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ADB:Overbeck, Christian Adolph

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Artikel „Overbeck, Christian Adolf“ von Paul Hasse in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 5–6, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Overbeck,_Christian_Adolph&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:48 Uhr UTC)
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Overbeck: Christian Adolf O., einer aus dem Lüneburgischen stammenden Familie entsprossen, ward zu Lübeck am 21. August 1755 als Sohn des Rechtsconsulenten Georg Christian Overbeck geboren. Seine Erziehung erhielt er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, dessen Leitung damals seines Vaters Bruder, der Rector Johann Daniel Overbeck (geb. 23. Juni 1715, † 3. Aug. 1802) hatte und neben welchem namentlich der Conrector Geßner auf des Knaben Bildung einwirkte. Trotzdem sich bei O. schon frühe eine besondere Neigung zur Theologie, Litteratur, Musik und Poesie bemerkbar machte, wählte er doch, wohl auf Wunsch des Vaters, als Berufsstudium die Rechtswissenschaft und bezog 1773 die Universität Göttingen. Neben den juristischen Vorlesungen Böhmer’s, Pütter’s, Meister’s u. a. hörte er auch Philosophie, Geschichte, Naturwissenschaften bei Feder, Schlözer und Blumenbach, vor allem aber wird der Einfluß Heyne’s und seiner epochemachenden Behandlung der classischen Philologie als ein tiefgehender geschildert. Vielleicht hing es mit der Bevorzugung dieser Studien zusammen, daß O. nach seiner Rückkehr von der Universität zunächst nach Bremen ging, um dort die Leitung einer Erziehungsanstalt zu übernehmen, doch kehrte er bald in seine Vaterstadt und zur Jurisprudenz zurück, übernahm 1779 eine Obergerichtsprocuratur, erwarb 1788 die juristische Doctorwürde, ward 1792 zum Syndicus des Lübecker Domcapitels erwählt und 1798 Consulent des sogenannten Schüttings, der Schonenfahrer-Compagnie. Zwei Jahre später ist er in den Senat der Hansestadt berufen worden. Den philanthropischen Ideen der Zeit hatte sich O. mit voller Empfänglichkeit hingegeben, war Mitbegründer der Gesellschaft für gemeinnützige Thätigkeit in Lübeck und mehrere Jahre hindurch ihr Vorsitzender, als Mitglied des Senats nahm er hervorragenden Antheil an der Hebung des Kirchen- und Schulwesens und an der Reorganisation der Armenanstalt. Namentlich aber muß sich in O. ein besonderes Geschick zur Führung diplomatischer Unterhandlung kund gethan haben, denn dazu ist er seit seinem Eintritt in den Senat in beinahe anderthalb Decennien fast ununterbrochen und unter den schwierigsten Umständen verwandt worden. So ging er, nachdem in Folge der nordischen Convention vom 16. Juli 1800 Lübeck von dänischen Truppen besetzt war, in’s Hauptquartier der Prinzen Karl und Friedrich von Hessen, 1804 nach dem Reichsdeputationshauptschluß (23. Febr. 1803) zum Czaren Alexander nach Petersburg. Nach der Schlacht bei Lübeck (6. Nov. 1806) und der Capitulation Blüchers bei Ratekau gehörte O. der Deputation an die französischen Marschälle Bernadotte, Murat und Soult und ebenso der gleich folgenden an Napoleon selbst nach Berlin an, welche, freilich vergeblich, eine Ermäßigung der Contribution erwirken sollte. Einer ersten Mission nach Paris noch im Jahre 1807, folgte eine zweite ebendahin 1808–9, und noch im letzteren Jahre wieder eine dritte zur Vermählung Napoleons mit Marie Louise. O. wohnte dem verhängnißvollen Feste bei dem Fürsten Schwarzenberg bei und kehrte erst 1810 nach Hause zurück, nur um das Jahr darauf nach der Vereinigung Nordwestdeutschlands und der Hansestädte mit dem französischen Kaiserreich zum vierten Male nach Paris entsandt zu werden. Als im März 1813 die erste Befreiung Lübecks durch Tettenborn’s Kosaken erfolgt war, ward er zur Begrüßung der verbündeten Monarchen nach Dresden und Breslau geschickt, und da inzwischen die Franzosen Lübeck von neuem besetzt hatten, gelang die Rückkehr nur auf Umwegen und unter besonderen Schwierigkeiten. Nach der zweiten Befreiung der Stadt im December 1813, ward O. den 2. März 1814 zum Bürgermeister erhoben und hat als solcher an der nach der Franzosenzeit nothwendigen Umgestaltung des ganzen Lübischen Staatswesens einen leitenden Antheil gehabt. Neben den Berufsgeschäften aber blieben seine Neigungen fortdauernd der Musik und Poesie [6] zugewandt. Schon als Jüngling hatte er sich in Compositionen von Klopstock’s geistlichen Liedern und den Liedern aus der Hermannsschlacht versucht, später erschienen von ihm Klavierauszüge von Pergolese’s Salve regina und Stabat mater, 1781 auch eine Sammlung eigener Compositionen. Seine ersten litterarischen Leistungen waren Uebersetzungen englischer Reisewerke und einzelner Gedichte Virgil’s und Theocrit’s, die Anregung zu eigenen Productionen erwuchs aus dem Einflusse Klopstock’s, Karl Fr. Cramer’s, Miller’s und Sprickmann’s, auf der Universität Göttingen aber – der Hainbund war, als O. sie bezog, jedoch schon zerstreut – vor allem aus dem von Stolberg, Bürger, Hölty und Voß. An des Letztern Musenalmanach nahm O. seit 1776 regen Antheil und ebenso an andern periodischen Blättern der Zeit, wie am Heidelberger Taschenbuch, dem nordischen Almanach Winfried und dem Hanseatischen Magazin. Von da sind Lieder von ihm in andere ähnliche Zeitschriften und Sammlungen übergegangen und gesondert ist eine solche gegen sein Wissen und wider seinen Willen „gesammelt von einem Verehrer des Verfassers in der Schweiz“, 1786 zu Lindau herausgegeben. Selber veröffentlichte er 1781 eine Auswahl seiner Kinderlieder unter dem Titel: „Fritzchens Lieder“, die zehn Jahre nach seinem Tode 1831 nochmals aufgelegt ist. „In diesen Liedern hab’ ich versuchen wollen, wie weit ich’s etwa im Kinderton treffen könnte.“ „Hier spricht, wenn ich’s gut gemacht habe, wirklich ein Kind“, sagt er in der Vorrede. 1794 folgte eine Sammlung „Vermischte Gedichte“ und 1800 Uebersetzungen aus Anakreon und Sappho. Unveröffentlicht geblieben sind Uebertragungen französischer Dramen, Racine’s Brittannicus und Bajazet, Corneille’s Cinna, die auf die Bühne zu bringen er vergeblich mit Schröder in Briefwechsel trat.

Das Gebiet von Overbeck’s Lyrik ist ein kleines, eng umgrenztes. Wie sie dem Geschmack jener Zeit „der jungen empfindsamen Herzen“ entsprach, entspricht sie dem unsern nicht mehr. Auch was sich noch im Volksgesang und den Schulliederbüchern erhalten hat, wie: „Das waren mir selige Tage“, „Komm’ lieber Mai“, „Blühe liebes Veilchen“, „Warum sind der Thränen“ dürfte mehr durch die Melodie, als den Text lebendig geblieben sein. O. lehnt sich in seinen Uebersetzungen am deutlichsten an Voß an, nimmt in seinen geistlichen und moralischen Gedichten hie und da einen Zug von Claudius auf, ist aber in der Enge seines dichterischen Gesichtskreises, in der Freude einer kleinen Naturbetrachtung und seiner spielenden Träumerei, wie in der Sangbarkeit seiner Verse am nächsten mit Hölty verwandt. In Musik gesetzt sind einzelne seiner Lieder von Himmel, Hurka, Andrä, Reichardt und Mozart, die meisten von Voß’ Freund, Abraham Schulz und diese entsprechen der Overbeck’schen Art entschieden am meisten. Als Dichter schätzte O. keinen so hoch als Voß, ihm ist er ein stets bereiter Mitarbeiter und durchs Leben ein treuer Freund geblieben, allerdings ist das Verhältniß, wie Voß’ Biograph mit Recht hervorhebt, erst nachdem dieser Eutin verlassen hatte, ein vertrauteres geworden, und die Verschiedenheit der Charaktere, in O. bei aller geschäftlichen Tüchtigkeit eine unverkennbare Weichheit und Milde, bei Voß jene herausfordernde Unduldsamkeit und Rechthaberei, die nur in der eigenen Subjectivität die Norm sucht und findet, tritt klar zu Tage. Als dieser seine Angriffe gegen Stolberg in die Welt schleuderte und O. zur Stellungnahme drängte, wußte der letztere mit Feinheit und Würde seinen eigenen abweichenden Standpunkt zu wahren und doch den Bruch mit dem langjährigen Freunde zu vermeiden. O. starb am 9. März 1821. Sein jüngster Sohn war der Maler Friedrich Overbeck.

Goedeke, Grundriß zur Geschichte deutscher Dichtung, Bd. II, S. 707. – Zur Erinnerung an Christian Adolf Overbeck (v. C. G. Overbeck dem Sohn). Lübeck 1830.