ADB:Rohr, Julius Bernhard von
Christian Wolf weitere Ausbildung in der Mathematik zu erlangen, nachdem ihn derselbe schon früher in Leipzig mächtig angezogen hatte. Seinen Unterhalt erwarb er sich theilweise durch Stundengeben; auch veröffentlichte er 1713 seine Schrift „Der Mathematischen Wissenschaft Beschaffenheit und Nutzen“, welche er dem Herzog Moriz Wilhelm von Sachsen-Zeitz widmete. Seine Parteinahme für die Wolff’sche Philosophie brachte ihn in den Verdacht, eine gegen Gundling gerichtete Schrift: „Salebrae in via Gundlingiana repertae“ verfaßt zu haben (was aber nicht der Fall war) und erschwerte ihm dort das Fortkommen. So ging v. R. 1713 nach Holland und wurde auf der Rückreise am hannöverschen Hofe sehr günstig aufgenommen; der verwittweten Kurfürstin Sophie widmete er damals eine kleine Schrift „Unterricht von der Kunst, der Menschen Gemüther zu erforschen“ und hoffte damit, sich eine Stellung zu verschaffen. Da aber seine Gönnerin schon bald darauf starb, so war auch diese Bemühung vergebens. In seine Heimath zurückgekehrt, erhielt er 1714 eine Stelle als Beisitzer in der magdeburgischen [61] Stifts- und Erblandsregierung, 1717 ein votum extraordinarium bei diesem Collegium. 1726 wurde v. R. in gleicher Eigenschaft in die Niederlausitz versetzt, um hier bei verschiedene Commissionen in Justiz- und Cameralsachen verwandt zu werden; 1731 erhielt er seine Ernennung zum herzoglichen Landkammerrathe. 1732 gelang es ihm, bei dem Domcapitel zu Merseburg eine Domherrnstelle zu erhalten, nachdem ihm schon seit 1727 eine Majorpräbende bei demselben verliehen worden war, für welche ihn sein Vater bereits im Alter von zwei Jahren in die Zahl der Wartenden hatte einschreiben lassen. Da aber mit der Domherrnstelle die Residenzpflicht verbunden war, so erwirkte sich v. R. von seinem Landesherrn die Rückversetzung zur Landkammer nach Merseburg, wo er denn auch fortan wirksam blieb, bis er 1738 in den Ruhestand versetzt wurde. Durch Fleiß und Sparsamkeit hatte er schon frühzeitig seine Vermögensverhältnisse soweit gebessert, daß er sich nicht nur eine für seine Zeit sehr stattliche Bibliothek anschaffen, sondern auch 1720 ein Landgut zwischen Dresden und Meißen kaufen konnte, wo er Weinbau, Gärtnerei und Feldbau trieb. Erst wenige Jahre vor seinem Tode (1739) vermählte er sich noch mit einer Bürgerlichen, Anna Rebekka Köhlerin und es ist bezeichnend, daß er diesen Umstand seinen Freunden gegenüber in einer ausführlichen Auseinandersetzung zu rechtfertigen für nöthig hielt. Früher, in den Jahren 1724–39 unterhielt er eine Verbindung mit einer Frauensperson, die ihm viel Sorge verursacht zu haben scheint, wie das aus den Anmerkungen zu seinem „Juristischen Traktat von dem Betrug beim Heirathen“ hervorgeht, in welchem er dieses Verhältnisses mit Substituirung der Pseudonymen Renaldo und Selinde in bitteren Worten gedenkt. Ein Sohn dieser Ehe, Julius Philipp v. R. lebte 1754 in Halle als Arzt. J. B. v. R. starb am 18. April 1742 in Leipzig.
Rohr: Julius Bernhard v. R., Cameralist, war geboren am 28. März 1688 auf dem Rittergute und Schlosse Elsterwerda in Kursachsen als der Sohn des Rittergutsbesitzers Julius Albert v. R. und der Christine geb. v. Rohr. Er genoß auf dem väterlichen Gute eine sehr sorgfältige und vornehme Erziehung und bezog mit 17 Jahren die Universität Leipzig, wo er sich, den Weisungen seines Vaters zufolge, besonders mit Rechtswissenschaft, daneben aber aus eigenem Antriebe auch mit Mathematik, Physik, Chemie und Oekonomik beschäftigte. 1710 lieferte er seine erste Dissertation „De retractu gentilitio filiorum in feudis“, begab sich dann, nach beendeten Studien, mit seinem Vater auf eine Reise nach Hamburg, wo die Handelseinrichtungen sein besonderes Interesse in Anspruch nahmen und wurde 1711 der nach Frankfurt zur Kaiserwahl entsendeten kurfürstlichen Gesandtschaft als Cavalier beigegeben. 1712 zog ihn der Drang nach weiterer wissenschaftlicher Ausbildung wieder nach Leipzig, wo er seine „Dissertatio de excolendo studio oeconomico tam principum quam privatorum“ und eine weitere Dissertation „De jure principum circa augendas et conservandas subditorum opes“ ausarbeitete. Mitten aus diesen schon ausgeprägt cameralistischen Studien riß ihn der plötzliche Tod seines Vaters, der gänzlich zerrüttete Vermögensverhältnisse hinterließ, nachdem schon ein Jahr vorher das Stammgut der Familie hatte veräußert werden müssen. v. R. entschlug sich infolge dessen gänzlich der väterlichen Erbschaft und war nun angewiesen, von der bescheidenen Pension seiner Mutter zu leben und sich selbst eine Stellung zu suchen. Zunächst begab sich R. nach Halle, um beiDie litterarische Thätigkeit v. Rohr’s war ungemein fruchtbar und vielseitig. Zedler führt 29 Schriften als bereits erschienen, 9 in Vorbereitung an. v. R. selbst hat ein Verzeichniß derselben herausgegeben und eine Autobiographie versprochen, die aber nicht erschienen zu sein scheint. Doch beruhen die von Ludovici[WS 1] in seiner Historie der Wolff’schen Philosophie und von Zedler gebrachten Nachrichten offenbar auf directen Mittheilungen v. Rohr’s. Seine Hauptschriften sind: „Compendieuse Haushaltungsbibliothek“ 1716, 2. Ausg. 1726, 3. Ausg. 1755; „Physikalische Bibliothek“ 1724, 2. Aufl. 1754, wozu er auch noch eine „Mathematische Bibliothek“ versprochen hatte, „da diese drei Wissenschaften durch ein unzertrennliches Band mit einander verknüpft sind“; „Einleitung zur Staatsklugheit“ 1718; „Einleitung zur Ceremonial-Wissenschaft der Privatpersonen“ 1728; „Einleitung zur Ceremonial-Wissenschaft der großen Herrn“ 1729; „Obersächsisches Hauswirthschaftsbuch“ 1722; „Haushaltungsrecht“ 1732 und 1734, 2 Bände, 2. Aufl. 1738 mit seinem Porträt.
v. R. bezeichnet selbst neben der Lehre des natürlichen und bürgerlichen Rechts die Hauswirthschaftskunst auf naturwissenschaftlicher Grundlage als die Hauptaufgabe seines Lebens. In der Auffassung der Staatslehre steht er noch durchaus auf dem Boden von V. L. v. Seckendorff; in der Cameralwissenschaft hält er v. Schröder’s fürstliche Schatz- und Rentenkammer für die vorzüglichste Leistung, doch ist er unter dem Einflusse des Wolf’schen Eudämonismus vielfach über beide hinausgekommen. Dadurch hat er sich auch immer vor der schalen Nüchternheit der alten Hausväterlitteratur bewahrt, wie er anderseits durch seine vielseitigen naturwissenschaftlichen Kenntnisse der weiteren Entwicklung der Cameralwissenschaften in Deutschland eine bestimmte Richtung geben half. Insbesondere die akademische Lehre der Cameralwissenschaften, welche mit Dithmar und Gasser auf den preußischen Universitäten eingeführt wurde, hat er wesentlich mit vorbereitet.
- [62] C. G. Ludovici, Historie der Wolf’schen Philosophie. – Zedler’s Universallexikon, 32. Band. – Michaud, Biogr. universelle. – Roscher, Gesch. d. d. Nat.-Oek. – Manche zerstreute biographische Daten in v. Rohr’s eigenen Schriften.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Carl Günther Ludovici (1707–1778); Philosoph, Lexikograf und Wirtschaftswissenschaftler