Zum Inhalt springen

ADB:Schmidt, Friedrich Freiherr von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schmidt, Friedrich (Frhr. v.)“ von Clemens Maximilian Kattner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 598–616, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt,_Friedrich_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Schuckert, Sigmund
Band 55 (1910), S. 598–616 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich von Schmidt in der Wikipedia
Friedrich von Schmidt in Wikidata
GND-Nummer 118608770
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|55|598|616|Schmidt, Friedrich (Frhr. v.)|Clemens Maximilian Kattner|ADB:Schmidt, Friedrich Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118608770}}    

Schmidt *): Friedrich (Frhr. v.) Sch., Architekt, geboren am 22. October 1825 zu Frickenhofen in Württemberg als Sohn eines Pastors. In strengster Einfachheit und treuer Pflichterfüllung wurde ihm im Vaterhause ansprechende Schlichtheit und hingebungsvolle Arbeitsfreudigkeit frühzeitig anerzogen, die ihm zu den schönsten Erfolgen seines Lebens verhalfen. Da ein Urgroßvater Schmidt’s Hofbaumeister in Hannover war, so sollte auch er Baumeister werden.

Nach Absolvirung des Gymnasiums besuchte Sch. die technische Hochschule in Stuttgart (1840), an welcher Breymann, der berühmte Constructeur, und Mauch, der bekannte Herausgeber des Werkes über die antiken Säulenordnungen, seine Lehrer waren. Dort wurde ausschließlich das Studium der antiken Baukunst gepflegt. Das Heil der architektonischen Zukunft glaubte man in der strikten Anwendung dieser Baukunst gefunden zu haben. Sch. hörte daher nicht viel von Gothik und suchte sich nun seine Lehrer selbst. Da die väterlichen Mittel nicht groß waren, mußte an ein Selbstverdienen gedacht werden. So erlernte er das Steinmetzhandwerk neben dem theoretischen Studium. Und gerade diese handwerksmäßige Grundlage war gut, denn nie versiegte dem dann so großen Meister die Quelle seines gründlichen Wissens der Construction. In seinen freien Stunden, die ihm bei dieser intensiven Thätigkeit blieben, begann nun Schmidt’s selbständiges Studium an den mittelalterlichen Bauten in der Nähe Stuttgarts, besonders an dem schönen Thurm der Liebfrauenkirche zu Eßlingen, welchen er als Musterbau deutscher [599] Gothik in allen Details vermessen und aufgenommen (1841–42). Diese Eigenmächtigkeit wäre bald Grund zu seiner Relegirung geworden. Director Fischer ertheilte ihm weqen seiner Vorliebe für die Gothik eine Verwarnung, so eine Art Consilium abeundi.

Sch. genoß seit dem Tode seines Vaters (1838) durch vier Jahre ein Stipendium von 200 fl. jährlich, das er seiner Wohlthäterin, der Herzogin Henriette von Württemberg, verdankte. Nach vollendetem Studium wendete er sich, seiner Neigung zur Gothik folgend, mit 18 Jahren nach Köln (1843) und trat dort zunächst als einfacher Steinmetz in den Verband der Kölner Dombauhütte, an der er vierzehn Jahre thätig war. An dieser Stätte konnte sich sein bedeutendes constructives Talent an den wichtigsten technischen Fragen bilden und seine Vorliebe für die edelsten Formen des gothischen Stiles voll entwickeln. Es wurde gerade damals mit dem Ausbau des Kölner Domes nach den alten Rissen Gerhard’s von Rile begonnen. Nach 400jähriger Pause sollte Deutschlands schönste Kathedrale, damals erst im Chore fertig, ausgebaut werden. Sch. wurde auch dort ein richtiger Geselle und als solcher – wohl einer der letzten – nach alter Sitte und Brauch freigesprochen (ausgewiesen). Hiebei erhielt er sein, von ihm stets so sehr in Ehren gehaltenes Steinmetzzeichen, welches er auch später, als er in den Freiherrnstand erhoben wurde, in sein Wappen aufnahm. Im J. 1848 machte er seine Prüfung als Maurer- und Steinmetzmeister.

Am Dombau wirkte er mit Schmitz und Statz, zuletzt als Werkmeister unter Dombaumeister Ernst Zwirner, später unter Voigtel’s Leitung bis 1856. Als solchem lag ihm die eigentliche Leitung der Ausführungsarbeiten in den Werkhütten und am Baue selbst ob. Besonders das südliche Kreuzschiff des Domes kann im wesentlichen als sein Werk bezeichnet werden. Hier wurde er thatsächlich zum Gothiker strengster Richtung herangezogen. Die alten Werkzeichnungen, die alten Bauhüttenpläne mit ihren weit ausgreifenden Projecten waren für ihn die rechte Fundgrube, die ihm über die theilweise schablonenhafte Behandlung, die er dort fand, hinweghalfen. Zwirner hatte Schmidt’s hohe Begabung wohl schätzen gelernt, allein als Regierungs- und Baurath zu sehr im Beamtenthum befangen, wollte er ihn nicht in eine über den Werkmeister hinausgehende Stellung kommen lassen.

Aber auch als selbständiger Steinmetzmeister mit der Ausführung von Privataufträgen bethätigte sich Sch. Ausbesserungen von Kirchenfenstern, Altäre, Grabdenkmäler u. dgl. in Köln und Umgebung, waren damals seine Hauptarbeiten. 1852 arbeitete er mit 10–15 Gesellen. Ein Grabdenkmal (ausgeführt 1854) in Bensberg bei Köln auf der Begräbnißstätte österreichischer Soldaten, welche, bei Jemappes und Aldenhoven im Feldzuge 1794 verwundet, im Lazareth zu Bensberg einer epidemischen Krankheit (Lazarethfieber) erlegen waren, brachte ihn zum ersten Male in Beziehungen zu Oesterreich, welche fortan erhalten blieben. Sch. erhielt für diese Leistung nach der feierlichen Einweihung am 13. Juni 1854, im Beisein zahlreicher hoher österreichischer Militärs, den österreichischen Franz Josef-Orden. Diese Beziehungen wurden außerdem durch die erfolgreiche Betheiligung Schmidt’s an dem Weltwettbewerb, den Erzherzog Maximilian für den Bau der Votivkirche in Wien ausgeschrieben, fortgesponnen, bei welcher Concurrenz Schmidt’s Entwurf unter 75 Bewerbern einen der drei Preise erhielt; die übrigen zwei Preise erhielten Statz und Ferstel. Sein Entwurf wurde auch zur engeren Auswahl, welche König Ludwig I. von Baiern übernommen hatte, vorgelegt. Ferstel’s Project in französischer Gothik wurde zur Ausführung bestimmt, obwohl manche die deutsche Gothik des Schmidt’schen Planes vorgezogen hätten.

[600] Nicht ohne Einfluß sind Schmidt’s Erfolge auf seine Stellung in Köln geblieben. Bei der Schlußsteinlegung des Westportales (1852) hatte ihm Dombaumeister Zwirner die Kränkung angethan, ihn nur für die unterste Stufe der Auszeichnungen, das Allgemeine Ehrenzeichen, vorzuschlagen. Nach dem Domfest am 3. October 1855, anläßlich der Vollendung des südlichen Querschiffes – König Friedrich Wilhelm IV. war selbst anwesend –, erhielt er aber doch den Rothen Adlerorden IV. Classe. Noch immer mußte Sch. um die rechte Würdigung und Anerkennung als Künstler ringen. Einen Erfolg hatte er vorläufig zu verzeichnen, es wurde ihm, dem fertigen, preisgekrönten Künstler, „gestattet“, die höhere Prüfung im Baufache in Gemeinschaft mit den Eleven der Berliner Bauakademie abzulegen (3.–5. und 11.–14. November 1856). Das Prüfungsergebniß war durchaus gut, die Klausurarbeit vorzüglich. Nach abgelegter Prüfung wurde Sch. als Privatbaumeister für den Landbau zugelassen. Nach dem Tode des Baucontrolleurs W. Schmitz wäre Gelegenheit gewesen, ihn dem angestrebten Ziele am Kölner Dome näher zu bringen. Aber auch diese Hoffnung wurde zerstört. Karl Voigtel aus Magdeburg, der in Dirschau und Posen thätig war, wurde berufen.

Aergernisse und Kränkungen, Neid und Eitelkeit verleideten Sch. die Stellung am Dome. Aber auch in seiner Thätigkeit als Privatbaumeister hatte er Schwierigkeiten. Sein Vorgänger am Dombau, der gleichfalls hochbegabte katholische Vincenz Statz, wurde fast überall dem Protestanten Sch. vorgezogen – Sch. wurde erst in Oesterreich Katholik –, obwohl er auch unter der Geistlichkeit begeisterte Freunde und Anhänger hatte, unter anderen den Kaplan Dr. Franz Bock, den später namhaft bekannten Kunstschriftsteller, welcher erfolgreiche Dienste bei der Berufung Schmidt’s nach Oesterreich leistete. Die Verhältnisse wurden in Köln immer unhaltbarer, alle Ereignisse wiesen Sch. den Weg seiner künftigen Thätigkeit nach Oesterreich. Schmidt’s künstlerische Erfolge gaben die Veranlassung, daß er von Erzherzog Max, welchen er bei Besichtigung des Kölner Domes persönlich kennen gelernt hatte, im J. 1857, erst 32 Jahre alt, die Berufung als Professor für Architektur an der altberühmten Akademie der bildenden Künste zu Mailand erhielt. Dieselbe, in den letzten Jahrzehnten in ihrem Rufe zurückgegangen, erhielt durch ihn neue Impulse.

Sch., in allem rasch auffassend, beherrschte bald die italienische Sprache in vorzüglichster Weise. Seine Begabung zur Führung einer Kunstschule wirkte so fascinirend auf die ihm anfangs ziemlich ablehnend gegenüber stehenden italienischen Schüler, daß ihm schon zwei Jahre nach Abtretung der Lombardei der Antrag auf Verbleiben in seiner Stellung als Professor von Seite der königlich italienischen Regierung gemacht und er von denselben Schülern mit überschwenglicher Begeisterung als Lehrer gefeiert wurde. Die Mailänder, der König wollten ihn nicht ziehen lassen. Sch. aber lehnte den ehrenden Antrag ab, umsomehr, als eine Berufung nach Wien zu erwarten stand.

Außer der Lehrthätigkeit waren Sch. aber auch bedeutende künstlerische Arbeiten anvertraut worden, so die Wiederherstellung der Basilica St. Ambrogio in Mailand, die Restaurirung von S. Giacomo maggiore in Vicenza, Santa Maria dell’ Orto in Venedig, endlich die Pläne für die Erbauung eines Campanile des Domes zu Mailand und die Umgestaltung der Hauptfassade desselben, ferner (September 1859) der Auftrag für die Fünfhauser Kirche in Wien, deren Bau aber erst 1867 begann. Ein vielbewundertes, früher begonnenes Concurrenzproject für das neue Rathhaus in Berlin wurde ebenfalls fertig gestellt, welches in rheinischer Gothik ausgearbeitet erscheint. Dieses [601] Project wurde aber nicht ausgeführt, ebenso wie der gleichfalls mit dem ersten Preise gekrönte Entwurf für das Rathhaus in Trier.

Mit dem Aufenthalte in Mailand und durch die mit den Restaurirungsarbeiten verbundenen Reisen in Oberitalien trat Sch. aus dem Formenkreise der mittelalterlichen rheinischen Kunst heraus. Die damals noch wenig beachtete italienische Gothik lernte er an ihren hervorragendsten Beispielen kennen, um in späteren Jahren wieder in bedeutsamer Weise an diese Eindrücke anzuknüpfen; so besonders an die Palastfassaden von Florenz, Siena, Venedig in ihrem kostbaren Material und in ihrer Farbenpracht. Vollkommen verließen ihn die dort gewonnenen Eindrücke niemals, und wenn er auch erst gelegentlich der Berufung durch den Papst als Experte zur Begutachtung der 1881 in Rom an der lateranischen Basilica vorzunehmenden Arbeiten Italien wieder und die ewige Stadt zum ersten Mal betrat, so regte dennoch der Meister auch in späteren Jahren seine Schüler in Wien zu Reisen und Studien nach Italien stets an. Mittelbar blieb er so durch deren Studien und Aufnahmen stets in Fühlung mit der ihm so interessant gewordenen mittelalterlichen Architektur Italiens. Einige Jahre nach seiner Ankunft in Wien, Mitte Juli 1859 (Mailand verließ er am 6. Juli 1859), arbeitete er noch als Alternative für das Project des akademischen Gymnasiums (1862) daselbst eine Fassadenstudie mit Anlehnung an Motive der italienischen Gothik aus. Dieser Entwurf wurde aber von ihm selbst wieder zurückgestellt, wohl weniger der Kosten wegen, als weil er glaubte, er müsse als Deutscher zunächst einen Entwurf in den Formen deutscher Gothik entwerfen.

Vor seiner Ernennung zum Professor an der Wiener Akademie, die erst einige Monate später erfolgte – das Professorencollegium machte noch immer Schwierigkeiten gegen dieselbe – erhielt Sch. durch seinen Protector, den Minister Grafen Thun, den Auftrag zum Bau der Lazaristenkirche in Wien und zur Ausarbeitung der Detailpläne für die Fünfhauser Kirche, deren Projectpläne bereits in Mailand fertig gestellt wurden, sowie zur Lazaristenkirche in Graz. Am 11. October 1859 erfolgte endlich die Verleihung einer Professur für mittelalterliche Kunst an der Architekturschule der Akademie der bildenden Künste, und damit war die Eröffnung jener hingebenden Lehrthätigkeit angebahnt, welche Schmidt’s Namen als erfolgreicher Lehrer, welcher Ruf ihm schon von Mailand aus vorausgegangen war, auch in der Kaiserstadt in die weitesten Kreise trug. Aber auch sein herrlichster und kühnster Traum, die alte Residenz an der Donau, reich an Palästen, Kirchen und Plätzen, wie sie in Zukunft durch seine Beihülfe werden sollte, wurde ihm zur Wahrheit. In gesicherter Stellung in Wien findet er sich bald heimisch. Ein günstiges Geschick ließ Sch. gerade zu der Zeit nach Wien kommen, in welcher für die Entfaltung künstlerischen Talentes und Strebens in reicherem Maße als je der Boden geschaffen war. Ein vergrößertes, verschönertes Wien sollte durch die groß gedachte und umsichtig eingeleitete Stadterweiterung entstehen. Der Kunst war eine gewaltige, lange Jahre währende Thätigkeit eröffnet worden. Die Stadtwälle waren zum Theil schon gefallen, neue Stadttheile im Entstehen begriffen, die ersten Monumentalbauten begannen, zahlreiche öffentliche und Privatbauten sollten geschaffen werden. In Wien, wo bisher Schwendenwein und Romano ausschließlich den Palast- und besseren Zinsbau beherrschten, wo der alte Förster nach langem Kampfe erst zur Geltung gelangt, fand nun Sch. bereits einen Kreis der damals hier thätigen Baukünstler.

Der feinsinnige Van der Nüll und Siccardsburg, der tüchtige Praktiker, wirkten als seine Professorencollegen an der Architekturschule der Akademie der bildenden Künste. Ernst war Dombaumeister von St. Stefan, Hansen baute [602] an dem originellen Waffenmuseum im Arsenal und bereitete die Wiederaufnahme rein classischer Formen für die Baukunst vor. Ferstel baute als Sieger in der Concurrenz an der Votivkirche und in freier Anlehnung an den romanischen Stil das fein und originell gehaltene Bank- und Börsengebäude. Zu diesen hervorragenden Baukünstlern trat nun Sch. als Vertreter der strengen, constructiven, gothischen Architektur. Trotz der Verschiedenheit der Stilrichtung und der daraus sich ergebenden Meinungsverschiedenheit, war Sch. bald mit Hansen und Ferstel durch innige persönliche Freundschaft auf Grund gegenseitiger künstlerischer Werthschätzung vereint. –

Zur weiteren Charakteristik der Thätigkeit Schmidt’s muß man dieselbe in Abschnitte theilen und ihn betrachten: als Lehrer, als Baukünstler, als Dombaumeister, als Schöpfer seines Hauptwerkes, des Wiener Rathhauses, als Förderer des Kunst- und Baugewerbes, und endlich als Menschen.

Was seine Persönlichkeit als Lehrer betrifft, so stand Sch. an der Akademie der bildenden Künste anfangs verlassen und unbeachtet da. Schwer hatte er am Anfang seiner Schulthätigkeit die Anerkennung zu erkämpfen. Schulcz Ferencz war sein erster und blieb auch in der Folge sein treuester Schüler und begeisterter Anhänger. Leider starb dieser viel versprechende Künstler schon 1876. Schmidt’s Schule, welche als Meisterschule nur absolvirten Hörern der technischen Hochschulen als ordentlichen Schülern der Akademie zugänglich war, erfuhr bald eine Steigerung der Frequenz, welche sich von Jahr zu Jahr erhöhte, da die Nachricht von dem Erfolg seiner Lehrthätigkeit schon nach dem ersten Jahre in weitere Kreise drang. Als die ersten Zeichnungen in der früher in Wien unbekannten Strichmanier auf den Schulausstellungen paradirten, da war der Umschwung zu Schmidt’s Gunsten entschieden. Viele Ausländer kamen, und fast alle wurden sie fanatische Anhänger des Meisters. Sch. begründete einen Schulverband, wie ihn kaum ein Zweiter geschaffen hat. Wenn auch auf die jungen Akademiker, die den Meister noch nicht näher kannten, seine derbe, biedere Männlichkeit eher einschüchternd als ermuthigend wirkte, so schätzten sie, nachdem sie seine Art erkannt, in ihm nicht nur den genialen Lehrer, sondern verehrten und liebten ihn als herzlichen, theilnehmenden Freund jedes Einzelnen.

Die „Gothische Jugend“ gewann einen Lehrer in des Wortes vollster Bedeutung. Seine Lehrmethode, keine langen, mit Zahlen, Namen und Daten gespickten Vorlesungen zu halten, sondern von Reißbrett zu Reißbrett schreitend, hatte er schon in Mailand eingeführt. Meisterhaft rasch hingeworfene Bleistiftskizzen – zu welchem Behufe immer ein Buch Schreibpapier und weiche Bleistifte vorbereitet sein mußten – zu Hülfe nehmend, wurden dem Schüler, und damit auch den Uebrigen, welche dem Professor von Tisch zu Tisch folgten, Erläuterungen und Anweisungen gegeben. Was dem Einen gesagt wurde, galt für Alle. Correcturen auf den Zeichnungen der Schüler vermied er nach Möglichkeit, jeder sollte selbst lernen, seine Irrthümer zu verbessern trachten. Der Meister ließ jedem freie Hand in der Stilrichtung, nicht einzig und allein auf den Formenkreis der mittelalterlichen Kunst wollte er seine Schüler beschränkt wissen, aber die Schulung durch die mittelalterlichen Bauconstructionsformen sollte der Grundstock für jede weitere selbständige Thätigkeit sein. Die von Sch. selbst gepflegte Darstellungsart war die Bleistiftzeichnung, obwohl die Schraffirmethode bis zum Schlusse in der Schule geübt wurde. Seine von ihm auf Studienreisen gezeichneten Blätter, sowie die schon erwähnten Skizzen, in welchen er rasch vor dem Schüler Grundriß, Fassaden, Details oder Perspectiven darstellte, zeigen correct in Formen und Verhältnissen die Meisterschaft Schmidt’s in dieser Darstellungsart.

[603] Alle diese Lehren, welche stets den unlösbaren Zusammenhang von Form und Wesenheit betonten, erstreckten sich bis in das letzte Detail der wirklichen Bauausführung. Nicht selten wurde vergleichend mit den Formen der Antike begonnen und bei der Renaissance geendet. So wurden die Schüler gründlichst in die mittelalterliche Kunst eingeführt, und so war es auch bei den Schulausstellungen. Jeder Ueberschwang bei großen oder kleinen Projecten, der sonst akademischen Arbeiten oft anhaftet, mußte vermieden, dafür aber jedes Detail und jede Bauconstruction so behandelt werden, als ob eine wirkliche Bauausführung bevorstände. Eine der höchsten Anerkennungen, die er spendete, war es, wenn er dem fertig gestellten Entwurfe die ehrende Bezeichnung zuerkannte: „das wäre möglich, dem könnte man näher treten.“

Ein wesentliches Element der glücklichen Schmidt’schen Lehrerfolge waren die jährlichen Studienreisen, bei welchen mittelalterliche Bauprojecte in allen Einzelheiten vermessen und gezeichnet wurden; die vaterländischen Baudenkmale früherer Jahrhunderte sollten gründlich kennen gelernt werden. Bei diesen Studienreisen schuf Sch. das glückliche Verhältniß zwischen Meister und Schüler und entwickelte eine wahrhaft väterliche Fürsorge und Freundschaft. In jedes Schmidtschülers Lebenserinnerungen bilden diese Reisen wohl die hellsten Punkte. Hier führte der Meister seine bisherigen Schüler zu einem Bunde fürs Leben zusammen, dem jeder Einzelne mit der Innigkeit fast religiöser Ueberzeugung an das künstlerische Glaubensbekenntniß angehörte. Sch. war der Führer für die künstlerische Aufgabe, ein Schüler Säckelwart und Reisemarschall. Alle standen auf kameradschaftlichem Fuße, und oft half der Meister demjenigen, der gerade nicht bei üppiger Casse war, aus Eigenem aus. Abends, nach gethaner, fleißiger Arbeit, bei fröhlichster Stimmung, bei gemeinsamem Mahle, beim perlenden Wein pflegte dann der Meister seine improvisirten Reden zu halten, die immer wieder dem Bunde galten. Mit Handschlag und Kuß wurde hier gar mancher Bund fürs Leben geschlossen, ein Moment, das wohl keiner Schulgilde bis jetzt so eigen ist, als der Schmidtschule.

Die Reiseaufnahmen wurden zu Hause im großen Maßstabe auf das genaueste aufgetragen und in Schmidt’scher Darstellungsweise (Conturlinien mit Schraffirung) ausgeführt. Diese sorgfältigen Studienblätter erregten berechtigtes Aufsehen und das lebhafteste Interesse aller Fachkreise, waren sie doch bis zum Steinschnitt genau ausgeführt. Bald regte sich der Wunsch nach einer Publication derselben. Die bis dahin in ihrer Art einzig dastehenden Aufnahmen, von oft auch in Fachkreisen wenig bekannten Objecten der mittelalterlichen Architektur Oesterreichs, führten zur ausgestaltenden Erweiterung eines kurz vorher an der Wiener Akademie gebildeten akademischen Vereins (1862), welcher nunmehr als „Wiener Bauhütte“ unter der Oberleitung Schmidt’s an die Herausgabe obiger Aufnahmen schritt. Diese Vereinigung steht auch heute noch in größter Blüthe. In voller Thätigkeit gibt sie gegenwärtig den 48. Jahrgang (XXIX. Bd.) ihrer Publicationen heraus. Einige dieser Bände sind seit Jahren vergriffen, und gar mancher dünkt sich ein Krösus, der die ganze Serie seit dem Jahre 1862 vollständig besitzt.

Mitglieder der „Wiener Bauhütte“ in Oesterreich, ganz Deutschland, Rußland, Dänemark, England, Italien und Amerika, ja selbst Aegypten waren und sind noch Abnehmer der vortrefflichen, nicht allein österreichischen Aufnahmen. Das Erbe, das die jetzige „Wiener Bauhütte“ übernommen, wird treulich bewahrt. Erst vor einigen Jahren (18–20. November 1905) wurde der 80. Geburtstag des Meisters mit einem „Schmidtschülertag“ in Wien gefeiert, der Schmidtschüler und Delegirte der hervorragendsten Künstlervereinigungen [604] aus ganz Europa zur Ehrung des unvergeßlichen Meisters verband, so den wahren Erfolg der Schule beweisend, daß sämmtliche Schüler ohne Ausnahme auf Erfolge im Leben zurückblicken können und als tüchtige, ausübende Architekten über ganz Europa und selbst Amerika verbreitet sind. –

Sch. als Künstler. Obwohl die Lehrthätigkeit an der Meisterschule der Akademie der bildenden Künste Sch. täglich voll in Anspruch nahm, fand er in oft erstaunlicher Arbeitskraft Zeit, den sich stets mehrenden Bauaufträgen mit der größten Gewissenhaftigkeit nachzukommen. Von den unzähligen Projecten und Bauausführungen, deren vollständige Aufzählung fast unmöglich erscheint, mögen hier nur die hervorragendsten genannt werden, soweit Aufzeichnungen existiren.

1848–1852: Wohnhaus des Maurermeisters Erben; Restaurirung und Zubau des Gürzenich mit Raschdorf; Entwurf für das Palais Oppenheim. 1855 (?): Wohnhaus am Domplatz – sämmtlich Arbeiten in Köln a. Rhein. 1855: Concurrenzproject für den Bau der Votivkirche (Heilandskirche) in Wien; Rathhaus in Trier (III. Preis). 1857: Concurrenzproject für den Neubau des Rathhauses in Berlin (I. Preis). 1858: Restaurirung der Kirche St. Ambrogio in Mailand; Restaurirungsproject für San Giacomo maggiore in Vicenza; Restaurirung der Kirche S. Maria dell’ Orto in Venedig. 1859: Pläne zur Erbauung eines Campanile zum Dom in Mailand und Umgestaltungsproject der Hauptfassade; Project zur Fünfhauser Kirche in Wien (bereits in Mailand begonnen); Dreifaltigkeitssäule für Pesth. 1860: Gräflich Thun’sche Erbbegräbniß-Capelle in Tetschen bei Bodenbach (Böhmen); Inneneinrichtung der St. Stefanskirche in Braunau (Böhmen).

1860–1862: Bau der Lazaristen-Congregations Kirche in Wien (Vinz. von Padua), VII. Bez. Kaiserstraße 5 – ein dreischiffiger, schöner Hallenbau. Am Vierungsthurm war ursprünglich ein Steinhelm geplant. Die Kirche, früher durch alte Häuser verdeckt, ist jetzt durch einen Vorplatz frei gelegt, und so kommen die schönen Verhältnisse des Aufbaues erst recht zur vollen Wirkung (Litteratur dazu K. Weiß, Alt- und Neu-Wien, 1864; E. Winkler, Techn. Führer durch Wien, 1873; Klassen, Grundrißvorbilder). 1862–1891: Restaurirung des Aeußeren und Inneren vom St. Stefansdome zu Wien. 1862 (?): Entwurf eines Mausoleums der fürstl. Schwarzenberg’schen Familie. 1863 (1859): Bau der Lazaristen-(Ordens-)Congregationskirche in Graz (Steiermark); Bau des akademischen Gymnasiums in Wien I. Bezirk – das akademische Gymnasium erweckte wegen seiner schlichten einfachen Fassaden, noch streng im Sinne der Kölner Schule, nach seiner Fertigstellung wenig Interesse, obwohl die schöne Aula mit polychromirter Holzdecke, welche auf Marmorsäulen ruht, die gewölbten Hallen und Stiegenhäuser, sowie der Hof mit einem ganz vorzüglichen Capellenerker, mehr Anspruch darauf gehabt hätten. Erst, als öffentliche Vorträge im großen Saale dortselbst abgehalten wurden, ist das Gebäude dem größeren Publicum mehr bekannt und die Oeffentlichkeit durch ein Feuilleton des Wiener Burgtheaterdirectors Heinrich Laube auf die „architektonische Poesie“ dieser Räume aufmerksam gemacht worden (Litteratur: E. Winkler, Techn. Führer durch Wien, 1873). 1864: Entwurf und Ausbau des mittelalterlichen Schlosses Fischhorn bei Zell am See (Salzburg); Entwurf für das Gebäude des Herrenhauses in Wien am Glacis, auf dem Gestade des jetzigen Justizpalastes; Entwurf für das projectirte Gebäude des Abgeordnetenhauses in Wien, auf der Baustelle Schillerplatz (jetzt k. k. Akademie der bildenden Künste). 1865: Kirche in Flaventzitz (Preußisch-Schlesien); Ausstattung des Domes zu Diakovar; Project für eine Kirche in Währing bei Wien, jetzt XVIII. Bezirk, Bau 1866–1873.

[605] 1866: Entwurf eines Kapuzinerklosters und Kirche in Düsseldorf am Rhein; Project für eine katholische Kirche in Weimar; Project für eine protestantische Kirche in Leipzig; Restaurirungsproject für Vajda Hunyad (Siebenbürgen), unter der Leitung Schmidt’s bei den Studienreisen als Aufnahme der Schüler der k. k. Akademie ausgeführt. (Eigentlich sollte die lange Reihe von Restaurierungsprojecten bestehender österreichischer Bauten der Gothik, welche die „Wiener Bauhütte“ seit 1862 bis heute publicirt, hier gleichfalls mit angeführt werden.) 1867–1873: Entwurf und Bau der St. Othmar-Pfarrkirche im III. Bezirk, ehemals Vorstadt Weißgärber, Wien, Löwengasse. Eine dreischiffige Kirche mit erhöhtem Mittelschiff, mit vorgelegtem reizenden Thurm in Backstein und Stein, eine Type, welche seither vielfach als Muster für städtische Pfarrkirchen diente (Litteratur: Förster’sche Bauzeitung 1873); Entwurf und Bau der Pfarrkirche Maria vom Siege im XV. Bezirk, Wien, Mariahilfer-Gürtel. Diese Kirche war anfänglich für eine andere Baustelle geplant. Die nahezu quadratische Form des definitiven Bauplatzes gab Sch. die Veranlassung zu dem reizenden Centralbau, mit einer auf acht Pfeilern ruhenden Kuppel, Capellenausbauten und zwei originellen über Eck gestellten Fassadenthürmen. Alles in allem, eine der gelungensten Arbeiten Schmidt’s, die allgemeinen Beifall fand (Litteratur: Förster’sche Bauzeitung 1875, Oest. Ing.- u. Arch.-Ver.-Zeitschr. 1871, Bauindustriezeitung 1892); Pfarrkirche zur hl. Brigitta, XX. Bezirk, Wien, Brigittaplatz. Diese Kirche, im einfachen Ziegelrohbau, wurde der Typus für einen volkreichen Vorstadtbezirk. Ein breites Mittelschiff mit Holzdecke, zu welcher sicher italienische Bauten die Anregung gegeben haben (Litteratur: Förster’sche Bauzeitung 1882, Oesterr. Ing- u. Arch.-Ver.-Zeitschr. 1869, Klassen, Grundriß-Vorbilder, E. Winkler, Techn. Führer durch Wien 1873). 1867: Entwurf für eine Kirche in Tischnowitz; Kirchenbauten zu Göppingen, Siegersdorf, Treffelhausen und Erolzheim. 1868: Project für den Bau einer Kathedrale der kath. Mission in Tschingting in China. 1869: Jubiläumsbrunnen oder Herzog-Albrechts-Brunnen in Innsbruck (erster Entwurf, Bau 1872–1883); Concurrenzproject für den Neubau des Rathhauses in Wien (Litteratur: Festschrift von R. Weise 1883); Entwurf für die Restaurirung der Burg Karlstein (Böhmen). 1870: Postgebäude in Basel; Bau der Pfarrkirche zu Bruck im Pinzgau (Salzburg); Kirche in Klein-Heubach am Main; Schloßcapelle und Saalbau im Schlosse zu Wernigerode am Harz; Kirche in Krautenwalde (Schlesien); Thurm der Pfarrkirche in Steyr (Oberösterreich); Gruftcapelle für Baron Liebig in Reichenberg; Restaurierung des Kreuzganges in Klosterneuburg; Project für die Pfarrkirche in Vaduz (Fürstenthum Liechtenstein); Kirche in Oberhausen, zu Stefanau (Mähren), Pfarrkirche in Linz (Tirol); Project für die Pfarrkirche auf der Schmelz in Wien und für eine Kirche in Mariazell; Schloßbau für den Grafen Moskoff in Podolien (Rußland).

1871: Entwurf für eine katholische Missionskirche in Malmö (Schweden) und für die Kirche in Bruck auf der Insel Schütt; Gräfl. Apponyi’sche Gruftcapelle in Eberhard. 1872: Project zur Restaurirung der Burg Clam bei Grein (Oberösterreich); Capelle für die Schulschwestern in Rottenburg. 1873: Dom in Bukarest (Rumänien); Stadtthurm (Befroit) für Nancy (Lothringen). 1874: Restaurirung des Domes zu Agram (Kroatien); Project für die Verbauung des Paradeplatzes in Wien (1871); Entwurf eines Monumentalbrunnens für den Rathhauspark am ehemaligen Paradeplatz in Wien (zwei Brunnen als Pendants); Kirche in Dortmund; Kirche in Wildbad-Gastein. 1875: Zubau zum Gebäude der österr.-ungar. Bank in Wien I, Herrengasse (ein Werk im Stil der deutschen Renaissance); Restaurirung der [606] Burg Meran (Tirol); Nikolauskirche in Innsbruck (Tirol); Restaurirung des Schlosses Runkelstein bei Bozen (Tirol); Kirche in Frastanz (Vorarlberg). 1876: Kirche in Weiler (Vorarlberg). 1877: Herz Jesukirche und Asyl Riedenburg der barmherzigen Schwestern in Salzburg, erbaut 1878; Entwurf für die Pfarrkirche Neustift bei Wien; Grabdenkmal für FZM. Frhr. v. John; Pfarrkirche in Veldes (Krain); Restaurirung der Pfarrkirche in Meran. 1878: Restaurirung des Domes zu Fünfkirchen in Ungarn, ein Werk im romanischen Stile. Sch. bediente sich aber bei der Inneneinrichtung der sogenannten Proto-Renaissance, des Stiles der Pixani, da edles Material und reichliche Mittel zur Verfügung standen. Die glänzende Durchbildung des Aeußeren und des Inneren zeigen uns ihn auch als Meister des romanischen Stiles; Entwurf für den Bau eines Schlosses bei Kiew (Rußland), ein Schloß in Ziegelrohbau mit mächtiger holzgedeckter Halle; Schloßcapelle des Herzogs von Brabant; Neue Kirche in Vaduz (Fürstenthum Liechtenstein); Katholische Kirche in Wasseralfingen (Württemberg); Mariensäule in Agram (Kroatien). 1880: Bahnhof zu Karlstein (Böhmen); Restaurirung des Erkerhauses in Feldkirch; protestantische Kirche in Siebenbürgen; Mausoleum für Ritter v. Mautner-Markhof.

1882: Project und Bau des kaiserl. Stiftungshauses am Schottenring in Wien, an Stelle des abgebrannten Ringtheaters. 1885: Kirche zu Groß-Grillowitz in Mähren. 1887: Project für eine katholische Pfarrkirche in Gottschee (Krain) und für die Kirche in Sechshaus bei Wien. 1888: Pfarrkirche in Weinhaus bei Wien. 1889: Restaurirung und Ausbau des Schlosses in Waidhofen a. d. Ybbs; Kirche in Berge-Borbeck in Westfalen; Nationalmuseum in Agram. 1890: Concurrenzptoject für den Bau der Herz Jesu-Kirche in Köln a. Rh.

Fast jede seiner Kirchen zeigt neue Constructionsmotive und Grundrißlösungen; auch suchte er sich die Errungenschaften früherer Stilperioden dienstbar zu machen. So z. B. den Centralbau, den er schon bei einer Gruftcapelle (Fürst Schwarzenberg), dann bei einem für Spanien (Madrid) bestimmt gewesenen Dome, bei seinem Projecte für das Herrenhaus und das Abgeordnetenhaus versuchte, und den er bei seiner Fünfhauser Kirche als interessanten Kuppelbau in genialer Weise zur Ausführung brachte. Kein Kirchlein, keine Aufgabe war ihm zu gering, unerschöpflich seine Phantasie, und darum beherrscht er auch in ganz Oesterreich und weit über die Grenzen desselben fast ausschließlich den Kirchenbau nebst vielen Entwürfen für die Inneneinrichtung von Kirchen.

Ein so bedeutender Künstler, wie er ähnlich nur nach Jahrhunderten wiederkommen kann, hat in vierzigjähriger Thätigkeit wohl einen Werdegang durchgemacht, und es wird nicht uninteressant sein, diesen zu skizziren. Zur Zeit des Eintritts Schmidt’s in die Kölner Schule herrschte allgemein das Bewußtsein oder doch das Gefühl, der künstlerischen Unthätigkeit, welche sich auf allen Gebieten der bildenden Kunst zeigte, durch ein gründliches Studium der alten Kunst wieder aufhelfen zu müssen. Vor allem galt dies von der verloren gegangenen mittelalterlichen Baukunst. Man glaubte, mit dem letzten Dombau- und Bauhüttenmeister sei das getreulich gehütete Geheimniß dieser Bauweise ins Grab gesunken. Bald war die gothische Kunst aber kein Geheimniß mehr, und jeder Künstler wußte, daß die Steine sprachen! Und dieser Zeitgedanke, der auch Sch. beherrschte, war es, der ihn veranlaßte, in der Schule das zu erhalten, was erst nach langem, schwerem Studium wieder errungen war.

In die Formen der Hochgothik wurde Sch. beim Dombau in Köln eingeführt, [607] ebenso in alle mittelalterlichen Stile vom frühromanischen bis zur deutschen Renaissance; ist doch diese Stadt am Rheine die beste Kunstschule für alle diese Stilarten. Durch das Studium der italienischen Bauten während seines Aufenthaltes in Oberitalien zwar angeregt, kehrte er doch bei seinen ersten Entwürfen in Wien wieder zur heimischen Stilrichtung zurück, aber schon mit dem Bestreben nach größerer Betonung ruhiger Mauerflächen, bei Vermeidung rein malerischer Effecte in der Detailbildung. Die Erkenntniß des Gemeinsamen in den Stilrichtungen der mittelalterlichen Kunst wird immer größer, und so sehen wir im Innern des Wiener Rathhauses glücklichst gelöst die Verquickung italienischer Profanbautengothik mit den romanischen Kirchenformen. –

Sch. als Dombaumeister von St. Stefan zu Wien. Kurz nach seiner Ankunft in Wien wurde Sch. am 16. November 1859 in die fachmännische Commission für die Untersuchung des als baufällig erkannten Thurmhelmes berufen und am 15. Mai 1860 zum Mitglied der Baucommission ernannt. Mit allerhöchster Entschließung Sr. Maj. des Kaisers vom 27. December 1862 übernahm er an Stelle des am 17. October 1862 verstorbenen Dombaumeisters Ernst die Restaurirungesarbeiten an der St. Stefanskirche zu Wien, wozu er unter den österreichischen Architekten im vollsten Maße berufen war. Am 16. Januar 1863 betrat er die Bauhütte als Dombaumeister – das Ideal seiner Jugend war erreicht.

Dombaumeister Ernst, welcher mit der Wiederherstellung der Giebel an der Südfront die Restaurirungsarbeiten am Stefansthurme begonnen hatte, hatte die Erneuerung des unhaltbar gewordenen und abgetragenen großen Thurmhelmes begonnen und den Thurmhelm bis 36 Fuß in die Höhe gebracht. Diese Erneuerung, welcher Wien mit gespanntester Aufmerksamkeit folgte, wurde auf Grundlage der alten, reinen Steinconstruction, ohne Zuthat einer modernen Eisenstruction, so wie sie begonnen war, in der kurzen Zeit von 11/2 Jahren vollendet. Die Wiener danken es Sch., der selbst Wiener geworden, daß er ihr Kleinod, den „alten Steffel“, das Wahrzeichen von Wien, so rasch aufgebaut. Am 15. August 1864 wurden Adler und Kreuz geweiht und aufgesetzt. Eigenthümlich freudig und wehmüthig berührte es den Meister, als am 18. August 1864 die beim Bau beschäftigten Steinmetzen hoch oben auf dem Gerüst, das Adler und Kreuz noch überragt, nach alter Sitte der Baubrüder ihm sein Steinmetzzeichen formirten. Dieser in jeder Beziehung gelungene monumentale Wiederaufbau des Wahrzeichens von Wien hat Schmidt’s Namen in ganz Wien populär gemacht.

Viele Sorge war Sch. mit der weiteren Restaurirung des großen Thurmes bis zum Jahre 1872 zu Theil geworden. Niemand ahnt jetzt, in welch verwahrlostem, ja gefahrdrohendem Zustande Sch. den alten Dom getroffen hat. Alle die weiter unten detaillirten Restaurirungsarbeiten leitete Sch. durch 28 Jahre im Geiste der sorgfältigsten Conservirung und der strengsten Beobachtung der kleinsten Details. Oft mußte an eine vollständige Erneuerung zur Wiederherstellung der künstlerischen Formen, wo sinnlose Restaurirungsarbeiten das Werk entstellen oder der Bestand es nothwendig machte, geschritten werden. Alles, mochte es aus welcher Zeit immer stammen, wurde auf das sorgfältigste conservirt, selbst die zahlreichen Grabsteine, wenn nur irgendwie von künstlerischer Bedeutung.

Viele Schäden verbarg die schwarze Tünche im Innern des Domes dem Auge des Beschauers. 1873 begann der Dombaumeister im mittleren Chore, dessen Gewölbe sich im traurigsten Zustand befand. 1875 waren die Arbeiten an der Südseite des Domes beendet. Aber schon 1871 und 1873 wurden [608] die Arbeiten am nordwestlichen unausgebauten Thurme begonnen, 1879 beendet. Ein Project von des Meisters Hand für den Ausbau des zweiten nördlichen St. Stefansthurmes befindet sich in der „Wiener Dombauhütte“. 1876–1878 wurden die Heidenthürme restaurirt, 1878 die berühmte Kanzel abgetragen, da sie dem Einsturze nahe, und wie sie der alte Meister gedacht, wieder errichtet. (Eine ausgezeichnete Reproduction der Kanzel ihm großen Maßstab [3 Blatt] auf Kunstdruckpapier befindet sich in den Publicatiosnen der „Wiener Bauhütte“.) 1860 wurde der Dombau-Verein gegründet, und jetzt ging die Restaurirung des Domes im Innern rascher von statten. Mit wahrer Selbstverleugnung hat Sch., wie er selbst sagte, die Restaurirung durchgeführt. Und gewiß ist, daß er ganz in den Intentionen der Vorwelt restaurirt, sich in ihre Schöpfungen gedacht, im Gegensatze zu Anderen, die, blind gegen die Vorzüge ihrer Vorgänger, unterdrückten, was ihrer Geschmacksrichtung nicht genehm. 1889 endete diese in jeder Hinsicht meisterhaft durchgeführte Restaurirung.

Schon 1888 wurde Sch. anläßlich seines 25jährigen Dombaumeisterjubiläums vom Dombauverein dadurch geehrt, daß derselbe eine Medaille ausführen ließ (vom Kammermedailleur Scharf), welche das wohlgelungene Bild Schmidt’s auf der einen, auf der anderen Seite die Längenansicht des Domes mit dem Hauptthurm zeigt. Ein Exemplar der Medaille wurde bei der Enthüllung des Schmidt-Denkmals hinter dem neuen Rathhause zu Wien, am 18. Mai 1896, dem Vertreter des Verbands Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine v. Leibbrand aus Stuttgart übergeben. Würdig reiht sich Sch. den großen Meistern an, einem Wenzel von Klosterneuburg, Helbling, Hans v. Prachatitz, Buchsbaum, Pilgram, sie noch übertreffend an Vielseitigkeit des Wissens, Geschmeidigkeit des Geistes, vor allem aber an Selbstverleugnung.

Zum Schlusse der Ausführungen über Schmidt’s Thätigkeit bei St. Stefan sei eine Erfahrung erwähnt; die der Meister dortselbst gemacht, und aus der er später auch die Nutzanwendung zog. Bei allen den Arbeiten am Stefansdom wurde Sch. als Dombaumeister die specifisch locale Formgebung der alten Hüttenmeister von St. Stefan immer klarer, welche ganz verschieden von der gleichzeitigen Formgestaltung der Kölner oder Regensburger Bauhütte war. Die Ursache lag in der Hauptsache in dem verwendeten Steinmaterial des Wiener Bodens. Wie die alten Meister von St. Stefan dem derberen Kalkstein oder Muschelkalk mit sicherer Hand eine entsprechende passende Formgestaltung gaben, erregte die Bewunderung des Kölner Steinmetzmeisters. Durch alle diese Erfahrungen und Umstände bereitete sich in Sch. der künstlerische Uebergang vor, welcher die strengen Formen der Kölner Schule milderte und welcher in der größten Aufgabe seines Lebens, seinem eigentlichen Hauptwerke – dem Neubau des Wiener Rathhauses – seinen höchsten Ausdruck fand und ihm zum größten Ruhm gereichte. –

Rathhausneubau. Den unmittelbaren Anlaß zur Erbauung des neuen Rathhauses gab nicht allein die zwingende Nothwendigkeit, daß das alte Rathhaus trotz des Umbaues durch Architekt Ferdinand Fellner sich zu klein erwiesen, sondern das großartige Werk der Stadterweiterung Wiens. Am 20. December 1857 erließ Kaiser Franz Josef I. das in der Geschichte Wiens denkwürdige Handschreiben, das den Fall der Basteien ankündigte. Unter den öffentlichen Gebäuden, deren Errichtung dieses zur Aufgabe stellte, erschien auch das „Stadthaus“. Vielfache Schwierigkeiten bot vor allem die Platzwahl; zuerst war der Platz der heutigen Börse, dann jener der Akademie der bildenden Künste, endlich der Platz zwischen der verlängerten Johannes- und [609] Weihburggasse in Aussicht genommen. Die Gemeinde war aber verpflichtet, bis spätestens 1869 mit dem Bau zu beginnen.

Im Bauprogramm und der Vorskizze, von Architekt Siccardsburg, der damals Gemeinderath war, verfaßt, waren alle städtischen Aemter, Festlocalitäten, Repräsentationsräume, eine Capelle und das städtische Museum enthalten. Eine Wohnung für den Bürgermeister war nicht vorgesehen. Auf Grund dieses Bauprogrammes, welches, wie überhaupt die rege Bauthätigkeit in Wien, die Aufmerksamkeit der weitesten Fachkreise auf sich gezogen, wurden am 1. September 1869 nicht weniger als 64 Projecte eingereicht: 42 aus Oesterreich und Deutschland, 18 aus Frankreich und Belgien, 4 aus Italien. Die Jury, bestehend aus fünf Architekten, Heinrich v. Ferstel in Wien, Karl A. Haase in Hannover, Theophil v. Hansen und Johann Romano in Wien, Gottfried Semper in Zürich, und fünf Gemeinderäthen, Groß, Hasenauer, Jordan, Neumann und Stach, verlieh die vier ersten Preise von je 4000 fl. an: Friedrich Schmidt in Wien (Motto: Saxa loquuntur), Ambr. Baudry in Paris (Motto: Ojalo), Ernst Chardon und M. Lambert in Paris (Motto: L’art unit les peuples), Gustav Ebe und Julius Benda in Berlin (Motto: Zelinka).

Die künstlerische Basis, auf der Sch. sein Concurrenzproject für das Rathhaus aufbaute, ist nicht schwer zu finden. Deutlich tritt der Einfluß der von Sch. vielleicht zuerst studirten italienischen mittelalterlichen Architektur zu Tage, besonders beim Stockwerkaufbau nach Art der italienischen gothischen Paläste. Vor allem war aber auch die Rücksicht auf das Baumaterial nothwendig, welche breitere plastische Durchbildung bedingte. Deutlich ist dieses Bestreben bei der klaren Anordnung der Wandflächen ohne Strebepfeiler zu erkennen. An diesem Concurrenzproject arbeiteten mit im Atelier des Meisters seine Schüler v. Neumann, v. Wielemans, König und Hermann. Am 16. November 1869 wurde der Bau durch den Gemeinderath dem Architekten Friedrich Schmidt übertragen, dessen Name schon damals zu den hervorragendsten unter denen der Fachgenossen zählte.

Bevor jedoch das Project ausgeführt wurde, hatte sich eine lebhafte Bewegung gegen den in Aussicht genommenen Bauplatz geltend gemacht. Der Gemeinderath richtete daher die Bitte an den Kaiser, den Paradeplatz zwischen der Josefstadt und Inneren Stadt aufzulassen. So entstand auch die Idee (angeregt durch Bürgermeister Dr. Kajetan Felder) des großartigen Platzes mit Gärten um das neue Rathhaus, mit Parlament und Universität. Sch. arbeitete einen Verbauungsplan aus, der am 13. Juni 1870 die Genehmigung des Kaisers fand, so daß nun der Bau des Rathhauses mit allen Kräften beginnen konnte. Der Meister änderte nun seine Planskizzen nach dem vergrößerten Bauplatz, und im Juli 1871 wurde dessen Kostenvoranschlag, welcher auch den späteren wirklichen Baukosten sehr nahe kam, aber vom Gemeinderath auf 17 000 000 Kronen reducirt wurde, genehmigt. Die Arbeitszeit sollte auf 8–10 Jahre vertheilt werden. Der erste Spatenstich geschah am 25. Mai 1872.

Sch. als Bauleiter war die Wahl seiner Hülfskräfte frei gestellt; er versammelte auch bald einen auserlesenen Stab von Architekten, seinen früheren Schülern und Mitarbeitern, um sich, so die Architekten und Bauführer Franz Ritter v. Neumann, Viktor Luntz, Max Fleischer, ferner die Architekten Julius Deininger, Hugo Herr und Franz Schulz, sowie die Hülfskräfte Anton Hawlik, Rudolf Breuer und Baßler. Da dem Künstler in Bezug auf das Baumaterial gar keine Vorschriften gemacht worden waren, so konnte er sich [610] große Freiheiten in jeder Hinsicht gestatten. Bei diesem Bau wurden nur die solidesten und besten Constructionen und Baumaterialien verwendet. Die gesammte Fassade, Höfe, Stiegen wurden in Stein verkleidet. Pfeiler und Säulen, ebenso die oberen Theile der Thurmbauten sind vollständig aus Stein. An Steingattungen wurden fast ausschließlich österreichische oder ungarische Steine verwendet, für Stiegenstufen Karstmarmor, außerdem aber Girolamo-Stein von der Insel Brioni, Castigliere und Savonier Stein aus dem Elsaß für die Figuren.

Nach Vollendung des Unterbaues fand am 14. Juni 1873 die Feier der Grundsteinlegung statt. 1879 war schon die Hauptgleiche erreicht und am 21. October 1882 der Hauptthurm mit dem eisernen Standartenträger bekrönt. Die Gesammtkosten betrugen schließlich 22 731 000 Kronen. Bei einer Grundfläche von 19 952 qm sind 14 067 qm verbaut, das übrige sind Höfe; der größte mißt 80,8 m Länge und 24,7 m Breite. Fünf Stockwerke waren nothwendig, wovon das Hauptstockwerk 7,6 m hoch. Der große Thurm ist 97,9, die vier Seitenthürme 61 m, der First 36,3 und die Hauptgesimskante 27,3 m hoch. Auf die Entwicklung der Hauptfassade wurde selbstverständlich der Hauptwerth gelegt, 15 Stufen über der Straße erhöhen die monumentale Wirkung.

Ueber mächtigen Arkaden erhebt sich der Festsaal mit den großen Spitzbogenfenstern, dem edlen Maßwerk; vorgelegt die leicht und zierlich, grandios reichverzierte Loggia, im Gegensatz zu den wuchtigen Säulen der Arkaden. Der Hauptthurm, im Geviert emporsteigend, ist von mächtiger Wirkung, nicht minder wirkungsvoll sind die vier kleinen Thürme. Die Hauptfassade wird durch kräftig betonte Eckpavillons begrenzt, welche den Uebergang zu den Nachbarprivathäusern günstigst vermitteln. Die übrigen Fassaden beleben kräftige Mittelrisalite, von Spitzthürmen mit Wetterfahnen flankirt. Die Fensterformen in den unteren Geschossen, theils halbkreisförmig, theils Segmentfenster mit untertheilten Spitzbogen und Rechteckfenster, bleiben in den zwei oberen Geschossen ausschließlich Spitzbogenfenster. Durch diese Anordnung ist das Aufstreben der Massen auch in der glatten Fassade günstig zur Wirkung gebracht. Zierliche Balkons, reizend detaillirte Säulen zeugen von dem reichen Formenschatz des Meisters.

Reicher plastischer Schmuck veranschaulicht theils typisch, theils allegorisch hervorragende Begebenheiten der Stadt. Beim Thurme zwei Statuen: Stärke und Gerechtigkeit, über dem Eingange Hochreliefs mit Reiterfiguren: Kaiser Franz Josef (Bildhauer Zumbusch), Kaiser Rudolf von Habsburg (Kundtmann), Herzog Rudolf IV. (Gasser). Die Schlußsteine unterhalb der drei Reliefs zeigen nach vorne den Porträtkopf des Meisters Friedrich Schmidt, rechts und links die der Architekten und Bauführer Franz Ritter v. Neumann jun. und Viktor Luntz. An dem Eingange unter den Arkaden finden sich die Porträtköpfe der Architekten Max Fleischer, Hugo Herr, Franz Schulz, Julius Deininger, und der Leiter der Unionbaugesellschaft, welche die Baumeisterarbeiten führten, der Bauräthe Friedrich Stach und Franz Böck; ferner des Steinmetzwerkmeisters Wilhelm Eichele, des Bildhauers Anton Uskoreit, des Hauptpoliers Josef Wurts und des Bildhauers Rudolf Sagmeister. Ueber dem Hauptgesimse, welches von einer hohen Attika bekrönt ist, auf Postamenten figurale Darstellungen: Vindobona, Schildträger mit den Wappen der Kronländer. Die kleinen Thürme zeigen Figuren von Bürgersoldaten aus den Türkenbelagerungen von 1529 und 1683, aus der Zeit der Franzoseninvaston (1805–1809) und Freiwillige aus den Jahren 1797, 1805, 1848 und 1859. Alle weisen auf die Wehrkraft der Bürger in der Geschichte Wiens [611] und Oesterreichs hin. Wappenträger mit den Wappen der ehemaligen Vorstädte versinnbildlichen das erweiterte Wiener Gemeindegebiet. Am Friedrich Schmidt-Platz, wo der Gemeinderathssitzungssaal ist, ist in der Mitte die Figur der Vindobona, rechts die Allegorien Gerechtigkeit, Stärke, Kunst und Wissenschaft, links Weisheit, Treue, Erziehung und Wohlthätigkeit. Weiteren plastischen Schmuck, an den Aufbauten der Seitenfassaden, bilden die Typen der Handwerker.

Das Rathhaus hat einen großen und sechs kleine Höfe. Von überwältigendem Eindruck ist der große Hof durch seine 5,1 m breiten Spitzbogenarkaden. Breite Balkone unterbrechen wirkungsvoll die Längsseiten. Ein kräftig hervortretender Erker, mit einem Thurmdach gekrönt, bildet den architektonischen Abschluß des Hofes an Stelle der ursprünglich geplanten Capelle. Stark vorgelegte Eckpfeiler endigen mit Baldachinen, unter welchen Standbilder der an dem Aufleben Wiens thätig gewesenen Babenberger Herzoge Heinrichs I. und Leopolds VI. Am Schlußstein des Erkergewölbes oberhalb der Durchfahrt ist das Steinmetzzeichen des Meisters und das Künstlerwappen angebracht.

Die Vestibüle der Stiegenhäuser sind äußerst reich und fast alle anders durchgebildet. Im Vestibüle vom Schmidt-Platze, dem sogenannten Gemeinderaths-Vestibüle (darunter befindet sich der Sitzungssaal) sind über den Eingangsthüren der Stiegen die Inschriften, einerseits „Quidquid agis, prudenter agas et respice finem“, andererseits „Suaviter in modo, fortiter in re“, angebracht. Die Anordnung der Vestibüle – durch die Niveauunterschiede gegeben –, von welchen drei den Wagenverkehr vermitteln, macht die Einfahrt auf der Hauptfront entbehrlich, wodurch das hier gelegene, vollständig verschließbar und heizbar, zur Abhaltung von Volksversammlungen unter dem Namen „Volkshalle“ verwendbar wird. Diese, 44 m lang und 11,4 m breit, bei einer Höhe von 10,9 m, ist mit mächtigem Gewölbe überspannt. Die Schlußsteine der Gewölbe zeigen dort die Porträtköpfe der Mitglieder der Rathhausbaucommission. Die reizenden Maßwerkfenster geben dieser Halle einen perspectivischen Reiz, der nicht so bald übertroffen wird.

Die zahlreichen Corridore, 2,95–3,55 m breit, sind geputzt und bemalt. Reicher sind dieselben im I. Stock; verkröpfte Wandpilaster, mit Steinpostamenten, Capitälen und spitzbogenförmigem Kreuzgewölbe, zieren sie. Als Zugang zu den Bureau- und Repräsentationsräumen besitzt das Rathhaus 14 Stiegen, zwei Galerie- und vier Kellerstiegen, sowie zwei Treppen in den Rathhauskeller. Für den äußeren Amtsverkehr dienen sechs große Stiegenanlagen, breite, zweiarmige Spindelstiegen. Spindel und Bogen sind aus Werksteinen; gedrungene Marmorsäulen oder zierliche Säulenbündel tragen die Bogen und Gewölbe. Malerische An- und Durchsichten im Vereine mit dem Vestibül und Corridor tragen viel zum monumentalen Charakter des Gebäudes bei. Architektonisch am reichsten sind selbstredend die beiden Feststiegen. Die Schäfte der prunkvollen Säulen sind aus Girolamostein, die Capitäle aus Castigliere, die Stufen aus Cave romane. Die beiden Feststiegen leiten zu dem Festsaal. Zur Linken und Rechten des Einganges bei den Feststiegen I befinden sich die Marmorbüsten Schmidt’s und des Bürgermeisters Dr. Kajetan Freiherr v. Felder. Ueber dem Thürbogen prangt in Stein das Wappen der Stadt Wien.

Der große Festsaal hat eine Länge von 70,9 m, eine Breite von 19,5 m, eine Höhe von 17,1 m und war ursprünglich durch zwei Arkaden in drei Theile zerlegt; es wurde aber noch während des Baues von dieser Anordnung abgegangen. Die beiden apsidenartigen Vertiefungen an den Schmalseiten [612] dienen als Orchesterräume und zeigen in den Bogenzwickeln die Reliefmedaillons von Mozart, Schubert, Gluck und Haydn. Im erkerartigen Ausbau an der Langseite gegen den Park zu, der ein Bestandtheil des Thurmes, wurde am 12. September 1883 die Urkunde der Schlußsteinlegung eingefügt. Der Saal ist von drei Seiten mit Galerien umschlossen. Die Decke bildet ein Tonnengewölbe, mit Lunetten an der Langseite ausgestattet und durch ein reiches Rippensystem belebt. 16 große Lüster spenden Licht. Der Saal macht infolge seiner ungewöhnlich großen Dimensionen und der vollendeten Durchbildung aller Details einen überwältigenden Eindruck. An den Wänden sind zahlreiche Standbilder um Wien verdienstvoller Persönlichkeiten vertheilt.

Dem Festsaale ist nach der Ringstraße zu eine offene Loggia vorgelagert, die durch das vorspringende Massiv des Thurmes unterbrochen wird und den eigentlichen Glanzpunkt der prächtigen Hauptfassade bildet. Die schlanken Säulen und das zierliche Maßwerk ihrer imposanten Bogen machen einen überaus harmonischen Eindruck und betonen in glücklicher architektonischer Lösung die Situation des Hauptraumes des ganzen Gebäudes, des Festsaales. Die reiche Gliederung der Loggia kommt besonders zur Geltung bei erleuchtetem Festraume, wodurch die feinen Conturen der gothischen Ornamente wirksam hervorgehoben werden. Der Blick, der sich von der Loggia bietet, ist überaus reizend: im Vordergrunde der Rathhauspark, links von der Universität, rechts von dem im classisch griechischen Stile gehaltenen Parlament begrenzt, gegenüber das von Semper und Hasenauer erbaute Hofburgtheater, das sich an der denkwürdigen Stelle erhebt, wo im J. 1683 an einer dort in die Löwelbastei gesprengten Bresche der letzte Kampf der Wiener Bürger und Studenten gegen das türkische Belagerungsheer stattfand; darüber aufragend die Spitze des Stefansthurmes, nach rechts zu der Volksgarten und die Hofburg, deren neuer, noch nicht vollendeter Flügel sich gegen die beiden kaiserlichen Museen hinzieht, welche mit ihren vornehmen Kuppeln über die Ringstraße herübergrüßen. Hinter dem Volksgarten und der Burg sind der achteckige Thurm und das hochragende Dach der Minoritenkirche, die schlanke Spitze der Michaelerkirche und der mit einer Kreuzrose gekrönte Thurm der Augustinerkirche sichtbar. Hübsche Ausblicke bieten sich auch nach beiden Seiten der Reichsrathstraße, rechts auf den Justizpalast, links auf die schöne Votivkirche, deren von hier aus theilweise sichtbare Fassade beide Thürme in die Gesichtslinie rückt.

Den Mittelpunkt der rückwärtigen Fassade bildet der ebenfalls durch das Haupt- und Obergeschoß sich erstreckende Gemeinderaths-Sitzungssaal. Er hat die Form eines Rechteckes von 23,7 m Länge und 15,2 m Breite und eine Höhe von 14,2 m. Dem Eingange gegenüber, der vom Corridor des ersten Stockwerkes durch ein Vorzimmer führt, liegen die mit hoher Brüstung versehenen, von F. Geyling gemalten Glasfenster. Für die künstliche Beleuchtung sorgt ein nach den Plänen Schmidt’s ausgeführter Lüster. An der Fensterwand befinden sich auf erhöhter Tribüne die Sitze des Bürgermeisters und der Vicebürgermeister, Vor ihnen, etwas niedriger, die Plätze der Schriftführer und in ihrer Mitte, unmittelbar vor dem Tische des Vorsitzenden, der Referententisch. Gegenüber bauen sich amphitheatralisch die Bänke der Mitglieder auf. An den beiden Seitenwänden und an der nach Osten gelegenen Längswand sind Galerien für das Publicum und die Journalisten angebracht. Den Saal selbst ziert eine schön cassetirte und reich vergoldete Holzdecke, die von dem Hofbildhauer F. Schönthaler ausgeführt wurde. Alle übrigen bevorzugten Räume, wie Sectionszimmer, Präsidialbureau, der Stadtrathssitzungssaal 18,6 m breit, 17,3 m lang und 6,8 m hoch, die Bureaus der Magistratsdirection, sind mit auserlesenem Geschmack ausgestattet. Reiche Holzdecken, [613] Damasttapeten, figuraler, malerischer Schmuck, vervollständigen das harmonische Ganze. Das reichhaltige Stadtarchiv, die Stadtbibliothek, wie das historische Museum sind gleich sehenswerth ausgestattet.

Zum Schlusse sei noch der Rathhauskeller erwähnt. Erst am 12. Februar 1899 wurde derselbe in seiner jetzigen Gestalt eröffnet. Der Meister hat sich die Ausschmückung wahrscheinlich anders gedacht, immerhin bildet derselbe eine Sehenswürdigkeit, obwohl fast alles von modernen Künstlern in geschickter Weise ausgestattet ist.

Bei der Abfassung der Ausführungspläne für das neue Rathhaus stand bei Schmidt die Ueberzeugung fest, daß dasselbe im Geiste der historischen Entwicklung dem überlieferten Typus jener Epoche des Emporblühens deutschen Bürgerthumes entsprechen müsse. Er wählte darum als Vorbild die großartigen Beispiele der niederdeutschen und belgischen Städte, insbesondere des Rathhauses von Brüssel, dem er die äußere Anordnung entnahm. In Wien war damals, da die Renaissance vorherrschte, die Ansicht verbreitet, daß der gothische Stil wohl für Kirchenbauten berechtigt sei, sich aber nicht den praktischen Anforderungen eines modernen Amtshauses anzupassen vermöchte, wenn er die starren Formen der Reinheit des Stiles einhielte. Sch. wußte aber geschickt einen vermittelnden Ausgleich zu finden. In der Gesammtanlage gothisch, verwendete er sowohl constructiv als decorativ Motive der Renaissance nach dem Vorbilde italienischer Bauten des 15. und 16. Jahrhunderts. Der stark betonte horizontale Abschluß der Etagen, welcher bis zum Hauptgesimse durchgeführt ist, zeigt den Einfluß der Kunstform des italienischen gothischen Palastes, welcher noch in der Frührenaissance nachwirkte. Ueber dem Hauptgesimse wird eine prachtvolle, scharfe Silhouettirung durch starke Betonung der verticalen, aufstrebenden Gliederung des gothischen Stils erreicht, besonders stark bemerkbar beim Hauptthurm, wo die Gothik in ihrer ganzen Macht triumphirt. Die größte Annäherung an den Geist der Renaissance macht aber der Künstler durch Anordnung der freien Säulen und Anwendung des Pilasters in der Art der italienischen Protorenaissance.

Bei diesem Bau, welchen Sch. selbst als die Hauptaufgabe seines Lebens bezeichnet hat, wollte er alle seine Erfahrungen und Studien in die praktische Wirklichkeit übersetzen, seiner geliebten zweiten Vaterstadt ein würdiges, zweckmäßiges und modernes Rathhaus erbauen, welches aber auch der alten Tradition gleich treu blieb. Klar in Form und Anlage, beherrscht das große Gebäude – selbst beinahe ein Stadtviertel, doch der Umgebung harmonisch angepaßt – die ganze große Anlage der Monumentalbauten am Franzensringe. Schmidt’s völlige Beherrschung aller constructiven Fragen, seine fast unerschöpflich erscheinende Phantasie, der seltene Reichthum an architektonischen Details eigener Erfindung ermächtigten ihn zu oberwähntem Schritt, der, ganz aus dem Rahmen der Erfahrung heraus, nur von ihm allein gewagt werden konnte, ohne dabei uferlos in Stilerfindungen zu segeln. Oft zweifelte er, daß es ihm beschieden sei, die Vollendung seines Werkes zu erleben. In seinem, von manchen Bitternissen nicht verschont gebliebenen Leben war wohl der schönste Moment, wie er den Bau unter ungetheilter, allgemeiner Anerkennung den Stadtbehörden übergeben konnte.

Noch ward ihm die Freude, nach dem Baue des Rathhauses im allerhöchsten Auftrag das Stiftungshaus am Schottenring in Wien an Stelle des am 8. December 1881 abgebrannten Ringtheaters zu erbauen, dessen reizende Fassaden mit Anklängen der venetianischen Gothik er nach den architektonischen Principien des Rathhausbaues in vollendetster Weise ausbildete.

Nach Abschluß des Rathhausbaues und des Baues des kaiserl. Stiftungshauses [614] wurde Sch. als zweiter Techniker in das Herrenhaus berufen und in den Freiherrnstand erhoben. Das von ihm so hoch gehaltene Steinmetzzeichen der Kölner Bauhütte kam nunmehr in sein freiherrliches Wappen. Seine breite Brust konnte nicht alle die Auszeichnungen fassen, welche ihm der Kaiser, der Papst und andere Regenten verliehen hatten. Nicht lange währte es, und er erhielt die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien, auf die er zeitlebens stolz war; hat er doch Wien den schönsten Platz und das schönste Rathhaus der Welt geschaffen. Sch. war durch und durch Oesterreicher geworden, ja speciell als „Wiener“ fühlte sich der Dombau- und Rathhausbaumeister. In seiner ganzen Denk- und Fühlweise sich der Wiener Bevölkerung anschließend, nahm er warmen Antheil an allen Freuden und leider auch Leiden, die Oesterreich betrafen, immer ein treuer Sohn des deutschen Volkes. Seiner Liebe für Wien gab er besonders Ausdruck, als auf dem Rathhausthurm der eiserne Mann seine Warte angetreten, den er mit den Worten begrüßte: „O eiserner Mann, walte Gott, daß Du immerdar auf eine zufriedene, glückliche Bevölkerung herunterschauen mögest!“ Noch auf seinem Todtenbette flammt diese Liebe zu Wien mächtig auf, und in seinem heiligen Eifer, sich weiter dienstbar zu erweisen, bricht er klagend in die Worte aus: „Gerade jetzt muß ich sterben, wo es in Groß-Wien so Manches zu bauen geben wird.“

Sch. legte sein künstlerisches Glaubensbekenntniß, als das Rathhaus vollendet war, wie folgt, ab: „Wenn an mich die Frage gerichtet wird, in welchem Stile das Rathhaus gebaut sei, ob gothisch? Ich muß offen bekennen, daß ich es nicht weiß. Wenn man mich früge, ob es im Stile der Renaissance gebaut sei, so muß ich antworten, daß ich es nicht glaube! Wenn aber irgend etwas charakteristisch für den Stil des Baues ist, so mag es der Geist der Neuzeit im eigentlichen Sinne des Wortes sein, der sich voll in ihm ausspricht. Ich kann nur sagen, was ich angestrebt habe.“ – Es ist das Bauwerk eines Künstlers, der die Baugeschichte früherer Jahrhunderte in seinen Geist aufgenommen hat. Er hat entschieden Neuartiges, Originelles geschaffen und damit die meisten seiner künstlerischen Zeit- und Richtungsgenossen weit überholt. –

Sch. als Förderer de Kunst- und Baugewerbes. Zahlreiche kunstgewerbliche Arbeiten, zumeist selbständige Aufträge im Zusammenhange mit den Bauausführungen, wurden von Sch. mit gleicher Meisterschaft entworfen. Arbeiten in Holz, Metall oder Glas, Email oder anderem Material, überall die meisterhafte Beherrschung der verschiedenartigsten Techniken, der monumentale Zug in allen Entwürfen. Der gottbegnadete Künstler war aber nicht nur an der Schule der Führer, dem alle willig folgten, am Bau wie in der Werkstätte der verschiedenen Bauhandwerker und übrigen Arbeiter, überall war er der Meister, vor dem Alles respectvoll den Hut zog. In mancher Werkstätte lebt heute noch die Tradition an die von ihm gegebenen Unterweisungen, so seinen Namen und Geist in Fortdauer erhaltend.

So angestrengt Sch. in seiner vielseitigen Thätigkeit als Lehrer, als mehrmaliger Rector der Akademie, Architekt und Dombaumeister war, fand er dennoch Zeit, eine ersprießliche Thätigkeit in der k. k. Centralcommission für Erhaltung und Erforschung der Kunst- und historischen Baudenkmale zu entfalten, als Mitglied der II. Staatsprüfungscommission an der technischen Hochschule, sowie als oft angesprochenes Jurymitglied für Weltausstellungen und Preisbewerbe wie als Experte für Restaurirungsarbeiten in Berlin, Wien, Amsterdam, Florenz, Rom, Mailand u. s. w. thätig zu sein. Auch den Fachvereinigungen, dem österreichischen Ingenieur- und Architektenvereine und der Wiener Künstlergenossenschaft, besonders aber seiner ihm so ans Herz gewachsenen [615] „Wiener Bauhütte“ (deren Ehrenvorstand er zeitlebens blieb), die er alle trefflich zu leiten und zu heben verstand, stellte er seine werthvollsten Kräfte zur Verfügung.

Der freien Rede in seltenem Maße mächtig, mit klangvoller, wohllautender Stimme begabt, waren es wohl ungezählte fachliche Vorträge und improvisirte Gelegenheitereden, bei welchen Sch. mit zündenden Worten seine Zuhörer nicht nur fesselte, sondern auch begeisterte und überzeugte. In diesen Reden betonte er oft, daß der Erfolg des Einzelnen den ganzen Beruf hebe und fördere, der Mißerfolg aber Alle schädige. In diesem Sinne freute er sich der Anerkennung, der äußeren Ehren, die ihm zu Theil wurden, nicht minder aber auch der Erfolge seiner Schüler. Ueberall griff er fördernd und rathend ein, ein Mann voll warmer Sorge und glühender Liebe für alles Wahre und Edle, für Kunst und Vaterland, selbstlos thätig. Fröhlichen Gemüthes, das nach reichlich gethaner Arbeit gerne im Freundeskreise Aussprache suchte, war insbesondere die jährliche Studienreise mit den Schülern für ihn eine Quelle der geistigen Erfrischung. Mit Verehrung und Liebe hingen sie Alle an dem edlen Menschen, dem Wohlthäter, dem stets hülfsbereiten väterlichen Freund. In dieser seiner künstlerischen Gemeinde lebt Schmidt’s Gedächtniß daher auch ohne Zweifel am lebendigsten fort und wird noch manche edle Frucht zeitigen.

Sch. war schriftstellerisch nicht thätig gewesen. Sein reicher brieflicher Verkehr mit vielen hervorragenden Zeitgenossen würde wohl die Grundlage zur Herausgabe einer vollständigen Biographie des Meisters bilden können, und hoffentlich wird es möglich, diese Ehrenschuld bald abzutragen, die zu tilgen sich ein Comité in der „Wiener Bauhütte“ bereits gebildet hat.

Die Vorbereitungen für den Bau einer Kirche in Köln beschäftigten ihn, als der nimmer rastende Zeichenstift seiner müde gewordenen Hand entfiel. Er starb in Wien am 23. Januar 1891 im Stiftungshause, das er selbst gebaut.

Sch. war mit der Schwester des Kölner Dombildhauers Moor vermählt. Die Ehe – eine Liebesheirath – wurde jedoch später getrennt.

Sein Testament, in erster Linie seinen Kindern, seiner Tochter Frida, verehelichten Jarl, und seinem Sohne Heinrich, Professor an der Technischen Hochschule in München, geltend, hat auch für uns goldene Worte: „Haltet Euern Blick jederzeit offen für das Große und Schöne; streitet Euch nicht um Geld und Geldeswerth, denn diese vergänglichen Dinge sind bedeutungslos. Bedeutung für den Menschen hat bloß der Sinn für die Kunst und das Erfassen des Schönen.“ Seine letzten Worte, den früheren und allen gleich! Consequent in jedem und überall, früher, jetzt und immerdar; der Kunst hat er sich geweiht, und ihr Hohepriester blieb er auch, ihr treu bis in seinen Tod. Und diese Consequenz und dieses Einssein mit seiner Kunst, dieses Aufgehen in seiner Kunst, in der Kunst überhaupt, drückt sich auch in dem Wunsche Schmidt’s aus: „Nicht Blumen gebt mir, den Zollstab legt mir auf die Brust ins Grab hinab!“

Oberbaurath v. Wielemans, ein Schüler des Meisters, sprach als Festredner bei der von der „Wiener Bauhütte“ am 19. November 1905 zum 80. Geburtstage des Meisters veranstalteten Friedrich Schmidt-Gedenkfeier: „Glücklich ist ein Volk zu preisen, dem große Männer geboren werden; segensreich wird aber erst dann deren Wirken, wenn Zeit und Raum ihnen günstig sind und ihren Genius zur vollen Entfaltung gelangen lassen. Dann ist es nicht das Bedauern, sehen zu müssen, wie geniale Naturen im fruchtlosen Ringen mit widrigen Verhältnissen und ungünstigen äußeren Umständen verhindert [616] sind, ihr Bestes zu geben, sondern die freudige Dankbarkeit der sich der Bedeutung des ihnen geschenkten Meisters vollbewußten Zeitgenossen ist es, die im Gedenken an ihn und an seine Werke zum Ausdruck kommt und in fruchtbringender Anregung fortdauernd weiter wirkt.“

Friedrich Frhr. v. Schmidt, Nekrolog, hsg. vom Ing.- u. Arch.-Verein. Wien 1891. – Max Fleischer, Friedrich Frhr. v. Schmidt als Mensch, Lehrer und Chef. Wien 1891. – Aug. Reichensperger, Friedrich Frhr. v. Schmidt. Zur Charakterisirung des Baumeisters. Düsseldorf 1891. – C. v. Lützow, Schmidt und Hansen, eine Parallele. Vortrag. Wien 1891. – „Friedrich Schmidt“; Festschrift zur Gedenkfeier in Wien 1905 („Wiener Bauhütte“, Monatsschrift). – C. M. Kattner, Bericht über die Friedrich-Schmidt-Gedenkfeier in Wien 1905. – A. Nechansky, Fr. Schmidt’s Berufung nach Oesterreich. Oesterr. Rundschau III, 20 f., 71 f., 110 f. – Zum Gedächtnisse Fr. Schmidt’s; Urtheile und Gutachten aus der Zeit seiner Wirksamkeit als Mitglied der k. k. Centralcommission. Wien 1893. – Fr. Schmidt, Das neue Wiener Rathhaus. 60 Tafeln mit der Porträtbüste von B. Tilgner und einer biograph. Charakteristik von E. Ranzoni. Wien 1884. – Wurzbach, Biogr. Lexikon des Kaiserth. Oesterreich XXX, 244 ff. – Müller-Klunzinger, Die Künstler aller Zeiten III, 469. – Müller-Singer, Allg. Künstlerlexikon IV, 208. – Rosenthal, Convertiten-Bilder I, 982. – Außerdem zahlreiche Artikel der Wiener Zeitungen aus den sechziger und siebziger Jahren und die „Wiener Briefe“ XXIII–XXVI des Jahrg. 1874 u. XLVIII des Jahrg. 1875 der Augsb Allg. Zeitung.
Arch. C. M. K. (Wien).

[598] *) Zu Bd. LIV, S. 100.