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ADB:Mohl, Julius

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Artikel „Mohl, Julius“ von Carl Gustav Adolf Siegfried, Paul Friedrich von Stälin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 57–59, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mohl,_Julius&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:24 Uhr UTC)
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Mohl: Julius M., Sohn des 1845 als Präsident des Consistoriums in Stuttgart verstorbenen Benjamin Ferdinand M. und der Louise geb. Autenrieth, Schwester des späteren Kanzlers der Universität Tübingen, ward geboren am 25. October 1800 zu Stuttgart als der zweite unter vier berühmten Brüdern. Von seinem Vater war er für die theologische Laufbahn bestimmt worden; nachdem er das Gymnasium zu Stuttgart durchgemacht, ging er 1818 auf das Stift zu Tübingen. Nach eifrigem philosophischen und theologischen Studium (1821 erhielt er einen Preis für eine Arbeit über die Auferstehung) ward er von der kirchlichen Behörde 1822 für ein Vicariat designirt. Indessen M., durch Joh. Georg Herbst (Bd. XII, S. 50) zu orientalischen Studien angeregt, erbat sich einen Urlaub nach Paris, wo damals allein für die einzelnen orientalischen Dialecte besondere Lehrer angestellt waren, während man in England wol Sammlungen, aber keine Sachverständigen und in Deutschland damals keines von beiden fand. Der Urlaub ward von Februar 1823 bis Herbst 1824 gewährt, mußte aber immer wieder verlängert werden, da M. durch immer neue Studien und Aufgaben in Paris festgehalten wurde. Die württembergische Regierung ernannte M. 1826 zum außerordentlichen Professor der morgenländischen Litteratur, ertheilte Urlaub auf fünf Jahre zu einer Forschungsreise nach Ostindien und ließ die Hälfte des Gehalts als Reiseunterstützung fortlaufen. – Allein 1832 befindet sich M. immer noch in Paris und von Indien ist keine Rede. Hierauf erneute Verhandlungen, man gewährt abermals drei Jahre und bietet nach deren Ablauf ein Ordinariat an. Doch auch diese Frist verstreicht und die so langmüthige Regierung stellt nunmehr die gewiß berechtigte Alternative, bis 1. October 1835 habe entweder Antritt oder Niederlegung der Stelle in Tübingen zu erfolgen. Mohl’s auf den ersten Blick ganz unbegreifliches Verhalten findet in den Dingen seine Erklärung. M. hatte in Paris sich zuerst der Erlernung des Chinesischen unter Abel Rémusat zugewendet, aus welchen Anregungen die Ausgaben lateinischer jesuitischer Uebersetzungen der Bücher Schiking und Yking 1830, [58] 1834, 1839 hervorgingen. Dann aber hatte er sich unter de Sacy’s Leitung dem Persischen, insonderheit dem Schahnameh des Firdusi zugewendet, welche Dichtung er 1833 in der Collection orientale zum Druck beförderte. Darüber war er aufs Tiefste in Studien über persische Geschichte, Litteratur und Religionsgeschichte hineingerathen und hoffte weitere arabische Quellen hierfür in Ostindien zu finden, woraus der obenerwähnte Reiseplan entstand. Inzwischen war ihm aber durch Burnouf’s Arbeiten über das Avesta klar geworden, daß der Zugang zum persischen Alterthum nicht durch die Ueberlieferungen muhammedanischer Autoren, sondern durch das Studium der arischen Sprachen führe. Daraus erklärt sich das Unterbleiben der indischen Reise. So concentrirte er fortan seine ganze Arbeit auf Firdusi’s Königsbuch, und als ihm dies als seine Lebensaufgabe klar geworden war, stand er nicht länger an, die Tübinger Stelle definitiv niederzulegen. „Le livre des rois par Abel Kasim Firdusi publié et commenté par Jules Mohl“ erschien Bd. I 1838, Bd. II 1842, Bd. III 1846, Bd. IV 1855, Bd. V 1866, Bd. VI 1868 (vgl. F. Rückert, Bemerkungen zu Mohl’s Ausgabe des Firdusi in Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft Bd. VIII S. 239–329, Bd. X S. 127–282). – Der siebente Band ist leider nicht mehr erschienen, wodurch viele Verweisungen der früheren Bände unverständlich bleiben und namentlich Mohl’s wichtige Mittheilungen über Beschaffenheit der Handschriften und Kritik des Textes verloren gegangen sind. – M. lebte anfangs in Paris ausschließlich seinen Studien und diesem Werke. 1832 trat er in den Verwaltungsausschuß der Société asiatique und ward 1841 zum zweiten Secretär dieser Gesellschaft erwählt, neben Burnouf, welcher erster Secretär war. Später, als dieser Präsident ward, wurde M. alleiniger Secretär und nach Burnouf’s Tode ward er Präsident. 1847 ward M. Professor des Persischen am Collège de France, später ward er noch Inspector der orientalischen Typographie an der Staatsdruckerei, wo er besonders für Herstellung geschmackvoller Typen für neue orientalische Dialecte sorgte. Litterarische Unternehmungen von Bedeutung regte er an, förderte Entdeckungsreisen besonders auch durch Mittheilung der Berichte und Ordnung der gemachten Funde. Von besonderem Einflusse waren seine umfassenden Jahresberichte in der asiatischen Gesellschaft zu Paris, welche von 1841 bis 1866 von ihm erstattet wurden. Schriften der seltensten Art, Mittheilungen von Autoren aus allen Welttheilen strömten bei ihm zusammen; so wurden seine Berichte darüber unerschöpfliche Fundgruben für alle Zweige der orientalischen Litteratur. „Der Bericht war, wie Roth sagt, keine Kritik, sondern eine Schilderung der litterarischen Arbeit … Der Tadel war durch einen geringeren Grad des Lobes ausgedrückt und die Verfasser konnten, wenn sie wollten, die Winke verstehen.“ – Sein Verhalten unter dem französischen Volk, das ihn freundlich aufgenommen hatte, war ein außerordentlich tactvolles. Von politischem wie litterarischem Parteitreiben hielt er sich durchaus fern. Selbst der französische Krieg von 1870–71, während dessen er in England lebte und der ihn schmerzlich berührte, vermochte sein Verhältniß zu den französischen Collegen und Freunden nicht zu trüben. Ihm verziehen sie die bewahrte Anhänglichkeit an sein Vaterland, ja sie suchten sich sogar ein Verständniß für das Stück germanischer Tugend und Tüchtigkeit, das ihnen in M. entgegengetreten ware zu verschaffen (vgl. die Worte Alfred Maury’s, Vorsitzenden der acad. inscr. an seinem Grabe). – Nach langem Junggesellen- und Bücherleben verehelichte sich M. 1847 mit Miß Mary Clarke, Tochter einer in Frankreich lebenden englischen Dame, deren feine Bildung und Geistreichthum Mohl’s Heim zu einem Sammelpunkt von Gelehrten und schönen Geistern machte, die wol eine höhere Sphäre als die der Pariser Durchschnittssalons bildeten. – M. war mit einer kräftigen und gesunden Körperlichkeit ausgestattet, die, verbunden mit dem höheren Gepräge, welches der innewohnende Geist ihr aufdrückte, seine Erscheinung zu einer [59] außerordentlich imposanten machte. Der Verkehr in der Elite der Gelehrten und der Würdenträger des Staats hatte seinem Wesen eine gewisse Vornehmheit verliehen, die aber nichts Ablehnendes oder Kaltes an sich hatte, sondern gerade dessen sich annahm, der Hülfe und Halt bedurfte, wie dies oft jungen Gelehrten gegenüber hervortrat, denen er Förderung jeder Art angedeihen ließ. – Im August 1875 war er zum Besuch in Stuttgart; bei der Rückreise ward er in Bonn von einem Regenschauer überfallen, der ihm eine starke Erkältung zuzog. Trotzdem führte er seine Heimreise aus; indessen er kränkelte seitdem, die Kräfte nahmen immer mehr ab und er schied am 4. Januar 1876 dahin. – Ein schönes Denkmal der Erinnerung hat R. v. Roth dem Verstorbenen in der Eröffnungsrede in der orientalistischen Section der Philologenversammlung in Tübingen gesetzt (abgedruckt in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft Bd. 31 [1877] S. III–XIII). Auf ihr beruht die vorliegende biographische Skizze.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 59. Z. 14 v. o.: Außerdem zu vergl. Jules Mohl, Vignt-sept années d’histoire et des études orientales, par Mad. Mohl. Paris (mit Biographie von Max Müller). [Bd. 24, S. 787]