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ADB:Fleming, Paul

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Artikel „Fleming, Paul“ von Theodor Kolde in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 115–117, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fleming,_Paul&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:03 Uhr UTC)
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Band 7 (1878), S. 115–117 (Quelle).
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Fleming: Paul F. (auch Flemming und Fläming geschrieben) wurde am 5. October 1609 zu Hartenstein, einem kleinen an der Mulde gelegenen Städtchen, geboren. Sein Vater, lutherischer Pfarrer, siedelte nicht lange darauf nach dem ebenfalls an der Mulde liegenden Oertchen Wechselburg über, welches wie Hartenstein zu den Besitzungen der gräflichen Familie Schönburg-Waldenburg gehörte, mit der F. stets die engsten Beziehungen aufrecht erhalten hat. In der Stadtschule zu Mittweida vorgebildet, wo er auch schon die lateinischen Dichter kennen lernte, besuchte er seit 1623 die Thomasschule zu Leipzig und von Michaelis 1626 an die dortige Universität, um Medicin zu studiren. Wie weit er sich diesem Studium ernstlich gewidmet, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, doch sei gleich hier erwähnt, daß er 1640 in Leyden sich durch Vertheidigung seiner Inauguraldissertation „De lue Venerea“ (Lugd. Bat. 1640. 4.) die medicinische Doctorwürde erwarb. Seine Neigungen lagen jedenfalls auf schöngeistigem Gebiete. Schon früh hatte er sich mit poetischen Versuchen beschäftigt, zu deren Fortsetzung ihn die freundliche Anerkennung seiner Leipziger Lehrer ermuthigte. Von großer Bedeutung war es aber für ihn, daß er in einen Kreis schlesischer Studenten eingeführt wurde, die mit Begeisterung zu ihrem Landsmann Martin Opitz, der eben auf der Höhe seines Ruhmes stand, aufschauten und F. mit in diese Richtung hineinzogen. Bald rechneten sie ihn ganz zu den Ihrigen und wie sie, sah F., der durch seinen intimen Freund Georg Gloger mit Opitz’ Schriften bekannt wurde, in ihm sein dichterisches Ideal. Seine ersten Dichtungen, Gelegenheitsgedichte, wie sie im Freundeskreise entstanden oder durch die zahlreichen jugendlichen Neigungen des Dichters hervorgerufen wurden, sind nur Nachahmungen des Schlesiers; auch gesteht F. selbst in dem Vorwort zum ersten Druck von „Davids, des hebreischen Königs und Propheten Bußpsalmen. Vnd Manasse, des Königs Juda Gebet“ etc. (1631), daß diese Arbeit nur eine Nachahmung der „Klagelieder des Jeremias“ von einem höheren Meister sei. Das Jahr darauf widmete er dem Prof. August Buchner in Wittenberg (s. Bd. III. S. 485 ff.) das in demselben Styl gehaltene Klagegedicht „Ueber das unschuldigste Leiden und Todt vnsers Erlösers Jesu Christi“. Noch andere geistliche Gedichte, die sich durch religiöse Tiefe und Innigkeit auszeichnen, fallen in diese Zeit seines Leipziger Aufenthaltes. Sie sind fast durchgängig getragen von einer bisweilen schwermüthigen Gottergebenheit, die dem vielleicht bald eintretenden Tode furchtlos entgegensieht, und die sich bei der Jugend des Verfassers nur erklären läßt im Hinblick auf den Jammer und das Elend, das auf seiner Umgebung lastete. Die Pest wüthete nämlich in der Stadt und entriß ihm seine Geliebte, deren Andenken er in einer kleinen Sammlung lateinischer Gedichte („Rubella sive Suaviorum liber“, Lips. 1632) feierte. Aber höher als diese persönlichen Interessen, standen ihm doch die des Vaterlandes. Es war nicht blos Parteisache, was ihn, den frommen Protestanten in seinen Liedern für die Glaubensfreiheit eifern und Gustav Adolf feiern ließ, sondern ein offenes Auge und ein warmes Herz für die Noth und die tiefe Zerrüttung des Vaterlandes, das er höher schätzte als alles andere. Aber als Gustav Adolfs Tod die Hoffnung auf einen baldigen Frieden vernichtete und Sachsen von neuem [116] von den Kriegswirren betroffen wurde, reifte in ihm unter mancherlei Kämpfen der schwere Entschluß, sein Vaterland zu verlassen. Durch seinen Freund Adam Olearius veranlaßt, erwarb er sich die Erlaubniß, an der von Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein geplanten großen Gesandtschaft nach Moskau und Persien theilnehmen zu können, die durch die Beschreibung der Reise von Seite des Olearius berühmt geworden ist. F. begleitete die Gesandtschaft unter dem Titel eines Hofjunkers und Truchsesses. Von geringem Verständniß für ihre commerciellen Ziele, um derentwillen die mit fürstlichem Aufwand unternommene Reise gemacht wurde, sah sie der Dichter, wie wir aus einer im November 1633 veröffentlichten Ode an die Gesandten erkennen können (Lappenberg 1. 358), vielmehr als eine Erschließung des Orients an, als ein bedeutungsvolles Ereigniß für die ganze Christenheit, einen neuen Kreuzzug. Am 14. October 1633 verließ F. mit den Uebrigen Hamburg, nachdem er vorher sein schönes Reiselied gedichtet: „In allen meinen Thaten“, das, wenn auch verkürzt, sich noch heute in den meisten protestantischen Gesangbüchern findet. Länger als fünf Jahre theilte er die Wechselfälle der merkwürdigen Gesandtschaft auf ihren Zügen durch Rußland, der Fahrt auf der Wolga, dem kaspischen Meere bis nach Persien, freudige wie traurige Ereignisse durch seine Lieder markirend, überall beobachtend, lernend. Erst am 13. April 1639 traf man auf der Rückreise wieder in Reval ein, wo der Dichter sich mit Anna Niehusen verlobte. Am 1. August langte die Gesandtschaft glücklich am Hofe des Herzogs Friedrich in Gottorf an, von wo sich F. nach einem kurzen Aufenthalt in Hamburg nach Leyden begab, um sich dort, wie schon erwähnt, die medicinische Doctorwürde zu erwerben. Reval sollte dann der Ort seiner ärztlichen Wirksamkeit sein. Aber aus Leyden zurückgekehrt, verfiel er in eine heftige Krankheit, deren tödtlichen Ausgang er alsbald erkannte. Er nahm vom Leben Abschied, indem er sich seine eigene Grabschrift dichtete, die ebenso sehr von dem hohen Selbstgefühl des Dichters, wie von dem Ungebeugtsein seines Charakters und seiner Unerschrockenheit vor dem Tode Zeugniß ablegt. Er starb am 2. April 1640 und ist in der Katharinenkirche zu Hamburg begraben.

F. war eine kraftvolle, sittlich angelegte Dichternatur, originell allerdings vielleicht nur in der Aneignung und Verwerthung des Empfangenen. In weitem Blick für die politischen Verhältnisse, im Erfassen der Vaterlandsidee die Besten seiner Zeitgenossen überragend, ist er als Dichter ganz das Kind seiner Zeit. Wie den Erzeugnissen der ganzen schlesischen Dichterschule, eignet auch seinen Dichtungen ein übermäßiges, nicht selten durch Ausrufe der Freude oder des Schmerzes platt werdendes Pathos, eine Sucht nach Bilderreichthum und starkes Auftragen von Farben, wie ein Haschen nach Wortspielen und Witzen, aber auf der andern Seite zeichnet gerade ihn auch vor seinem Vorbilde Opitz Wahrheit und Tiefe der Empfindung aus, die trotz der Fülle unsympathischer Künstelei unverkennbar ist. – Seinem Freunde Olearius hatte er kurz vor seinem Tode die Sammlung seiner Dichtungen zur Herausgabe übergeben. Eine Auswahl davon erschien im J. 1641 als „Prodromos“, erst fünf Jahre später die versprochene Gesammtausgabe, worin die ohne Zweifel von dem Dichter selbst vorgezeichnete, Opitz entlehnte Eintheilung in „Poetische Wälder“ („vom Gleichniß eines Waldes, in dem vieler Art Bäume zu finden sind“), Oden, Sonnette, Epigramme (Ueberschriften) beibehalten ist. Eine vollständige Ausgabe, auch der lateinischen Gedichte, hat erst in neuester Zeit J. M. Lappenberg in der Bibliothek des litterarischen Vereins zu Stuttgart geliefert (Stuttg. 1863–65), woselbst sich auch in den Anmerkungen, in einem Verzeichniß der Einzeldrucke und Gesammtausgaben von Fleming’s Werken so ziemlich alles auf ihn Bezügliche in fast erschöpfender Vollständigkeit zusammengestellt findet. Eine Auswahl (mit [117] wenig Auslassungen) gibt Tittmann in K. Goedeke und J. Tittmann, Deutsche Dichter des 17. Jahrh., Leipz. 1870.

Olearius, Vermehrte Moscowitische und Persianische Reisebeschreibung, 1656 (1. Ausg. 1647). Varnhagen v. Ense, Biograph. Denkmale, 4. Bd. H. Döring in Ersch und Gruber. G. Naumann, P. F., Güstrow 1874.