ADB:Munk, Salomon
Freytag, Lassen und Schlegel sich widmend. Da in Preußen ihm damals jede wissenschaftliche Laufbahn verschlossen blieb, begab er sich in seinem 25. Jahre 1828 nach Paris, wo er de Sacy, Chezy und Quatremère hörte und sich zunächst durch litterarische Arbeiten ernährte. Das in verbesserter Uebersetzung und mit erklärenden Beigaben seit 1831 von Cahen herausgegebene A. T. zählte ihn zu seinen Mitarbeitern; seine „Betrachtungen über den Cultus der alten Hebräer“ 1833 sind hierdurch angeregt. Bald darauf führte ihn sein spürender Forschungstrieb den Quellen der jüdisch-arabischen Litteratur zu, welche fortan den Mittelpunct seiner Studien bildeten. Eine 1835 in diesem Interesse unternommene Reise nach Oxford brachte eine reiche Ernte, deren Erstlingsgarbe die 1838 im Journal asiatique veröffentlichte „Notice sur R. Saadia Gaon et sa version arabe d’Isaie“ (s. d. vollst. Titel bei Fürst, bibl. jud. II. S. 407) bildete. Diese wenigen bisherigen Veröffentlichungen Munk’s zogen sofort die Aufmerksamkeit auf denselben. Er ward 1840 an dem Manuscriptencabinet der königlichen Bibliothek zu Paris angestellt, deren arabische Handschriften er zu katalogisiren und zu beschreiben begann. Daneben her ging eine für das Didot’sche Univers pittoresque gelieferte knappe aber äußerst gehaltreiche und zuverlässige Darstellung des heiligen Landes („Palestine, description géographique historique [17] et archéologique, Paris 1845) vgl. Zeitschr. der dtsch. morgenl. Ges., Bd. 1, S. 353, deutsche Bearbeitung von M. A. Levy 1871. 1842 erschien eine Abhandlung über Joseph ben Aknin, den Schüler des großen jüdisch-arabischen Religionsphilosophen Maimuni („notice sur Joseph Ben-Jehouda“, Paris 1842, s. Fürst a. a. O.), 1843 eine Ausgabe des arabischen Commentars von R. Tanchum zum Propheten Habakuk [arabischer Text mit französischer Uebersetzung]. Weiteren Kreisen machte er seine Studien in arabisch-jüdischer Philosophie zugänglich durch seine Mitarbeit an dem von Ad. Franck 1843–52 herausgegebenen Dictionnaire des sciences philosophiques, welche in deutscher Uebersetzung von Dr. B. Beer zu Leipzig 1852 herausgegeben wurden unter dem Titel: „Philosophie und philosophische Schriftsteller der Juden“. – Inzwischen war jene Katastrophe über M. gekommen, deren Hereinbrechen schon seit dem Anfang der vierziger Jahre gedroht hatte. Das anhaltende Lesen der arabischen Handschriften führte gegen 1852 die völlige Erblindung des gediegenen Gelehrten herbei. Auch durch diesen Schlag ungebrochen fing er, wie J. Mohl in seiner Gedächtnißrede auf ihn sagt, „mit Hülfe eines Secretärs der ihm vorlas und sein Dictat aufschrieb die Reihe der erstaunenswerthesten Arbeiten an, an die je ein Blinder gegangen“. War es schon erstaunlich, daß er dem Erblinden nahe, sich an die Erklärung der phönicischen Inschrift von Marseille gemacht („Inscription phénicienne de Marseille traduite et commentée“: journ. asiat. nov-déc. 1847, p. 473–532, vgl. Frankel, Monatsschr. f. Gesch. und Wiss. des Judenth. 1853, Bd. 2, S. 237 ff.) und diese Aufgabe für die damalige Zeit glänzend gelöst hatte, welcher Arbeit die Abhandlungen für die Geschichte der hebräischen Grammatik (journal as. 1850), insbesondere über „Abulwalid Merwan ibn Gannach“ gefolgt waren („notice sur Ab. et sur quelques autres grammairiens hébr. du X et XI siècle“, s. Fürst a. a. O.) – so mußte es die höchste Bewunderung erregen, daß der wirklich Erblindete 1856 eine Erklärung der großen sidonischen Inschrift des Eschmunazar veröffentlichte (journ. as.: „essai sur l’inscription phénicienne du sarcophage d’Eschmoun-Ezer roi de Sidon“, vgl. revue de l’orient févr. 1856, p. 156 ff. juillet, p. 110 ff., Frankel, Mtsschr. Bd. 5, 1856), von welcher der namhafte Epigraphiker M. A. Levy (phönic. Studien, Heft 1) urtheilte, daß dieselbe die schärfste Kritik herausfordern könne. Hiernach erfolgte die beginnende Veröffentlichung der Hauptarbeit seines Lebens, nämlich des arabischen Grundtextes des Moreh Nebuchim von Maimonides, welches berühmte religionsphilosophische Werk des 12. Jahrhunderts bisher nur in den hebräischen Uebersetzungen des Ibn-Tibbon und des Charisi bekannt war, woraus dann weitere lateinische Uebersetzungen geflossen waren (vgl. J. Perles, die in einer Münchener Handschrift aufgefundene erste lateinische Uebersetzung des Maimonidischen Führers. Breslau 1875; eine bekanntere ist die von Buxtorf). M. brachte nunmehr eine kritische Ausgabe des arabischen Textes beruhend auf einer Pariser und einer Oxforder Handschrift, daneben trat eine französische Uebersetzung und ein von der tiefen Gelehrsamkeit und dem glänzenden Scharfsinn seines Verfassers zeugender Commentar (guide des égarés … par Moise ben Maimon arabe et français avec des notes, Vol. I, 1856. Vol. II. 1861, Vol. III, 1866,). Ein 4. Band, welcher das Leben und das System des Maimonides darstellen sollte, erschien nicht mehr. Der Tod trat dazwischen. Das Erscheinen des ersten Bandes hatte genügt, um dem Verfasser 1858 einen Platz in der académie des inscriptions zu Paris zu verschaffen und 1865 ward er gewürdigt, des abgesetzten Renan Nachfolger am collége de France zu werden und den ersten Lehrstuhl des Hebräischen in Frankreich einzunehmen. – Neben diesen litterarischen und amtlichen Arbeiten erschienen noch 1859 die „mélanges de philosophie juive et arabe“ (vgl. Geiger, [18] in Ztschr. der dtsch. morgenl. Ges., Bd. 14, S. 722–740), in welchen er die Entdeckung mittheilte, daß der sogenannte Avicebron kein anderer als der berühmte jüdisch-arabische Philosoph und Dichter Ibn-Gabirol sei. Eine der wichtigsten Abhandlungen des letzteren, Mekor Chajim, bisher nur aus Citaten bei Thomas von Aquino und Albert dem Großen bekannt, ward von M. in ihrem Grundtext aus einem einzigen fehlerhaften Manuscript hergestellt. Zudem gab er eine Untersuchung über die Quellen, aus denen Ibn-Gabirol geschöpft und den Einfluß, welchen die Philosophie desselben geübt habe. Außerdem enthielt diese Arbeit einen historischen Ueberblick über die jüdischen Philosophen von Philo an bis zu ihrem Erlöschen in Spanien. – Am 6. Febr. 1867 fand bei M. eine Sitzung des israelitischen Consistoriums statt, er sprach lebhaft und heiter. Doch kaum hatten seine Collegen sich entfernt, als ein Gehirnschlag ihn traf, der seinem Leben in wenigen Augenblicken ein Ende machte. – M. war eine anziehende und verehrungswürdige Erscheinung. Sein Geist war durch ein tiefes und ausgebreitetes Wissen erleuchtet, sein Gedächtniß schnell und sicher, sein Urtheil von einschneidendem Scharfsinn, dabei war sein Wesen milde, ohne Verbitterung gegen die Schläge des Schicksals, wie gegen das Vaterland, das ihn ausstieß, alle Härte und Strenge seiner Natur nur gegen sich selbst wendend, gegen andere freundlich – fürwahr ein rechter Israeliter, in dem kein Falsch ist.
Munk: Salomon M. ward am 14. Mai 1803 zu Glogau in Schlesien als der Sohn eines armen aber talmudisch tüchtig gebildeten Synagogendieners geboren, der den Knaben bis zu seinem 15. Jahre zum Talmudstudium anleitete. Ein unbesiegbarer Bildungstrieb, dem eine echt jüdische Genügsamkeit und zähe Ausdauer zur Seite ging, führte ihn nach Berlin, wo er auf dem Joachimsthaler Gymnasium, sein Dasein durch Privatunterrichtgeben fristend, sich für das akademische Studium vorbereitete, welches er darauf in Berlin und Bonn betrieb: an letzterer Universität vorzugsweise den orientalischen Studien unter- Vgl. journ. as. Juillet 1867, Zeitschr. der deutschen morgenl. Gesellsch., Bd. 24, Supplement 1871, S. 42–44, wo noch andere Quellen zu finden.