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ADB:Sapidus, Johannes

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Artikel „Sapidus, Johannes“ von Gustav Knod in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 369–371, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sapidus,_Johannes&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:58 Uhr UTC)
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Sapidus: Johannes S. (Witz), namhafter Pädagog und humanistischer Dichter, ein Bürgerssohn aus Schlettstadt (sein Vater wohl der slüzzler Sifriet Witz, der 1485 als Zunftmeister, 1495–1502 als Mitglied des Rathes erscheint), nicht „Wimpfeling’s Neffe“, geboren 1490, erhielt seine erste Ausbildung unter Crato Hofmann auf der berühmten Lateinschule seiner Vaterstadt, dann unter dessen Nachfolger (seit 1501), dem nicht minder tüchtigen Hieronymus Gebwiler. Seit 1506 in Paris, wo er bei Jacobus Faber Stapul. die philosophischen Wissenschaften, bei dem Italiener Publius Faustus Andrelinus Poetik und Rhetorik hörte, zugleich an den Privatvorlesungen seines nur 5 Jahre älteren gelehrten Landsmannes Beat. Rhenanus theilnahm (vgl. Jo. Sturmii Vita Rhenani), durch dessen Vermittlung er mit Michael Hummelberg aus Ravensburg dauernde Freundschaft schloß. Im J. 1509 vorübergehend in Straßburg (Corrector bei seinem Landsmann Mathias Schürer?), seit 1510 dauernd in Schlettstadt. Im December desselben Jahres zum Rector der Schlettstadter Stadtschule ernannt, gelingt es seinem Eifer und Geschicke dieselbe so zu heben, daß sie zeitweilig über 900 Schüler zählte (nach Thomas Platter’s Versicherung, der hier zuerst eine Schule gefunden, wo es „recht zuging“). Die ersten humanistischen Autoritäten, ein Erasmus, Wimpfeling, Zasius, Zwingli. spenden seiner Schulführung hohes Lob. An Stelle des „barbarischen“ Alexander de Villa Dei wurde von ihm die Grammatik des ital. Humanisten Pylades (Boccardo ca. 1505) gesetzt (Wimpf. Diatr. c. II); um das Jahr 1519 war in seiner Schule das grammatische [370] Lehrbuch des Tübinger Humanisten Jacob Henrichmann im Gebrauch (ein aus seiner Schule stammendes Exemplar auf der Schlettst. Stadtbibl.), nebst der als Anhang zu demselben gedruckten Ars versificandi des Henr. Bebel. Auch führte er als der erste das Griechische in die Schlettstadter Stadtschule ein. Mochte er die Elemente dieser Sprache sich schon in Paris angeeignet haben, so verdankte er doch das Beste seinem eifrigen Selbststudium. 1511 richtet er an seinen Freund Bonifacius Amerbach in Basel die Bitte, ihm die Grammatik des Lascaris zum Privatstudium zu schicken; Anfangs 1514 empfiehlt er demselben Freunde einen gewissen Mag. Melissopolitanus, der an der Schlettstadter Schule zu seiner großen Zufriedenheit das Griechische gelehrt habe. – Trotz seiner außerordentlichen pädagogischen Erfolge beklagte er doch schmerzlich sein herbes Geschick, im ewigen Einerlei banausischen Schuldienstes verkümmern zu müssen (a. Bon. Amerbach „ex domo curarum“ cf. Ad sodales Erasmo Rot. consuetudine coniunctissimos); ja noch im J. 1520, als er auf dem Höhepunkte seines Ruhmes stand und in der von Wimpfeling gegründeten Schlettstadter Gelehrtengesellschaft viele humanistisch begeisterte gleichstrebende Freunde zur Seite hatte, trägt er sich ernstlich mit dem Gedanken, das aufreibende Schulamt mit dem weniger sorgenvollen Posten eines städtischen Rathsschreibers zu vertauschen. Daß indessen dem geplagten Rector in seinen Nöthen der Humor nie völlig ausging, beweist eine Sammlung poetischer Kleinigkeiten, die, meist satirischen Inhalts, leicht hingeworfen und anspruchslos, durchweg eine geistreiche Auffassung und ein nicht gewöhnliches Formtalent, zugleich aber auch die entschieden reformatorische Gesinnung des Dichters bekunden Epigrammata Joannis Sapidi, Selest. Laz. Schürer. 1520. 4°). Ueberaus leicht entflammt und lebhaft, betheiligt er sich mit Leidenschaftlichkeit an dem von den deutschen Erasmusverehrern eröffneten litterarischen Feldzug gegen den Engländer Lee (1520); mit demselben Feuereifer stürzte er sich in die durch Luther hervorgerufene religiöse Bewegung, indem er „in Versammlungen, bei Gastmählern, auf dem Markte wie in der Kirche die wahre Lehre unerschrocken und freimüthig bekannte“ (Rhenanus an Zwingli, 10. Jan. 1520), zum Entsetzen Wimpfeling’s, der den zum „Sathanas“ gewordenen Freund bald mit Acht und Bann bedrohte. Sapidus’ Weigerung, sich an einer Procession zu betheiligen, hatte im August 1525 seine Absetzung zur Folge. Aus dieser Zeit unfreiwilliger Muße stammt ein bisher unbeachtet gebliebenes größeres Gedicht, worin er in launiger Weise von einer von ihm vollzogenen Züchtigung eines papistisch gesinnten Flickschneiders berichtet, der bei Gelegenheit eines Kindtaufsschmauses in angeheiterter Stimmung einen Freund des Dichters, Paulus Volzius, den ehrwürdigen Exabbas von Hugshofen, seines langen Bartes wegen verlästert hatte, zugleich aber auch eines von ihm in Begleitung seiner Freunde Rhenanus und Spiegel im Sommer 1526 nach dem nahen Kloster Ebersheimmünster unternommenen Ausfluges gedenkt, auf welchem man die von ihm während des Bauernkrieges in Sicherheit gebrachte Klosterbibliothek wieder zu heben hoffte, eine Hoffnung, die sich leider als eitel erwies, da von der Bibliothek keine Spur mehr zu finden war. (Sylva Epistolaris s. Barba. Arg. MDXXXIIIj. 8°, von Matternus Hatt seiner Ausgabe der Apologia Jo. Pierii Valeriani pro sacerdotum barbis als Anhang beigefügt). – Im Spätherbst 1526 ließ er sich in Straßburg nieder (eingetragen ins Straßburger Bürgerbuch ‚Montag nach omn. sanctorum a. 1526‘). Als dann im J. 1528 das städtische Schulwesen in Straßburg in evangelischem Sinne reorganisirt wurde, fand sich auch für den seines Glaubens wegen abgesetzten Schlettstadter Rector ein Unterkommen, da man seiner Leitung die neu gegründete lateinische Schule im Predigerkloster anvertraute. Wenn er sein neues Amt auch weniger ruhmvoll, als man bei seiner Vergangenheit erwarten durfte, führte, so erfreute er sich doch eines wohl gegründeten [371] Rufes als lateinischer Dichter, und wurde ihm aus diesem Grunde auch nach der Zusammenlegung der getrennten Lateinschulen zu einem einheitlichen Gymnasium im J. 1538 eine der oberen Classen überlassen. Das von ihm gedichtete, bei Gelegenheit der Einweihung des neuen Schulgebäudes im Frühjahr 1539 von Schülern aufgeführte Drama Lazarus redivivus hat mehrere Auflagen erlebt und ist für spätere Dramatiker Vorbild geworden. („Anabion s. Lazarus Redivivus. Comoedia nova et sacra.“ Arg. 1539. 8°. 1540; Colon. 1541; Aug. Vind. 1565 (additis germanicis argumentis); deutsche Uebersetzung 1557 Nürnberg bei Jo. Conr. Ulmer.) – Von seinem Familienleben ist nur soviel bekannt, daß er dreimal verheirathet war und daß er durch eine Tochter aus erster Ehe der Schwiegervater des nachmaligen berühmten Rectors des Straßburger Gymnasiums Johannes Sturm wurde (August 1537). S. starb am 8. Juni 1561. Johannes Marbach, der Präsident des Straßburger Consistoriums, hat ihm die Leichenrede gehalten (Johannis Marbachii S. Theol. Doctoris … Consolatio funebris. Arg. MDLXI. 8°, beigefügt ist ein griechisches Lobgedicht auf den Verstorbenen von seinem Schüler Johannes Grasberger); ein Epitaph hat ihm sein ehemaliger Schüler in Schlettstadt, Achilles Pirminius Gassarus, der bekannte Augsburger Historiograph und Stadtarzt, gewidmet (Schelhorn, Amoen. t. IX. 987). Erwähnt seien noch seine „Paraclesis s. consolatio de morte Illustriss. Principis Alberti Marchionis Radensis“ Arg. 1543. 4°, sowie seine „Apotheosis Erasmi“, (325 vv.), im Epitaphiorum ac Tumulorum Libellus, quibus Des. Erasmi mors defletur (Basil. Frob. 1536, 4°,); 37 Epitaphia von ihm finden sich in Johannis Sturmii et Gymnasii Argentoratens. Luctus (Arg. 1542. 8°); auch pflegte er die Publicationen seiner Freunde mit Gedichten zu schmücken (Joh. Sturm, Beatus Rhenanus, Jak. Spiegel, Otto Brunfels, Simon Grynaeus, Anton. Reuchlinus u. s. w.): Ein ungedrucktes Gedicht von ihm (Ode tricolor et tetrastrophos de lege et evangelio. 26 Str.) im Thom. Archiv zu Straßburg. – Briefe von ihm und an ihn in Basel, Hamburg, München, Schlettstadt, Straßburg, Zürich, einzelnes gedruckt (vgl. die Briefwechsel von Rhenanus und Zwingli und Knod, Jacob Spiegel I.)

Bisher ist über ihn nur gelegentlich gehandelt worden, so von Raumer, Kümmel, Geiger, Strüver, die durchweg auf die unvollständigen und ungenauen Nachrichten Röhrich’s in s. Mittheilungen aus der evangel. Kirche d. Elsaß. Straßb. 1857. I, 101 ff. zurückgehen. Hieraus geschöpft ist selbst noch, was neuerdings Engel (Schulwes. i. Straßburg. Progr. 1886) u. Beil (Festschrift d. Prot. Gymn. z. Straßb. 1886) über ihn anmerken; doch giebt Engel einige gute selbständige Notizen über seine Straßburger Schulzeit auf Grund der Acten des Thom. Archivs.