ADB:Phöbus, Philipp
Fischer aufs lebhafteste angeregt worden war, bezog er im J. 1821 die Universität zu Berlin, um sich dem Studium der Medicin zu widmen, und wurde hier, nach einer Unterbrechung desselben während zweier Jahre, die er eines Duells wegen auf der Festung zubrachte, im J. 1827 auf Grund seiner Dissertation: „Animadversiones in normas cranioscopicas Camperianam et imprimis Duverianam“ promovirt. – In den folgenden Jahren machte er eine größere wissenschaftliche Reise nach Süddeutschland, namentlich nach Würzburg, wo er mehrere Monate unter Schönlein und Heusinger studirte, sodann nach Paris, wo er sich an Louis anschloß, nach Straßburg, wo er besonders unter Lauth’s Leitung anatomischen Studien oblag, endlich auch nach der Schweiz und Oberitalien. – Im J. 1831 kehrte er nach Berlin zurück und trat in die Stellung [90] eines Prosectors in dem Charité-Krankenhause ein, welche auf sein Betreiben begründet worden war, gab dieselbe aber wegen mangelhafter Unterstützung in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen schon nach 16 Monaten auf. Aus dieser Zeit stammen seine werthvollen pathologisch-anatomischen Untersuchungen über Cholera, die er unter dem Titel „Ueber den Leichenbefund bei der asiatischen Cholera“ 1833 veröffentlicht hat. – Im J. 1832 habilitirte er sich, unter Einreichung einer Dissertatio pro venia legendi „De concrementis venarum osseis et calculosis“ als Privatdocent für normale und pathologische Anatomie, gleichzeitig aber wendete er der Pharmakologie und besonders der bis dahin sehr vernachlässigten Receptirkunst eine spcciellere Aufmerksamkeit zu, bearbeitete demgemäß, auf Grund der während seiner poliklinischen Thätigkeit gesammelten Erfahrungen, eine „Specielle ärztliche Receptirkunst“, welche 1831 erschien, und begründete in Gemeinschaft mit dem Pharmaceuten Lockstädt ein Privatissimum über Arzeneiverordnungslehre, welches anzunehmen kein Candidat der Medicin versäumte (Schweitzer). – Im J. 1835 siedelte P., mit Wahrung seiner Stellung als Privatdocent an der medicinischen Facultät in Berlin, nach Stollberg im Harze über, wo er acht Jahre ärztliche Praxis getrieben, vorzugsweise aber sich mit pharmakologischen, toxikologischen und naturwissenschaftlichen Studien beschäftigt hat. Aus dieser Zeit stammen seine Arbeiten: „Kurze Anleitung zur ersten Hülfeleistung bei akuten Vergiftungen“ (1836, 3. Aufl. 1840), – „Deutschlands kryptogamische Giftgewächse“ (als 2. Abtheilung der von ihm, Brandt und Ratzeburg unter dem Titel „Abbildung und Beschreibung der in Deutschland wildwachsenden Giftgewächse“ 1838 herausgegebenen Schrift), ferner sein sehr geschätztes „Handbuch der Arzneiverordnungslehre“ 2 Theile (1839, 1840, ins Holländische übersetzt 1841), und eine Reihe botanischer und geologischer, in verschiedenen Zeitschriften erschienener Journalartikel. – Im J. 1843 erhielt P. einen Ruf als Prof. ord. der Medicin und Pharmakologie nach Gießen, wo er ein pharmakologisches Institut – das erste in Deutschland – begründet und dasselbe bis zum Jahre 1867 geleitet hat. – Mit dem größten Eifer gab er sich hier der ihm von jeher liebgewesenen Lehrthätigkeit hin, nicht weniger eifrig aber zeigte er sich auch in der litterarischen Bearbeitung hodegetischer, medicinischer, pharmakologischer und naturwissenschaftlicher Gegenstände; außer zahlreichen Journalartikeln, die in verschiedenen medicinischen Zeitschriften veröffentlicht sind, hat er während seiner akademischen Thätigkeit in Gießen eine Schrift „Ueber die Naturwissenschaften als Gegenstand des Unterrichts, des Studiums und der Prüfung angehender Aerzte“ (1849), ferner „Die wichtigsten Regeln der Arzeneiverordnungslehre“ (1850), sodann eine kleine Arbeit „Ueber die pharmakodynamischen Aequivalente der Mineralwässer“ (1859) und eine sehr gründliche Monographie des Heufiebers unter dem Titel „Der typische Frühsommerkatarrh oder das sogenannte Heufieber, Heuasthma“ (1862) herausgegeben. – Eine schwere Erkrankung veranlaßte ihn, eine Reise nach Südfrankreich zu unternehmen, auf welcher er das Material zu einer 1864 veröffentlichten pharmakodynamischen Schrift „Die Delondre-Bouchardat’schen China-Rinden“ gesammelt hat. – Nach seiner Rückkehr nach Gießen verschlimmerte sich sein Leiden so sehr, daß er 1865 genöthigt war, die Regierung um Entlassung aus seiner amtlichen Stellung zu bitten, welche ihm unter seiner Ernennung zum Geheimen Medicinalrathe ertheilt wurde. – In den letzten Jahren seines Lebens, die P. in Gießen verbracht, hat er sich mit den Reformbewegungen auf dem Gebiete des Apothekenwesens, für welche er in verschiedenen Veröffentlichungen. so namentlich in den „Beiträgen zur Würdigung der heutigen Lebensverhältnisse der Pharmacie“ (1873), wenn auch ohne wesentlichen Erfolg auftrat, am eifrigsten aber mit Realisirung einer lange Zeit gehegten [91] Idee, der Herstellung einer internationalen europäischen Pharmakopöe, beschäftigt. Zu diesem Zwecke hatte er sich mit zahlreichen hervorragenden Aerzten und Pharmaceuten aller größeren europäischen Staaten in Verbindung gesetzt, unermüdliche Anstrengungen zur Erreichung des von ihm angestrebten Zieles gemacht, Gut und Blut für die erhoffte Vollendung seiner Idee eingesetzt – allein vergeblich; er hat nicht vermocht, die seinem Plane entgegentretenden Schwierigkeiten zu überwinden und mit dem Zusammenbruche seines Unternehmens erlosch auch seine letzte Kraft. Nach langem schwerem Krankenlager ist er hochbetagt am 1. Juli 1880 gestorben.
Phoebus: Philipp P., Arzt, Sohn eines in Mährisch-Friedland lebenden hochgeschätzten Arztes, ist daselbst am 27. Mai 1804 geboren. – Nach Beendigung seiner Gymnasialstudien auf dem grauen Kloster zu Berlin, wo sein Sinn für Naturwissenschaften durch den Botaniker Ratzeburg und den PhysikerP. war nicht nur begeistert für die Wissenschaft, für die gründliche Bearbeitung jedes Zweiges derselben, dem er sich zugewandt hatte, und für seine amtliche Thätigkeit als Lehrer, er war auch „ein im wahrsten Sinne guter und edler Mensch, der zu jeder Zeit gleich liebenswürdig, gleich gefällig gegen arm und reich. hoch und niedrig war, der in der selbstlosesten Weise still, ohne Anspruch auf Dank oder Anerkennung Fremden so gut wie Freunden selbst mit Opfern zu helfen bereit war und in allem, was er that und trieb, in der Wissenschaft wie im privaten Leben, stets nur ein großes Ziel im Auge hatte: die Beförderung des Menschenwohls“ (Roßbach).
- Schweitzer in Berliner klin. Wochenschrift 1877, S. 346. – Roßbach ebend. 1880 S. 606.