830 u. d. T.: „Die Sittenlehre des evangel. Christenthums als Wissenschaft“ und nochmals 1836 als: „Evangelische Ethik“). „Die Schule“, 1832. „Darstellung aus dem Gebiete der Pädagogik“, 2 Bde., 1833/34, „Grundsätze der Töchtererziehung für die Gebildeten“, 1836.
Schwarz: Friedrich Heinrich Christian S., evangelischer Theolog und Pädagog, geboren zu Gießen am 30. Mai 1766, † zu Heidelberg am 3. April 1837. Sohn eines wegen seines Auftretens gegen die- Badische Biographien II, 289 ff.