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ADB:Schüchlin, Hans

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Artikel „Schüchlin, Hans“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 641–643, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%BCchlin,_Hans&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:48 Uhr UTC)
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Schüchlin: Hans S. (Schühlin, Schiechlin, Schielin), Maler in Ulm, geboren in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, † zu Anfang des Jahres 1505 (s. Klemm), hat eine ehrenvolle Stellung in der Kunstgeschichte des Mittelalters, obwohl die Zeit nur zwei inschriftlich bezeugte Werke von ihm übrig gelassen hat. Davon scheint das eine, ein Flügelaltar, den er zusammen mit seinem Schwiegersohn Barth. Zeitblom für die Kirche des Dorfes Münster bei Augsburg malte (jetzt Nr. 185 in der Nationalgalerie zu Pest), wegen „völliger Uebermalung“ für die Schätzung seiner Kunst kaum mehr in Betracht zu kommen; das andere, der Hochaltar, in dem Dorfe Tiefenbronn OA. Pforzheim, hat zu verschiedenen Zeiten wenigstens verständige Restauratoren gehabt. Auf den Außenseiten der Flügel sind die Verkündigung, die Heimsuchung, die Geburt Christi und die Anbetung der Könige dargestellt; die (gewaltsamer als die übrigen Tafeln restaurirte) Staffel zeigt das Brustbild Christi als Weltherrscher mit seinen Aposteln; in der Mitte des Schreins steht die Kreuzabnahme und Christi Leichnam auf dem Schooße Mariens in Holzschnitzerei; auf den [642] Innseiten der Flügel sind gemalt: die Verspottung Christi, die Kreuzschleppung, die Grablegung und die Auferstehung. Die Rückseite des Schreins ist, wie man annehmen muß, von Gehülfenhänden mit Brustbildern von vier Kirchenvätern und an der Wand mit sechs überlebensgroßen Heiligengestalten bedeckt. Auf der Hinterseite der Staffel steht: Anno dom̅i M.CCCCLXViiii Jars ward diszi daffel vff gesetz vn̄ gantz vsz gemacht zu vlm vō hannszē schüchlin mālern. Das Werk läßt erkennen, daß S. durch die Schule der Niederdeutschen und Niederländer gegangen ist, aber auch die fränkische Kunst ist dem Meister, der einen Schwager in Nürnberg hatte, nicht fremd geblieben. Doch verstand er es, gegenüber von allen diesen Einflüssen seine künstlerische Eigenart zu wahren. Ungezwungen in der Composition, reich an edlen und anmuthigen Gestalten, maßvoll und mild im Ausdruck jeder Empfindung, mit zarten Farben auch malerisch zur Rührung stimmend, üben diese Bilder eine ergreifende Wirkung aus und verlohnen für sich allein eine Wallfahrt nach der auch sonst an Kunstschätzen reichen Kirche. Je schneller dieser Altar seit seiner Entdeckung und sofort richtigen Würdigung durch Karl Grüneisen (s. das Cottaische Kunstblatt Jahrg. 1840 S. 413 f.) ein Liebling der Kunstfreunde und Forscher geworden war, um so näher lag alsbald der Wunsch, weitere Werke dieses Meisters aufzufinden. Jedoch seine harmonische, weder mit guten noch mit schlimmen Sonderzügen scharf ausgestattete Künstlernatur scheint die Wiedererkennung seiner Werke zu erschweren. Janitschek in seiner vortrefflichen Charakteristik Schüchlin’s (Geschichte der deutschen Malerei S. 256 ff.) nennt als Arbeiten, die „stilistisch auf ihn weisen“, nur die große Kreuzigung in St. Georg zu Dinkelsbühl – „wahrscheinlich früher als das Tiefenbronner Altarwerk“ –, ferner eine Beweinung Christi auf Schloß Meffersdorf in Schlesien von 1483 und eine Grablegung, Nr. 10 in der Galerie zu Bamberg. Manche andere ehemals S. zugeschriebene Werke sind ihm inzwischen wieder abgesprochen worden, so z. B. die sieben Darstellungen aus dem Leben der Maria im fürstl. hohenzollerischen Museum zu Sigmaringen (vgl. Lehner, Verzeichniß der dortigen Gemälde und dazu Strauch, Pfalzgräfin Mechtild S. 35). Die Hypothese von Harzen (im Archiv f. d. zeichn. Künste, Jahrg. 6, S. 29), daß S. Formschneidern Risse geliefert und die vorzüglicheren Stöcke z. B. die Initialen der sogen. vierten deutschen Bibel selbst geschnitten haben möge, hat keine Unterstützung gefunden, was wir nach Untersuchung dieser Bibel nur billigen können. Wichtiger für das Verständniß unseres Meisters wäre es, wenn ihm ein Wandgemälde sicher zugewiesen werden könnte. In der That hat auch ein erfahrener Kenner der schwäbischen Kunst, Prälat Dr. v. Merz, das wiederaufgedeckte jüngste Gericht über dem Triumphbogen im Mittelschiff des Ulmer Münsters als sein Werk erkennen wollen (s. Christliches Kunstblatt, Jahrg. 1880, Nr. 9) Wir vermögen aber dieser Aufstellung nicht beizustimmen und verweisen auf die guten Gründe, die Lübke in der Zeitschrift für bildende Kunst, Jahrg. 18, S. 201 ff. dagegen ins Feld geführt hat. (Einen Wiederabdruck der Aufsätze von Merz und Lübke, nebst einer Abbildung des jüngsten Gerichts siehe in Heft 3 u. 4 der (Ulmer) Münsterblätter.

Als bezeugte aber untergegangene oder wenigstens noch nicht wiederaufgefundene Werke von S. sind noch anzuführen: eine „Tafel, gesetzt und ganz aufgemacht auf St. Lucastag des Pabsts im J. 1468 (nach Weyermann), ein Altargemälde, das er für die dem h. Mauritius geweihte Grabcapelle der Freiherren v. Wöllwarth in der Klosterkirche zu Lorch in Württemberg im J. 1495 für 68 Gulden gemalt hatte (s. Beschreibung des OA. Welzheim, S. 185), und eine Altartafel für den Chor der St. Martinskirche zu Rottenburg a. N., welche ihm zusammen mit seinem Schwager, dem Maler Albrecht Rebmann zu Nürnberg, [643] um 425 Gulden im J. 1474 verdingt wurde (s. Strauch, Pfalzgräfin Mechtild, S. 4 und S. 34 Anm. 13). Leichter als über den Verlust dieser Kunstwerke wird man sich trösten über den Untergang von 12 „Botten-Büchsen“ mit St. Jörgenkreuz, die S. (nach Weyermann) im J. 1491 für den schwäbischen Bund um 1 Pfund und 8 Schilling im J. 1491 bemalt hat. Von der Lebensgeschichte Schüchlin’s ist wenig bekannt. Nach den von ihm selbst geführten Zinsbüchern des Ulmer Münsters gehörte er der Baupflege dieser Kirche von 1496–1502 an und muß nach denselben Büchern auch dafür gearbeitet haben. Er war Mitglied des Ulmer Raths und Zunftmeister der Lukasbrüderschaft (Künstlerconfraternität) im Kloster zu den Wengen. Durch die Zinsbücher wird Zeitblom, der als sein Schüler gilt, obwohl wir nicht wissen, ob er das von Anfang an war, als sein Schwiegersohn bestätigt. Dagegen ist noch nicht archivalisch nachgewiesen, was Haßler „nach Urkunden“ an Passavant (s. Cottaisches Kunstblatt, Jahrg. 1846, S. 178) mitgetheilt hat, daß Zeitblom seine „ältere“ Tochter und zwar im J. 1483 geheirathet habe, während die „jüngere“ die Frau des Malers Martin Schaffner (s. A. D. B. XXX, 549) geworden sei. Sicher ist nur (nach Klemm), daß Schaffner sich im J. 1512 im Besitze des beim Kornhause gelegenen Hauses von S. befand, das vom Jahre 1507 an des Meisters Sohn Daniel S. besessen hatte; aber Schaffner konnte es ebenso gut durch freien Kauf überkommen haben, als durch Uebernahme in der Familie oder Erbschaft.

Daniel S. war gleichfalls Maler. Man weiß von ihm aber nur, daß er im J. 1497, damals „seßhaft zu Urach“, das Gewölbe der Stadtkirche in Blaubeuren ausgemalt hat, sowie daß er von 1506–1508 wieder in Ulm, von da an aber aufs neue auswärts war. Die um dieselbe Zeit in Ulm vorkommenden Maler Erasmus und Lukas S. mögen als seine Brüder anzusehen sein.

Vgl. Weyermann, Neue Nachrichten von Gelehrten und Künstlern aus Ulm, S. 476 und 512. – Weber, Die gothische Kirche zu Tiefenbronn. – Manch, Beiträge zur ulmischen Kunstgeschichte (SA. a. d. Verh. des Vereins f. Kunst u. Alterth. in Ulm und Oberschwaben, Heft 6, 1855). – Haßler, Ulms Kunstgeschichte im Mittelalter, S. 117 (in: Die Kunst des Mittelalters in Schwaben, herausg. von C. Heideloff). – Schnaase, Gesch. der bildenden Künste VIII, 421 ff. – Klemm in: Münsterblätter, herausg. von Beyer und Pressel, 3. u. 4. Heft, S. 92 ff. – Bazing u. Veesenmeyer, Urkunden zur Geschichte der Pfarrkirche in Ulm (Reg.).