Zum Inhalt springen

ADB:Schirmer, David

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schirmer, David“ von Max von Waldberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 311–312, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schirmer,_David&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:24 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schirmer, Adolf
Nächster>>>
Schirmer, Wilhelm
Band 31 (1890), S. 311–312 (Quelle).
David Schirmer bei Wikisource
David Schirmer in der Wikipedia
David Schirmer in Wikidata
GND-Nummer 118607820
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|311|312|Schirmer, David|Max von Waldberg|ADB:Schirmer, David}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118607820}}    

Schirmer: David S., deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts, der Sohn eines sächsischen Dorfpfarrers, ist etwa um 1623 zu Pappendorf bei Freiberg in Sachsen geboren, besuchte zunächst die Schule seiner Vaterstadt, dann die unter Leitung des bekannten Dichters und Gelehrten Christian Gueintz stehende Stadtschule in Halle, die er 1643 verließ, um in Leipzig ein, wie es scheint, durch keine ernste Arbeit gestörtes Litteratenleben zu führen, verbrachte mehrere Jahre in Wittenberg und wurde von Leipzig, wohin er zurückgekehrt war, im J. 1650 vom Kurfürsten Johann Georg von Sachsen nach Dresden, zuerst zu einer nichtamtlichen Stellung eines Hofpoeten berufen, in der er verpflichtet war, gegen gelegentliches Entgelt zu allen fürstlichen Festlichkeiten das poetische Beiwerk zu liefern. Erst unter Johann Georg II. erlangte er 1656 das Amt eines kurfürstlichen Bibliothekars, das er bis 1682 versah. In diesem Jahre wurde er, wie es scheint, dienstlicher Unregelmäßigkeiten wegen, entlassen, lebte noch einige Jahre in Dresden, wo er vermuthlich auch starb. Genau ist weder Ort noch Jahr seines Todes zu ermitteln. S. ist eine jener häufigen litterarischen Existenzen des 17. Jahrhunderts, deren von Natur aus nicht geringe Begabung durch die traurigen künstlerischen Verhältnisse der Zeit vollständig erstickt wurde. Seine künstlerische Individualität ist unter dem fortwährenden Nachahmen und Nachempfinden zum großen Theil gestört worden und viele Werke seiner poetischen Kleinkunst lassen sich fast Vers für Vers auf bekannte Vorbilder zurückführen. Bald ist es Opitz, bald Fleming, oder ein anderer Modedichter der Zeit, dem er nachstrebt, und viele von diesen Mustern gemünzte poetische Wendungen finden sich, gering variirt, bei S. wieder. Aber er hat vor seinen Vorbildern nicht nur einen größeren Reichthum der lyrischen Formen und glattere Diction, sondern namentlich die Sangbarkeit seiner kleineren Dichtungen voraus. So wurden auch viele seiner in den „Rosengebüschen“ (Dresden 1657) veröffentlichten Lieder geradezu gegen den Willen des Verfassers wahre Volkslieder, und sein Zeitgenosse Johann Georg Schoch berichtet, daß damals kein Schneider in der Werkstatt ein Paar Strümpfe [312] flicken, kein Schlosserjunge ein Paar Kannen Bier holte, ohne daß er sein „gewöhnliches Leibstückgen“, Schirmer’s: „Immer hin; fahr immer hin“ gesungen hätte. Bei Schirmer’s Liebesdichtungen drängt sich ferner die Empfindung auf, daß hier das innere Erlebniß größeren Antheil an der Entstehung habe, als etwa bei Opitz oder dessen anderen Nachtretern. Historische Bedeutung erlangt S. dadurch, daß er mit seiner Lyrik den Uebergang zwischen beiden sogenannten schlesischen Schulen bildet und er einer der ersten ist, bei dem der später zur Alleinherrschaft gelangte Marinismus sich deutlich bemerkbar macht. Bilderwust und Concetti sind jedoch bei ihm noch nicht zur Manier geworden. In seinem in den „Rautengebüschen“ (Dresden 1668) abgedruckten, am 2. December 1650 in Dresden aufgeführten „Ballet von dem König Paris und der Helena“ wirthschaftet er mit dem landläufigen Apparate der Rococodichtung. Die lyrischen Einlagen sind unselbständig und unbedeutend. Ein Singspiel „Der triumphirende Amor“, 1652 in Dresden aufgeführt, ist zwar stofflich wie in der Form von Opitz-Rinuccini’s „Daphne“ abhängig, aber für geschmacklose Verse, wie:

„Kein größer Hertzeleid ist auff der gantzen Erden,
Als wenn ein Vater sieht aus Kindern Rinder werden.“

darf das Vorbild nicht verantwortlich gemacht werden. Schirmer’s Gelegenheitsverse und vereinzelte geistliche Dichtungen sind keiner Beachtung werth.

M. E. N(eumeister), Specimen dissertationis historico-criticae de poetis germanicis 1695, p. 94 f. – Müller-Förster, Bibl. deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts, Band XIII.