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ADB:Redtenbacher, Rudolf

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Artikel „Redtenbacher, Rudolf“ von Lionel von Donop in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 778–780, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Redtenbacher,_Rudolf&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:37 Uhr UTC)
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Redtenbacher *): Rudolf R., Architekt und Kunstschriftsteller, ist als der einzige Sohn des Ingenieurs Jacob Ferdinand R., des Begründers der wissenschaftlichen Maschinenlehre, am 17. Mai 1840 in Zürich geboren. Bereits im folgenden Jahre wurde der Vater zur Leitung des Polytechnikums nach Karlsruhe berufen, wo der Knabe unter den Augen seiner Eltern die erste Ausbildung genoß. In der Wahl des Berufes schloß er sich zunächst dem Vater an und studirte das Maschinen- und Ingenieurwesen, sowie Naturwissenschaften. Angeregt durch Adolf Schrödter folgte er allmählich mehr seinen künstlerischen Neigungen und bevorzugte das Studium der Architektur, das ihm die Möglichkeit darbot, seine wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen zu vereinigen. Kunstgeschichtliche und kunstphilosophische Werke sowie die mitwirkenden Einflüsse seiner akademischen Lehrer bestimmten ihn, späterhin namentlich der theoretischen Seite der Kunst seine Theilnahme zuzuwenden.

Seit 1862 besuchte R. die Berliner Bauakademie und schloß sich hier insbesondere den Lehren Bötticher’s und Adler’s an. Dann begab er sich mit seinem Freunde A. Linnemann nach Dresden, um unter Nicolais’s Leitung sich in die Kunst der Renaissance einzuleben. Sein unablässiges Streben nach möglichst umfassender Ausbildung bewog ihn endlich zu einem sorgfältigen Studium der Gothik unter Friedrich Schmidt in Wien. Der Vielseitigkeit seiner fachmännischen Vorkenntnisse entsprach auch sein allgemeines geistiges Leben. Außer den kunsttheoretischen Arbeiten beschäftigten seinen regen Geist naturwissenschaftlich-philosophische Fragen, die er im Sinne R. Lotze’s erfaßte.

Nach Beendigung seiner Studienzeit war R. eine Zeit lang praktisch bei dem Wiederherstellungsarbeiten des Mainzer Domes thätig. Später betheiligte er sich unter Denzinger beim Ausbau des Domes zu Regensburg. Mit Letzterem siedelte er im J. 1869 nach Frankfurt a. M. über, um den durch Brand beschädigten Dom aufs Neue herzurichten.

Da ihm die Ungunst der Zeit eine reichere selbständige Praxis vorenthielt, wandte er sich mit rastlosem Eifer seinen kunstgeschichtlichen und theoretischen Studien zu, zu welchen ihn eine hervorragende Begabung befähigte. Als Ergebnisse seiner architektonischen und wissenschaftlichen Studien während eines längeren Aufenthaltes in Italien erschienen von ihm: „Mittheilungen aus der Sammlung architektonischer Handzeichnungen in der Gallerie zu Florenz. I. Theil. Baldassare Peruzzi und seine Werke. 20 Taf. in Stich nebst Text.“ Karlsruhe 1875, ferner die „Sammlung ausgeführter Bautischler-Arbeiten der Renaissance in Italien. Nach Original-Aufnahmen. I. Abtheilung. 36 Bl. mit erläuterndem [779] Text.“ Karlsruhe 1875, und die biographischen Abhandlungen über Baldassare Peruzzi und Leon Battista Alberti in dem Sammelwerke „Kunst und Künstler“, Leipzig 1875. – Seiner beharrlichen Vorliebe für die Naturwissenschaften folgend beschäftigte er sich eingehend mit den geologischen Verhältnissen der Insel Elba, die er wiederholt genau durchforschte, um in Zeitschriften die gründlichere Ausbeutung ihrer Metallschätze anzuregen.

Nach seiner Rückkehr aus Italien 1874 folgte R. einem Rufe der niederländischen Regierung, um als Mitglied der zur Erforschung der Baudenkmale des Landes gebildeten Commission der „Rijksadviseurs“ die Kunstwerke vergangener Jahrhunderte, über die er auch in mehreren technischen Zeitschriften, namentlich in der Romberg’schen Zeitschrift 1875–79 Bericht erstattete, zu inventarisiren. – Nachdem er schon mit „Beiträgen zur Kenntniß der Architektur des Mittelalters in Deutschland. Originalaufnahmen größentheils noch nicht veröffentlichter Architekturmotive von Denkmälern deutscher Baukunst.“ Frankfurt 1863, begonnen hatte, unternahm er nunmehr die vorbereitenden Arbeiten zu mehreren größeren kunstwissenschaftlichen Werken, deren Ausarbeitung wol die glücklichste Zeit seines Lebens ausfüllte. Im J. 1881 erschien die „Tektonik. Principien der künstlerischen Gestaltung der Gebilde und Gefüge von Menschenhand, welche den Gebieten der Architektur, der Ingenieurfächer und der Kunstindustrie angehören.“ Wien. In demselben Jahre folgte der „Leitfaden zum Studium der mittelalterlichen Baukunst. Formenlehre der deutschen und französischen Baukunst des Romanischen und Gothischen Stiles auf Grundlage ihrer historischen Entwicklung.“ Leipzig, und bald darauf die „Architektonik der modernen Baukunst. Ein Hülfsbuch bei der Bearbeitung architektonischer Aufgaben.“ Berlin 1883. – Außer diesen namhaften Werken schrieb R. als eifriger Mitarbeiter für die Wiener „Allgemeine Bauzeitung“, für die Romberg’sche „Zeitschrift für praktische Baukunst“ und die „Deutsche Bauzeitung“, gelegentlich auch für die „Zeitschrift für bildende Kunst“. – Der Verband deutscher Architekten und Ingenieur-Vereine beauftragte ihn mit der im J. 1876 dem Reichstage überreichten „Denkschrift über die Baudenkmäler im Deutschen Reich, ihre Inventarisirung, Aufnahme, Erhaltung und Restauration“.

Seine Hoffnung, auf Grund dieser vorzüglichen wissenschaftlichen Leistungen eine Professur und Lehrthätigkeit in Deutschland zu erzielen, schlug fehl, so daß er in den letzten Jahren seines Lebens nach vergeblichem Ringen und Kämpfen einer trüben und gereizten Stimmung verfiel. Er führte fortan ein unstetes Wanderleben, wie es die Anregung und günstige Gelegenheit für seine Studienzwecke gebot, verweilte einige Monate bald in Karlsruhe, bald in Stuttgart, in München, Wien und Italien.

Von seinen letzten baukünstlerischen, der Praxis zugehörigen Arbeiten sind die Pläne zur Restauration für die gothische Alexanderkirche in Zweibrücken hervorzuheben, ferner ein Entwurf für den Neubau einer Kirche in Lembach im Elsaß und ein Project zur Wiederherstellung der Marienkirche in Bamberg.

Bei seinem überwiegenden Interesse für kunstwissenschaftliche Bestrebungen hatte R. in Zeitschriften und Vereinen lebhaft die Veröffentlichung von Kunstdenkmälern in Deutschland befürwortet. Seine Bemühungen hatten zur Folge, daß ihn die badische Regierung seit dem Frühling 1885 mit der Inventarisirung der weltlichen Kunstdenkmäler des Landes betraute. Während der Erfüllung dieser Aufgabe, für die er die günstigsten Mittel in seiner glänzenden Beanlagung besaß, wurde er am 21. December 1885 zu Freiburg im Breisgau infolge eines Schlagflusses vom Tode ereilt, nachdem er kurz zuvor sein vorzügliches Lehr- und Handbuch für Architekten und Kunstfreunde über die „Architektur der italienischen Renaissance-Entwicklungsgeschichte und Formenlehre derselben.“ Frankfurt [780] a./M. 1886, abgeschlossen hatte. Bei selbstloser Hingabe an die Interessen seines Faches gebot R. über eine Fülle tiefen und vielseitigen Wissens. Seine Arbeiten sind ausgezeichnet durch eine gleichmäßige Gründlichkeit. Doch blieb ihm die harmonische Gestaltung seines eigenen Lebens unerreichbar, da ihm die Gunst des Glückes gänzlich versagt war.

Centralblatt der Bauverwaltung, Jahrg. VI, 1886, Nr. 1. – Deutsche Bauzeitung 1886, Nr. 2, 4. – Kunstchronik 1886, Nr. 16.

[778] *) Zu Bd. XXVII, S. 543.