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ADB:Romberg

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Artikel „Romberg“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 104–115, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Romberg&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 03:30 Uhr UTC)
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Romberg. Der Name einer Künstlerfamilie, die der musikalischen Welt eine Anzahl gefeierter Virtuosen und beachtenswerther Componisten schenkte. Eine wahrhaft rührende gegenseitige Liebe, Anhänglichkeit und Einigkeit charakterisirte die Glieder dieser Familie, die so lange sie vereinigt waren, ihre Zusammengehörigkeit [105] auch dadurch bethätigten, daß sie stets das gleiche, nur durch eine Scheidewand getrennte Haus bewohnten und Eltern und Kinder immer nach Farbe und Schnitt einerlei Kleidung trugen. – Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts tritt der Name Romberg zuerst aus dem Dunkel hervor, um nun durch vier Generationen sich in Ansehen zu behaupten, obwohl auch hier Aufgang und Niedergang zu verfolgen ist. Voraussichtlich war die Uebung der Tonkunst und die Liebe zu derselben schon den Vorfahren, über die wir leider Näheres nicht wissen, eigen. Diejenigen dieses Namens aber, die uns zuerst begegnen, waren nicht nur tüchtige Spieler einzelner Instrumente, sondern auch weltgewandte, unternehmende Leute. Die Familie, aus Westphalen (dem Münsterschen und Oldenburgischen) stammend, machte sich zuerst weiterhin bemerkenswerth durch zwei Brüder, beide in Münster geboren und gestorben: Anton R., vortrefflicher Fagottist, 6. März 1742 bis 14. December 1814, und Gerhard Heinrich R., ausgezeichneter Clarinettist, zuletzt fürstbischöflicher Musikdirector, 8. August 1745 bis 14. November 1819. Des Erstern Kinder waren: 1) Bernhard R., der berühmte Cellist und hervorragende Componist für sein Instrument, geboren am 12. November 1767 zu Dinklage im Oldenburgischen, † am 13. August 1841 in Hamburg. 2) Anton R., guter Geiger und vorzüglicher Fagottist, geboren am 6. März 1771. Er führte, wie alle seine Familienangehörigen, ein ziemlich unstätes Leben; 1808 war er in Wien in der Capelle des Fürsten Kinsky mit 2000 fl., einstigem Pensionsanspruch für seine Witwe und drei Monaten Urlaub angestellt; 1813 Kammervirtuose des Fürsten Lobkowitz und Solospieler in der Hofoper; 1815 Kammermusikus in Stuttgart, 1817 in Berlin; 1819 siedelt er von Frankfurt a. M. nach München über, wo er dann, nachdem er bereits 1838 pensionirt worden war, bis zu seinem Tode, 1842, verblieb. Seine einzige Tochter starb in ihrem 17. Jahre. Schon in sehr jugendlichem Alter blies er mit seinem Vater (der es liebte, mit all den musikalischen Gliedern seines Hauses und seiner Verwandtschaft Familienconcerte zu veranstalten) Doppelconcerte für Fagott. Wie sich die Zeitgenossen im Lobe seines Bruders und Vetters nicht genug thun konnten, so rühmte man auch ihn als den ersten Künstler seines Instrumentes, dessen Ton von größter Lieblichkeit und Zartheit und andererseits von seltener Kraft und Fülle und bis in die höchsten Lagen gleichmäßig ausgebildet und leicht ansprechend war, dessen Technik tadellos erschien und dessen tiefempfundene Vorträge das Entzücken der Hörer bildeten. Allerdings waren dafür seine Compositionen um so nichtssagender und inhaltloser. 3) Angelika R., Sopranistin und Klavierspielerin, geboren 1779. – Auch Gerhard Heinrich hatte drei Kinder, die sich rühmlich hervorthaten: 1) Andreas Jacob R., angesehener Violinspieler und sehr beliebter und fruchtbarer Tonsetzer, geboren am 27. April 1767 zu Vechta im Münsterschen, † als Capellmeister in Gotha, wo er Spohr’s Nachfolger geworden war, am 10. November 1821. 2) Balthasar R., Cellist, G. H.’s dritter Sohn (ein zweiter, ebenfalls sehr talentirter Sohn, starb jung), geboren 1775, starb schon 1793. 3) Therese, geboren 1775, mit Professor Schlöter in Münster verheirathet, Altistin und geschickte Pianistin. – Bernhard R. besaß wieder einen Sohn, Karl, der, Schüler seines Vaters und ausgezeichneter Cellist, bereits von seinem 10. Jahre an mit ihm Doppelconcerte spielte und neben demselben durch seine Solovorträge Aufsehen erregte. Er wurde am 11. Januar 1811 in Petersburg geboren, war daselbst von 1832–42 Capellmitglied und starb in Wien, wohin er sich zurückgezogen hatte. (Von ihm folgende Cellopiecen: 6 Nocturnes, op. 1. 4 u. 5, je zwei Hefte. Les Adieux. Impromptu, op. 13. Impressions de Voyage. Capriccio, op. 19. Scene. Impromptu, op. 21. Rondo giocoso.) Eine Tochter Bernhard’s, Bernhardine, war eine gute Concertsängerin, deren [106] Leistungen in allen Städten, in denen der Papa concertirte, neben denen ihres Bruders Anerkennung fanden. Ein Enkel Bernhard’s, Bernhard Hildebrand, geboren 1833 in Berlin, war ebenfalls Cellovirtuos, wurde aber dann Kaufmann und verunglückte auf der Fahrt nach New-York mit dem in Brand gerathenen Schiffe Austria, 15. September 1858. – Von den zehn hinterlassenen Kindern des Andreas R. zeichneten sich aus: Heinrich R., geboren am 4. April 1802 in Paris. Guter Violinspieler, Schüler seines Vaters und des Pariser Conservatoriums; seit 1829 Concertmeister und später, bis 1849, Dirigent der italienischen Oper (als welcher er aber nicht besonders gerühmt wurde) in Petersburg; † 1859 in Hamburg. (Von ihm: Sonate op. 1. Adagio et Rondeau brill., op. 2. Var. caractèristique. Thème fav. du Maçon. op. 6, alle für Violine mit Clavier. Intermezzo conc. f. Flöte, Violine und Cello, op. 7. Quintetto, op. 10). Cyprian, bedeutender Cellist, doch besserer Solo- als Orchesterspieler, Schüler seines Oheims; geboren am 28. October 1807 in Hamburg; lange Capellmitglied in Petersburg. Er ertrank beim Baden in der Elbe bei Neumühlen am 14. Oct. 1865. (Von ihm: Concertino f. Cello, op. 1. Fantaisie, op. 2. 6 Lieder und Gedichte mit Clavier, op. 7. Das Jakutengrab von H. Stieglitz, für Bariton, Clavier u. Cello, op. 8. Les Alpes. Noct. sur le cor des Alpes de Proch. op. 20. La Sérénade, op. 21. Rondino, op. 22.)

Es erübrigt nun auf die beiden bedeutendsten unter den vorstehend aufgeführten Künstlern, Andreas und seinen Vetter Bernhard eingehender zurückzukommen. Sie wurden irrthümlich vielfach als Brüder betrachtet, nannten sich auch selbst Fratelli cugini, reisten durch viele Jahre zusammen, und theilten sich einträchtig in alle ihnen dargebrachten Künstlerehren. Sie scheinen auch sehr gut zu einander gepaßt zu haben. Andreas, der Geiger, war sanft, sinnend, nachgiebig, eine stille, beschauliche Natur; Bernhard, der Cellist, den schon Neefe 1793 einen wahren Feuerkopf in der Composition nennt, war genialer, kühner, unternehmender. Beide besaßen den der Familie eigenen und bei ihnen von früher Jugend an genährten Wandertrieb in hohem Grade. Sie bereisten mit großem künstlerischen Erfolge gemeinschaftlich Frankreich, Deutschland und Italien. Bernhard für sich allein dehnte dann seine Fahrten südwärts bis Lissabon, ostwärts durch Frankreich und die Niederlande, nordwärts nach Schweden und Norwegen, westwärts weit durch Rußland hin aus. Wien, Prag, Leipzig, Stuttgart, Frankfurt a. M., Berlin, Hamburg und alle anderen wichtigeren Städte huldigten begeistert seinen eminenten Leistungen. Andreas, der übrigens die virtuose Bedeutung seines Vetters nicht erreichte, unternahm ebenfalls häufig erfolgreiche Kunstfahrten, doch überschritt er später nicht mehr die Grenzen des Vaterlandes. Andreas R. trat schon im siebenten Jahre, zusammen mit seinem sieben Monate jüngeren Vetter vor die Oeffentlichkeit. Sechs Jahre später unternahm Gerhard Heinrich mit den beiden Knaben eine Kunstreise nach Holland und Frankreich. Ueberall erregte deren Spiel Enthusiasmus. 1784 kam die ganze Familie zum ersten Male nach Paris und spielte hier im Salon des Baron Bagge (preußischer Kammerherr, † 1791, bekannter Kunstmäcen), mit so vielem Beifalle, daß man sie für die Saison 1785 für die Concerts spirituels engagirte. Bernhard spielte zuerst allein am 18. März; am 29. März trug Andreas ein Violinconcert seiner Composition vor; die ganze Familie executirte dann am 1. April eine Sinfonie concertante. Da gerade in diesem Jahre viele der größten Künstler in Paris zusammengekommen waren, war der Erfolg der Rombergschen, wenn man ihre Leistungen auch freundlich würdigte, doch kein außerordentlicher. Namentlich konnte der Knabe Bernhard mit dem jungen J. L. Duport, damals schon ein Virtuose von großem Rufe, nicht verglichen werden. Als der Kurfürst von Köln-Bonn, Maximilian Franz, bekanntlich ein [107] begeisterter Musikfreund, einige Jahre später nach Münster kam und dort A. und B. hörte, engagirte er die beiden fleißigen und strebsamen Jünglinge, die sich auch schon durch verschiedene Compositionen bekannt gemacht hatten, durch Decret vom 19. Dec. 1790 für seine Hofcapelle. In Bonn standen Reicha, der Onkel des späteren bekannten Componisten und Theoretikers, ein vorzüglicher Cellist, und Neefe, an der Spitze der Hofmusik. Sie fanden unter ihren Collegen eben diesen Neffen, Anton Reicha, einen sehr guten Flötisten, die geschickten Geiger Andr. Perner aus Prag und Fr. Ries, den Hornisten Simrock, den Contrabassisten Cand. Passavanti, den Fagottisten Küchler u. v. a., namentlich aber den drei Jahre jüngeren Beethoven, damals Bratschist, der bereits anfing, sich als Tonsetzer einen Namen zu machen und den der beredte Kunstschriftsteller C. L. Junker, fürstl. hohenlohescher Caplan in Kirchberg, jetzt schon als einen der größten und originellsten Clavierspieler bezeichnete. Von Andreas, den man wie die besten Mitglieder der Capelle in Mergentheim hörte, wohin sie der Kurfürst, der zugleich Deutschordensgroßmeister war, hatte kommen lassen, sagt er, daß er aus seiner Violine den reinsten Glaston zu ziehen wisse, neben bedeutender Virtuosität auch einen geschmackvollen Vortrag besitze und das, was man musikalische Malerei nennt, in hohem Grade verstehe. Nach dem Ausbruche der französischen Revolution, die den Kurfürsten aus seinem Lande vertrieb, ging Beethoven nach Wien, die beiden R. nach Hamburg, wo sie vom October 1793 bis Sommer 1795 im Schröderschen Theaterorchester Anstellung fanden und ihr Concertspiel stets großes Aufsehen erregte und lebhafte Anerkennung fand. 1795 bereisten sie zusammen Italien, in diesen aufgeregten kriegerischen Zeiten ein großes Wagniß; doch gelang es ihnen, in allen größeren Städten zum Auftreten zu gelangen. In Rom gewannen sie die Protection des Cardinals Rezzonico, der ihnen die bis dahin unerhörte Gunst verschaffte, im Capitol(?) ein Concert geben zu dürfen (17. Febr. 1796). Die Italiener priesen insbesondere den schönen Ton, den beide ihren Instrumenten zu entlocken wußten und das Gesangsmäßige ihres Vortrags. Auf der Rückreise nach Deutschland weilten sie längere Zeit in Wien und erwarben sich da das besondere Wohlwollen Haydn’s, der sich ihrer auf’s freundlichste annahm und ihnen dazu verhalf, in den angesehensten Häusern sich hören zu lassen; insbesondere pflegte er Andreas, der an ihm mit dem ganzen Enthusiasmus eines jugendlichen Herzens hing, gerne seinen lieben Sohn zu nennen. Letzterer hatte damals sein erstes Quartett geschrieben. In einer der ersten kunstsinnigen Adelsfamilien, in die der alte Meister seine jungen Freunde eingeführt hatte, legte er eines Abends selbst die Stimmen zu einem neuen Quartett auf. Alles war gespannt auf die Composition, als deren Urheber man natürlich ihn selbst ansah. Das Stück wurde in schönster Vollendung ausgeführt, mit liebevoller Aufmerksamkeit gehört und laut bewundert, als es beendet war. „Hat es Ihnen wirklich gefallen?“ – frug da Haydn, – „das ist mir lieb; es ist ein Werk dieses jungen Mannes.“ Er deutete auf Andreas. Auch der einstige Genosse, Beethoven, unterstützte die Unternehmungen beider mit Rath und That. – 1797 erfolgte die Rückkehr nach Hamburg, wo sich A. nun förmlich niederließ, als Concertmeister wieder seine Stelle im Orchester übernahm und sich ganz ernsten Arbeiten widmete, während der unruhigere und wanderlustigere Bernhard eine Kunstreise nach England, Portugal, Spanien und Frankreich unternahm (1799). Es war die erste Trennung der bisher Unzertrennlichen. Aber schon im Herbste 1800 gab er dem Drängen seines Vetters nach und traf (den Weg über England nehmend,) mit ihm in Paris zusammen. Leider fanden hier weder seine mitgebrachten Werke, noch eine für das Theater Feydeau in Gemeinschaft mit Bernhard componirte komische Oper: „Don Mendoce ou le Tuteur portugais“ erwünschten Beifall. Doch erwiesen sich die Pariser Verleger [108] nicht abgeneigt, die Rombergschen Instrumentalcompositionen zu drucken, die von jetzt ab immer gleichzeitig an verschiedenen Orten publicirt wurden. In Paris heirathete Andreas, 1801, eine Hamburgerin, Frau Magdalena Ramcke, und kehrte dann mit ihr und seinem ihm daselbst noch geborenen Sohne Heinrich, im Herbste 1802 nach Deutschland zurück, aufs neue sich häuslich-bürgerlich in Hamburg wieder einrichtend. In den 13 Jahren, die er nun daselbst wohnte, entstanden viele der besten Werke des rastlos arbeitenden Mannes, der auch als vortrefflicher Lehrer segensreich wirkte, auf regelmäßig unternommenen kleineren Kunstreisen seine virtuosen Leistungen zur Geltung brachte und seinem Ruhme täglich weitere Verbreitung zu verschaffen wußte. Eine besondere Ehre erwies ihm die Universität Kiel, die ihn im August 1809 zum Dr. hon. causa (der freien Künste und der Musik) ernannte. Als 1815 Spohr seine Stelle als Capellmeister in Gotha niederlegte, wurde Andreas R. sein Nachfolger. Die sechs Lebensjahre, die ihm nun noch vergönnt waren, konnte er, da ihn seine Amtsgeschäfte nur wenig beanspruchten und bevor ihn eine tückische Krankheit ergriff, fast ganz der Composition widmen. In Folge seines körperlichen Leidens aber verlor er allmählich Heiterkeit und Lebenslust und nur in angestrengter Arbeit fand er noch ein Genügen. Unerwartet rasch nahte sein Ende. Sein Tod erregte die innigste Theilnahme der fürstlichen Familie, der ganzen Stadt, des musikalischen Deutschlands, insbesondere da er eine vermögenslose Witwe mit 10 unversorgten Kindern hinterließ. Da bethätigte sich nun wieder die unwandelbare Treue des brüderlichen Freundes Bernhard, der den einstigen Reisegenossen 20 Jahre noch überleben sollte. Man gab in Gotha, Meiningen, Berlin und andern Orten Concerte zum Besten der Familie und angesehene, wohlhabende Hamburger Musikfreunde bewährten ihren bekannten Wohlthätigkeitssinn. – Andreas war in erster Linie Componist, dann erst Virtuose. Obwohl er als vortrefflicher Künstler, namentlich in früheren Jahren, großen Beifall fand, kann er doch nicht zu den ersten Meistern seines Instrumentes gezählt werden. Allerdings soll man einst in Wien die Billete zu den Concerten der Romberg mit 50 fl. bezahlt haben und die Blätter waren auch stets des Lobes über seine Leistungen voll. Doch scheint Andreas die Uebung auf seiner Geige, besonders von der Zeit an, da ihn Compositionsarbeiten fast ausschließlich beschäftigten, vernachlässigt zu haben. Trotzdem setzte er seine Kunstreisen, nun meist in Gemeinschaft mit seinem Sohne Heinrich, fort. „Sein Ton war nicht groß, aber voll und vielfältig nüancirt; seine Passagen, auch sehr schwierige, waren bestimmt, deutlich, klangvoll, obgleich ihm zuweilen nicht Alles glückte; sein Vortrag näherte sich mehr der Fr. Benda’schen, als der französischen Schule; sein Ausdruck war im Allegro mehr kräftig als feurig, mehr körnig eingreifend als fremdartig auffallend oder effectvoll fortreißend, im Adagio edel, gehalten, männlich sanft, mehr das Gefühl bewegend, als es aufregend oder ihm schmeichelnd. Als Quartettspieler erschien er namentlich im Vortrage Mozart’scher und Haydn’scher Quartette vortrefflich, ja bewundernswürdig“ (Rochlitz). Ein Bericht aus Hildburghausen vom Jahre 1817 rühmt, daß ihm noch alle Künste des Bogens zu Gebote ständen, er in allen Lagen sicher sei und jede Schwierigkeit leicht überwinde. Weniger günstig urtheilt der ihm befreundete Spohr über seinen Vortrag, obwohl er zugiebt, daß er fertig und mit Geschmack gespielt habe. Er erzählt: „Das Zusammenleben mit A. R., dem gebildeten und denkenden Künstler, hat mir wieder viele genußreiche Stunden verschafft. Aber von Neuem fand ich, daß er seine Compositionen unbeschreiblich kalt und trocken vorträgt, als wenn er die Schönheiten, die sie enthalten, selbst nicht fühlte. Er spielte mehrere seiner Quartette, die mir längst werth geworden sind, weil ich sie oft von andern gehört und selbst gespielt habe; aber der Geist, der sich in ihnen so deutlich [109] ausspricht, daß ihn jeder der Geiger, von denen ich sie bisher hörte, richtig auffaßte, scheint ihm selbst unbekannt geblieben zu sein, denn in seinem Vortrage konnte ich keine Spur davon entdecken.“ Noch herber lautet eine Besprechung seines Auftretens in Frankfurt a. M. (1819), worin es heißt, daß er einen bedeutenden Eindruck nicht mehr hervorbringen könne, seine Manier veraltet, seine Bogenführung unkräftig und unsicher sei und es seiner Fertigkeit an geschmackvollem, gewandtem Vortrage fehle. – In Hamburg lebte A. R. in vertrautem Umgange mit Klopstock; daher auch die Vorliebe, mit der er Dichtungen desselben in Musik setzte. Seine geistlichen Compositionen wurden während der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts vielfach aufgeführt, auch seine Gesangwerke für den Concertsaal erfreuten sich großer Beliebtheit und weiter Verbreitung, ebenso fanden sich seine zahlreichen Instrumentalsätze, Quartette, Sinfonieen, Ouvertüren, Concerte, die, alle sehr solid gearbeitet, bei den Zeitgenossen in ungewöhnlicher Schätzung standen, auf allen Programmen. Alle diese vielfachen Bethätigungen einer schöpferischen Phantasie sind heute vollständig vergessen; nur eine größere Composition, von gleichzeitigen Kritikern vielfach sehr grausam beurtheilt und auf alle scheinbaren und wirklichen Mängel und Fehler hin unbarmherzig analysirt, hat sich, man kann sagen, jugendfrisch bis zur Stunde erhalten: „Das Lied von der Glocke“. Zwar halten es große Vereine und ihre den Zukunftsidealen zustrebenden Dirigenten unter ihrer Würde, sich mit demselben noch zu befassen; aber um so glücklicher schätzen sich Vereine kleinerer Städte, ein Chorwerk zu besitzen, das mit den einfachsten Mitteln glückliche Wirkungen zu erzielen vermag, harmonisch abgeklärt, rhythmisch schön gegliedert, melodisch sehr anmuthig, durchweg edel und gemüthvoll sich darstellt und stets gerne gesungen und gehört wird. Die Popularität der Romberg’schen „Glocke“, die geradezu unzählige Aufführungen und zwar in allen Städten Deutschlands fand, auch in den bedeutendsten, die wirklich einst die Freude aller Gesangvereine, auch der großen, bildete und an die sich diejenigen, die sie einst hörten, stets mit Vergnügen erinnern werden, wird keine Composition der neueren Zeit, welcher der gleiche Text zu Grunde liegt, je erreichen. Wie Romberg’s Gesangstücke dem heutigen Geschmacke nicht mehr zu entsprechen vermögen, so erscheinen auch seine Orchester- und Kammermusikwerke, einst neben denen der größten Meister, deren Vorbild er folgte, einen wie man glaubte ebenbürtigen Platz behauptend, heute trocken und veraltet. Nur das neugestaltende Genie hat Aussicht auf Unsterblichkeit. Er fiel mit diesen Arbeiten, deren Genre sich gerade im ersten Viertel unseres Jahrhunderts zu ungeahnter Höhe hob, in eine höchst schwierige Zeit; dennoch läßt sich von den meisten seiner Instrumentalcompositionen sagen, daß sie mannichfaltig, belebt, kräftig und gründlich sind; sie zählten s. Z. auch entschieden zu den besseren der vorhandenen Hervorbringungen gleicher Gattung. Am wenigsten Erfolg hatten seine Opern. Die einactige heroische Oper: „Die Großmuth des Scipio“ hat durch Börne eine sehr drastische Besprechung gefunden. Er sagt: „Anfangs wunderte ich mich, daß so häusliche Geschichten unter freiem Himmel, in der Gasse eines Lagers sich ereignen durften. Ich staunte, daß Scipio sich nicht schämte, Liebe und Schwäche in Gegenwart graubärtiger Krieger auszuseufzen. Aber es war nöthig, ihn als gewaltigen Herrn und mächtigen Befehlshaber darzustellen, um das als Großmuth erscheinen zu lassen, was einem Bürgersmann Schuldigkeit gewesen wäre: die Zurückstellung eines Mädchens, das ihn nichts anging, an ihren rechtmäßigen Inhaber. Dies die ganze Handlung. Sie in einen Akt zusammenzuzwängen, war wohl Aufgabe des Tondichters, der sich keine ausgedehntere Fähigkeit zur dramatischen Musik zutraute und die selbst nicht hinreichend schien, auch nur diesen kurzen Raum auszufüllen. Die Musik hat keinen bestimmt verständlichen Ausdruck; ohne den [110] verdolmetschenden Text würde man nicht ahnen, welche Seelenbewegungen ausgedrückt werden sollen. Zwar etwas mehr als ein Concertstück ist diese Oper, aber sie bleibt nur ein musikalisches Declamatorium, dessen einzelne Theile unter sich keinen Zusammenhang haben.“ Eine Biographie A. Romberg’s von Rochlitz findet sich in der Leipz. Musik-Zeitung, Bd. 24, und ein Abdruck derselben im 1. Bande von „Für Freunde der Tonkunst“. – Ein vollständiges Verzeichniß der Werke dieses Meisters vermögen wir leider nicht aufzustellen. Viele seiner Compositionen blieben ungedruckt und daher mögen wol die Lücken in den Opuszahlen kommen.

A. R. schrieb I. für die Kirche: „Pater noster“, 3stimm. mit Orch., op. 6: „Te Deum“, op. 55 (Kaiser Franz I. gewidmet); „Psalmus CX“, Dixit Dominus, op. 61 (preisgekrönt; König Friedrich August von Sachsen dedicirt); „Psalmodie“, 5 Psalmen und Allelujah a capella nach M. Mendelssohn’s Uebersetzung, op. 65 (Gebet David’s nach Ps. 86; Gebet Mosis nach Ps. 110; Ps. 121 und 8, jeder 2chörig; Lobgesang nach Ps. 150; Hallelujah nach Ps. 117 und 148, 4chörig). Ohne Opuszahl: „Cantate“ von J. A. Schulze (Froh wall ich zum Heiligthum); Messen (darunter eine in B); Psalmen, Cantaten, Motetten, Vater unser, Ode: „Der Erbarmer“ – II. für das Theater: Opern: „Die Ruinen von Paluzzi“. op. 37; „Die Großmuth des Scipio“. Operetten: „Das graue Ungeheuer“; „Die Macht der Musik“; „Der Rabe“ (Bonn 1790–92); „Kein Geräusch“; „Don Mendoce“. Melodrama: „Blandine“. – III. für den Concertsaal: „Selmar und Selma“, Elegie, op. 3; „Die Lehrstunde“, Dialog; beide 2stim. und „Der Messias“ (Manuscript) nach Klopstock’schen Dichtungen. Ode: „Was bleibet und was schwindet“, op. 42 und „Die Harmonie der Sphären“, op. 45, von Th. Kosegarten. „Das Lied von der Glocke“, op. 25; „Die Kindesmörderin“, op. 27; „Die Macht des Gesanges“, op. 28; „Monolog aus der Jungfrau“, op. 38; „Der Graf von Habsburg“, op. 43 und „Sehnsucht“, op. 44, von F. Schiller. Maurercantaten und Maurerlieder. 3 italienische Terzette. Canons für 3 und 6 Stimmen. 6 Lieder von Gleim, 3stimm., op. 20; 6 Canzoni con Cembalo (1800); 6 Lieder beim Clavier zu singen (1799); 14 Oden und Lieder von Klopstock, Herder und Goethe; Lieder, op. 15; 4 Lieder. Einzelne Lieder: „An Guido“, „Erlkönig“, „Kennst du das Land, wo die Citronen blühn?“, „Kennst du das Land, wo über Grabesnächten“, „Nähe der Geliebten“, „Die Seelenruhe“, „Sprache der Tonkunst“, „Die Sterne“ u. a. – IV. Orchester-, Concert- und Kammermusikcompositionen: 6 Sinfonien (davon 4 gedruckt), op. 6, 22, 33, 51 (alla turca); 8 Ouverturen (davon 4 gedruckt), op. 36, 37, 54, 60; 30 Streichquartette (davon 25 gedruckt), op. 1, 2, 5, 7, 11, 16, 30, 40 (Fantasie), 53, 59, 67; Clavierquartett, op. 19; 13 Streich-, Flöten- und Clarinettquintette (davon 9 gedruckt), op. 1 (mit Bernhard R. zusammen), 21, 23, 41, 57, 58; 3 Sonaten für Clav. und Viol., op. 9; 9 Duos für 2 Violinen, op. 4, 18, 56; 3 Duos für 2 Flöten, op. 62; 4 Violinconcerte, op. 3, 8, 46, 50; Duos conc. für 2 Violinen über Themen aus: Die Wiener in Berlin, op. 68; Doppelconcert für 2 Violinen; Concert für Violine und Cello (mit Bernh. R.); Etudes ou Sonates p. Viol. seul, op. 32; Rondos, op. 10 (à la mode de Paris), op. 29 und 34 (3 Rondi alla Polacca); Variationen, op. 17, 66 (Airs écossais); Capriccios, op. 35, 52; Potpourri de l’opéra Don Juan, op. 47.

Bernhard Romberg, der am 13. August 1841 früh 71/2 Uhr im Alter von 73 Jahren in Hamburg starb, hat sich, wie es scheint, bis in seine späten Tage geistige Frische und körperliche Rüstigkeit bewahrt. Wenigstens hat er, fast mit dem Erfolge der Jugend, bis wenige Jahre vor seinem Tode noch concertirt und gleichzeitige Berichte rühmen noch immer die Leistungen des [111] jugendfrischen Kunstgreises. Ein Triumvirat seltener Künstler, wie Deutschland sie gleichzeitig nie gesehen, erfüllte die ersten drei Jahrzehnte unseres Jahrhunderts mit seinem Ruhme. Der Pianist J. N. Hummel (1778–1837), der Geiger L. Spohr (1784–1859), der Cellist Bernh. R. (1767–1841). Es gibt ja unbestreitbar heute Virtuosen, die technisch weit Bedeutenderes leisten als diese Männer; wie denn auch die Virtuosität, die einst Mittel war, in unsern Tagen Zweck geworden ist. Aber Künstler, die zugleich auch als Componisten Höchstes zu bieten vermochten und die für ihre betr. Instrumente stets das Angemessenste, Dankbarste und Edelste nach Form, Inhalt und Wirkung zu geben wußten, deren Concertcompositionen mustergültig bis zur Stunde geblieben und in ihrer Art nicht übertroffen worden sind, haben sich, in gleicher Periode um die Palme ringend, nicht wieder zusammengefunden. Wir geben zu, daß manche der symphonischen Concertstücke, wie sie seit dem Violinconcerte von Beethoven beliebt wurden, musikalisch vielfach hervorragender sind, als die Concertstücke jener Meister, die nur für ihre Instrumente gedacht haben und nur bestrebt waren, alle Vorzüge derselben, wie die Technik und das künstlerische Vermögen des Ausführenden ins hellste Licht zu setzen. Aber als specifische Concertpiecen sind Hummel’s, Spohr’s und Bernh. Romberg’s Concerte weder veraltet, noch überboten und man darf sicher annehmen, daß alle jene, welche geringschätzend die Nase über dieselben rümpfen (u. es gibt in der Gegenwart sehr viele solcher) nicht im Stande sind, sie entsprechend auszuführen. Vom Jahre 1784 an, in welchem die beiden R. durch ihr Spiel die Pariser zum Beifalle hinrissen, bis zum Jahre 1836, aus dem noch Concertberichte über Bernhard’s Spiel vorliegen, zieht sich derselbe enthusiastische Ausdruck der Bewunderung über dessen Leistungen durch alle Blätter. Verfolgt man diese kritischen Kundgebungen durch ein halbes Jahrhundert, so wird man zu der Ueberzeugung gelangen, daß Bernh. R. in der That der größte Cellist gewesen sein muß, den es je gab, wie Spohr der größte Geiger. Das Publicum aller Großstädte Europa’s war einig darin, ihm den Vorrang zuzuerkennen. Unsere Sprache besitzt keinen begeistert-preisenden Ausdruck, den man nicht auf sein Spiel angewendet hätte, wie es denn auch keine künstlerische Ehre gibt, die ihm nicht zu theil geworden wäre. Man nannte ihn den Heros aller Cellisten, den König aller Virtuosen, den Viotti des Violoncellos, den Meisterkünstler. Schon Junker schreibt 1791 über ihn: „daß er in seinem Spiele außerordentliche Geschwindigkeit mit reizvollem, stets bestimmtem und deutlichem Vortrage verbinde. Der Ton, den er aus seinem Instrumente zieht, ist besonders in der Mittellage außerordentlich schneidend, ferm und eingreifend. In Rücksicht auf die Schwierigkeiten des Cello möchte man ihm sein durchaus unfehlbares Reingreifen im schnellsten Allegrovortrag am höchsten anrechnen. Doch der Kenner mißt die Größe des Virtuosen nicht nach seiner mechanischen Fertigkeit allein, sondern nach seiner Spielmanier und der Vollkommenheit des Ausdrucks oder der sinnlichen Darstellung, und dann wird er sich für das sprachvolle Adagio des Spielers erklären. Es ist unmöglich, tiefer in die feinsten Nuancen einer Empfindung einzugreifen, sie durch Schattirung mannigfacher zu coloriren, genauer die ganz eigenen Töne zu treffen, durch welche diese Empfindung spricht und gerade aus Herz zu wirken.“ Als Junker dies schrieb, war Bernh. R. 24 Jahre alt. Nun denke man sich, wie alle Fähigkeiten, wie Können und Verständniß bei einem so gottbegnadeten Künstler im Laufe der nächsten Jahrzehnte sich entwickeln mußten. In der That müssen die Schönheit und Größe seines Tones, die Reinheit der Intonation, die technische Gewandtheit, die Vollendung und Tiefe des Ausdrucks, das Edle und Gediegene des Vortrags und doch wieder die Eleganz, Frische und Leichtigkeit seiner, wenn es erforderlich schien, sehr charakteristischen, originellen und humoristischen Spielweise unvergleichlich gewesen sein. [112] Und dieser unermüdliche Arbeiter, dieser leidenschaftliche Künstler, der der Methode seines Instrumentes erst eine wissenschaftliche Grundlage gab, der es in Behandlung und Kenntniß desselben am weitesten brachte, spielte stets classisch-einfach, wenigstens ahnten die Hörer die Schwierigkeiten die seine Compositionen boten, nie. Wir beneiden diejenigen, denen es vergönnt war ihn zu hören. Wer jedoch das Glück hatte, Spohr noch zu hören, dessen wahrhaft großartiges und nach jeder Seite hin vollendetes Geigenspiel keiner der Epigonen je wieder erreichte, dürfte sich eine Vorstellung davon machen können, wie Bernh. R. spielte. Die Gunst des Publicums blieb ihm auch allerorten treu; nur eine leise Unzufriedenheit äußerte sich momentan, wenn er in einer Reihe in der gleichen Stadt nach einander gegebener Concerte ausschließlich nur Kammermusik- oder Orchesterwerke eigener Composition zu Gehör brachte. Hätte er die Klugheit besessen, rechtzeitig dem öffentlichen Spiele zu entsagen, so würde diese Ausstellung den Glanz seiner Erscheinung nicht beeinträchtigen. So aber ließ er sich leider hinreißen, in seinem 70. Jahre nochmals in Paris aufzutreten und das Urtheil eines immer vergeßlichen und undankbaren Publicums herauszufordern. Alle die ihn in dieser Periode seines Niedergangs hörten, waren peinlich berührt. Seine Intonation war unsicher geworden, seine einstige Zuversicht auffallender Schüchternheit gewichen, alle großen Eigenschaften, die sein Spiel einst so hoch über das aller Rivalen erhoben hatten, waren gewichen. Und in solchem Zustande der Schwäche zeigte er sich vor den Pariser Cellisten, die fast alle seine Schüler waren. – Ueberblickt man sein rastloses Wandern, so muß man erstaunen, wie er zugleich Zeit zu unausgesetztem Studium und zu so zahlreichen Compositionsarbeiten fand. Aber das damalige Reisen eines Virtuosen war ein ganz anderes, als das heutige. Nicht nach reichen Einnahmen allein trachtend, durchjagte man in ungestümer Hast die Welt, die Kunst in Wahrheit nur zum Beutemachen erniedrigend, sondern gewöhnlich im eigenen bequemen Reisewagen, inmitten aller Familienglieder, wurden die Reisen zurückgelegt, nur in größeren Städten concertirt und wo es ging auch entsprechend gerastet. Heute spielen die renommirtesten Künstler womöglich zweimal des Tages an verschiedenen Orten und, schauen dabei einige Goldstücke heraus, auch in dem unbedeutendsten Marktflecken; sie achten nicht des Weges, lernen keine der Städte kennen durch die sie kommen, schlafen Nacht für Nacht im Eisenbahncoupé und zeigen nur ein Interesse, das für ihre Einnahmen. Dagegen sind sie auch meist körperlich und geistig ruinirt, wenn die Tour vorüber ist. Die gute alte Zeit gönnte dem Reisenden auch Stunden ruhigen Schaffens und behaglichen Genusses, und so darf es uns nicht überraschen, wenn auch während weiter Reisen zahlreiche Werke entstehen konnten. Leider gibt es noch keine Monographie über die Romberg’sche Familie. Eine Biographie Bernhard’s, welche die Leip. Mus. Zeitung zu bringen versprach, ist nie erschienen und so sieht man sich denn bezüglich seiner auf die dürftigen Notizen angewiesen, welche die musikalischen Zeitungen und Encyklopädien enthalten. Wir haben gesehen, daß er 1797 eine weite Reise, die ihn bis Lissabon und Madrid führte, unternommen hat. In einem Hofconcerte, in dem er in letzterer Stadt auftrat, ließ es sich der Prinz von Asturien, nachmals König Ferdinand VII. ein zwar ziemlich musikalischer, aber sonst nichts weniger als liebenswürdiger Herr, nicht nehmen, ihn auf der Violine zu begleiten, d. h. wol, Quartett mit ihm zu spielen. Auf dem fernern Rückwege concertirte er 1800 in Paris im Concert de la rue de Clery und im Théâtre des victoires. Nun fähig, den ganzen Glanz seines Talentes zu entfalten, hatte er größten Erfolg, so daß er jetzt sogar als Lehrer am Conservatoire engagirt wurde. Doch war er 1803 bereits wieder in Hamburg, von wo er 1805 einem Rufe als königl. Kammermusikus und erster Cellist nach Berlin folgte, wo das Publicum durch die Leistungen [113] J. P. Duport’s, Bruder von J. L. Duport le jeune, eines hochberühmten Cellisten, sehr verwöhnt war. Fortan scheint er in Hamburg, Berlin und Wien mit Vorliebe gerastet zu haben. Obwol die Anstellung in Berlin eine lebenslängliche und er auch sehr gut honorirt war, verließ er dieselbe, als die Drangsale des Krieges so vernichtend über Preußen hereingebrochen waren und unternahm eine Reise durch die österreichischen Staaten. Er gab in Berlin, wo man ihn nur ungern scheiden sah, am 24. April 1808 noch ein sehr besuchtes Abschiedsconcert. Von Berlin aus, wohin er wieder zurückgekehrt war, unternahm er dann 1810 eine neue Reise durch Schlesien, Polen, Rußland. In Petersburg traf er mit Ferd. Ries zusammen, dem er schon von Bonn her befreundet war, und den er auch einst auf dem Cello unterrichtet hatte, und durchzog, mit ihm gemeinschaftlich concertirend, nun die südlichen Provinzen des weiten Zarenreiches. Von einem Besuche Moskau’s hielt sie der denkwürdige Brand dieser zweiten Stadt Rußlands ab. Sie wandten sich nun nach Stockholm und gingen von dort über Kopenhagen nach Hamburg. Hier trennten sie sich. Ries reiste nach England, das ihn nun für lange festhielt, Bernh. R. über Bremen nach Holland und Belgien. Wiederum besuchte er für kurze Zeit Paris. In dem Concerte, das er mit Orchesterbegleitung diesmal in den Zwischenacten einer Oper spielte, gab er einen Beweis dafür, daß atmosphärische Einflüsse unter denen Andere so sehr zu leiden haben, auf sein Spiel keinen Einfluß zu üben vermochten. Es war im Theater empfindlich kalt; trotzdem spielte er wunderschön und riß alle Hörer durch die Reinheit seiner Intonation, die Sicherheit seiner linken Hand, überhaupt seine unfehlbare Technik, zur Bewunderung hin. Kein Ton war undeutlich, keine Note zweifelhaft. Kaum nach Deutschland zurückgekehrt, rüstete er sich zu einer zweiten Reise nach Rußland, gelegentlich der er nun über ein Jahr in Moskau weilte. 1815 ward er als Hofcapellmeister in Berlin angestellt. Man rühmte da sehr seine Tüchtigkeit und Einsicht als Dirigent. Aber als Spontini 1820 Generalmusikdirector wurde und zwar unter den denkbar günstigsten Bedingungen, legte er seine Stelle nieder und trat wieder Kunstreisen an. Fortan weilte er nur noch vorübergehend in der Capitale Preußens; seinen ständigen Wohnsitz, wenn davon gesprochen werden kann, schlug er in Hamburg auf. Im Winter 1820 traf er in Wien mit den Gebrüdern Bohrer, Anton (Geiger) und Max (Cellist), zusammen. Letzterer besaß eine überraschende technische Fertigkeit. Er und Bernh. R. ließen sich zur selben Zeit hören und so bildete sich das Urtheil über sie, daß R. für die Unsterblichkeit, Bohrer für den Salon spiele. Eine feste Stellung nahm er von jetzt ab nicht mehr an. – Ein Großtheil des Enthusiasmus, den seine höchst vollendeten Leistungen überall hervorriefen, fällt seinen, dem damaligen Geschmack in jeder Hinsicht entsprechenden und durch ihre soliden Eigenschaften sich von den Cellosätzen Anderer vortheilhaft unterscheidenden Compositionen zu. Sie haben auch den Virtuosen überlebt. Obwol er, eine Folge seines unstäten Lebens, sich mit Unterrichtgeben nicht wesentlich beschäftigen konnte, übte er doch auf die Entwicklung des Cellospiels und auf dessen wahrhaft bedeutenden und nachhaltigen Aufschwung den wichtigsten Einfluß. Wohin er kam, fand er lernbegierige Schüler; manche, denen es um Erlernung des Cello’s zu thun war, folgten ihm auf seinen Reisen, nur um ihn öfter spielen zu hören. In Paris rühmten sich B. Benazet und L. P. Mart. Norblin seinen Unterricht genossen zu haben; in Deutschland waren sein Neffe Cyprian, Jul. Schapler, Just. J. F. Dotzauer, F. A. Kummer u. a. seine Schüler, aber eigentlich waren es alle Cellisten seiner Zeit. Die Compositionen dieses Begründers des specifisch deutschen Cellospiels haben sich namentlich in pädagogischer Hinsicht bis heute als unübertroffen bewährt. Er trat auch für [114] eine vereinfachte Notirung ein, indem er nur den Baß-, Tenor- und Violinschlüssel in seinen Tonsätzen anwandte. Hierin folgte er dem Beispiele des berühmten L. Boccherini, mit dem er in Madrid seiner Zeit wol auch persönlich bekannt geworden und zusammengetroffen war. Wie Hummel und Spohr, durch die von ihnen geschriebenen Schulen für ihre Instrumente, sich unvergängliche Denkmale gesetzt haben, so strengte auch er in seinen letzten Lebensjahren alle Kraft an, sich durch eine Celloschule zu verewigen. Leider gelang es ihm nicht, ein Werk ersten Ranges zu schaffen, wenn man ihm auch sonst eine beachtenswerthe Lehrfähigkeit nachrühmen mußte. Um diese Schule am Conservatorium in Paris eingeführt zu sehen, unternahm er seine letzte Reise dorthin, deren trauriger Erfolg, nach so langer ruhmreicher Laufbahn, ihm das Herz brach. Ob er mit Kath. Ramcke, seiner Schwägerin, verheirathet war, wie eine seiner Biographien angibt, vermögen wir nicht bestimmt zu behaupten. Wenn übrigens einem Künstler je vergönnt war, ein reiches, schöne Leben, von allen die ihn kannten, geliebt und geachtet, zu leben, war er es, der neben seinem Talente auch die seltene Gabe besaß, durch persönliche Liebenswürdigkeit alle Herzen zu gewinnen.

B. Romberg’s Instrumentalcompositionen sind: Trauersinfonie (c), dem Andenken der Königin Luise von Preußen gewidmet, op. 23; die Sinfonien (Es) Nr. 2, op. 28 und (C) Nr. 3, op. 53; Kindersinfonie (C), op. 62. Ouverturen (célèbre. A), op. 11 und (D), op. 34 (hierher gehören auch die Ouverturen zu seinen dramatischen Werken). (Cello-)Quartette, op. 1, 12, 25, 37, 39, 59, 60. Clavierquartett, op. 22. Celloconcerte, op. 2 (B), op. 3 (D), 6 (G), 7 (c), 30 (fis), 31 (militaire. F), 44 (suisse. C), 48 (A), 56 (h), 57 (G), 75 (E); Concertino facile, op. 51 (d); Concertino suisse, op. 78 (d); Concertino für 2 Celli, op. 72 (A) (dasselbe auch in einer Bearbeitung für Violine und Cello); Sinf. conc. (F) für Violine und Cello. Trios für Cello, Violine und Baß, op. 8 und 38. Divertissement für Clavier, Violine und Cello, op. 71. Sonaten für Cello und Harfe, op. 5; Sonaten für Cello und Clavier, op. 6; Duos für 2 Celli, op. 9 und 33; Sonates fac. für Cello und Baß, op. 43; 3 Thèmes de Mozart variés für Violine und Cello. – Concertstücke für Cello: Fantasien: op. 10; Cantilena. Fant., op. 54; Bal masqué, op. 55; Airs norvéges, op. 58; La buona maniera, op. 70. Rondoletto, op. 16. Rondos: Introd. et Rondeau, op. 21; Erinnerung an Wien, op. 49; Andante et Rondeau: Le Troubadour, op. 66: Introd. et Rondeau alla Mazourka, op. 67; Rondo capriccioso, op. 69; Caprichio y Rondo en el Gusto espagñol, con una Micelania de Bolero, Gitano, Cachirulo y Zorongo, op. 13; Capriccio Suédois, op. 28; Capriccio sur des airs Moldawes et Valcques, op. 45; Capriccio sur des airs et danses Polonais, op. 47. And. et Polacca, op. 24, 29, 31, 36, 76. Potpourti, op. 4. Divertimentos, op. 24, 27, 40, 46 (über österreichische Volkslieder). Airs russes, op. 14, 19, 20, 52. Cantabile et Thème varié suivi d’un Allegro, op. 50; Thème avec Var. et Rondeau; Pièce facile, op. 61; Cant. et Var. sur deux airs Westphaliens, op. 65. Elégie sur la mort d’un objet chéri, op. 35. La belle bergère, op. 68. Souvenir de St. Petersbourg, op. 77. Pièces pour les amateurs, op. 42. La Cachucha. Le rêve. Danse fav. espagnol av. Intr. Die Gesangwerke B. Romberg’s hatten nur geringen Erfolg. Er schrieb 2 Operetten: „Die wiedergefundene Statue“, Text nach Gozzi von Schwick; „Der Schiffbruch“, Text von Pfeiffer, beide in Bonn, 1790 und 1791 und 3 Opern: „Alma“; „Ulysses und Circe“, Text nach Calderon, Berlin 1807, op. 26; „Rittertreue“, Text von F. W. Trautwetter, Berlin 1817. Ferner die Musik zu den Schauspielen: „Heinrich IV. von Frankreich“, 1806 und „Phädra“ von Racine, 1810 und die Balletmusik: „Daphne und Agathocles, oder Liebe siegt“ von Telle, 1818. – „Russisches Soldatenlied“ von Th. Glinka. Bei der öffentlichen Speisung der [115] russischen und preußischen Garden 15. Aug. 1814 vor dem König gesungen. „Die Vorzeit“, eine Romanze, nach Art und Weise, wie die jetzigen Griechen singen. – Lied: „Es schickt sich nicht“. (Die in Gemeinschaft mit Andreas R. geschriebenen Werke siehe bei diesem.)