ADB:Schneider, Eulogius
[104] hier aus besuchte er drei Jahre hindurch das von den Jesuiten geleitete öffentliche Gymnasium und ging im November 1771 zur Universität über, wo er sich als „humanista“ einschrieb. Dieser frühe Uebertritt zur Hochschule hängt mit der eigenthümlichen Verbindung zusammen, in welcher die philosophischen Studien in den oberen Classen des Gymnasiums und die untersten Curse der Universität mit einander standen. Damit kam jedoch auch die Zeit, in welcher sich S. für die Wahl eines Lebensberufes entscheiden mußte. Er entschied sich aber nicht für den geistlichen Stand, wie seine Eltern und Wohlthäter dies ohne Zweifel erwarteten und wünschten, sondern declarirte sich der Form nach als Juristen, wozu er vielleicht die geringere Befähigung mitbrachte. In Wahrheit aber ging er als Student seinen Neigungen und Liebhabereien nach, die in einer ganz anderen Richtung lagen. Die Neigung zur Poesie und den sogen. schönen Wissenschaften war in ihm bereits mächtig durchgebrochen und er scheint in der Hingabe an sie seinen wahren Beruf erkannt zu haben. Freilich war an der Würzburger Hochschule damals für Studien dieser Art, wie für die artes liberales überhaupt, zunächst nur dürftige Nahrung und Anregung zu holen; es ist daher mit Sicherheit nicht nachzuweisen, wann und wo sich S. seine nicht geringe Kenntniß der classischen und modernen Sprachen erworben hat; fleißiges Selbststudium hat vermuthlich dabei mit das Beste gethan. Der um diese Zeit eintretende Sturz des Jesuitenordens hat zwar auch an der Würzburger Hochschule die längst ersehnten und unausbleiblichen Veränderungen gebracht. Inwieweit S. aus dieser Umgestaltung Nutzen gezogen, läßt sich schwer feststellen. Die Ueberlieferung sagt, er habe vor allem das Studium der Philosophie unter der Leitung des Kantianers Columban Röser betrieben, von anderer Seite jedoch wird dieses bestritten und vielleicht mit größerem Rechte. Der Zug seines Geistes ging offenbar nicht in die Tiefe. Er neigte zur Leichtlebigkeit, zum Genusse des Daseins, es schlug in ihm eine epikureische Ader. Diese seine Neigung versetzte ihn jedoch gerade in dieser Zeit in eine Verlegenheit verhängnißvoller Art. Sein leichtfertiger Wandel hatte ihn bald die Freistelle im Convict des Juliusspitals gekostet. Die Mittel seiner Eltern und der gute Wille seiner Gönner waren um so eher erschöpft, als er ihre Erwartungen in betreff der Berufswahl so bitter getäuscht hatte; so wurde seine Stellung in Würzburg zuletzt unhaltbar und er sah sich, etwa 1776, gezwungen, den Schauplatz seiner wenig löblichen Thaten zu verlassen. Schneider’s Leben tritt für die nächste Zeit in ein unbehagliches Dunkel. Wenn die Ueberlieferung Grund hat, daß er sich eine Zeit lang mit einer Schauspielertruppe herumgetrieben, so kann das nur in diesen Jahren gewesen sein. Gewiß ist, daß er zuletzt in seiner Heimath eine Zufluchtstätte gesucht, sie aber durch erneute leichtsinnige Streiche bald wieder verscherzt hat. Unter diesen Umständen geschah es, daß er, wie an sich selbst verzweifelnd, den Entschluß faßte, in den Orden der Franciscanermönche zu treten, der ja schon so manchem Schiffbrüchigen die rettende Hand gereicht hatte. Mannhaft wird man diesen Entschluß kaum nennen wollen, weil er weiter nichts als das Erzeugniß einer augenblicklichen Verlegenheit war und sich leicht voraussehen ließ, daß er heute oder morgen bereut werden würde. Wie dem auch sei, der Entschluß wurde ausgeführt: im J. 1777 – S. zählte 21 Jahre – trat er in Bamberg in das Ordenshaus. Hiermit beginnt ein neuer Abschnitt in seinem Leben. Seine theologischen Studien machte er in Bamberg, wo bekanntlich ebenfalls eine sogen. Universität bestand, und in Salzburg. Im J. 1784 wird er Priester geworden sein und noch in demselben Jahre wurde er als Lector in das Franciscanerkloster nach Augsburg abgeordnet, zum Beweise, daß seine Obern seine Kenntnisse und Lehrgabe wol zu schätzen wußten. Auf diesem Boden, in einer paritätischen Stadt, in welcher die confessionellen Gegensätze scharf genug [105] ausgebildet waren, mußte ein geistreicher und duldsam gesinnter Mönch, wie S. es war, rasch der Gegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit werden. Auf Grund der leicht gewonnenen Sympathieen erwachten seine alten, mit Gewalt zurückgedrängten schöngeistigen Neigungen wieder. Einzelne seiner Gedichte, die in dieser Zeit entstanden sind, lassen, wenn man es nicht wüßte, eher jeden anderen Urheber als einen Franciscanermönch vermuthen. Zu seinen schwungvolleren dichterischen Leistungen gehört die in dieser Zeit entstandene Ode auf den Tod des Herzogs Leopold von Braunschweig. Aber auch ernsthafte wissenschaftliche Arbeiten beschäftigten ihn damals. So arbeitete er jetzt mit Professor Feder in Würzburg an der gediegensten seiner litterarischen Unternehmungen, nämlich an einer Uebersetzung der Reden des h. Chrysostomus über das Evangelium des h. Matthäus. Schon aber nahte die Krisis, die seiner gegenwärtigen Stellung ein vielleicht nicht unerwünschtes Ende machen sollte. Am 25. November 1785 hielt er seine berühmte Toleranzrede, die ihn auf der einen Seite erst recht populär machte, während sie von der anderen Seite her die ganze Meute der unversöhnlichen Kläffer gegen ihn in Bewegung setzte. Von diesem Augenblicke an hatte er keine ruhige Stunde mehr und sehnte er sich nach Befreiung. Diese wurde ihm durch die Empfehlung von Seite eines seiner einflußreichsten Gönner an den Herzog Karl Eugen von Württemberg, der bekanntlich dem katholischen Bekenntnisse angehörte. Er nahm ihn unter die Reihe seiner Hofcapläne auf und ernannte ihn zu seinem Hofprediger. Indem S. in diese Stellung eintrat, schied er keineswegs schon aus dem Mönchsstande aus, sondern erhielt für die Zeitdauer derselben päpstlichen Dispens. Doch führten ihn die Verhältnisse und seine eigenste Natur bald weiter. Drei Jahre hat er am Hofe des Herzogs Karl ausgehalten; sie bilden die glücklichste Zeit seines Lebens. Ein Theil seiner hier gehaltenen Predigten liegt gedruckt vor uns. Sie legen Zeugniß ab für Schneider’s große Beredsamkeit und sein Verständniß für die praktische Seite des Lebens. Auch wissenschaftlich zu arbeiten hat er fortgefahren und daneben freilich die erlaubten Freuden des Daseins nicht zurückgewiesen. Gleichwohl entschloß er sich im Frühjahr 1789 Stuttgart zu verlassen und als Professor der „schönen Wissenschaften“ und der griechischen Sprache an die vor kurzem gegründete Universität Bonn überzusiedeln. Die Trübung seines persönlichen Verhältnisses zu Herzog Karl soll zu diesem seinen Entschlusse beigetragen haben, entscheidend hat aber gewiß die Aussicht auf den ihm eröffneten neuen Wirkungskreis gewirkt. S. fühlte sich zunächst in Bonn wie der Fisch im Wasser. Er trat in einen Kreis Gleichgesinnter ein, die ja seine Berufung auch betrieben hatten. Dem Mönchthum entsagte er nun völlig, da ihn der Papst auf Bitte des Kurfürsten von Köln säcularisirte, aber Priester ist er selbstverständlich gemäß den Satzungen seiner Kirche nach wie vor geblieben. Thatsächlich lebte und arbeitete er ganz und gar im Geiste des Jahrhunderts, der Aufklärung. Im übrigen hat er in den zwei Jahren, in welchen er in Bonn verweilte, als Lehrer und Schriftsteller eine außerordentliche Rührigkeit entwickelt. Neben seinen Vorträgen an der Universität gab er zugleich Unterricht am Gymnasium und war überdieß überall mit Wort und Schrift zur Hand, wo ihn die Gelegenheit rief. Im J. 1790 ließ er eine Sammlung seiner Gedichte erscheinen, in welcher indeß das Mittelmäßige offenbar überwiegt. Als seine Vorbilder erkennt man einige Male Klopstock, öfters Wieland, von einem Einflusse Goethe’s oder Schiller’s ist wenig zu verspüren. Wenn die Sammlung gleichwohl mehrere Auflagen erlebt hat, so muß dieser Erfolg in erster Linie auf die Persönlichkeit und die Schicksale ihres Verfassers zurückgeführt werden. In dem erwähnten Jahre veröffentlichte er zugleich eine in das Gebiet der Aesthetik fallende Schrift, die unzweifelhaft zu seinen verdienstlichsten Arbeiten gehört, wenn sie auch großentheils auf den Ausführungen [106] Eschenburg’s u. A. ruht. Sie ist übrigens nicht vollendet: im Anzuge begriffene Verwickelungen haben dies verhindert. Es hatte nicht ausbleiben können, daß S. auch in Bonn sich gefährliche Gegner erweckte, die von den Zeloten in Köln inspirirt wurden. Die freimüthige Art, wie er am Gymnasium den Religionsunterricht ertheilte, gab die Veranlassung zum Sturme gegen ihn, als er die Grundzüge seines bez. Systems durch den Druck verbreitete. Schon vorher hatte er sich als begeisterten Anhänger und Anwalt der in dem Nachbarlande ausgebrochenen revolutionären Bewegung rückhaltslos kundgegeben. Er wurde bald der Mittelpunkt aller Gleichgesinnten in Bonn. Den Anklagen gegen seine kirchliche Freisinnigkeit hatte der Kurfürst die längste Zeit Stand gehalten, als er sich aber durch seine politische Haltung Blößen gab, ließ ihn der eingeschüchterte Landesherr fallen, S. wurde in Ungnade verabschiedet und mußte bei Nacht und Nebel Bonn verlassen. Doch scheint er auf diesen Fall vorbereitet gewesen zu sein: rasch entschlossen schlug er den Weg nach Straßburg ein. Hier hat sich sein Verhängniß erfüllt. Das Elsaß und die Hauptstadt desselben voran hatten sich der Revolution nur mit Widerstreben unterworfen; zuletzt aber hatte, von Paris her unterstützt, die Verfassungspartei gesiegt. Auf den nachhaltigsten Widerstand war die Durchführung der neuen constitutionellen Kirchenverfassung gestoßen. Es mangelte theilweise an Priestern, namentlich an gelehrten Theologen, die sich derselben gehorsam zeigten und zugleich der deutschen Sprache vollkommen mächtig waren. Man suchte daher deutsche Priester zu gewinnen, von denen man gewiß war, daß sie der neuen Ordnung der Dinge eine Stütze werden würden. Auf Grund dieser Voraussetzung war auch bei Zeiten an S. eine Einladung ergangen, dorthin zu kommen. Um die Mitte des Jahres 1791 traf er in Straßburg ein und wurde zum Professor der Kirchengeschichte und der geistlichen Beredsamkeit an der sogen. katholischen Facultät und zum Vicar des constitutionellen Bischofs Brendel ernannt: solcher „Vicare“ gab es mehrere, sie waren die berathenden Vertrauensmänner des Bischofs und bildeten eine Art Collegium. Bei dieser Stellung ließ sich S. jedoch nicht lange festhalten. Kaum in Straßburg warm geworden, stürzte er sich kopfüber in den wachsenden Strudel der Tagespolitik. Er mochte wol meinen, nun erst sei seine Zeit gekommen. Bereits am 12. Juli 1791 legte er im Münster den Eid auf die „bürgerliche Verfassung des Clerus“ ab und hielt bei dieser Gelegenheit eine Rede, worin er sich bemühte, die „Uebereinstimmung des Evangeliums mit der neuen Staatsverfassung der Franken“ nachzuweisen. Vorübergehend verwaltete er in den darauffolgenden Monaten die Pfarrei Oberbronn und eröffnete dann im November desselben Jahres seine Lehrthätigkeit, bei welcher die öffentlichen Verhältnisse ihn jedoch nicht lange ruhig verharren ließen. Noch im December desselben Jahres wurde er bereits in den Straßburger Municipalrath gewählt, führte bald im sogen. Club der Constitutionsfreunde, der vorläufig alle Anhänger der Revolution in sich vereinigte, das große Wort und wurde zum Vicepräsidenten desselben erhoben. In Wahrheit, wir treffen ihn auf Seite der extremen Partei, die auf die Republik hinarbeitete und den monarchischen und conservativen Elementen in der Stadt und auf dem Lande den Krieg erklärte. So erscheint S. bald auch als entschiedener Gegner des constitutionellen Maire Dietrich, dem er seine Berufung nach Straßburg mit zu verdanken gehabt hatte. Die Gesellschaft der Anhänger der Constitution zerfiel unter diesen Umständen und die Majorität derselben constituirte sich jetzt als Club der Jakobiner bez. der Sansculotten. In diesem Club entwickelte sich freilich auch schnell genug ein Gegensatz zwischen der französischen Jakobinergruppe und der deutsch-revolutionären Partei, als deren Haupt S. mit Recht angesehen wurde. Gerade daß er kein geborener Straßburger war, galt als ein Makel nicht bloß bei der conservativen Bevölkerung, sondern [107] auch bei den revolutionär gesinnten französischen Elementen. Sein revolutionär-republikanischer Fanatismus war indessen bereits zu einem so hohen Grade gediehen, daß er alle besonnenen Erwägungen übertönte und ihn besinnungslos dem Aeußersten zuführte. Die Thätigkeit, die er als Prediger, als Lehrer an der Universität, als Mitglied des Straßburger Rathes, als Tagesschriftsteller in der Zeitschrift „Argos“, die er im Juli 1792 gegründet hatte, entwickelte, war übrigens eine außerordentliche. Zu der Steigerung des Hasses gegen das Königthum und den König hat er das seinige nach Kräften beigetragen. Der 10. August 1792 mit seinen Folgen bildete auch für die Lage der Dinge in Straßburg den entscheidenden Wendepunkt. S. wurde zunächst in den letzten Monaten des genannten Jahres als Commissar nach Hagenau entsandt und versah daselbst drei Monate lang das Amt eines Maire; nach Straßburg zurückgekehrt, sah er sich endlich für seine Verdienste um die Sache der Revolution genügend belohnt: er wurde zum öffentlichen Ankläger bei dem peinlichen Tribunal des niederrheinischen Departements ernannt, ein Amt, nach welchem er sich schon lange gesehnt hatte. Auf diesem Wege hat er aber sein eigenes Verderben herbeigeführt oder doch beschleunigt. Der Widerstand der conservativen deutschen Bürgerschaft in Straßburg war nicht so leicht zu brechen und er sah sich zu diesem Zwecke gedrängt, bei der beweglicheren französischen Fraction eine Stütze zu suchen. Dieser sein gefährlicher Standpunkt trieb ihn immer weiter in terroristischer Richtung vorwärts. So verlangte er schon im Juni 1793 ein Revolutionsgericht, dessen Mitglied so gut als des Sicherheitsausschusses er wurde. Unter seinen Auspicien wurde die Guillotine in Straßburg aufgepflanzt. Nebenbei feierte er das Fest der „Göttin Vernunft“ im Münster mit und schwur wie Andere seine priesterliche Würde ab. Gleichwohl gelang es ihm angesichts des steigenden Gegensatzes und der gegen die deutsche Armee ungünstigen Kriegsführung von Seite der Franzosen nicht, die auf ihm lastende Verdächtigung seiner deutschen Herkunft zu beschwichtigen. Das wurde am deutlichsten zur Zeit, als St. Just und Lebas (im October 1793) als Conventscommissäre in Straßburg erschienen. Im Auftrage St. Just’s unternahm S. eben jetzt mit der Revolutionscommission und von der Guillotine begleitet eine Rundreise durch das Land, um die Durchführung der Assignaten und des Maximums zu erzwingen und die Widerspenstigen und Verdächtigen zu bestrafen. Die Zahl der auf diesem Wege unter seinen Auspicien Verurtheilten belief sich zwar nicht so hoch, als später angegeben wurde, sie war indeß hoch genug – 31 dieser Geopferten zählt man mit Zuverlässigkeit –, und, was die Sache noch schlimmer macht, war die gewissenlose Formlosigkeit, mit welcher unter seiner Autorität dabei verfahren wurde. Wenn S. etwa darauf rechnete, durch diesen seinen Eifer die Unversöhnlichen unter seinen Gegnern zu versöhnen, so machte er die Rechnung ohne den Wirth, denn gerade die Ehrlichkeit seines Fanatismus, wenn der Ausdruck erlaubt ist, war in ihren Augen sein Unrecht, und doch erleidet auch diese Ehrlichkeit bei näherem Zusehen wesentliche Einschränkung. Auch sein Entschluß, gelegentlich der erwähnten Rundreise eine Frau zu nehmen, kann nur zu seinem Nachtheile gedeutet werden und läßt sich kaum anders erklären, als daß er hoffte, dadurch seine wankende Stellung zu befestigen. Ein Verehrer des schönen Geschlechtes ist er freilich von je gewesen; gegen die Priesterehe hatte er schon bald nach seiner Niederlassung in Straßburg eine flammende Rede gehalten, aber welcher halbwegs besonnene und selbstlose Mann würde diesen Moment gewählt haben, einen solchen Schritt zu thun? Dabei kann die Behauptung, daß er seine blutige Autorität nicht mißbraucht habe, die Zustimmung seiner Auserwählten und ihrer Angehörigen zu seiner Werbung zu erringen, zur Noth noch immer bestehen bleiben. Wie dem nun sei, dieser Hergang beschleunigte die Katastrophe. S. kehrte am Tage nach seiner [108] Vermählung (15. Dec.) mit auffallender festlicher Begleitung nach Straßburg zurück, und gerade dieser Umstand wurde von seinen Gegnern als Handhabe benutzt, ihn auf Befehl der beiden genannten Conventscommissäre angeblich wegen seines unrepublikanischen Einzuges in Straßburg mitten in der Nacht zu verhaften und in der Mittagsstunde an die Guillotine angebunden vor den Augen der überraschten Bevölkerung zur Schau auszustellen. Mit S. wurden zugleich verschiedene seiner ergebensten Anhänger verhaftet, er selbst aber noch am Tage seiner Verhaftung nach Paris abgeführt, um sich dort vor dem Wohlfahrtsausschuß zu verantworten. An Muth hat er es bei dem ganzen Vorgange nicht fehlen lassen und von seinem Gefängnisse aus alles Mögliche versucht, seine Unschuld zu beweisen und seine Frau und seine Schwester, die bei Zeiten ihm in die Fremde gefolgt war, zu trösten. Ein Schreiben, das er u. A. an Robespierre zu seiner Rechtfertigung richtete, hat seinen Untergang nur beschleunigt. Am 1. April 1794 hat er auf der Guillotine geendigt. Es ist so gut als gewiß, daß, wenn S. sich im Gefängnisse still verhielt, sich seine Haft bis zum 9. Thermidor verlängert hätte und er wie hundert Andere gerettet worden wäre. Anlangend die officielle Motivirung seiner Verurtheilung, so waren die vorgebrachten Gründe meist nicht stichhaltig, vorab derjenige, kraft welchem er als Verschwörer gegen Frankreich und als Verbündeter der Oesterreicher bezeichnet wurde. Seine wirkliche Schuld lag auf einer ganz anderen Seite, für die man von seinen Anklägern freilich keine Empfindung verlangen kann und deren Erkenntniß ihm selbst gänzlich verloren gegangen war. Ueber seine Gegner brauchte er sich indeß kaum zu beklagen; er hatte ihnen den Weg mit geebnet, und sie handelten nur folgerecht, wenn sie ihn fallen ließen, als sie wahrzunehmen glaubten, daß er ihren Zwecken im Wege stehe. Zum Schlusse sei noch erwähnt, daß Schneider’s erwähnte Schwester (Marianne) nach seinem Sturze in Straßburg zurückblieb und sich verheirathete; seine Wittwe hat seinem Freunde Cotta die Hand gereicht. –
Schneider: Eulogius S., geboren am 20. October 1756 in dem damals zum Hochstift Würzburg gehörigen, zwischen Kitzingen und Schweinfurt gelegenen Flecken Wipfeld am Main. In der Taufe hat er den Namen Joh. Georg erhalten und denselben erst bei seinem Eintritt in das Kloster mit einem anderen, Eulogius, vertauscht, diesen aber, wie man meint, des Wohlklanges wegen auch nach seinem Ausscheiden aus dem Mönchsstande nicht wieder abgelegt. Seine Eltern waren Heckersleute und haben in der Folgezeit ihr mäßiges Besitzthum zum großen Theile daran gewendet, ihrem Sohne eine höhere Laufbahn zu eröffnen. Der Pfarrer seines Geburtsortes, ein Chorherr der benachbarten Augustinerpropstei Heidenfeld, entdeckte in dem jungen S. ungewöhnliche Anlagen und gab ihm daher mit Zustimmung seiner Eltern Unterricht in den Anfangsgründen der lateinischen Sprache, ohne Zweifel in der Voraussetzung, in diesem seinem Schüler für die Kirche ein brauchbares Werkzeug zu gewinnen. Im J. 1768, in seinem 12. Lebensjahre, wurde S. zum Zwecke seiner weiteren Ausbildung nach Würzburg gebracht und in das mit dem sogen. Juliusspital verbundene, für unbemittelte Schüler bestimmte Knabenconvict aufgenommen. Von- Vgl. Schneider’s Schicksale im Vaterhause. Frankfurt a. M. 1792. – Schneider’s Schicksale in Frankreich (1797). – Schneider’s Gedichte (1791). – L. Lersch in den Monatsblättern zur A. A. Zeitung, Dec. 1845, Februar 1846. – F. C. Heitz, Notes sur la vie et les écrits d’Euloge Schneider (1862). – Derselbe, Les sociétés politiques de Strasbourg pendant les années 1790–1795 (1863). – L. Spach, Biographies Alsaciennes, Strasb. 1866, 1. Bd., S. 187–321. – J. Venedey, Die deutschen Republikaner unter der französischen Republik (Leipzig 1878). – K. Mendelssohn-Bartholdy in den Preuß. Jahrbüchern, 1871. – Die bekannte Schrift von Scherer-Lorenz über die Geschichte des Elsasses. – Julius Duboc, Ein deutscher Revolutionär (in dessen u. d. T. „Gegen den Strom“ ges. Aufsätzen. Hamburg 1884). – Der Aufsatz des Unterzeichneten über Eul. Schneider in H. v. Sybel’s historischer Zeitschrift, 37. Bd. (München 1877). – C. W. Faber, Eulogius Schneider u. s. w. Mühlhausen i. E. 1886. – Ein nahezu vollständiges Verzeichniß von Schneider’s Schriften s. bei Baader, Lexikon verstorbener bairischer Schriftsteller des 18. u. 19. Jahrh. I, 2, S. 211–213.