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ADB:Detmold, Johann Hermann

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Artikel „Detmold, Johann Hermann“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 82–88, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Detmold,_Johann_Hermann&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:17 Uhr UTC)
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Band 5 (1877), S. 82–88 (Quelle).
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Detmold: Johann Hermann D., geb. 24. Juli 1807 zu Hannover, † 1856, war der Sohn eines angesehenen, vielbeschäftigten und begüterten Arztes, des Hofmedicus D., der mit seiner Familie vom Judenthum zum Christenthum übertrat. Auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt vorgebildet, studirte [83] er in Heidelberg und Göttingen und ließ sich 1830 als Advocat in Hannover nieder. Mehr als die juristische Praxis zogen ihn Kunst und Litteratur an; selbst ein talentvoller Zeichner, lebte er vorzugsweise im Umgange mit Künstlern und Schriftstellern, soviel deren damals die kleine Residenz barg. Ueber die Kreise der nächsten Bekannten hinaus drang sein Name, als er, veranlaßt durch die erste hannoversche Gemäldeausstellung, das satirische Büchlein: „Anleitung zur Kunstkennerschaft oder Kunst in drei Stunden ein Kenner zu werden“ (Hannover 1834, neuer Abdruck 1845), in dem die landläufige Kunstkritik in treffendster Weise gegeißelt war, erscheinen ließ. Die positive Ergänzung dazu bildeten die in den Jahren 1835 und 1836 von ihm im Verein mit dem Maler Osterwald und andern Freunden während der Ausstellungen herausgegebenen „Hannoverschen Kunstblätter“, ein damals einzig in seiner Art dastehendes Organ. Daß dieses Verdienst in der journalistisch nicht verwöhnten, aber doch recht anspruchsvollen Stadt nicht leicht errungen wurde, deuten die zierlichen Titelbilder von Detmold’s Hand, welche die Fabel von dem mit Sohn und Esel zur Stadt ziehenden Mann darstellen, genugsam an. Eine größere Reise, welche D. in der nächsten Zeit unternahm, galt gleichfalls vorwiegend künstlerischen Interessen: die geistreichen Briefe über den Pariser Salon von 1837, im Cotta’schen Morgenblatt vom Mai bis Juli veröffentlicht, sind ein Denkmal des Aufenthalts in der französischen Hauptstadt, der auch zur Wiederanknüpfung freundschaftlicher Beziehungen zu H. Heine führte. Die Reise wurde unterbrochen durch die Bewegung, welche der hannoversche Regierungswechsel von 1837 hervorrief. So wenig Politiker D. bis jetzt gewesen war, so entschieden trat er in den Kampf für das Staatsgrundgesetz ein, und sein Geist wie sein Wissen verschafften ihm bald einen der wichtigsten Posten. Das gilt weniger von seiner nur kurze Zeit währenden Thätigkeit als Abgeordneter. Im Frühjahr 1838 für die Stadt Münden erwählt, schloß er sich allen Schritten des passiven Widerstandes an, welche die Opposition für geboten erachtete. Als dadurch die Kammer im Sommer 1839 beschlußunfähig wurde, zwang die Regierung ihn und Christiani, die in der Residenz anwesend waren, durch Polizeibefehl zum Erscheinen und erklärte ihn und seine Collegen, als sie der Ständeversammlung die Rechtmäßigkeit abgesprochen und den Schutz des deutschen Bundes angerufen hatten, ihres Mandats für verlustig. Das Wahlcollegium der Stadt Münden, zu einer Neuwahl zusammenberufen, weigerte die Vornahme, da der bisherige Deputirte nicht verzichtet und sein ständisches Verhalten den Beifall seiner Committenten habe. Damit endete Detmold’s Wirksamkeit in der Volksvertretung. So lebendig und witzig seine Rede in der Privatunterhaltung floß, so wenig war er für öffentliches Auftreten geeignet. Im rechten Gegensatz zu seinem beredten Genossen Christiani, mit dem er sonst mancherlei Berührungspunkte darbietet, war er der Mann der Feder. Hier focht er in der vordersten Linie. Unermüdlich führte er die Sache der Opposition in einer Reihe öffentlicher Blätter, durchgehends auswärtiger, da eine einheimische Presse kaum existirte. Die Allgemeine Zeitung, der in Stuttgart erscheinende Deutsche Courier, Gutzkow’s Telegraph und andere Hamburger oder Bremer Blätter wurden von ihm oder jüngeren Freunden wie Alb. Oppermann unter seiner Anleitung fortgesetzt mit Beiträgen versorgt. In dem Parterrezimmer der Duvenstraße, das er im elterlichen Hause bewohnte, flossen gar viele von den Fäden der oppositionellen Politik zusammen. Von allen Seiten mit Nachrichten versehen über das, was am Hofe, in den Behörden, in den einflußreichen Kreisen des Landes und der Stadt vorging, führte er eine ausgedehnte Privatcorrespondenz, die, unter der Adresse befreundeter Kaufleute befördert, die Führer von allen wichtigen Vorfällen unterrichtete und den Mitgliedern der Partei Anweisungen zu einem übereinstimmenden [84] Verhalten zugehen ließ. In Gemeinschaft mit Stüve war er thätig, durch das „Hannoversche Portfolio“ (4 Bde., 1838–41) sämmtliche Actenstücke des Verfassungsstreites dem Publicum alsbald zugänglich zu machen. Wie sehr die Regierung in ihm einen gefährlichen Gegner fürchtete, verriethen die polizeilichen Maßregeln, die sie ergriff, als ihr der Incompetenzbeschluß der deutschen Bundesversammlung vom 5. Septbr. 1839 Muth zum persönlichen Vorgehen gegen die Oppositionshäupter gemacht hatte. D. wurde confinirt: nicht blos Reisen ins Ausland wurden ihm untersagt, sondern zu jedem Besuch der nächsten Umgebung seines Wohnortes, z. B. der eine Stunde von Hannover entfernten Dörfer List, Limmer, Herrenhausen bedurfte er specieller Erlaubniß und der Begleitung eines Gensdarmen, dem er auf Fahrten einen Platz im Wagen anweisen mußte. Die Maßregel wurde verhängt kraft königlichen Befehls und begründet „mit der zum Zwecke der Erhaltung der Staaten von der Regierung unzertrennlichen vorkehrenden Sicherheits-Polizeigewalt“, eine Rechtfertigung, die wie die Verstrickung auch dann noch festgehalten wurde, als D., dessen Civilklage gegen den Minister durch Cabinetsintervention dem Gerichte entzogen war, sich bei der Ständeversammlung wegen Verfassungsverletzung beschwert und fast die gesammte zweite Kammer ohne Parteiunterschied eine solche administrative Beschränkung der persönlichen Freiheit mit dem Rechte der Unterthanen und der Verfassung des Landes für durchaus unvereinbar erklärt hatte (11. Juni 1841). Die Maßregel der Confination, deren Ausführung der Schalk D. den beauftragten Beamten unendlich sauer zu machen verstanden haben soll, war auch motivirt mit dem Hinweis auf eine noch gegen ihn schwebende peinliche Untersuchung. Der dreisten Regierungssophistik jener Tage war keine Waffe zu schlecht; denn abgesehen davon, daß dann die Freiheitsbeschränkung von Gerichtswegen hätte verhängt werden müssen, waren die Hauptinculpaten jenes Processes, die Mitglieder des Magistrats der Stadt Hannover, im Gegensatzu zu D., der blos ihre an den Bundestag gerichtete Vorstellung vom 15. Juni 1839, welche das königliche Cabinet zum Gegenstand einer so schweren Anklage gemacht hatte, verbreitet haben sollte, fortwährend im Besitz ihrer vollen Freiheit verblieben. Mit dem Ausgange des Processes, dem Urtheil des Celler Oberappellationsgerichts vom 12. Mai 1843, schließt das Drama, dessen Schauplatz Hannover seit Jahren war, auch für D. ab. Der König begnadigte die Verurtheilten mit Ausnahme Detmold’s, den die zweithöchste der erkannten Strafen, sechs Wochen Gefängniß oder 300 Thaler, traf. Zur Deckung der Strafe veröffentlichte er unter dem Titel: „Randzeichnungen“ (Braunschweig 1844) zwei schon länger in seiner Mappe fertige Scherze, ein politisches Kindermärchen und die so populär gewordenen Verhandlungen eines Kunstclubs, in dem die Herren Meyer des ganzen Alphabets über die schwierige Aufgabe der Restauration ihrer unter Nr. 14 des Inventars verzeichneten Venusstatue debattiren. Ein derselben Zeit angehöriger Roman: „Die todte Tante“ (Hannover 1845) ging erfolglos vorüber. Auf die politische Bühne führte ihn das J. 1848 zurück; sie hieß jetzt nicht mehr Hannover, sondern Frankfurt. Durch den Einfluß seiner Osnabrücker Freunde erhielt er einen Platz im Parlamente: der für den 23. hannoverschen Wahlbezirk, Bersenbrück im Osnabrückischen, erwählte Abgeordnete Buddenberg nahm das Mandat nicht an, das nun auf den Ersatzmann D. überging. Er schloß sich der äußersten Rechten an, die im Steinernen Hause, später im Café Milani ihre Clubversammlungen hielt, und gehörte zum kleinen Häuflein derer, die mit Strenge auf dem Vereinbarungsstandpunkte beharrten. Während er sich aber in der Opposition gegen die Alleinberechtigung der Nationalversammlung noch mit tapfern Preußen und guten Deutschen wie Georg v. Vincke und dem Grafen Schwerin zusammenfand, war er, sobald es sich um positive Aufgaben handelte, [85] auf die Gesellschaft von Ultramontanen, Oesterreichern und Particularisten angewiesen. So namentlich in der Oberhauptsfrage, die er nach dem Rotenhan’schen Antrage durch ein sechsköpfiges Directorium Oesterreichs und der Königreiche mit einer alle vier Jahre zwischen Oesterreich und Preußen wechselnden Vorstandschaft zu lösen dachte. Als die Anhänger dieses Planes sich im März 1849 mit der Linken verbündeten, um die Reichsverfassung, deren Zustandekommen man nicht mehr hindern konnte, den Regierungen möglichst unbequem zu machen, betheiligte sich D. offen bei dem Votum, welches den Reichsrath, eine zu Gunsten der Einzelstaaten vorgeschlagene Einrichtung, stürzte, bei den beiden berüchtigten Abstimmungen über das suspensive Veto (§§. 101 und 196) in mehr verschämter Weise, durch unentschuldigte Abwesenheit während dieses Theils der Sitzung. Von seinen Landsleuten hielten sich zu ihm nur zwei oder drei. Ihre Mehrzahl und darunter die alten Kampfgenossen von 1837 gingen andere Wege. Selbstverständlich blieb er auch der Erklärung fern, welche 21 von ihnen gegen das den Separatismus zum erstenmale offen enthüllende Schreiben des Ministeriums Stüve vom 7. Juli 1848 richteten. Wie schade, daß der vorzeitige Schluß der durch jenen Schritt hervorgerufenen Debatte vom 14. Juli die Paulskirche um das Schauspiel brachte, als Vertheidiger des Königs Ernst August den Mann auftreten zu sehen, den sieben Jahre zuvor eine königliche Proclamation desselben Tages mit der Anwendung eines Gesetzes über die Gefangenhaltung sicherheitsgefährlicher Subjecte in polizeilichen Werkhäusern bedroht hatte! Je weniger D. mit seinen Landsleuten im Parlamente harmonirte, um so enger war er mit dem leitenden Staatsmanne Hannovers, mit Stüve verbunden. So grundverschieden die beiden Charaktere waren, die gemeinsame Opposition gegen den schnöden Rechtsbruch hatte sie zusammengeführt, wie sie jetzt die gleiche Abneigung gegen alles, was deutsche Einheit und Preußen hieß, auf lange Zeit zu gemeinschaftlichem Handeln verband. Die ganze Beurtheilung der Frankfurter Verhältnisse, die im hannoverschen Ministerium vorherrschte, war wesentlich durch Detmold’s Anschauungen und Berichte beeinflußt, wie er andererseits die kümmerlichen Recepte nationaler Reform, die Stüve im Sinne hatte, in Frankfurt vertrat, wenn man so ein gelegentliches Andeuten und vorzugsweise negatives Verhalten nennen darf. Eine Ironie des Zufalls, wie er bei der Wahl durch die Abtheilungen wol vorkommen konnte, hatte D. mit Paul Pfizer zusammen in den Verfassungsausschuß gleich bei dessen Constituirung gebracht, an dem Aufbau einer einheitlichen Verfassung ihn mitzuwirken berufen, dem „das Geschrei nach Einheit nur Opposition gegen das Bestehende“ bedeutet hatte. Gegenüber dem rüstigen Vorwärtsschreiten der Ausschußmehrheit sah er sich zum Schweigen verurtheilt. Nur selten findet man seinen Namen in den Verhandlungen, noch seltener allerdings in den Berichten der Nationalversammlung selbst. Schon seine kleine mißwachsene Gestalt verhinderte ihn am öffentlichen Auftreten. Nur einmal hat man ihn auf der Tribüne erblickt, am 16. October, als er das Reichsministerium interpellirte, was es gegen die angebliche Amnestirung der Mörder des österreichischen Kriegsministers Latour zu thun gedenke, eine gewiß in sich sehr begründete Anfrage, die aber doch noch mehr als eine treffende Verhöhnung demokratischer Interpellationssucht und der unablässigen Versuche, das Reich zur Intervention zu Gunsten der Wiener Revolution aufzustacheln, empfunden wurde. Der Spott war überhaupt die Waffe, mit der er in Frankfurt focht und seine isolirte Stellung zur Geltung brachte, und zwar mit solcher Meisterschaft, daß er, der unscheinbare und schweigsame Mann, eins der bekanntesten und gefürchtetsten Mitglieder war. Zahlreich flogen seine beißenden Witzworte in Versen und Prosa durch die Versammlung, bald links, bald rechts einschlagend, heute Phrasenhaftigkeit und Phantasterei der Demokraten, morgen die Selbsttäuschung und das Hochgefühl der Mehrheit verhöhnend. [86] Ohne Glauben an die Aufgabe der Versammlung, ohne Theilnahme für ihre Arbeiten, inmitten einer erregten Menge kühl bis ans Herz hinan, sah er seiner kritischen und künstlerischen Neigung gemäß seinen Beruf darin, das politische Treiben selbst, das ihn umgab, zu beobachten, die lächerlichen Seiten seiner Gegner – und die ganze Versammlung waren seine Gegner – zu erspähen und im Bilde zu geißeln. Unter den Carricaturenzeichnern der Zeit nimmt er einen hohen Rang ein. Und das ganze Genre hat vielleicht seinen vollkommensten, über den vergänglichen Tag hinausdauernden Ausdruck in jenem Bildercyklus gefunden, zu dem er sich mit dem genialen Maler Adolf Schrödter, der damals von Düsseldorf nach Frankfurt geommen war, verband. „Die Thaten und Meinungen des Herrn Piepmeyer, Abgeordneten zur constituirenden Nationalversammlung“ sind eine Satire auf jene unsterbliche Sorte von Politikern, die schwankend zwischen der eigenen Ansicht und dem Bedürfniß nach Popularität stets im Zweifel sind, ob sie nicht in Anbetracht der neuesten Zeitereignisse zweckmäßiger mit ihren politischen Ueberzeugungen etwas weiter links oder in Anbetracht der allerneuesten etwas weiter rechts rücken sollen. Am letzten Ende läßt D. seinen Helden, nachdem er ein Viertel des Verdienstes errungen, die Reichsverfassung zu Stande gebracht zu haben, im höfisch metamorphosirten Costüm nach Berlin reisen – um etwas zu werden. D. hatte es nicht so weit. Am 16. Mai 1849 wurde die Nationalversammlung von der Nachricht überrascht, der Reichsverweser, der die Entlassung Heinrichs v. Gagern schon länger angenommen, habe endlich ein neues Ministerium und zwar aus Mitgliedern der äußersten Rechten gebildet. Unter Gelächter und Unwillen wurden die Namen Grävell, Detmold, Merck, Jochmus genannt. D. war der Nachfolger Roberts v. Mohl geworden. Die Antwort erfolgte Tags darauf in dem mit 199 gegen 12 verneinende und 44 abstinirende Stimmen gefaßten Beschlusse, daß die Nationalversammlung zu diesem Ministerium nicht das geringste Vertrauen haben könne, sondern dasselbe unter den obwaltenden Umständen als eine Beleidigung der Nationalrepräsentation betrachten müsse. Das Reichsministerium hat sich bekanntlich dadurch nicht beirren lassen und nicht nur das Mißtrauensvotum, sondern auch die Votanten selbst überlebt. D. speciell hielt beim Reichsverweser bis zum Ende aus. Er gehörte zu den drei Ministern, die ihn bei der Niederlegung seiner Gewalt in die Hände der zum Interim verordneten österreichischen und preußischen Commissare am 20. Dec. 1849 umgaben, und vereinigte zuletzt in seiner Person drei Ministerien, außer der Justiz noch das Innere und den Handel, ein deutliches Zeichen, daß die Last keine allzu drückende war. In die Oeffentlichkeit ist nicht viel mehr von seiner Thätigkeit gelangt als eine die letzte Nummer des deutschen Reichsgesetzblattes füllende Verordnung vom 25. Mai, die Anwendung von Laternen zur Vermeidung des Zusammenstoßes von Dampfschiffen betreffend, und ein leichtsinniger Erlaß vom 8. Nov. 1849, der in den noch rechtshängigen Bentinck’schen Erbfolgestreit einzugreifen versuchte. Der Eintritt Detmold’s in das Reichsministerium ist vielfach commentirt worden. Man hat darin einen Beweis seiner Eitelkeit, seines Ehrgeizes oder seiner boshaften Spottsucht erblickt, die als letzten Trumpf die eigene Person, wo es die Verhöhnung des Gegners galt, auszuspielen sich nicht scheute. Es liegt weit näher an einen Oesterreich und dem Particularismus erwiesenen Dienst zu denken, der vor allem verhüten sollte, daß nicht etwa Preußen bei der drohenden Auflösung aller Verhältnisse die Leitung der deutschen Angelegenheiten in die Hand nahm, und der deshalb aushielt, bis wieder ein von allen Regierungen anerkanntes Organ zur Stelle war. Oesterreich dankte D. durch das Commandeurkreuz des Leopoldordens, Hannover durch die Ernennung zum Legationsrathe und zum Bevollmächtigten bei der neuen [87] Bundescentralcommission. In diese Zeit fällt auch seine Vermählung mit einer Dame aus den ersten Kreisen der Frankfurter Gesellschaft, der Tochter des Schöffen v. Guaita.

In dem Fahrwasser der österreichischen Politik verblieb D. bis ans Ende seiner Laufbahn. Man kennt die Sehnsucht Stüve’s nach Wiederherstellung des Bundestages. Als sich Oesterreich im Mai 1850 zur Erfüllung des Wunsches anschickte, vertrat D. die hannoversche Stimme in den Sitzungen der sogenannten Bundesplenarversammlung. Bei den Verhandlungen über den österreichischen Antrag auf vollständige Reactivirung des verfassungsmäßigen Bundesorgans zeichnete sich das hannoversche Votum wohlthuend vor allen übrigen dadurch aus, daß es sans phrase Oesterreich dankte und beipflichtete. Die hessische Sache bot alsbald Gelegenheit zu zeigen, daß trotz aller Redensarten von Verjüngung und zeitgemäßer Umgestaltung die Bundespolitik die alten Wege zu wandeln gedachte; denn nicht genug daß man die Wünsche des Kurfürsten und seines Hassenpflug zu Bundesbeschlüssen erhob, man stützte sie obendrein auf die vom Bunde selbst im März 1848 aufgehobenen Ausnahmegesetze von 1832. Für den Bundesbeschluß vom 21. Septbr. 1850 stimmte auch D., obschon ohne alle Instruction seiner Regierung. Der Schritt wurde verhängnißvoll, zunächst für Stüve, im weiteren Verlaufe für ihn selbst. Als das Ministerium ihn zur Verantwortung nach Hannover berief, wurde ihm anstatt einer Desavouirung eine freundliche Aufnahme bei Hofe und der Guelfenorden, mit dessen vierter Classe der Inländer und Anfänger in der königlichen Gunst sich begnügen mußte, zu Theil, wie er sich wahrscheinlich bei seinem Votum in der hessischen Sache auf einen hinter dem Rücken der Minister ertheilten königlichen Befehl hatte stützen können. Das Ministerium Stüve hätte zu keiner Zeit diese Behandlung oder jene Zustimmung zu einem Beschlusse, dessen Motive seine eigene Basis untergruben, ruhig hinnehmen können, am wenigsten jetzt, wo seine Stellung schon bedenklich erschüttert war. D. scheint so wenig den drohenden Sturz des Ministeriums und den Bruch der alten Freundschaft gescheut zu haben, als ihn die vom Rechtsboden her entnommenen Bedenken seiner Auftraggeber genirten. So wurde sein, des langjährigen und engverbundenen Genossen, Verhalten ein Nagel zum Sarge des hannoverschen Märzministeriums. Am 25. October 1850 wurde es durch das Ministerium Münchhausen ersetzt. D. war seit dem 15. October wieder auf seinem Posten in Frankfurt, verblieb aber den ganzen Monat hindurch ohne Instruction in der die Bundesversammlung vorzugsweise beschäftigenden kurhessischen Angelegenheit. Als er endlich in den Besitz der Aufträge des neuen Cabinets gekommen war, mußte er am 8. November der Bundesversammlung erklären, daß er in der Sitzung vom 21. September beim Abgeben der hannoverschen Stimme mit specieller Instruction seitens seiner Regierung nicht versehen gewesen sei, und daß dieselbe die Bundesbeschlüsse vom 28. Juni 1832 als ein duch den Bundesbeschluß vom 2. April 1848 aufgehobenes Ausnahmegesetz ansehe und stets so behandeln werde. Bis in den Frühling 1851 blieb D. noch Bundestagsgesandter; am 14. Mai zeigte er der Versammlung seine Beurlaubung an. Tags zuvor hatte Ernst August, der seit einiger Zeit sich wieder Preußen genähert hatte, den Freiherrn v. Schele zu seinem Nachfolger ernannt. Die letzten Jahre verlebte D., zur Disposition gestellt, in Hannover, vorzugsweise wieder künstlerischen Interessen sich zuwendend, von den alten politischen Freunden getrennt, aber in Verkehr mit Notabilitäten der Diplomatie, der Wissenschaft und der Kunst. Er starb am 17. März 1856.

Dingelstedt, Wanderbuch 1, 104 ff. Hannov. Portfolio 4, 225 u. 230 ff. B. Hausmann, Erinnerungen 236. Oppermann, Zur Geschichte Hannovers Bd. 1 und 2, passim; derselbe, Hundert Jahre 6, 184. 284; 7, 128; 8, [88] 280. Laube, Das deutsche Parlament 2, 42 ff. 108; 3, 7. 427. Biedermann, Erinnerungen 204 ff. Haym, Nationalversammlung 2, 231 ff.; 3, 160 ff.