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ADB:Schmid, Vinzenz Franz Anton

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Artikel „Schmid, Vinzenz Franz Anton“ von Theodor von Liebenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 693–695, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmid,_Vinzenz_Franz_Anton&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 01:18 Uhr UTC)
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Schmid: Vinzenz Franz Anton S., von Altdorf, bildet das letzte Glied in der Reihe jener einflußreichen urschweizerischen Landschreiber, die mit Feder und Schwert dem Vaterlande dienten. Geboren zu Altdorf 1758 als Sohn des demagogischen Landammanns Karl Franz S. gehörte Vinzenz einem der ältesten Patriciergeschlechter des Kantons Uri an. Alten Familientraditionen folgend, wiedmete sich der auf seine Talente nicht wenig stolze Urner zuerst dem Militärdienste, indem er mit 18 Jahren in das französische Schweizerregiment Castella eintrat. Allein schon im Mai 1778 wählte ihn die Landsgemeinde zum Landesschützenmeister. Von da an blieb S. im Dienste des Vaterlandes, wurde 1782 Oberstlandeswachtmeister und als solcher Mitglied des Kriegsrathes, 1784 Landschreiber, 1798 Major. – Als Landschreiber führte S. einen neuen Kanzleistil ein, der oft durch alterthümelnde und ungewohnte Wendungen und Wortbildungen frappirt. Daneben erlaubte er sich, selbst in amtlichen Erlassen, die hervorragendsten Personen in einer Weise zu charakterisiren, die an publicistische Licenzen neuerer Zeit erinnert. So nannte er den um die Gunst der Könige wie der Republikaner buhlenden Grafen von Affry, Oberst der Schweizer-Garden in Paris, höhnisch „den Liebling aller Zeiten“. Volk und Behörden des Kanton Uri dagegen behandelte S. in devotester Weise, in einem „fast neuern orientalischen Ton“. Diese Schreibweise trug nicht wenig dazu bei, daß S. bald der Abgott des gemeinen Volkes wurde. – Als Landschreiber fand S. Gelegenheit, die Archive von Uri zu durchforschen. Von General zur Lauben unterstützt, legte S. eine Urkundensammlung zur Geschichte seines Heimathlandes an, die manches seither verloren gegangene Document enthält. Daneben sammelte er Genealogien der lebenden und abgestorbenen Adelsgeschlechter seines Landes, die aber nur für die zwei letzten Jahrhunderte zuverlässigere Nachrichten enthalten. Aus diesen beiden Sammlungen erwuchs die schwülstig geschriebene, [694] bis in’s Jahr 1481 reichende „Geschichte des Freystaates Uri“ (Zug 1788 und 1793), eine der ersten scheinbar auf Urkunden und bis dahin unbekannte Chroniken sich stützenden Kantonalgeschichten der Schweiz. Aber ächte und fingirte Urkunden und Chroniken sind hier so wunderbar durcheinander gemischt, daß namentlich der erste Band des Werkes nur mit größter Vorsicht benutzt werden kann. Dagegen gehen die meisten Fälschungen vor die Zeit Schmid’s zurück, der, wie die Benutzung der Schriften Guillimann’s zeigt, keinen kritischen Blick besaß. S. hat höchstens die angebliche Urkunde vom Jahre 809 erfunden, laut welcher Uri an’s Reich gekommen sein soll. Als „Uraniens Harstgebieter“ führte S. im J. 1792 die Standescompagnie seines Heimathkantons zur Grenzbesetzung nach Basel. Im folgenden Jahre begleitete er als Legationssecretär die urnerische Gesandtschaft wieder dorthin. Die überschwänglichen, bei jenen Anlässen gehaltenen, die Revolutionszeit charakterisirenden[WS 1] Reden veröffentlichte S. 1797 in Basel.

Vom 27. December 1797 bis 31. Januar 1798, wo die eidgenössische Tagsatzung vor dem Untergang der alten Schweiz in Aarau ihre letzte Sitzung hielt, war S. Secretär der Gesandtschaft des Standes Uri. Dann erließ S. am 2. Februar einen feurigen Aufruf an die Truppen von Uri zur Vertheidigung der Freiheit und Unabhängigkeit des von den Franzosen bedrohten Vaterlandes und führte dieselben auf Mahnung Bern’s in’s Feld. Allein sogleich wurde S. wieder zurückberufen, um die jenseits des Gotthards drohenden Unruhen niederzuhalten. Aus dem Tessin wieder nach Altdorf zurückgekehrt, zog S., der „um alles in der Welt hier kein Bleiben hat,“ mit dem Contingent von Livinen und Uri wieder gegen die Franzosen zu Felde und befand sich zur Zeit des Entscheidungskampfes am 4. März in der Nähe von Bern. Auf Befehl des Kriegsrathes mußte S. mit seinen Truppen den Rückzug antreten, um das eigene Land zu retten. – Zu Hause war und blieb S. ein erbitterter Gegner der Helvetik; doch mußte er schon am 4. April die Urkunde unterzeichnen, durch welche die Urkantone die italienischen Herrschaften Bellinzona, Blenio und Riviera frei erklärten. Am 9. April stellte S. an die Landsgemeinde von Uri nicht blos den Antrag, den Landsturm gegen die Helvetik zu organisiren, sondern auch alle Anhänger derselben criminell zu bestrafen und des Landes zu verweisen. Hierdurch stieg S. im Vertrauen des gemeinen Volkes ungemein, wenn auch seine Anträge nicht vollständig durchdrangen. Nachdem S. namens des Kantons Uri der Konferenz der demokratischen Kantone in Schwyz zur Wahrung ihrer Verfassung beigewohnt hatte, zog er mit 600 Mann an der Seite der Schwyzer und Nidwaldner in’s bernerische Haslethal, um dasselbe gegen die Helvetik aufzureizen. Allein auf die Nachricht, daß die Franzosen am 29. April in Zug eingerückt seien, befiel die Armee eine eigentliche Panik, so daß sie auseinander stob. S. wagte nicht einmal seine Truppen durch Obwalden zurückzuführen, sondern schlich mit denselben auf den einsamsten und unwegsamsten Pfaden durch das Gadmenthal über den Susten heim. Gleich darauf wurde S. an General v. Schaumburg abgesendet, um demselben die Annahme der französischen Capitulation zu erklären (8. Mai). Als inzwischen am 4. Mai das Land dem Kanton Waldstätten zugetheilt worden war, erhielt S. die Stelle eines Verwaltungsrathes und Kantonsschreibers. Doch spielte er namentlich in den Septembertagen 1798 während der Kämpfe in Nidwalden, eine zweideutige Rolle. Falscher Ehrgeiz verleitete ihn bald, sich gegen den übermächtigen Feind an die Spitze eines verblendeten Volkes zu stellen. S. wohnte den geheimen Versammlungen der Unzufriedenen bei und unterhielt mit englischen und österreichischen Agenten und schweizerischen Flüchtlingen Briefwechsel. Seine Freunde und Verwandten mahnten ihn umsonst von diesem gefährlichen Unternehmen ab. Vergeblich [695] suchten sie ihn zur Uebernahme des Amtes eines Districtsstatthalters zu bereden, in welcher Eigenschaft er am meisten zum Wohle des Volkes wirken könnte.

Als im Frühling des Jahres 1799 die Oesterreicher gegen Zürich vorrückten, begann im Volke der Urschweiz ein ungeduldiges Drängen. Man hoffte mit List und Gewalt sich der französischen Truppen zu entledigen und mit Hilfe Oesterreichs die alte Staatsform wieder herstellen zu können. S., „von phantastischer Gemüthsart, der mit einigen zu wenig ausgebildeten Geistesanlagen einen unbegränzten Familienstolz verband, der zuweilen an das Abentheuerliche streifte und eine Geistesverwirrung ahnen ließ“, hatte „eine übergroße Vaterlandsliebe, die in ihm allzugroßes Vertrauen auf den Muth und die Kraft seiner Mitbürger erweckte“. Trotz des schweren Unglücks, das ihn betroffen – beim Brande von Altdorf am 5. April 1799 hatte S. mit seinem Hause fast alle Habe verloren – stellte er sich an die Spitze des Volkes, das ihn wie einen Abgott verehrte. Aus Seedorf erließ S. einen Aufruf an’s Volk, am 25. April sich zu einer Wallfahrt nach der Landescapelle an der Jagdmatt einzufinden, unter dem mächtigen Schutze des Reichsadlers den alten Kanton Uri zu verjüngen, die Franzosen und die helvetische Regierung aus dem Lande zu vertreiben und „die Bezwinger Europa’s mit den sieggewohnten alten uranischen Waffen zu strafen“. Allerdings machte S. an der Jagdmatt die Bauern auf eine mögliche Niederlage aufmerksam, schilderte die Lage des Einzelnen wie des ganzen Landes im Falle des Mißlingens, versprach aber doch dem durch Priester fanatisirten Volke ein treuer Führer sein zu wollen, wenn man im Falle seines Todes seiner Wittwe und Kinder gedenken wolle. Jubelnd ernannte das Volk S. zum „General“. Rasch wurden von 600 Urnern die vier im Kanton zerstreuten französischen Compagnien überfallen, zersprengt und vertrieben. Als S. mit seinen Truppen bis nach Morschach vorgedrungen war, ließ er nach Schwyz melden: „Uraniens Harste sind sieghaft!“ In Uri begann eine Schreckensherrschaft. Da forderte General Soult das Volk zur Unterwerfung auf. S. konnte oder wollte sich nicht zurückziehen. Soult rückte deshalb am 8. Mai 1799 mit einer kleinen Flotte heran. Wie man den Bauerngeneral von der Gefahr benachrichtigte, kniete er, die Erfüllung der Geschicke ahnend, in seiner Wohnung zu Seedorf vor einem Crucifix, erhob sich rasch, eilte zum Grundbühl am Grunibach, wo unfern der Tellskapelle seine Vorposten im Feuer standen. Hier zog er seine Uniform aus, steckte sein Schwert in die Erde, richtete seine hölzernen Kanonen gegen die Schiffe und rief: Thut was ihr wollt, ich weiche nicht! Da zerschmetterte ihm eine Flintenkugel den Kopf.

Amtliche Sammlungen der eidgen. Abschiede VIII, 615; 712. – Akten der Helvetik von Strickler I, 603 f., 785. – Holzhalb, Fortsetzung von Leu’s helvet. Lexikon V, 395. – Lusser, Leiden und Schicksale der Urner, Altdorf 1845, 104–132; Geschichte von Uri 320–378. – Lutz, Nekrolog denkwürdiger Schweizer, 1812, 478–479. – Monnard, Fortsetzung von J. v. Müller, 1849, III, 254, 260. – J. v. Müller, Sämmtliche Werke XII, 16–23. – A. v. Tillier, Geschichte der helvet. Republik, Bern 1843, I, 273–274. – H. Zschokke, Kampf und Untergang der schweiz. Berg- und Waldkantone, Bern 1801, II, 208. – Helvet. Staats Almanach 1801, 190 f.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: charakerisirenden