ADB:Nicolaus
König Johanns von Böhmen, aus dem Hause Luxemburg (Lützelburg), † am 29. Juli 1358. Er wird urkundlich als von dem Bisthum Naumburg (ursprünglich Zeitz) auf den Patriarchenstuhl übersetzt bezeichnet, doch fehlt er in der Reihe der Naumburger Bischöfe und dürfte also das genannte Bisthum gar nicht angetreten haben, für dasselbe blos „postulirt“ oder „denominirt“ worden sein. Der Avignoneser Papst Clemens V., ein Gönner der Luxemburger, ernannte am 22. October 1350 den natürlichen Bruder K. Karls IV. zum Patriarchen, und fortan besaß N. auch eine verläßliche Stütze an dem Reichsoberhaupte, dem er hinwieder in treuer Ergebenheit verbunden blieb. N. selbst kündigte den Vororten und Ständeherrn Friaul’s seinen Herrschaftsantritt in verschiedenen Erlässen (31. October bis Ende December 1350) an und bestellte Ende November den Pieter Malapensa von Lucca zu seinem Vertreter oder Luogotenente. Er selbst begab sich vorerst zu seinem königlichen Bruder, um sich mit Karl IV. über seine schwierige Aufgabe zu verständigen, die ersten und dringlichsten Maßregeln zu berathen und das Ansehen des Reichsoberhauptes für sich als Landesherr Friaul’s zu verwerthen. Karl IV. erließ auch im December 1350 Sendschreiben an die Friauler Stände und mahnte sie zum Gehorsam gegen den neuen Patriarchen. Die Sachlage im Ostlande Oberitaliens war verworren genug: der Vorgänger Nicolaus’ im Patriarchate, Bertrand (von S. Ginnes aus Languedoc:), 1334–1350, einer weitverzweigten Verschwörung des immerdar unbotmäßigen Friauler Lehensadels zum Opfer gefallen, auf dem „Reicher Felde“ (Richenvelde) bei Spilimbergo von einem Villalta mit dem Schwerte durchbohrt worden, Parteihader überall, und die mächtigen Nachbarn, die Habsburger, Lehensträger des Patriarchates in Krain und Kärnthen, gleichwie die Grafen von Görz solche in Friaul und Istrien säumten nicht, die anarchischen Zustände Friaul’s zu Gunsten ihres Ansehens und Besitzes auszunutzen. Nach der Ermordung des letzten Patriarchen hatten die Friauler Landstände, Hochklerus, Adel und Stadtgemeinden den Herzog Albrecht II. von Oesterreich zum Generalcapitän erwählt, als welcher er auch am 15. August 1350 zu Venzone seines Amtes handelte. Ober-Wippach, die Klause oder Chiusa ob Venzone, mit der wichtigen Mauth der bedeutendsten nordwelsch-innerösterreichischen Handels-, insbesondere Eisenstraße, Venzone selbst als Knotenpunkt dieser Verkehrslinie und St. Michelsberg bildeten die Hauptpunkte der ostfriaulischen Occupationspolitik Herzog Albrechts II.
Nicolaus, Patriarch von Aquileja (Aglai), natürlicher SohnDer neue Patriarch wollte und konnte den mächtigen Nachbar nicht herausfordern, und ebenso war dessen königlicher Halbbruder bemüht, die guten Beziehungen zu den Habsburgern aufrecht zu erhalten. So kam es den 30. April und 1. Mai 1351 zu der Ausfertigung der beiden Urkunden des Patriarchen und des Bestätigungsbriefes König Karls IV. N. erklärt in dem einen Diplom, daß er Chiusa und die Mauth dem Herzog Albrecht II. auf 12 Jahre überlasse; in dem anderen, daß er den genannten Herzog und dessen Erstgebornen, Rudolf, mit Venzone (Peuschelsdorf), O. Wippach und St. Michelsberg (San. Michele) in Gewärtigung des aquilejischen Capitelconsenses belehne. Im J. 1351, 18. Mai, betrat der [612] Patriarch zum ersten Male die Friauler Landschaft und hielt am 21. d. M. seinen Einzug in Aquileja, welchem drei Tage später die Huldigung der Udineser folgte. Er war fest entschlossen, seine landesherrlichen Rechte mit aller Entschiedenheit zu wahren und die am Aufstande gegen seinen Vorgänger betheiligten Adelsherrn als Landfriedensbrecher und Hochverräther strengstens zu bestrafen. Dies bezeugen die Enthauptungen des Gino Francesco di Porpetto, des Ricardo di Varmo, Armano di Carnia, Simone di Castellerio, die Hängung Enrico’s di Sossumbergo (Ende 1351–1352) und die furchtbare Marter und Hinrichtung des Filippo de Portis, andererseits das Niederbrechen der Burgen: Porpetto, Tercento, Welso (Wels) u. a., so daß sich angesichts dieser Entblößung der Provinz Karnien von solchen Landburgen der Patriarch zur starken Befestigung Tolmezzo’s veranlaßt fand. Bezeichnend ist es, daß bisher die Villalta, welche sich in erster Linie gegen den Patriarchen Bertrand erhoben hatten und die Burgherren von Spilimbergo (Spengenberg) diesen scharfen Maßregeln entgingen, und die Letztgenannten überhaupt auf äußerlich gutem Fuße mit N. blieben. Dieser erkannte sehr wohl die Gefährlichkeit, auch mit ihnen anzubinden. Hatte doch König Karl IV. selbst in einem vom 9. Deceenber 1351 aus Prag datirten Schreiben den neuen Patriarchen der Lehenstreue der Gebrüder Walther-Berthold und Heinrich von Spilimbergo empfohlen. Anders erging es den Villalta’s. Wol schloß der Patriarch mit ihnen am 1. September 1352 eine Uebereinkunft, aber das Udineser Parlament beschloß am 30. Juni 1353 die Zerstörung des Castells Villalta. N. hatte 1351 den Leichnam seines Vorgängers ausgraben und unter großen Feierlichkeiten neu beisetzen lassen (6. Juni 1353). Das Schwert, womit derselbe erstochen worden war und das aus dem Besitze des Grafen Meinhard VII. von Görz an den Propst von Aquileja gelangte, wurde der Leiche beigegeben und dieselbe als die eines Märtyrers und Heiligen zum Gegenstande eines förmlichen Cultus gemacht. Eine wichtige Rolle war dem Patriarchen N. anläßlich und in Folge des ersten Römerzuges König Karl IV. (1354) beschieden. Derselbe hatte seinen Halbbruder bereits am 26. Mai 1352 von Köln aus zu sich entboten, um mit ihm die Regelung der Verhältnisse Friaul’s zu besprechen. Am 1. August 1353 gewährte er dem Patriarchen die Errichtung einer Hochschule in Cividale, am 27. Februar 1354 ertheilte er zu Augsburg die königliche Bestätigung aller Privilegien seiner Hochkirche. Um diese Zeit war N. in drohende Verwicklungen mit den Görzern und Habsburgern gerathen, am 27. Juni 1354 richtet er an Karl IV. von Udine aus ein Schreiben, worin er darüber Klage führt, der Gefahren trotz der Waffenruhe mit den Görzern gedenkt und den König um rasche Hilfeleistung bittet. Seine Besorgnisse schwanden jedoch wieder. – Im Spätherbste traf König Karl IV. in Friaul ein, am 14. October 1354 finden wir ihn zu Udine, wo ihn der Patriarch Jacopino von Carrara und Feltrino von Gonzaga erwarteten. Im Geleite seines Halbbruders schlug Karl IV. den Weg über Sacile und Belluno nach Feltre, nach Padua und Mantua ein. Im Januar 1355 folgte ihm seine Gattin, Königin Anna, die am 20. Januar zu Spilimbergo beherbergt wurde. N. wohnte der Kaiserkrönung (5. April 1355) bei. Zu Siena (19. April) wurde ihm als „Vicar des Reiches in Tuscien“ von dem königlichen Halbbruder die Herrschaft Siena’s und dessen Gebietes übertragen. Doch konnte sich N. hier nur wenige Wochen behaupten. Bevor N. wieder als Landesherr die Angelegenheiten Friaul’s in die Hände nahm, hatten hier bedenkliche Volksaufstände in den beiden Vororten Cividale und Udine wider seine Gewaltträger stattgefunden. Am 18. August 1355 wurde der Vicar Pietro Malapensa (Malpensa) in Cividale überfallen und am 26. d. M. enthauptet. Vier Tage zuvor fand ein Volksaufstand in Udine statt, welchem Jacopo Marcello zum Opfer fiel. Dazu kamen die fortdauernden Zerwürfnisse mit den Görzern wegen des Vicariates von Belluno [613] und Feltre, das König Karl IV. dem Patriarchen übergeben hatte. N. ließ sich herbei, den von Francesco Carrara vermittelten Frieden anzunehmen, sagte die Bestätigung der aquilejischen Lehen der Görzer zu und verlieh ihnen die Burgherrschaft Unter-Wippach. Desgleichen vermied er es, dem Herzoge von Oesterreich irgendwelchen Anlaß zu Beschwerden über Verkehrshindernisse zu geben, wie dies die Urkunde vom 28. November 1355 besagt; er ließ es geschehen, daß Heinrich Raspe als österreichischer Generalcapitän am 11. November vom Stadtgebiete Venzone’s förmlich Besitz ergriff. – Mit den Udinesen gleichwie mit den Bürgern von Cividale verglich sich der Patriarch und wurde im März 1356 in Udine auf das festlichste begrüßt. – Es war dies bereits an der Schwelle der großen Fehde zwischen Venedig und König Ludwig von Ungarn, in welcher N. mit den Görzern die Partei des Letzteren nahm. Am 1. October 1356 verglich sich der Patriarch mit Herzog Albrecht II. von Oesterreich über dessen aquilejische Lehen: Pfarre Laibach, St. Veit in Unterkrain, Krainburg und Mannsberg, Windischgraz und über die Zölle von Ospedaletto bei Gemona und zu Venzone. Im April 1357 hielt er eine Synode ab. Interessant ist die aus jener Zeit stammende Urkunde, welche besagt, er habe eine Zahl von Quaternionen aus der „Handschrift des Marcus-Evangeliums“ auf Bitten König Karls IV. zur Zeit der Romfahrt demselben überlassen. Am 18. Februar 1858 kam es zum Frieden zwischen Venedig und Ungarn. Zwei Monate später begnadigte der Patriarch den Francesco Savorgnano und konnte sich ruhigerer Tage erfreuen. Aber er kränkelte bereits und begab sich von Soffumbergo nach Belluno, um in der reineren Gebirgsluft zu gesunden, doch waren seine Tage gezählt. Er starb am 29. Juli 1358 und hinterließ den Ruf eines der tüchtigsten Inhaber der Patriarchengewalt, der den unbotmäßigen Lehensadel zu bändigen und den Frieden des Landes zu sichern bestrebt war, wie kurz auch sein Walten dauerte.
- Pelzel, Gesch. K. Karls IV., K. in Böhmen, 2 Thle., Dresden 1783.– A. Huber, Die Regesten des Kaiserreiches u. K. Karl IV. (1877). – Conte Fr. Manzano, Annali del Friuli 5. Bd. (Udine 1865). – Czörnig, Frh. v., Das Land Görz u. Gradieska (Görz 1873). – Cipolla, Storia delle signorie italiane (Milano 1881), s. d. J. v. 1313 –1530. – J. v. Zahn, Austro–Friulana (Urk.), Fontes rer. Austriac. II. A. 40. Bd. u. s. Monographie: Die deutschen Burgen in Friaul (Graz 1883).