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ADB:Hölty, Ludwig

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Artikel „Hölty, Ludewig Heinrich Christoph“ von Carl Christian Redlich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 9–12, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:H%C3%B6lty,_Ludwig&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:43 Uhr UTC)
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Band 13 (1881), S. 9–12 (Quelle).
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Hölty: Ludewig Heinrich Christoph H. (unter einem gedruckten Abschiedsgedicht an Ewald L. C. H. Hölty, im Todtenregister der Aegidienkirche zu Hannover Christian Ludwig Heinrich Hölty), war geboren am 21. December 1748 zu Mariensee, einem Dorf am linken Ufer der Leine, nordwestlich von Hannover. Sein Vater, Philipp Ernst H. aus Hildesheim, von 1742 bis zu seinem 1775 erfolgten Tode Prediger zu Mariensee, war dreimal verheirathet; die erste Frau, Catharina Charlotta geb. v. Barkhausen, war früh gestorben; die zweite, Elisabeth Juliana geb. Gössel, verheirathet Febr. 1748, gest. 1757 an der Schwindsucht, war die Mutter unseres H. und zweier jüngeren Schwestern: die dritte, Maria Dorothea Johanna geb. Niemann, verheirathet 1758, schenkte ihrem Gatten, den sie überlebte, noch vier Söhne und drei Töchter. H., bis in sein neuntes Jahr ein bildschönes, wißbegieriges und munteres Kind voll drolliger Einfälle, ward in derselben Woche, in der seine rechte Mutter starb, von sehr bösartigen Blattern befallen; die Krankheit entstellte nicht nur sein Gesicht und raubte ihm für zwei Jahre den Gebrauch der Augen, sondern sie hinterließ auch ein Schwächegefühl, welches die angeborne Munterkeit nicht wieder aufkommen ließ. Mit seinem liebevollen Herzen konnte er nie mürrisch und verdrießlich werden; sein anspruchsloser und zufriedener Sinn hielt ihn vom Klagen und Weinen zurück; aber es lag seitdem ein Schatten wie von schwermüthiger Ahnung auch auf den frohen Stunden, die ihm noch beschieden waren. Treu hatte die Stiefmutter ihn gepflegt; „manche Mutterthräne rann mir auf die verblühende Knabenwange“, sang er später. Unter der Leitung des Vaters setzte er mit eisernem Fleiß die unterbrochenen Schulstudien fort, nicht selten die Nächte durcharbeitend bei einer mit heimlich erbeutetem Oel gefüllten hohlen Rübe als Studierlampe. Seine Lesewuth, die ihn nie verlassen hat, und sein Hang zur Einsamkeit würden ihn zum unverbesserlichen Stubenhocker gemacht haben, wenn nicht das glückliche Familienleben im Vaterhause, der freundliche Verkehr mit den Damen im nahegelegenen Fräuleinstift, einem ehemaligen Bernhardinerinnenkloster, und die lieblichen Umgebungen Mariensee’s als Gegengift gewirkt hätten. Nur die Nachlässigkeit in Körperpflege und Kleidung war ihm nicht abzugewöhnen. Michaelis 1765 ging H. noch auf drei Jahre zu seinem Onkel Gössel nach Celle, um das dortige Gymnasium zu besuchen; dort begann er das Studium des Englischen und las eifrigst englische Dichter, die unverkennbar für seine ersten eigenen poetischen Versuche Vorbilder wurden. Einem seiner Lehrer, dem Theologen J. C. Sunter, hat er noch 1775 eine Elegie voll dankbarer Rückerinnerung nachgesungen. Den letzten Winter vor seinem Abgang zur Universität verbrachte H. wieder im Elternhause; ihm ward dieser Winter zum Lenz durch die erste, feurigste Jugendliebe. Bei einem Ferienbesuch im vorhergehenden Mai scheint er zuerst das schöne Stadtmädchen von majestätischer Länge und vortrefflichstem Wuchse, mit blondem Haar und blauen Augen gesehen zu haben, das mit unvergleichlichem Anstand tanzte und deutsche wie welsche Lieder zu singen verstand, also das Klopstock’sche Ideal des deutschen Mädchens. In dem Hause einer zu Mariensee verheiratheten, im December 1768 gestorbenen Schwester wohnte sie ein Jahr lang, schwärmerisch verehrt von dem Jüngling, „um dessen Kinn noch zweideutige Wolle hing“, der seine Leidenschaft nicht erklären konnte, aber sie in Liedern austönen ließ, indem er die ihm Unerreichbare, bald anderweitig Vermählte als Juliane und Daphne, vorzugsweise als Laura feierte. Neigung zum Versemachen hatte er als Kind schon gezeigt; der Vater, als Candidat Mitglied der unter Haller’s Auspicien 1739 gestifteten deutschen Gesellschaft in Göttingen, scheint noch in Mariensee den Musen geopfert zu haben und verhielt sich den poetischen Anwandlungen des Sohnes gegenüber gewiß eher fördernd als hemmend; Mailust, Naturfreude und heimliche Liebe machten diesen zum Dichter. [10] Am 19. April 1769 wurde er als Student der Theologie in Göttingen immatrikulirt; sehr bald war es dort bekannt, daß der breitschultrige, gebückt und träge schlendernde, todtbleiche und stumme, unbehülfliche und schlotterig gekleidete Jüngling ein Poet sei; sein am 24. October 1770 bei Kästner eingereichtes Gesuch um Aufnahme in die deutsche Gesellschaft fand sofort Gehör und wenige Wochen später erschien von ihm eine Elegie auf den Tod Münchhausens im Druck. Allein die Poeten der deutschen Gesellschaft waren nicht der rechte Kreis, um das Beste, was H. zu singen vermochte, hervorzulocken: die Prunkoden, die anglisirenden Elegien auf Stadt- und Landkirchhöfe und Hymnen an Morgensonne, Mond und Abendstern haben ebenso wenig Herzenston, als die witzelnden und burlesken Balladen im Geschmack der Gleim, Löwen und Schiebeler. Den eigenthümlichen Ausdruck eigener Empfindung fand er erst, als er in Bürger 1771 einen Dichter von Gottes Gnaden kennen lernte, durch ihn dem Herausgeber des Göttinger Musenalmanachs, Boie, zugeführt ward, welcher bemüht war einen Parnaß in nuce um sich zu versammeln, mit dem liederreichen Johann Martin Miller und dem Tyrannenhasser Hahn Freundschaft schloß und mit Vernachlässigung Kästner’s die regelmäßigen Versammlungen dieser jugendlichen Sänger besuchte, die unter Boie’s Leitung in die Wette zarte Frühlings- und Liebeslieder für das keusche Ohr deutscher Mädchen erklingen ließen. Die neuen Freunde fesselten ihn in Göttingen, als Ostern 1772 seine Studienzeit abgelaufen war, und der Vater ließ ihn gewähren, da er das Wenige, dessen er bedurfte, durch griechischen und englischen Privatunterricht zu erwerben suchte. So erlebte er die Ankunft von Voß und ward schnell dessen treuester Genosse, bald dem Lernbegierigen mit den vielseitigen Schätzen seines Wissens beim Studium helfend, bald in den jungen Frühling mit ihm hinauswandernd, um unter blühenden Apfelbäumen eine Milch zu trinken, den Messias und Shakespeare zu lesen, oder „kampirend“ selber zu dichten. Mit seinem Voß, den beiden Miller, Hahn und Wehrs zog er am 12. September 1772 nach Geismar und schloß mit ihnen den ewigen Bund unter der Eiche, den er unter seinem Bardennamen Haining selbst besungen hat. An die Sorge um ein Amt wurde nun für die nächsten zwei Jahre nicht mehr gedacht; jede Stunde, die den weit ausgedehnten Studien, der fünfstündigen und doch nur karg lohnenden täglichen Information abgemüßigt werden kann, gehört dem Bunde; das handschriftliche Bundesbuch und der Musenalmanach füllen sich mit Oden und Liedern von ihm; als Klopstock’s Schüler handhabt er die lyrischen Maße der Griechen, oft geschmeidiger als der Altmeister, und mit dem Schwaben Miller, der ihm das Verständniß der Minnesinger erschließt, singt er glücklich Walther von der Vogelweide nach. Keiner der Genossen des Hains hat mit seinen Liedern so viel Glück gemacht als H.; manche derselben sind noch heute volksthümlich, z. B. „Ueb’ immer Treu und Redlichkeit“ etc., „Ein Leben wie im Paradies“ etc., „Rosen auf den Weg gestreut“ etc., „Wer wollte sich mit Grillen plagen“ etc. Alle großen Feiertage des Bundes hat er miterlebt: die Geburtstagsfeier Klopstock’s am 2. Juli 1773 mit der Verbrennung von Wieland’s Bild, die Aufnahme der Stolberge, Cramer’s, Brückner’s, Leisewitzens, den Besuch Klopstock’s Michaelis 1774. Erst als der von jugendlicher Schwärmerei für die Ewigkeit bestimmte Bund durch den Abgang der Freunde sich zu lösen begann, fing auch er an, die Universitätskette ärger als eine Sclavenfessel zu fühlen und Zukunftspläne zu schmieden. Magister war er nicht geworden; um eine Repetentenstelle sich zu bemühen, wie der Vater ihm vorschlug, hatte er keine Neigung, weil er sich bei aller Gelehrsamkeit vor den Vorbereitungen scheute; das Pfarramt kam für ihn schon gar nicht mehr in Betracht, weil Brustbeschwerden, die Vorboten der Krankheit, deren Keim von der Mutter auf ihn vererbt zu sein scheint, ihm vieles Reden unmöglich machten. Dem ganzen [11] Klopstock’schen Kreise lag ohnehin die Amtsscheu im Blute; im Winter in einer großen Stadt Menschenkenntniß sammeln, im Sommer auf dem Lande Gedichte machen, ein Schäferleben, wie es damals Claudius führte, war sein Ideal. „Eine Hütte, ein Wald daran, eine Wiese mit einer Silberquelle und ein Weib in meine Hütte, ist alles, was ich auf diesem Erdboden wünsche“; und ein großer Dichter wollte er werden, weil ein mittelmäßiger ein Unding wäre. Die Bemühungen um eine Hauslehrerstelle in Braunschweig, Hamburg, Kopenhagen, Leipzig wurden daher flauer betrieben, als der etwas abenteuerliche Plan, mit Voß zusammen eine Junggesellenwirthschaft in Wandsbeck zu beginnen und die Mittel dazu seinerseits durch Uebersetzungen aus dem Englischen zu beschaffen. Seine erste größere Reise stand mit diesem Plan in engem Zusammenhang. Er begleitete seinen Miller im October 1774 nach Leipzig, ließ sich von demselben bei dessen Vetter, dem Buchhändler Weygand, einführen und übernahm für dessen Verlag die Bearbeitung verschiedener englischer Werke. Ein Auszug aus der Wochenschrift, „Der Kenner“, Hurd’s Dialogen und der erste Theil von Shaftesbury’s Werken sind zu Stande gekommen; die letzte Arbeit ward trotz Voß’ Hülfe nicht zu Ende geführt, weil der karge Weygand ein der Mühe entsprechendes Honorar nicht zahlen wollte. So unterblieb auch die beabsichtigte Sammlung aus den besten englischen Wochenschriften und die Uebersetzung des Jerningham, die Weygand für seine vom Gießener Schulz redigirte Allgemeine englische Bibliothek zu haben wünschte. Er hätte aber auch mit einem großmüthigeren Verleger nicht von der Feder leben können, weil die lange schon sein Leben bedrohende Schwindsucht sich unverkennbar einstellte. Im November 1774 war er noch zweimal von Göttingen nach Münden gefahren, das erstemal mit Voß zum Besuch des dem Bunde befreundeten Conrectors von Einem und seiner in alle bündischen Dichter verliebten Tochter, „des kleinen Entzückens“, das zweitemal um dem scheidenden Hahn das Geleite zu geben. Bald darauf fing er an über Blutbrechen zu klagen, und das anfangs sorglos getragene Leiden wurde im Februar 1775 bedenklich, gerade zu der Zeit, als sein Vater starb. Als ein Welkender kehrte er zu Mutter und Geschwistern zurück. Der schöne Frühling auf dem Lande und eine von dem berühmten Leibarzt Zimmermann vorgeschlagene Kur brachten nocheinmal trügerische Besserung. Ende Juli konnte er Klopstock, Voß und Claudius in Hamburg und Wandsbeck besuchen; als er sich von den Freunden trennte, versprach er in wenig Wochen zu dauerndem Aufenthalt zurückzukehren. Er kam nicht wieder; in Hannover, wo er, abgesehen von einzelnen Sommerfahrten zu den Seinigen, in Zimmermann’s Nähe seine Heilung abwarten wollte, erlag er seinem Leiden schon am 1. September 1776, ohne die geplante Herausgabe seiner in Almanachen zerstreuten und zum Theil noch gar nicht gedruckten Gedichte ausgeführt zu haben. Diese Gedichte haben ein seltsames Schicksal gehabt. Boie nahm den Nachlaß an sich und wollte mit einem Leben des Freundes seine poetischen Werke veröffentlichen, um von dem Ertrage sein Grab mit einem Denkmal zu schmücken. Dem unverbesserlichen Zauderer rückte die Arbeit, wie so viele andere, nicht vor; Voß suchte sie dann an sich zu ziehen, aber ein Unberufener kam ihm zuvor. A. F. Geisler, ein obskurer Vielschreiber in Leipzig, publicirte (Halle 1782 und 1783) eine zusammengeraffte Sammlung von echten und unechten Hölty’schen Gedichten, und die Hast, mit der nun Voß seine Edition an den Markt zu bringen trachtete, machte auch diese rechtmäßige, im Verein mit F. L. Stolberg besorgte Ausgabe, Hamburg 1783, recht mangelhaft. Eine zweite 1795 erschienene Auflage unterscheidet sich von der ersten nur durch die größere Zahl der Druckfehler. Der Verleger der Halle’schen Ausgabe ließ darauf von einem Ungenannten seine Sammlung so umarbeiten, daß die erste Hälfte derselben ein bloßer Nachdruck der Voß’schen Ausgabe wurde, [12] während die zweite alle übrigen von Geisler gesammelten Stücke brachte; in dieser Form erschien sie noch zweimal, Halle 1800 und 1803, und ward 1803 auch in Wien auf Velinpapier gedruckt. Voß erließ gegen dies Gebahren geharnischte Erklärungen und kündigte gleichzeitig eine gänzlich umgearbeitete vollständige Ausgabe an. Diese erschien 1804 und ist 1814 und 1833 wiederholt; ihr Inhalt entspricht aber kaum noch ihrem Titel, denn die eigenmächtigen Textveränderungen des Herausgebers gehen noch weiter, als seine in dieser Beziehung selten weitherzigen Bekenntnisse im Vorwort ahnen lassen. Der Versuch des pensionirten Steuerrevisors Friedrich Voigts († 1861) in Hannover, der Hölty bereits zum Helden einer Novelle gemacht hatte, eine kritische Ausgabe mit Hülfe der ersten Drucke und weniger Handschriften herzustellen, war gut gemeint, fiel aber ganz ungenügend aus (Hannover 1857 und 1858). Den echten Text der Hölty’schen Gedichte verdanken wir erst Karl Halm; in dem für die Münchener Bibliothek angekauften Voß’schen Nachlaß fand derselbe den größten Theil der Hölty’schen Papiere vor und konnte daneben die noch erhaltenen Bundesbücher und viel einzelnes in Sammlungen verzetteltes handschriftliches Material benutzen. Seine Ausgabe erschien mit kritischem Apparat Leipzig 1869, mit biographischer Einleitung und erklärenden Anmerkungen Leipzig 1870. Eine ihm unbekannt gebliebene und vorher nirgends gedruckte Ode hat Weinhold A. f. L. VII, 186 ff. veröffentlicht mit einer interessanten Zusammenstellung über Hölty’s Sprache.

Johann Martin Miller, Einiges von und über Hölty’s Charakter, in Miller’s Gedichten S. 439 ff., zuerst als Beilage zu Schubart’s Teutscher Chronik von 1776 veröffentlicht, das biographische Vorwort von Voß zu der Ausgabe von 1804 und Halm’s Einleitung zu seiner Ausgabe von 1870. Einzelnes auch in Weinhold’s Boie, in Herbst’s Voß und in der Strodtmann’schen Sammlung der Bürgerbriefe. Hölty’s Porträt brachte der Voßische Musenalmanach für 1778, von Chodowiecki gestochen; nach Bürger’s Urtheil war es nicht gut getroffen. „Um den Mund herum ist es Hölty, aber weiter auch gar nicht“.