ADB:Dietrichstein, Moritz Graf von
Joseph II. innig befreundeten Fürsten Karl D., im J. 1791 im Alter von 16. Jahren als Unterlieutenant bei dem Infanterieregimente Lascy ein. Im J. 1793 zum Oberlieutenant in der Artillerie befördert, nahm er an den Feldzügen in den Niederlanden in den J. 1794–1796 mit Auszeichnung Antheil, ward im J. 1795 als Hauptmann im Generalstab dem Feldmarschall Grafen Alvinczy beigegeben, an dessen Seite er die Feldzüge am Ober- und Niederrhein und, im J. 1796 zum Major befördert, den unglücklichen Feldzug in Italien, insbesondere die Schlachten von Bassano und [205] Arcole, mitmachte. Noch vor dem Abschlusse des Friedens von Campo-Formio wurde er im März 1797 als Flügeladjutant dem Feldmarschall Baron Mack, der am Rhein stand, zugetheilt, als dessen Begleiter er an den militärischen Bewegungen am Rhein, in Innerösterreich, an den italienischen Grenzen, sowie im französischen Hauptquartier und in Baiern Antheil nahm. In Folge des im J. 1798 zwischen Oesterreich und Neapel abgeschlossenen Offensiv- und Defensiv-Bündnisses folgte D., zum Oberst und Generaladjutanten ernannt, dem zur Führung des neapolitanischen Heeres bestimmten Feldmarschall Mack nach Neapel. Die unrühmliche Haltung der neapolitanischen Truppen in jenem, nur wenige Wochen dauernden Feldzuge nöthigte Mack zum schleunigen Rückzuge nach Neapel und zum Abschlusse eines Waffenstillstandes am 10. Januar 1799 in Capua, und zwang ihn, nachdem der neapolitanische Hof sich selbst an Bord des englischen Admiralschiffes geflüchtet hatte und bei der eingerissenen vollständigen Anarchie seine eigene persönliche Sicherheit im höchsten Grade gefährdet war, sich sammt den ihm beigegebenen österreichischen Officieren in das Lager des Generals Championnet zu begeben und sich seinem Schutze anzuvertrauen. Ungeachtet der ihm von letzterem freigestellten Rückreise nach Deutschland wurde jedoch Mack, in Bologna angelangt, auf Contreordre des ersten Consuls Bonaparte, sammt seiner Suite, darunter auch der Oberst Graf D., als Kriegsgefangener erklärt und unter strenger Bewachung nach Frankreich abgeführt. Nach beinahe zweijähriger Haft, zuerst in Briançon, dann in Dijon und zuletzt in Paris, und nachdem sich Feldmarschalllieutenant Mack, ungeachtet des gegebenen Ehrenwortes, dieser völkerrechtswidrigen Behandlung, ohne Vorwissen seiner Suite, durch die Flucht entzogen hatte, gelang es endlich D., nachdem ihm noch die vollste Anerkennung seines ehrenvollen Verhaltens von Seite des französischen Kriegsministers Carnot zu Theil geworden war, am 28. April 1800 seine Freiheit wieder zu erlangen. Nach Wien zurückgekehrt, verließ er kurz darauf den Militärdienst, vermählte sich mit der Gräfin Therese von Gillüs[1] und widmete sich von da ab ausschließlich der Pflege der Kunst und Wissenschaft, die er, im regen Verkehre mit deren hervorragendsten Vertretern, namentlich Heinrich Collin, v. Sonnenfels, Johannes Müller, Hormayr, Maylath[2], Beethoven, Weigl, den Malern Füger, Lange, Bildhauer Zauner u. A., die in seinem Hause einen geselligen Mittelpunkt fanden, als echter Mäcen zu fördern beflissen war. Im J. 1815 zum Erzieher des Herzogs von Reichstadt ernannt, leitete er die Jugend desselben in der taktvollsten und verständigsten Weise bis zum J. 1831, in welchem der junge Prinz, unter Beweisen seiner dankbaren Anerkennung und Freundschaft, sich von ihm trennte.
Dietrichstein: Moritz Graf von D.-Proskau-Leslie, geb. 19. Febr. 1775 zu Wien, † 27. August 1864 daselbst. Ein Sprößling des jüngeren, gefürsteten Zweiges der Hollenburg-Finkenstein’schen Hauptlinie, eines uralten, durch eine Reihe hervorragender Staatsmänner ausgezeichneten Geschlechtes, trat Graf Moritz D., der jüngere Sohn des dem KaiserAußerdem war D. schon früher vom kaiserlichen Hofe zur Leitung der verschiedenen, zur Förderung der Künste und Wissenschaften bestimmten Hofanstalten und Sammlungen berufen worden. Seit 1819–1848 bekleidete er die Aemter eines Hofmusikgrafen, Hoftheaterdirectors, des Präfecten der Hofbibliothek, des Directors des Münzen- und Antikencabinets, daneben auch das Amt eines Oberstkämmerers und später des Obersthofmeister-Stellvertreters des Kaisers. In allen diesen Stellungen führte D. nicht nur eine Reihe von zweckmäßigen Reformen durch, bereicherte durch eine langjährig persönlich unterhaltenen Correspondenz mit den hervorragendsten wissenschaftlichen Capacitäten sowie mit in- und ausländischen gelehrten Gesellschaften und Kunstinstituten die seiner Leitung anvertrauten Sammlungen, sondern gewann auch durch das warme Interesse, das er den Leistungen auf diesen Gebieten entgegenbrachte, allenthalben die vollste Sympathie der betheiligten Kreise, in einem bis dahin und auch seither kaum dagewesenen Maße.
Zm J. 1848 zog sich D. von allen seinen öffentlichen Stellungen zurück. Der im J. 1854 eingetretene Tod seines älteren Bruders, des Fürsten Franz [206] Joseph D., brachte ihm den Besitz der großen Fideicommißherrschaften der älteren Linie. Auf die Anwartschaft auf den Fürstentitel sowie auf die eventuelle Nachfolge in den Besitz des Fideicommisses der älteren Linie verzichtete er jedoch, nachdem sein einziger Sohn, Moritz, ihm im J. 1852 im Tode vorangegangen, in einem im J. 1856 zu Stande gekommenen Familienvertrage zu Gunsten seines Neffen, des Fürsten Joseph, welchen er gleichwol auch zu überleben bestimmt war. Von da ab war sein Leben, ohne jede öffentliche Stellung, ausschließlich der Pflege der Künste und Wissenschaften, die er in wahrhaft großartiger Weise unterstützte, und dem gewohnten freundschaftlichen Verkehre mit deren hervorragenden Vertretern gewidmet. Seit dem J. 1862 durch eine schmerzhafte Krankheit ununterbrochen an das Bett gefesselt, nahm er gleichwol bis in sein 90. Lebensjahr an allen öffentlichen Angelegenheiten und an allen Schicksalen seiner Freunde den lebhaftesten Antheil, über die zahlreichen höchsten Auszeichnungen, die ihm bis an die Grenze seines Lebens von allen Seiten im reichsten Maße zu Theil geworden, mit wahrhaft stoischer Gleichgültigkeit hinwegsehend. Mit seinem am 27. August 1864 erfolgten Tode erlosch das uralte und berühmte Geschlecht und ging der Name und Fürstentitel an seinen Schwiegersohn, den Grafen Alexander Mensdorf über, um nach dessen wenige Jahre darauf erfolgten Ableben für alle Zeiten zu erlöschen.[3]
- Weidmann, Graf Moritz Dietrichstein. Sein Leben und Wirken. Wien 1867. – Oesterreichische Revue 1866. IV. Jahrgang. Heft II. u. III. – Die vollständige Litteratur bei Wurzbach.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 205. Z. 26. v. o. l.: Gilleis (st. Gillüs). [Bd. 6, S. 794]
- ↑ Z. 28. v. u. l.: Mailáth. [Bd. 6, S. 794]
- ↑ S. 206 Z. 20 v. o. l.: Ableben auf dessen Sohn und weiter nach dem Rechte der Erstgeburt auf den jeweiligen Chef der Familie mit dem Zusatze „zu Nikolsburg“ fortzuerben (st. Ableben – erlöschen). [Bd. 6, S. 795]