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ADB:Purgstall, Gottfried Wenzel Graf von

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Artikel „Purgstall, Gottfried Wenzel, Graf von“ von Karl Heinrich Hugelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 715–717, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Purgstall,_Gottfried_Wenzel_Graf_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:04 Uhr UTC)
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Purgstall: Gottfried Wenzel, Graf von P., Sohn des Grafen Johann Wenzel, wurde am 12. Februar 1773 zu Graz geboren, und verbrachte seine Jugend, nach dem frühen Tode seines Vaters unter der Leitung seiner Mutter, einer geborenen Gräfin Rindsmaul, bis zur Vollendung der Humanitätsstudien in seiner steiermärkischen Heimat. Nach einer Reise an verschiedene deutsche Höfe sowie zur Kaiserkrönung Leopold’s II. in Frankfurt begann er auch die Universitätsstudien an der Grazer Hochschule, im J. 1793 finden wir ihn aber schon in Jena, wo der beredte Interpret der Kantischen Philosophie[WS 1], Reinhold, Hörer aus den entferntesten Gegenden Deutschlands um sich versammelte. Die Zugehörigkeit zu diesem Kreise ist für Purgstall’s ganzes Leben kennzeichnend geworden, als einer der „Kantianer Oesterreichs“ ist er bekannt geblieben. Als Reinhold im Frühjahre 1794 dem Rufe nach Kiel folgte, begleitete ihn P., wie Reinhold’s Biograph sagt, als „einer seiner liebsten Schüler“ auf der ganzen Reise und brachte dann noch in Kiel ein volles Jahr an seiner Seite zu; von Kiel zog P. [716] nach Königsberg, um Kant persönlich kennen zu lernen, und von da nach Göttingen, um sich hier juridisch-politischen Studien zu widmen. Nach Abschluß der deutschen Lehrjahre begab sich P. über die Niederlande und Frankreich nach England und Schottland und von hier führte er Johanna Anna Baronin Cranstown als seine Gattin heim.

In Oesterreich trat P. zunächst als Volontär bei der niederösterreichischen Regierung in den Staatsdienst und sein Haus ward in Wien bald ein Vereinigungspunkt aller Elemente, welche höhere Bildung und vaterländisches Gefühl verbanden (Graf Moritz Dietrichstein, General Steigentesch, Collin, Hammer, Hormayr, Gentz, Johannes von Müller u. a. m.). Im J. 1807 wurde P. Gubernialrath in Steiermark, nahm als solcher an den Vorbereitungen zu dem Befreiungskampfe des Jahres 1809, speciell an der Errichtung der Landwehr, lebhaften Antheil und zog, zur Generalintendanz des Heeres von Innerösterreich berufen, mit ins Feld. In Padua fiel er in die Hände des Feindes, wurde in die Gefängnisse von Mantua geworfen und erst durch die Intervention seiner muthigen Gattin bei Napoleon selbst befreit. Diese Gefangenschaft legte den Keim des Todes in seine Brust; er erlag demselben, noch nicht vierzigjährig, am 22. März 1812 in Florenz.

Während seines mehrjährigen Aufenthalts in Deutschland war G. W. P. fast mit allen geistigen Koryphäen der Nation in Berührung gekommen und insbesondere mit einigen Gesinnungsverwandten aus dem Kreise der Kantischen Gemeinde in einen innigen Freundschaftsbund getreten; neben Reinhold sind in erster Linie Wieland, die Grafen Schimmelmann und Stolberg und von den Jüngeren Fernow, Baggesen, Thibaut zu nennen. Ueber diese Beziehungen gibt der Briefwechsel Purgstall’s interessante Aufschlüsse. Jener Theil der Correspondenz, welcher in dem Wiener „Literaturblatt“ des Jahres 1879 zum Abdruck gelangt ist, behandelt speciell den Aufenthalt in Deutschland, während die in Hammer’s biographischem Denkmal veröffentlichten Briefe aus den Reiseabschnitten in Holland, Frankreich und England stammen und die in Frankl’s „Sonntagsblättern“ der Jahre 1842 und 1843 publicirten Briefe von Steigentesch an P. in die Zeit des Aufenthaltes in der Heimath fallen; der größte Theil des Briefwechsels ruht aber noch unveröffentlicht im Schloßarchive zu Hainfeld. Abgesehen von diesen Verhältnissen hat G. W. P. die Aufmerksamkeit aber auch als der letzte zum Mannesalter gereifte Sprosse des Purgstall’schen Grafengeschlechtes auf sich gelenkt. Sein Sohn Wenzel Raphael überlebte ihn wol kurze Zeit; er starb aber am 7. Januar 1817 noch nicht neunzehnjährig, von den Zeitgenossen wegen seiner wunderbaren Geistesgaben tief betrauert, und hiermit war der Mannsstamm des Hauses P. erloschen. Nur der verwittweten Gräfin Johanna Anna († am 23. März 1835), in deren Armen Gatte und Sohn gestorben, war es noch durch fast zwanzig Jahre gegönnt, die Erinnerung an den Namen P. in der Steiermark wach zu erhalten. Die Bedeutung dieser Frau, welche in ihrer Jugend mit Walter Scott befreundet und diesem das Vorbild der „Diana Vernon“ in „Rob Roy“ gewesen, ja sogar auf Walter Scott’s erste litterarischen Versuche, so auf die Uebersetzung von Bürger’s Lenore, entscheidenden Einfluß geübt haben soll, ergibt sich aus vielen Mittheilungen über ihr Leben. Sie that aber noch ein Weiteres, um den Namen P. auf spätere Generationen zu überliefern, indem sie den Verfasser des biographischen Denkmals ihres Gatten und Sohnes, den berühmten Orientalisten Josef v. Hammer, unter der Bedingung zum Erben des ihr zugefallenen Allodialgutes Hainfeld einsetzte, daß er den Namen und das Wappen des Hauses P. mit dem [717] seinigen vereinige. Die kaiserliche Bewilligung hierzu wurde unter Erhebung Hammer’s in den Freiherrnstand ertheilt (Diplom vom 11. Mai 1836).

Vgl. von den bei Wurzbach citirten Schriften insbesondere: Denkmal auf das Grab der beiden letzten Grafen v. Purgstall. Gesetzt von ihrem Freunde Joseph v. Hammer. Gedruckt als Handschrift für Freunde. Wien. Gedruckt bei Anton Strauß. 1821. – Außerdem: Schloß Hainfeld, oder: Ein Winter in Steiermark. Von Basil Hall. Aus dem Englischen übersetzt von Minna Herthum. Berlin 1836; Aus dem Leben des vorletzten Grafen v. Purgstall (von Hugelmann) in Nr. 4, 6, 8, 9, 10 des Litteraturblatt, Bd. III, Leipzig und Wien 1879. (Der erste der in dieser Arbeit veröffentlichten Briefe Purgstall’s, welcher über den Besuch bei Kant berichtet, ist auch abgedruckt in der Altpreußischen Monatsschrift, Bd. XVI, H. 7 u. 8); Janisch, topographisch-statist. Lexikon v. Steiermark, Bd. I, Graz 1878, voce Hainfeld, Bd. II, Graz 1885, voce Riegersburg.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Phisophie