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ADB:Rudolphi, Karoline

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Artikel „Rudolphi, Karoline“ von Binder. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 579–580, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rudolphi,_Karoline&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:06 Uhr UTC)
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Band 29 (1889), S. 579–580 (Quelle).
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Rudolphi: Karoline R., Erzieherin und pädagogische Schriftstellerin, geboren zu Magdeburg, † am 15. April 1811 zu Heidelberg. Ihr Vater starb früh gegen Ende des siebenjährigen Krieges, die Familie, die noch zu des Vaters Lebzeiten nach Potsdam übergesiedelt war, lebte nach dessen Tode bei zerrütteten Vermögensverhältnissen in so dürftigen Umständen, daß eine besondere Ausbildung der Tochter nicht zugewendet werden konnte und dieselbe nur die geringe damalige Elementarschulbildung genoß. Die Kinderjahre verlebte sie in einsamer Abgeschlossenheit bei der Mutter fast ganz ohne Umgang mit andern gleichalterigen Gespielinnen; dabei wurde sie aber streng zu allen häuslichen Beschäftigungen angehalten und so zu Fleiß und Ordnungsliebe erzogen. Erst in ihrem dreizehnten Lebensjahre wurde ihr durch den von der Mutter gestatteten Verkehr mit einer der Familie benachbarten Dame Gelegenheit außer der ihr bisher alleinig gebotenen Schullectüre mit den Werken von Gellert, Klopstock, Wieland und Goethe bekannt zu werden; ihr von Natur zu weichem Gefühlsleben geneigtes und durch die Einsamkeit noch mehr zur Innerlichkeit gestimmtes Wesen fand durch diese Lectüre eine mächtige Anregung und es drängte sie die in ihr schlummernde poetische Empfänglichkeit und Neigung zu dem Versuch, die Eindrücke und Empfindungen, die ein so eigenartig gestaltetes Jugendleben in sich trug, gleichfalls in dichterischen Formen auszusprechen: es entstanden so ihre „Morgenlieder“, die Frucht durchwachter und durchträumter Nächte. Einen weitern Einfluß auf ihre geistige Entwickelung übte einige Zeit ihr von der Universität heimgekehrter Bruder, der die Lücken ihrer Kenntnisse nach Kräften auszufüllen bestrebt war, bald aber, da er ein kleines Amt erhielt, das elterliche Haus verließ. Von bestimmendem Einfluß auf ihre künftige Lebensaufgabe wurde in dieser Zeit aber der Verkehr mit einer ihr gewordenen Freundin und deren fünf Kindern; der Umgang mit diesen letzteren weckte und stärkte die schon ihrer Natur eigene Anlage und Neigung zum Beruf der Mädchenerziehung. Nachdem nun auch eine eheliche Verbindung, welche der Bruder der eben genannten Freundin mit ihr einzugehen anstrebte, äußerer materieller sowie auch gesellschaftlicher [580] Hindernisse halber nicht erfolgen konnte, wandte sie sich mit Entsagung und mit nur noch stärkerer Hinneigung dem von ihr gefühlten Lehrberuf zu. Die Gelegenheit hiezu ergab sich, indem jetzt eine adelige Familie auf einem Gut in Mecklenburg sich um sie als Erzieherin ihrer Kinder bewarb. R. nahm das Anerbieten freudig an, doch war dieser Anfang nicht sehr ermuthigend wegen der in jener Familie herrschenden häuslichen Zerwürfnisse; doch blieb sie fünf Jahre trotz manchfacher bitterer Erfahrung in dieser Stellung, da die Kinder, die unter ihrer Leitung vortreffliche Fortschritte machten, ihr mit außerordentlicher Liebe anhingen, und diese ihre Wirksamkeit, sowie ihr Charakter die verdiente Achtung und eine würdige Behandlung mehr und mehr in jener Familie sicherte. Als R. sich endlich doch zu einem Wechsel in der Stellung entschloß, bat jene Familie R., die Kinder zu weiterer Ausbildung mit sich nehmen zu wollen, im Vertrauen, daß sie so der besten Führung übergeben seien. R. nahm die Zöglinge mit sich und wählte nun das Dorf Trittau unweit Hamburg und dann das unmittelbar bei Hamburg gelegene Billwerder zum Aufenthalt behufs Gründung eines Erziehungsinstitutes für Mädchen. Hier verband sich jetzt auch ihr Bruder zur gemeinschaftlichen pädagogischen Wirksamkeit mit seiner Schwester; dieser hatte zuvor seine Schrift „Ueber die Erziehung der Jugend“ und einige sonstige Arbeiten auf gleichem Gebiet herausgegeben und entschied sich jetzt ebenfalls für den Lehrberuf. Das hier errichtete Institut erweiterte sich bald in erheblichem Maße und empfing Zöglinge aus Nah und Fern, besonders nachdem Karolinens Name durch ihre von dem Musiker Reinhardt, einem Freunde des Hauses, in Berlin 1781 (2. Aufl. 1787) herausgegebenen Gedichte weiteren Kreisen bekannt geworden war. Leider starb der mithelfende Bruder 1798, und Karoline war bei dem Umfang der Arbeit auf anderweitige fremde Beihülfe angewiesen; sie gewann als Lehrer nun den als Physiker bekannten Professor Benzenberg, mit dessen Mitwirkung die Anstalt noch 21/2 Jahr erfolgreich weiter geführt wurde. Mehrfache Umstände veranlaßten R., jetzt nochmals den Wohnsitz zu wechseln; ihre Wahl fiel auf Heidelberg, wo sie 1803 sich niederließ; sie fand dort in der norddeutschen Colonie freundliche Aufnahme, wurde in den neuen Verhältnissen bald heimisch und führte als Leiterin und Lehrerin eines Mädcheninstitutes ihr pädagogisches Wirken mit segensreichem Erfolge bis zu ihrem am 15. April 1811 erfolgten Tode fort. Hier in Heidelberg schrieb sie ein schon lange von ihr geplantes Werk: „Gemälde weiblicher Erziehung“, (2 Thle. Heidelb. 1807), dessen Inhalt die Summe einer reichen pädagogischen Erfahrung darstellt und den edlen Geist, den reinen Sinn sowie das tiefe Gemüth der Verfasserin bekundet. Die Gemälde sind, wie fachmännische Urtheile lauten, nach dem Leben entworfen und durch bestimmte Fälle anschaulich gemacht; sie sind Idyllen zu vergleichen, die uns die jungfräuliche Reinheit in ihrer edlen Natureinfalt schildern und uns ein Leben vorführen, das den edlen Naturkeim zu der edelsten Knospe und Blüthe entfaltet. Das Werk wurde mit warmer Theilnahme aufgenommen und die 2. Auflage 1815 mit einer vom Heidelberger Kirchenrathe Schwarz geschriebenen Vorrede eingeleitet. Eine 3. Auflage erfolgte 1838.

Vgl. K. G. Hergang, pädag. Real-Encyklopädie II, 535 ff. sowie dessen „Handbuch der pädagog. Litteratur“. 1840. S. 32. – Fr. Ad. W. Diesterweg, Wegweiser zur Bildung deutscher Lehrer I, 67. 2. Aufl. und desselben „Rheinische Blätter“. 22. Bd. 3. Hft.
Binder.