ADB:Scheeffer, Ludwig
[665] seine Befähigung zum Universitätslehrer veranlaßten ihn, nachdem er am 1. März 1880 auf Grund seiner Dissertation „Ueber Bewegungen starrer Punktsysteme in einer ebenen nfachen Mannigfaltigkeit“ in Berlin den Doctorgrad erworben hatte, zunächst die Schulcarrière einzuschlagen; er unterzog sich demzufolge auch der Staatsprüfung und leistete in dem berühmten Seminare Prof. Schellbach’s sein Probejahr ab. Nunmehr aber siegte doch die ursprüngliche Neigung über unberechtigte Bedenken, und nachdem noch S. auf einer Alpenreise seine von Jugend an schwankende Gesundheit gekräftigt hatte, habilitirte er sich an der Universität München. Seine Habilitationsschrift („Ueber einige bestimmte Integrale, betrachtet als Funktionen eines komplexen Parameters“, Berlin 1883) nimmt einen ursprünglich von Hankel ausgesprochenen, jedoch noch keineswegs entsprechend realisirten Gedanken mit besserem Glücke wieder auf. Leider dauerte Scheeffer’s Docententhätigkeit nur kurze Zeit, denn wenige Wochen nach der Rückkehr von einer nach Italien unternommenen Reise raffte ihn ein Nervenfieber hinweg, welches sich zu seinem älteren Brustübel hinzugesellt hatte. – Mit Scheeffer’s geringer Lebensdauer steht die rege und erfolgreiche Thätigkeit, welche er auf wissenschaftlichem Gebiete entwickelte, in gar keinem Verhältnisse. Einem elementaren Beweise des für die Functionentheorie fundamentalen Lehrsatzes von Laurent (Acta Mathematica, IV) ließ er gleich im nächsten Bande dieser Zeitschrift zwei größere Abhandlungen nachfolgen; die erste derselben behandelte den Begriff der Rectification einer Curve, und zeigte, daß unter Umständen Linien denkbar sind, die thatsächlich einer Ausmessung fähig werden, ohne daß das bei dieser Aufgabe im allgemeinen anzuwendende Integral einen bestimmten Sinn hätte, und in dem zweiten Aufsatze findet sich ein wichtiger Beitrag zur Theorie der von G. Cantor betrachteten „Punktmengen“. Wieder andere Untersuchungen Scheeffer’s, zu denen eine Vorlesung den Anstoß gegeben hatte, galten der Lehre vom größten und kleinsten und insbesondere der Entscheidung der Frage, wann in der Variationsrechnung überhaupt von einem Maximum oder Minimum gesprochen werden darf. Alle Arbeiten, die S. lieferte, kennzeichnen einen scharfen, der Erörterung principieller Punkte mehr als jener secundärer Probleme zugewandten Geist, und man darf wohl auf ihn die in Ramus’ Nachrufe an Regiomontanus vorkommenden Worte beziehen: Hätte er länger gelebt, wir würden noch vieles von ihm gelernt haben.
Scheeffer: Ludwig S., Mathematiker, geboren am 1. Juni 1859 zu Königsberg, † am 11. Juni 1885 zu München. S. begann die Gymnasialstudien in seinem Geburtsorte, um sie später in Berlin fortzusetzen, und seit 1876 studirte er in Heidelberg, Leipzig, Berlin Mathematik. Zweifel über- W. Dyck, Nekrolog, Zeitschrift für Math. u. Phys., histor.-litter. Abteilung, 31. Bd., S. 50 ff. – G. Cantor, Nekrolog, Bibliotheca Mathematica (herausgegeb. von Eneström), 1885, S. 197 ff.