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ADB:Schele, Eduard Freiherr von

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Artikel „Schele, Eduard Freiherr von“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 747–751, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schele,_Eduard_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:28 Uhr UTC)
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Schele: Eduard August Friedrich Freiherr v. S., der zweite Sohn des Freiherrn Georg v. S. (s. u.), geboren am 23. September 1805 zu Schelenburg, besuchte das Lyceum in Hannover, studirte in Göttingen vom Herbst 1823 bis Herbst 1826 und trat in den hannoverschen Justizdienst. 1830 zum Assessor bei der Justizkanzlei in Hannover ernannt, wurde er seit 1832 zugleich als Hülfsarbeiter im Justizministerium und bald darauf auch im auswärtigen Ministerium beschäftigt. Als sein Vater mit dem Regierungsantritt Ernst August’s zum Staats- und Cabinetsminister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten berufen wurde, erhielt S. eine Stelle im letztgenannten Ministerium mit dem für dessen Räthe hier wie anderwärts üblichen Titel Legationsrath und neben v. Falcke, Leist und v. Lütcken einen Platz im Cabinet. Im Verfassungskampfe erwarb er sich mannichfache Verdienste um die Politik Ernst August’s und seines Vaters. Er begleitete den König auf der Reise nach Karlsbad im Sommer 1837 und nahm an der Conferenz Theil, welche Metternich auf seinem Schlosse Königswarth am 11. August mit dem Bundespräsidialgesandten v. Münch-Bellinghausen, dem preußischen Gesandten in Wien v. Maltzan und dem hannoverschen [748] Gesandten v. Bodenhausen über die hannoversche Angelegenheit abhielt. Die Sicherheit, welche S. heimbrachte, daß die deutschen Großmächte den König nicht im Stiche lassen würden, trug ihm bei Ernst August gewiß keine geringe Wertschätzung ein. Er verweilte dann auch im November in der Umgebung des Königs auf dem Jagdschlosse Rotenkirchen und war ein Hauptfaiseur der Scene, welche man die Deputation der Göttinger Universität dort spielen ließ und Dahlmann in seiner Schrift: „Zur Verständigung“ verewigt hat. Die Bezeichnung: „Der Sohn seines Vaters“, die Dahlmann von Schele’s älterem Bruder, dem Landrath Ludwig v. S. gebraucht, wurde früh auf ihn bezogen und ist sein Lebenlang an ihm haften geblieben, wenn auch unverdienter Weise. Im Sommer 1839 vor der Abstimmung des Bundestages in der hannoverschen Sache war er mit einer Mission nach Frankfurt betraut. 1840 zum Cabinetsrath, 1843 zum geheimen Cabinetsrath befördert, wurde er 1844 in die nach der Verfassung von 1840 einzige dem Könige vorbehaltene und mit einem Mitgliede adeligen Standes zu besetzende Stelle der ersten Kammer berufen. Dem Kronprinzen Georg hielt er Vorträge zu dessen Einführung in die Regierungsgeschäfte. Nach Stralenheim’s Tode im J. 1847 übernahm S. die Direction des Ministerialdepartements der Justiz. Am 20. März 1848 trat S. mit seinen Collegen zurück und machte dem Ministerium Stüve Platz. In der Ständeversammlung, deren erster Kammer er jetzt als Abgeordneter der Osnabrückschen Ritterschaft angehörte, wie bisher sein älterer Bruder, erklärte er sich gern bereit, zu einer Reform der Ritterschaften durch Aufnahme von Bürgerlichen mitzuwirken, verweigerte aber seine Zustimmung zu dem Satz der Adresse, welcher einen Verzicht des Adels auf sein Recht der Standschaft enthielt und nach seiner Meinung das Recht der Provinzialstände verletzte. Von der großen Mehrzahl seiner Standesgenossen überstimmt, enthielt er sich seitdem der thätigen Theilnahme an den Kammerverhandlungen. Erst ein Auftrag Ernst August’s in der mecklenburgischen Verfassungssache führte ihn der officiellen Politik wieder zu. Der Großherzog von Mecklenburg, von der Ritterschaft verklagt, hatte der Patentverordnung von 1817 gemäß den König von Hannover, die Ritterschaft den König von Preußen um Bestellung eines der Rechts- und Staatssachen kundigen Schiedsrichters ersucht und jener S., dieser den Vicepräsidenten des Obertribunals Götze ernannt, die mit dem Obmann v. Langenn, Präsidenten des Dresdener Oberappellationsgerichts, zu Freienwalde am 11. September 1850 die Aufhebung der landständischen Verfassung durch das Staatsgrundgesetz von 1849 für nichtig erklärten. Zu den Ministerialconferenzen, welche Fürst Schwarzenberg am 23. December 1850 in Dresden eröffnete, erschien für Hannover mit dem damaligen Ministerpräsidenten A. v. Münchhausen Herr v. S. Der erstere, durch den hochfahrenden Fürsten Schwarzenberg schwer verletzt und für seine innere Politik einer äußeren Stütze bedürftig, näherte sich Preußen, während gleichzeitig unter den Mitgliedern der Commission, welche Maßregeln zur gemeinsamen Förderung der materiellen Interessen berathen sollte, der hannoversche General-Steuerdirector Klenze mit Geh. Rath Delbrück Besprechungen anknüpfte, die verhältnißmäßig schnell zu dem für die wirthschaftlichen Verhältnisse beider Theile gleich erwünschten Vertrage vom 7. September 1851 führten, welcher den Eintritt Hannovers in den Zollverein zum 1. Januar 1854 stipulirte. Die Annäherung setzte sich in Frankfurt fort, wohin S. an des zurückberufenen Detmold Stelle Mitte Mai 1851 abgesandt wurde und ziemlich gleichzeitig mit dem neu ernannten Rathe bei der preußischen Bundestagsgesandtschaft, Geh. Legationsrathe O. v. Bismarck, eintrat. Rasch gestaltete sich ein gutes Einvernehmen zwischen beiden. Bismarck lobte den hannoverschen Collegen als offen und wohlwollend, als den einzigen der ganzen Gesellschaft, der ihm gefiel, und schmeichelte sich, [749] die Hingebung an Oesterreich, deren sich die hannoversche Stimme bis dahin befleißigt, in etwas erschüttert zu haben, zumal sich S. gleich andern über verletzendes Auftreten des Präsidialgesandten zu beschweren hatte. Schele’s Thätigkeit in Frankfurt hat nicht länger als sechs Monate gewährt, aber ihn doch an wichtigen Geschäften betheiligt, der Flottenangelegeuheit, den Versuchen einer allgemeinen Handelseinigung und den Maßregeln gegen die deutschen Landesverfassungen. Keine war darunter so verhängnißvoll, auch für Schele’s eigene Zukunft, als der unter seiner Mitwirkung gefaßte Beschluß vom 23. August, der die Regierungen zur Prüfung der Uebereinstimmung ihres Landesrechts mit dem Bundesrecht aufforderte und zur Niedersetzung des sog. Reactionsausschusses führte. Als der Bundestag am 3. October, wenn auch in schonender Form, die hannoversche Regierung mit Gesetzen und Verfügungen gegen die bestehenden Provinzialverfassungen vorerst einzuhalten ersuchte, und der gedachte Ausschuß am 23. October eine Auskunft über die Revisionsbedürftigkeit der hannoverschen Gesetzgebung wünschte, war S., durch eine Ministerkrisis in die Heimath gerufen, abwesend. Ende October kehrte er zurück, aber nur auf kurze Zeit; denn als König Ernst August am 18. November starb, bestätigte zwar sein Nachfolger die Minister seines Vaters zunächst in ihren Aemtern, aber schon vier Tage später war das Ministerium Münchhausen-Lindemann entlassen und ein neues unter S. gebildet. Ergiebt sich schon hieraus, daß keine Vorbesprechungen während der längeren Krankheit des 81jährigen Ernst August stattgefunden hatten, so erhellt es auch weiter aus der Unsicherheit, mit der sich S. und andere gegen Bismarck noch kurz vor dem Regierungsantritt König Georg V. über dessen politische Absichten geäußert hatten, und nicht zum wenigsten aus der Zusammensetzung des neuen Ministeriums. Denn die bürgerlichen Staatsdiener, Windthorst und Bacmeister, die hier mit den adeligen, v. Borries und v. d. Decken, vereinigt waren, vertraten in der wichtigsten Frage des Landes entgegengesetzte Meinungen. Jene hofften von einer Verständigung mit der Ständeversammlung und den Provinziallandschaften, diese, zugleich die bisherigen Führer der Ritterschaften in ihrem Kampf gegen die Regierung, von einer Beseitigung der 1848er Verfassung durch den Bund die Lösung der inneren Schwierigkeiten. Der Ministerialpräsident, zwischen den beiden Parteien stehend, neigte sich mehr zu der Ansicht seiner bürgerlichen Collegen hin. Die Verfassungsfrage war nicht die einzige ungelöste Aufgabe, welche die Vorgänger dem neuen Ministerium hinterlassen hatten: der Septembervertrag, die Gesetze zur Verwaltungsorganisation, die Flottenangelegenheit, alles harrte der Erledigung. Auf Unterstützung hatte der neue Minister wenig zu rechnen. Der junge König, in Staatsgeschäften unerfahren, war noch unentschlossen über die einzuschlagende Richtung. In der Ständeversammlung riefen der Name und die Vergangenheit des Ministers Besorgnisse und Erinnerungen an 1837 wach. Am Hofe hatten die Ritterschaften die einflußreichste Vertretung. In der Diplomatie überwogen die österreichisch-großdeutschen Stimmen und redeten der Intervention des Bundes in der Verfassungsangelegenheit und der Verdrängung des Septembervertrages durch eine österreichisch-deutsche Zolleinigung das Wort. Preußen, das allen Grund gehabt hätte zur Unterstützung des Ministets S., ihm auch persönlich wohlwollte, gewährte nur lauen Beistand. Bismarck, zwar geneigt, eher ein liberales als ein österreichisches Ministerium zu begünstigen, mußte sich doch den Weisungen des Ministers Manteuffel fügen, der es nicht mit den Rittern verderben wollte, und da auch der preußische Bundestagsgesandte die Ziele der Ritterschaft als berechtigt, die Competenz des Bundes zum Einschreiten in Hannover als begründet anerkannte und vor allen Dingen in Borries oder v. d. Decken den Minister der Zukunft erblickte, so wünschte er es bei aller Theilnahme für S. zu vermeiden, daß die [750] Ritterschaften in Preußen ihren Gegner und nur im Bunde und Oesterreich den Ankergrund ihres Schiffes sahen. Eine der ersten Unternehmungen des Ministers endete mit einem Fiasco. Der vom 20.–23. März 1852 im Residenzschlosse zu Hannover abgehaltene Flottencongreß, zu dem alle deutschen Staaten außer Oesterreich und Preußen geladen waren, wurde vom Vorsitzenden S. mit den Worten geschlossen: ein günstiger Erfolg sei leider nicht erreicht, aber man sei in einer deutschen Sache doch einmal deutsch vereinigt gewesen und wolle die Hoffnung eines späteren Gelingens nicht aufgeben. S. maß dem particularistischen Verhalten Baierns die Hauptschuld bei, als ob das ganze Vorhaben Hannovers, einen Nordseeflottenverein mit Ausschluß Preußens zu begründen, einen anderen Namen verdient hätte. Dagegen war das Ministerium glücklich in der Durchbringung des Septembervertrages durch die Kammern (Januar 1852) und erwies sich stark genug, im April 1852 die ritterschaftlichen Elemente auszuscheiden und durch Aufnahme des Freiherrn v. Hammerstein, der dem Ministerium Stüve als Generalsecretär, dem Ministerium Münchhausen als Finanzminister angehört hatte, eine größere Einheitlichkeit herzustellen. Zugleich gelang es S., eine intriguante und im ritterschaftlichen Sinne thätige Persönlichkeit, den schon aus der Zeit seines Vaters her bekannten, aber dem Sohne sehr wenig genehmen Rath Zimmermann von Hannover zu entfernen. Zu Anfang Mai erhielt eine Reihe der wichtigsten Organisationsgesetze, wie die Landgemeindenordnung, das Staatsdienergesetz, die königliche Sanction oder wie die Städteordnung den noch fehlenden Anfangstermin der Gültigkeit. Andere Gesetze, wie die über die Amtsordnung und Amtsvertretung, folgten im Juli und September nach. Für alle war der 1. October 1852 als Einführungstag bestimmt. Weniger glücklich war der Verlauf der Verfassungsangelegenheit. Weder die im J. 1852 noch die im J. 1853 vorgelegte Revision der Verfassung von 1848 fand den Beifall des Landtages; ebenso wenig führten die mit den Ritterschaften eingeleiteten Verhandlungen zum Ziel. Die Ritterschaften fanden, daß zu wenig, die Stände, daß zu viel nachgegeben sei. Auch dem Septembervertrage bereiteten die von der Darmstädter Coalition betriebenen handelspolitischen Schachzüge noch mancherlei Schwierigkeiten, so daß v. Bismarck nicht umhin konnte, S. an die Vertragstreue zu erinnern. Der im Februar 1853 erfolgte Abschluß zwischen Preußen und Oesterreich brachte diese unglücklichen Treibereien aus der Welt und beendete zugleich eine durch den Septembervertrag hervorgerufene Ministerkrise, die schon den Nachfolger Schele’s von Osnabrück herbeigerufen hatte. Eine zweite Krisis desselben Jahres verlief weniger günstig. Hatte es zu Ende des Sommers noch den Anschein gehabt, als werde der Finanzminster Bacmeister mit der Neubildung eines Cabinets beauftragt werden, da die Zustände der königlichen Casse dem Könige eine Aenderung in der Domanialverwaltung wünschenswerth machten, so trat im November ein anderer Ausgang ein. Während des Herbstaufenthalts des Hofes in Rotenkirchen geschahen die letzten Anstrengungen, um dem Ministerium Schele ein Ende zu bereiten. Die Damen, insbesondere die Prinzessin Louise von Hessen, Gemahlin des Generals Graf v. d. Decken, spielten dabei eine Rolle. S. schied mit dem bittern Gefühle, daß die englische Einrichtung, mit dem Ministerium auch die Hofhaltung wechseln zu lassen, die höchste Anerkennung verdiene. Am 21. November 1853 erhielt das Ministerium seine Entlassung und wurde durch ein Cabinet Lütcken ersetzt. S. nahm den Dank seiner Landsleute mit für die Durchführung des Septembervertrages, die Einführung der Verwaltungsgesetze und die Fernhaltung der Bundesintervention. Verwundert lasen sie das, was sie als eine Bethätigung seines Rechtssinns ehrten, später in den Berichten des preußischen Bundestagsgesandten als „eine im hannoverschen Stolze wurzelnde Abneigung“, und seine [751] Versuche, sich mit den Vätern der Verfassung von 1848 zu verständigen und ihre Unterstützung bei seiner schwierigen Aufgabe, dem Andringen entgegengesetzter Parteien gerecht zu werden, zu gewinnen, als ein Liegen in den Schnüren Stüve’s und des Grafen Bennigsen bezeichnet, die demselben Berichterstatter, seltsam genug, als Demokraten oder Radicale galten. An der weiteren Politik des Landes hat sich S. nicht betheiligt. Ein Aufsatz in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen von 1855 ist erwähnenswerth, weniger wegen seines Gegenstandes: „ob es Abstufungen oder erhebliche Verschiedenheiten unter den Ministerialen gegeben habe“, als wegen seines Bekenntnisses zu den Ideen Bluntschli’s über die Nothwendigkeit einer Reform des Adels. Eine Schrift: „Ueber die Freiheit oder Unfreiheit der Ministerialen des MA.“ (Frankf. 1868) versucht die Ansicht zu widerlegen, daß Unfreiheit zum Wesen der Ministerialität gehöre. 1858 übernahm S. die durch den Tod des Freiherrn v. Dörnberg erledigte Stelle eines General-Postdirectors des Fürsten von Thurn und Taxis. Als die fürstlichen Rechte durch den Vertrag vom 28. Januar 1867 auf Preußen übergingen, behielt S. seinen Wohnsitz in Frankfurt a./M. Er starb unverheirathet am 18. Februar 1875 und wurde in Schelenburg beigesetzt.

Zeitung f. Norddeutschland vom November 1851. – Deutsche Volkszeitung vom Februar 1875. – Oppermann, Z. Gesch. Hannovers passim. – Stüve, Art. im St.-W.-B. IV, 729; Biographie Lehzens (Hs.). – Ippel, Briefwechsel zwischen Grimm und Dahlmann I, 313 ff., 331. – Dahlmann, Kl. Schr. S. 275 ff., 283. - v. Treitschke, Deutsche Geschichte IV, 655 ff. – Herzog Ernst von Sachsen-Coburg, Aus m. Leben II, 42 ff. – Poschinger, Preußen im Bundestag I, 302; IV, 16, 30, 62, 72, 88, 111. – v. Sybel, Begründung des Deutschen Reiches I, 165.