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ADB:Rosen, Julius

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Artikel „Rosen, Julius“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 493–495, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rosen,_Julius&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 01:26 Uhr UTC)
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Rosen: Julius R. war ursprünglich nur schriftstellerisches Pseudonym, bald aber anderweit benutzter Name des Lustspiel- und Schwankdichters Nikolaus Duffek. Geboren wurde er aus czechischer Familie am 8. October 1833 zu Prag als Sohn Josef Duffek’s, der 1821–69 als Tenorist und Chorführer, dann im Orchester an der dortigen Bühne wirkte. Nach den philosophischen und juristischen Studien in der Vaterstadt, 1855 bei der Verwaltung Siebenbürgens eingetreten, wurde er nach Oedenburg in Ungarn, 1860 zur Polizeidirection in Prag versetzt, wo er als Commissar Preßsachen und Vereinsangelegenheiten zugewiesen erhielt. Von der Leitung dieses Preßbureaus enthob ihn der Statthalter Böhmens, Graf Lazánsky, unmittelbar nachdem 1866 die feindlichen Truppen Prag geräumt hatten, wegen angeblichen „ungebührlichen Verkehrs mit den Preußen“. Die von R. geforderte Untersuchung ergab im Gegentheil, daß er den Muth besessen, der preußischen Commandantur seine Mitwirkung zu verweigern. Trotz völliger Rehabilitirung seiner Amtsehre, nahm R. jedoch sofort seinen Abschied und widmete sich nunmehr ausschließlich dramatischer Schriftstellerei, wie er sie schon bis dahin rührig ausgeübt hatte. Franz Wallner zu Berlin bot ihm die Stelle eines Dramaturgen an seinem Theater an. Aber R. folgte lieber dem entsprechenden Antrage Anton Ascher’s, des unternehmenden Directors des Carl-Theaters in Wien, an dem er seitdem als Secretär, sodann als Dramaturg, endlich, unter der des vieljährigen Wiener Bühnenkünstlers und -leiters Frz. Jauner Direction, als Oberregisseur bis 1874 angestellt blieb. Darauf leitete er, mit der berühmten Soubrette Josefine Gallmeyer kurz das dortige volkstümliche Strampfer-Theater (s. A. D. B. LI, 739), löste jedoch, als dies infolge des großen Börsenkrachs geschäftlich nicht prosperirte, schon 1. März 1875 die Verbindung. Danach wirkte er am Berliner Wallner-Theater als Regisseur, desgleichen unter H. Laube an dessen glänzend inaugurirtem Wiener Stadttheater. Am 1. September 1880 übernahm er den Posten eines Oberregisseurs und Dramaturgen am Theater an der Wien, den er, mit der Pause 1889/90, während der er als Regisseur an Ch. Maurice’s (s. A. D. B. LII, 249) Thaliatheater zu Hamburg thätig war, bis 1891 eifrig ausgefüllt hat. Da gab er seine doppelte Beziehung zur Bühne endgültig auf und zog sich auf sein Landhaus in Pörtschach am Wörther See in Kärnten zurück. In Görz’ mildem Klima Linderung eines Brustleidens suchend, starb er am 4. Januar 1892, noch voller Komödienpläne nach bewährter Schablone.

Schon als Student arbeitete R. für Prager Zeitungen, besonders, wie später für Wiener, Feuilleton-Romane, wirkte dann nach der Heimkehr aus Ungarn als Redacteur der belletristischen Monatsschrift „Erinnerungen“, fürderhin als Kunstreferent der „Bohemia“, 1862 als Theaterreferent des deutschgeschriebenen entschieden czechischen Blattes „Politik“. 1855 erschienen in einem Siebenbürger Feuilleton „Memoiren eines Narren“, 1862 in der „Politik“ die Romane „Kinder der Revolution“ und „Salon-Piraten“. 1859 brachte er zuerst einen dramatischen Versuch an die Oeffentlichkeit, „Convenienz und Liebe“, am Theater zu Oedenburg, wo R., dortiger Gubernialbeamter, dabei Talentlosigkeit als Schauspieler offenbarte. Abgesehen von diesen Leistungen, hat R. seit 1861, in Prag und dann während der unmittelbarsten Beziehungen zur lebenden Bretterscene, ausschließlich das heitere Gebiet Thaliens gepflegt. Dabei wußte sich seine allezeit schlagfertige Muse mit unleugbarem Geschicke zwischen dem wirklich kunstmäßigen Aufbau des echten Lustspiels und der flachen Situationskomik entwicklungsarmer Possen meistens in der Mitte zu halten. An den zu leichtbeschwingten Stoffen, wie sie den Gaumen des Durchschnittspublicums der damaligen Zeit, der 60er und 70er Jahre des 19. Jahrhunderts, [494] befriedigten, liegt es, daß die größte Mehrzahl der dramatischen Arbeiten Rosen’s eine starke und wenn auch niemals tiefe, doch sehr breite Wirkung erzielten und die besten Glieder der langen Kette, so „O, diese Männer!“, „Größenwahn“, „Nullen“, „Das Damoklesschwert“, bis heute auf dem Repertoir vieler Vorstadt- und ländlicher, insbesondere auch Dilettantenbühnen sich lebenskräftig erhalten haben. Zumal sie während langer Jahre viele deutschsprachliche Bühnen, darunter genug sonst litterarisch anspruchsvollere, mit abend- und cassenfüllendem Material versorgte, muß die außerordentliche Fruchtbarkeit dieses Litteraten, obwohl augenscheinlich jedes innern Fortschritts bar, ernstlich verbucht werden.

Beweisen nun den Anklang, den Rosen’s ausgedehnte dramatische Wirksamkeit gefunden, auch die Uebersetzungen mehrerer Stücke ins Holländische, Russische, Magyarische, Polnische, Czechische, Kroatische, und legen auch einige, sorgsamer ausgeführte entschiedenes Talent für die leichtere Gattung der komischen Theatermuse über den Augenblicksgeschmack hinaus an den Tag, so nahm er sich doch nie Zeit, die ihm ununterbrochen aufsteigenden oder zufliegenden lustigen Einfälle richtig zu verarbeiten. Er speculirte auf den momentanen Erfolg und schuf daher Blender, rasch enttäuschende vergängliche Waare, setzte statt wirklicher Charaktere Chargen auf die Bretter und bekundete zuweilen, im Taumel der Rampensiege, mit Windeseile producirend, eine, wie sein engster Landsmann und genauer Kenner Alfred Klaar sagt, erstaunliche Gemüthsroheit sowie einen abstoßend bildungsfeindlichen Zug. Oft hält nur der schlagfertige Dialog die arg magere Handlung so lange zusammen, bis der Schluß – entgleist. Aber die Fülle komischer Episoden und ungezwungene Frische seiner munter fließenden humoristischen Ader stellen R. mindestens ebenbürtig neben Gustav v. Moser und Otto Girndt, diejenigen der etwa gleichzeitigen norddeutschen Gattungsgenossen, mit denen er wiederholt zusammen genannt worden ist. Ueberhaupt hat R. manche derben, gleichsam philiströsen Züge mit dem Schwank- und Possengenre gemein, dessen Stil die Berliner Bühnen verschiedener Stufe und von da das Provinztheater eroberte. So steckt etwas Wahres in seinem Vergleiche mit Kotzebue. Andererseits hat ihn der Wiener Volkswitz in seinem czechischen Ursprung und der Nachahmung des vorbildlichen Wiener Meisters mit dem Scherzworte „Powidl-Bauernfeld“ getroffen, eine Xenie des dortigen Witzblatts „Floh“ als „Herrn Rosen einen Dichter unter Dichtern, wie ein Irrlicht unter den Irrlichtern“.

Bestimmte Stücke, welche über ephemeren Rang durch gediegenere Anlage und ernstere Wirkungen emporragen, namhaft zu machen ist schwer. Außer den schon angeführten, deren Glanznummer „O, diese Männer!“, zählen daher etwa: „Hohe Politik!“, „Kanonenfutter“, „Schwere Zeiten“, „Zitronen“, „Ein Knopf“, „Falsche Tage“, „Entweder – oder“ (früher: „Ein schlechter Mensch“), „Ein Engel“ (Pendant „Ein Teufel“), „Ein Herkules“, „Ein Held der Reklame“, „Ein Schutzgeist“; Reihenfolge ist innerlich gleichgültig. Die Titel der unvollständigen Serie der 14 Bände „Gesammelte dramat. Werke“, 1870–88 von Ed. Bloch’s Theaterverlag vertrieben, zählt Frz. Brümmer mit Unterscheidung der heitern Gattungen hinter dem Lebensabriß, Lex. d. dtsch. Dichter d. 19. Jhrhs.5 III, 346, auf; einige wenige hat R., vielleicht im Wunsche einmal höher hinaufzugreifen, Genre- oder Lebensbild benannt, andererseits jedoch auch Operettenlibretti, z. B. einmal für J. J. Offenbach, geliefert.

Hauptquelle, obwohl 1873 abbrechend: Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 26 (1874), S. 359–62. – Gottschall, Deutsche Nationallitteratur des 19. Jahrhdts.5 IV, 115; 7 III, 675. – [495] Bornmüller’s Biographisches Schriftstellerlexikon d. Gegenw. (1882), S. 610. – A. Klaar, Das moderne Drama I (1883), 298. – R. Prölß, Geschichte des modernen Dramas III 2, 234. – (L. Fränkel in) Brockhaus’ Konversationslexikon (14. Auflage u. Jubiläums-Ausgabe V, 1901, 497a) kurz und authentisch. – Bildniß: „Wiener Rotbuch. Kalender für 1872“, herausgegeben von K. Linder und F. Groß, S. 101. Bedeutsam sind Hnr. Laube’s Auslassungen aus Erfahrung mit der Wirkung von Rosens’ Talent (Das Wiener Stadttheater, 1875, S. 171 u. 152, Register. – H. Laube’s Theaterkritiken und dramaturgische Aufsätze, herausgeg. von A. v. Weilen, 1906, I, 198 f. u. 446). Einzelheiten in einigen von Lier A. D. B. LI, verzeichneten Schriften.