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ADB:Piepenhagen, August

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Artikel „Piepenhagen, August“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 115–117, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Piepenhagen,_August&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:25 Uhr UTC)
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Piepenhagen: August P., auch Pippenhagen, Maler, geb. in der preußischen Kreisstadt Soldin am 2. August 1791, † am 27. September 1868 auf dem Gute Generalka bei Prag, zählt unter die merkwürdigsten Autodidakten der Malerwelt. Wenn auch von Jugend an entschiedener Neigung für die Malerei, mußte er diese doch wegen der kümmerlichen Verhältnisse seiner Eltern zurückdrängen und sich bequemen, Lehrling der Knopf- und Schnürmacherei zu werden. Ausgelernt, die übliche Gesellenwanderung antretend, zog es ihn jetzt freilich dem verhaltenen Triebe nach in die ihm durch Bilder und Beschreibungen traut gewordene Schweiz. Dort, im Anblicke der großartigen Naturscenerie mit bestrickendem Farbenzauber, vollends aus dem bisherigen Geleise gebracht, griff er denn auch ausschließlich zu Pinsel und Palette, um sich auf gut Glück im Malen zu versuchen. Lange zwar im harten Kampfe mit der unfügsamen Farbe, trieb er endlich doch einen Maler auf, der ihm bereitwillig die nöthigen technischen Behelfe an die Hand gab. Damit war über seine Zukunft entschieden. Allerdings des Erwerbes wegen noch immer Knopf- und Schnürmachergeselle, nahm er gleichwol auf seiner Weiterwanderung, die im Winter von 1830 auf 31 nach Prag führte, eine Anzahl von Studien aus der Alpenwelt mit, die bald genug Verwendung finden sollten. Es geschah dieses schon 1832 für eine vom Professor Alois Klar in seinem Gartenhause auf der Prager Kleinseite veranstaltete „Ausstellung von Kunstwerken“, in welcher drei – bereits von Kunstfreunden angekaufte – Gemälde vorgeführt wurden: eine Landschaft im Mondschein, eine solche im Morgennebel, eine dritte mit besonntem Gebirge. – Die nächstfolgende akademische Ausstellung vom Jahre 1833 brachte nachträglich noch zwei Schweizerlandschaften von P.; von da ab bis 1839 kam es zu keiner Ausstellung. Denn der nach Jos. Bergler bestellte Kunstschulleiter, Waldherr, 1834 gestorben, erhielt erst Ende 1836 den Nachfolger in Franz Kadlik (s. A. D. B. XIV, 785) und zwar einen solchen, dem es anlag, die mit dem Vorigen abgelebte Schule im Geiste der Neuromantik aufzufrischen. Tiefe innere Reformarbeit hielt von selbst das Auftreten nach außen, beziehungsweise die Wiedereröffnung akademischer Ausstellungen zurück, bewirkte dafür ein Vorführen von Werken der bildenden Künste, wie es zur Gleichstellung Prags mit den concurrirenden Großstädten Deutschlands erforderlich geworden war. P., mittlerweile zum feinfühligsten Coloristen vorgeschritten, behauptete sich auf dieser Ausstellung auch schon als echter, durchaus origineller Künstler. Er brachte diesmal vier treffliche Landschaften aus dem Westen von Böhmen, indeß er die drei nachfolgenden Jahre mit Bildern selbstgeschaffener – idealer – Art beschickte. Diese Eigenart charakterisirt von da an überhaupt seine Landschaften. Er entnahm der Natur nach Form und Beleuchtung zumeist nur die Leitmotive für seine reiche Phantasie, die unerschöpflich im Variiren, ihn auch ein und dasselbe Thema in verschiedenster Weise behandeln ließ. Zeigte sich dieser Umbildungstrieb dennoch erschöpft, dann gab es gleich ein neues – recht sonderbares Mittel, die Phantasie frisch anzuregen. Auf die mit einem dunklen Grundtone überstrichene Leinwand schleuderte er nämlich das Palettenabwischtuch und entnahm den dadurch auf der Fläche entstandenen Ausrissen der Farbe die neue Anregung. Erklärlich wird von daher zugleich seine Vorliebe für im Nebel gehaltene Landschaften, die durch ihr räthselhaftes Wesen Anziehung übten, und, was für ihn [116] maßgebend wirkte, stets bereite Käufer fanden. – P. war auf diese leider allzu sehr angewiesen. Bald nach seiner Seßhaftmachung in Prag hatte er einen Ehebund geschlossen, der ihn allgemach der Familiensorge unterzog. Sie nöthigte unerbittlich zu raschem Schaffen. Es entstanden darum meist kleine, leicht an Mann zu bringende Bilder. Ihre Beliebtheit überhob ihn wol des langen Suchens nach Käufern, verurtheilte ihn dagegen des geringen Preises wegen – zwischen 160–180 fl. – unausgesetzt zu „schanzen“, sollte nicht die Noth einbrechen. Seit Norbert Grund lebte in Prag kein Maler gleich reicher Productivität, glücklicherweise auch gleicher Werthschätzung seitens der Prager Kunstfreunde, von denen sich viele ganze Sammlungen Piepenhagen’scher Bilder anlegten. Dieser Umstand bewirkte noch mehr, als wie die Mißhelligkeit, in welche P. mit dem auf Kadlik folgenden Akademieleiter gerieth, daß er nahe drei Jahrzehnte lang die Prager Ausstellungen nicht beschickte, auch sporadisch nur die von Wien und Pest. Erst 1864 war in Prag wieder ganz vorzüglichen Werken seines Namens zu begegnen, einer Mond- und einer Gebirgslandschaft, über welche der bewährte Kunstreferent der „Bohemia“ schrieb: „Einem See im Felsenkessel entsteigt dichter Nebel, der Mond durchglänzt ihn und füllt ihn mit einer Masse silbernen Lichtes – er ist geradezu traumhaft und doch so einfach natürlich. Eine daneben hängende Taglandschait desselben Künstlers hat gleich eigenthümlichen poetischen Reiz.“ Frankl’s (Wiener) „Sonntagsblätter“ von 1842 vergleichen in der Besprechung der Eigenartigkeit Piepenhagen’s denselben nicht ohne Grund mit Salvator Rosa – obschon dem Vergleiche nur in bezug auf dessen phantasiereiche Auffassung der Natur, in seinen Landschaftsbildern dargelegt, Geltung zuzugestehen ist. – Wol am zutreffendsten verstand es der österreichische Dichter Adalbert Stifter – dem es wie nur wenigen gegeben war, die Natur in ihrem Walten und wunderbaren Gestalten zu belauschen und zu schildern – dem Wesenszuge Piepenhagen’s zu folgen. Welch inniges Anschmiegen liegt im Briefe Stifter’s an den Künstler – datirt Linz den 25. Dec. 1864 – in der Stelle: „Sie haben im Auftrage meines Freundes Heckenast ein so herrliches Mondbild für mich gemalt, daß der größte Dank viel zu arm ist, die Freude darüber nur einigermaßen auszudrücken … Alle Mittel in Gegensätzen von Licht und Dunkel, in Mond und Feuerbeleuchtung, die bei Mondbildern so gerne vorkommen, sind hier verschmäht, der Gegenstand ist Busch und Wasser, wie er überall in der Welt vorkommt, in dieses schlichte Kleid haben Sie eine solche Macht des feinsten Gefühles, der mannigfaltigsten Durchbildung, des Adels und der Würde, des Zaubers und des holden Dichtungsspieles der Nacht gelegt, daß jedes tiefer empfindende Herz in die Kreise dieses Silbernetzes gezogen wird, und sich in ihm beseligt fühlt. Sie sind der dichtungsvollste Landschafter, den ich jetzt kenne …“ Gleiche Begeisterung für P. spricht aus späteren Briefen des Dichters, geschrieben angesichts der ihm weiter zugänglich gewordenen Gemälde desselben. – In Prag, wo P. Von 1864 bis in sein Todesjahr wieder ausstellte, erneute sich nicht minderen Grades die Werthschätzung des Landschafters, der es verstand, mit den schlichtesten Mitteln den Beschauer poetisch zu stimmen. Es ist das um so wunderbarer, als es kein Geheimniß blieb, daß der bedrängte Familienvater gar oft den Erwerb der Tagesarbeit durch das abendliche wieder in Bewegungsetzen der Werkzeuge für Schnür- und Bortenerzeugung ergänzen mußte! – Wie ihm dabei doch die Eigenschaft eines guten Erziehers nicht verloren ging, dafür spricht am deutlichsten die sorgsame Heranbildung seiner beiden Töchter Charlotte und Louise zu vorzüglichen Malerinnen, die sich zum wohlererbten poetischen Zuge des Vaters für ihre Gemälde alle Vortheile der seither vorgeschrittenen Maltechnik anzueignen wußten. – Die Grabstätte Piepenhagen’s befindet sich am evangelischen [117] Friedhofe der Prager Vorstadt Karolinenthal, gekennzeichnet durch ein vom Bildhauer Thomas Seidan ausgeführtes Denkmal – gewidmet von dankbaren Schülern und Schülerinnen, Freunden und Verehrern.

Kataloge der Prager Kunstausstellungen. – „Bohemia“. – Biogr. Lex. d. Kaiserthums Oesterreich, 22. Theil. – Neues allg. Münch. Künstl.-Lex. – Müller-Klunzinger, Neuest. Künstl.-Lex. – Eigene Forschungen.