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ADB:Osiander, Friedrich Benjamin

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Artikel „Osiander, Friedrich Benjamin“ von Franz von Winckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 486–487, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Osiander,_Friedrich_Benjamin&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:43 Uhr UTC)
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Osiander: Friedrich Benjamin O. wurde am 9. Februar 1759 in Zell in Würtemberg geboren, studirte in Tübingen Medicin, promovirte 1779 und ließ sich dann als praktischer Arzt in Kirchheim unter Teck nieder. In Tübingen hatte ihn Siegwart, ein Schüler von Puzo (Paris) und Fried (Straßburg) in der Geburtshilfe unterrichtet. O. ging aber zu seiner weiteren Ausbildung in diesem Fache 1779 noch nach Straßburg und 1781 zu Stein in Kassel. Dieser gab ihm einen besonderen Curs in der Geburtshilfe, zog ihn vielfach zu Operationen hinzu, und betraute ihn auch mit Ausführungen derselben in seiner Privatpraxis. Kirchheim, wo er demnächst prakticirte, schien ihm viele Gelegenheiten zu operativen Eingriffen bei Kreissenden zu bieten, denn er machte daselbst in 11 Jahren (1780–1791) unter 168 Entbindungen nicht weniger als 118 Operationen bei Längs- und Schieflagen und war, noch ehe er als Nachfolger von Fischer im J. 1792 zum ordentlichen Professor der Geburtshilfe nach Göttingen berufen wurde, ganz im Gegensatz zu der Wiener Schule unter Boer der Ansicht, daß die Hilfe der Kunst nie aufgeschoben und die Gebärende nie dem Zufall überlassen werden müsse. So hat er denn in Göttingen von 1792 bis 1822 unter 2540 Geburten nur 1381 den Naturkräften überlassen, aber 1159 künstlich beendet. Der Ruf seiner operativen Geschicklichkeit zog von weit her Schüler herbei, leider aber hat er durch seine Lehren viel dazu beigetragen, daß ein unnöthig häufiges Operiren in Deutschland sehr aufkam und daß die Gefährlichkeit vieler geburtshilflicher Operationen, namentlich der Zangenoperation, nicht mehr anerkannt oder auch einfach geleugnet wurde. Die Ausführung der Perforation, der künstlichen Frühgeburt und des Schamfugenschnittes erklärte O. für unnütz, schädlich und die Entbindungskunst entehrend. Er hatte zwar [487] selbst ein einziges Mal die Perforation ausgeführt, aber später bediente er sich derselben nie mehr, sondern kam immer mit seiner langen Zange aus, wobei er denn 100–175 Tractionen nicht scheute. Außer dieser Zange hat er noch einen Hebel, ein Dilatatorium, Messer für den Kaiserschnitt, einen Beckenmesser, einen Wassersprenger und andere Instrumente angegeben und manche geburtshilfliche Operation in Bezug auf ihre Technik, z. B. die Zange und Wendung sehr vervollkommnet. Zahlreich sind seine Schriften und zwar nicht bloß auf geburtshilflichem, auch auf medicinischem Gebiete überhaupt; sie finden sich sämmtlich aufgeführt in Oesterley’s Geschichte der Universität Göttingen von 1820–1837. Wir citiren von geburtshilflichen nur: „Beobachtungen, Abhandlungen und Nachrichten, welche vorzüglich Krankheiten der Frauenzimmer und Kinder und die Entbindungswissenschaft betreffen“ 1787, 8, ferner: „Denkwürdigkeiten für die Heilkunde und Geburtshilfe aus den Tagebüchern der k. praktischen Anstalten zur Erlernung dieser Wissenschaften in Göttingen, 2 Bde. Göttingen 1794–1795. 8. Ferner: „Lehrbuch der Hebammenkunst“ Göttingen 1796, 8. Dann: „Lehrbuch der Entbindungskunst, 1. Theil: Litterarische und pragmatische Geschichte dieser Kunst“, Göttingen 1799. 8, ferner „Annalen der Entbindungsanstalt zu Göttingen im J. 1801“, den „Grundriß der Entbindungskunst zum Leitfaden bei seinen Vorlesungen“, 2 Theile, Göttingen 1802, 8 und endlich das „Handbuch der Entbindungskunst“, 1819–1821, dessen dritten Band sein Sohn Joh. Friedrich O. (geb. 2. Feb. 1787), gleichfalls Professor zu Göttingen, erst nach dem Tode des Vaters herausgab. Osiander d. V. gründete ferner eine geburtshilfliche Gesellschaft in Göttingen, die jedoch nicht lange bestand, und ein anatomisches Museum, welches später in den Besitz des Staates überging und noch in der Göttinger Gebäranstalt sich findet; die interessantesten Theile desselben hat er in seinen „Epigrammata in complures, musei sui anatomici res, quae versuum amore fecit“ Götting. 1807 beschrieben.[1]

Nach Siebold’s Versuch einer Geschichte der Geburtshilfe Bd. II, p. 599–607 und Häser, Lehrbuch der Geschichte der Medicin II. Bd. 1881, S. 1012.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. Osiander, Frdr. Benj. XXIV 487 Z. 26 v. u. l.: Er starb in Göttingen am 25. Mai 1822. [Bd. 56, S. 398]