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ADB:Mischler, Peter

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Artikel „Mischler, Peter“ von Ernst Mischler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 4–10, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mischler,_Peter&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:11 Uhr UTC)
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Mischler: Peter M., Nationalökonom, geboren am 17. Februar 1821 zu Heppenheim a. d. Bergstraße im Großherzogthum Hessen. Von seinem Vater, der, bevor er in seiner Heimathstadt Heppenheim die väterliche Wirthschaft betrieb, als Gewerbsmann große Reisen unternommen und ausgebreitete Erfahrungen gesammelt hatte, erhielt M. von Kindheit auf regstes Interesse und offenen Blick für praktisch wirthschaftliche Dinge, so wie der streng katholische Charakter des hessischen Städtchens und des Elternhaus auf ihn von nachhaltiger Wirkung blieb. Seine Jugendzeit verfloß unter harten Entbehrungen, deren Veranlassung die im Großherzogthume besonders fühlbaren ungünstigen Zeitläufte waren. Im J. 1829 besuchte er die Volksschule in seiner Vaterstadt und von 1836 bis 1842 das Gymnasium in dem eine Stunde entfernten Bensheim; schon während dieser Zeit unternahm er Streifereien im Odenwald, unterrichtete sich über landwirthschaftliche Verhältnisse, ländliche Gebräuche, dann besonders über die heute so beliebt gewordenen Haushaltungsbudgets der Landleute und legte so den Grund zu seiner späteren gediegenen landwirthschaftlichen Bildung. Januar 1843 bezog er, dem Wunsche seiner Familie folgend und unter dem streng katholischen Einflusse seiner Vaterstadt, als Student der Theologie die hessische Landesuniversität Gießen, wo er sich vorwiegend mit den classischen und orientalischen Sprachen befaßte. Dieses Studium sagte jedoch seinem praktischen und empirischen Wesen wenig zu, so daß er schon nach zwei Semestern, im November desselben Jahres, zum Cameralstudium überging, welchem er durch fünf Semester bis März 1846 an derselben Universität oblag. Zu diesem Uebertritte hatte die deutsch-katholische Bewegung jener Tage viel beigetragen, der sich M., freilich niemals formell, aber mit seinen bis in die letzte Zeit des Lebens anhaltenden Sympathien angeschlossen hat und mit welcher er durch den für diese Sache auch schriftstellerisch thätig gewesenen Hofgerichtsrath Dr. Kraft, bei dem er in Gießen wohnte, vertraut wurde. Dieser Zug in Mischler’s Charakter ist innig verwandt mit seinen großdeutschen Anschauungen, welche ebenso wie diese deutsch-katholischen aus seinem national angelegten Wesen entsprangen, aus dem gleichfalls seine Ansichten über Theorie und Politik der [5] Nationalökonomie und seine rege Antheilnahme an den im Sinne List’s geführten Bestrebungen in Deutschland und Oesterreich hervorgingen. M. studirte nun das ganze Gebiet der Staats- und Cameralwissenschaften und zwar war es hier Schmitthenner, der, indem er Mischler’s Studiengang unter seine besondere Leitung nahm, von bleibendem Einfluß auf ihn wurde. Außerdem studirte M. gleich gründlich die Naturwissenschaften, so Chemie unter Liebig, dann Physik und Mathematik, so daß er sich auch diejenigen praktischen Kenntnisse erwarb, welche ihn später zu seiner poliklinischen Vortragsmethode und den von ihm eingeführten volkswirthschaftlichen Excursionen befähigten. Hier setzte M. seine Studienreisen in die Umgebung während der Ferienzeiten in größerem Maßstabe fort und sammelte die umfassendsten praktischen Erfahrungen, wobei ihm sein staunenswerthes, von Kindheit auf ganz besonders geübtes Gedächtniß zu statten kam. Im März 1846 legte M. sein Facultätsexamen ab und trat im Mai als Accessist bei der zweiten Section der Ober-Finanzkammer (Forst- und Domänendirection) in Darmstadt ein, bei welcher er bis Ende des Jahres verblieb, um mit Beginn 1847 zur ersten Section derselben Kammer, der späteren Ober-Steuerdirection, überzugehen, zu welcher Zeit er auch die cameralistische Staatsprüfung ablegte. Während seiner amtlichen Thätigkeit war M. die größte Zeit im Katasterbüreau thätig und benutzte die ihm in dieser Stellung zu Gebote stehenden Behelfe, um seine staatswirthschaftlichen und cameralistischen Studien zu vertiefen. Um diese Zeit begann er die Vorarbeiten zu einer Geschichte des hessischen Steuerwesens, welche zu einer im Nachlasse vorhandenen reichlichen Materialiensammlung führten, durch seinen im November 1849 erfolgten Austritt aus dem Amte jedoch unterbrochen und nicht mehr fortgesetzt wurden.

In diesem Jahre wurde er nämlich auf Vorschlag Schmitthenner’s als Docent der Staatswissenschaften an die Universität Freiburg i. Br. als Nachfolger Helfferich’s mit der Bestimmung berufen, Vorträge über Nationalökonomie, Finanz- Polizei und das Prakticum gegen ein Gehalt von 800 fl. zu halten, und begann sofort noch im Wintersemester 1849 seine Vorlesungen. Kurz vor seinem Antritte, nämlich am 24. October, war er von der Universität Gießen unter Erlaß der öffentlichen Disputation zum Doctor der Philosophie promovirt worden. An der Universität Freiburg war M. bis einschließlich zum Wintersemester 1852/53 thätig, und zwar lehrte er neben den oben genannten Fächern noch Landwirthschafts-, Forst- und Handelskunde. Aus dem publice gehaltenen besonderen Collegium über „Das Wesen und Wirken des großen deutschen Zollvereins“ wuchs sein erstes großes Buch „Das deutsche Eisenhüttengewerbe vom Standpunkte der Staatswirthschaft“ (2 Bde. 1852 u. 1854) heraus, von dem der erste Band noch während seines Aufenthaltes in Freiburg erschien, während der zweite erst in Prag vollendet wurde und für welches M. vom Kaiser Franz Josef I. einen Chiffrering in Brillanten erhielt. Die Studien zu diesem Buche betrieb M. überall an Ort und Stelle selbst, indem er die wichtigsten Hüttenbezirke Deutschlands, Großbritanniens, Belgiens und theilweise auch Oesterreichs bereiste und außerdem mit einem großen Kreise von Industriellen in mündlichen und schriftlichen Verkehr trat. „Das deutsche Eisenhüttengewerbe“, hervorgegangen aus dem wirthschaftlichen Kampfe des Schutzzolles gegen das Freihandelsprincip jener Zeit, ist der auf streng empirischer Grundlage geführte Beweis: daß und wie Deutschland-Oesterreich seinen Eisenbedarf selbst decken könne. Im Detail bis auf die einzelnen Eisenhüttenwerke herabgehend, steht es als groß durchgeführtes Programm der Statistik und Politik eines bedeutenden Industriezweiges in steter Verbindung mit seiner Technik, welche der Verfasser infolge seiner realen Bildung und eigens gemachter Vorstudien vollständig beherrschte, in der volkswirthschaftlichen Litteratur einzig da. Die Bewegung der deutschen [6] Zolleinigung hatte sich in dem Frankfurter „Allgemeinen deutschen Verein zum Schutze der vaterländischen Arbeit“ einen Centralpunkt geschaffen, der die Fortsetzung der Bestrebungen des deutschen Zollvereins als seine Aufgabe ansah, und M. war diesem als thätiges Mitglied beigetreten. Durch das „deutsche Eisenhüttengewerbe“ erhielten diese Tendenzen eine Handhabe, neben den Argumenten der theoretischen Schutzzöllner zum ersten Mal auch auf die realen Verhältnisse eines fundamentalen Zweiges der nationalen Production als ein neues Beweismittel hinweisen zu können. Aus dieser Verbindung mit dem „deutschen Verein“ stammt auch eine Reihe von Aufsätzen wirthschaftspolitischer Natur von Mischler’s Hand im Organe desselben, im „Vereinsblatt für deutsche Arbeit“ aus den Jahren 1851 und 1852.

Das „Eisenhüttengewerbe“ ist die praktische Ausführung von Mischler’s nationalem Standpunkt, während die theoretische Ausgestaltung desselben in seinem „Handbuche“ zum Durchbruche gelangt; in beiden aber bedingt die empirische Natur Mischler’s die Art der Durchführung gleichmäßig. Eben auch diese letztere zeigt sich in der eigenartigen, am liebsten von realen, sinnlich wahrnehmbaren Dingen ausgehenden und mit praktischen Demonstrationen verbundenen Lehrmethode Mischler’s, welche er selbst als poliklinische bezeichnete und welche sich sonst bei keinem akademischen Lehrer in dieser Weise findet; dies gilt hauptsächlich von seinem Prakticum und Conversatorium, welches er zwar nur einmal und zwar im Zusammenhange mit der Staatswirthschaftslehre eigentlich ankündigte, sonst aber thatsächlich fortwährend frei ausübte, und welches neben mündlichen Besprechungen und schriftlichen Arbeiten vorwiegend in Excursionen in die volkswirthschaftlich wichtigen Punkte der Umgebung bestand.

Diese Excursionen war M. seit seiner frühen Jugend bereits zu machen gewöhnt und er besaß für sie durch seine umfassende landwirthschaftliche Bildung und die Kenntniß der verschiedenartigsten Zweige gewerblicher Thätigkeit in seltener Weise Befähigung. Der Zweck derselben war, vermöge eigener Anschauung den praktische volkswirthschaftliche Bildung und Fähigkeit in der Beurtheilung nationalökonomischer Verhältnisse zu verleihen. Die größeren Ausflüge unternahm er stets am Schlusse des Sommersemesters, aber auch sonst verging selten ein freier Tag im Jahre, den er nicht in Begleitung einer zahlreichen Schülerschaar, welche diese Art akademischer Vorlesungen mit Begeisterung begrüßte, benutzt hätte, in größerer oder geringerer Entfernung von Freiburg das wirthschaftliche Leben und Treiben an seinem Herde aufzusuchen. Besonders gründlich wurde der Schwarzwald durchforscht, und als Frucht dieser Studien erschien die in vielen tausend Exemplaren verbreitete Schrift „Der Schwarzwald, ein Blick in die volkswirthschaftlichen Verhältnisse des badischen Oberlands. Vermehrt und verbessert aus dem Vereinsblatt für deutsche Arbeit. Von Dr. M(ischler)“, 1851. Außerhalb der Akademie legte M. ein außerordentliches Gewicht auf populär wirkende Thätigkeit, indem er sich den wirthschaftlichen Vereinen Freiburg’s als thätiges Mitglied anschloß und eine ausgedehnte litterarische Thätigkeit über volkswirthschaftliche Verhältnisse entwickelte, welche sich auf die „Freiburger Zeitung“ und „Neue Freiburger Zeitung“, die „Darmstädter Zeitung“, das „Landwirthschaftliche Wochenblatt“ und den „Breisgauer Boten“ erstreckte. Während der Sommerferien 1851 besuchte M. mit Unterstützung der Regierung die Industrieausstellung in London. Im December 1852 wollte das Professorencollegium über seine Ernennung zum Ordinarius schlüssig werden, als seine Berufung nach Prag erfolgte.

M. hatte bereits durch seine Vorarbeiten zum „Eisenhüttengewerbe“, dann durch seine Thätigkeit im Interesse des Schutzzolles, besonders einer deutsch-österreichischen Zolleinigung, auch mit Industriellen Böhmens Beziehungen angeknüpft, [7] welche durch eine anfangs 1852 nach Oesterreich unternommene Reide fester wurden und endlich dazu führten, daß die Vertretung der (damaligen) Prag-Pardubitzer Handelskammer im Einvernehmen mit mehreren Großindustriellen vom Unterrichtsminister Grafen Thun die Creirung einer zweiten Lehrkanzel für politische Oekonomie an der Prager Universität erlangte, mit welcher M. deshalb betraut werden sollte, damit auch das durch diesen vertretene wirthschaftspolitische Princip neben der damals in Oesterreich in Theorie und in Praxis herrschenden englischen Schule seinen Platz finde. M. wurde demzufolge im November 1852 als außerordentlicher Professor der politischen Oekonomie nach Prag, anfangs jedoch ohne Gehalt berufen, weshalb er bis August 1855 noch die Function eines Secretärs des „Vereins für die Rübenzuckerindustrie im Kaiserthum Oesterreich“ übernahm; 1853 wurde er Prüfungscommissär, Mai 1855 erfolgte die provisorische, August 1857 die definitive Ernennung zum ordentlichen Professor. Dem Zutritte Mischler’s zu den Rigorosen und Promotionen stand das gesetzliche Hinderniß entgegen, daß M. zwar Doctor der Philosophie, nicht aber Doctor der Rechte war. Das Professorencollegium suchte demselben abzuhelfen, indem es beim Doctorencollegium die Verleihung des Ehrendoctortitels an M. beantragte, vermochte jedoch mit seinem, obgleich einstimmigen Antrage nicht durchzudringen. Die Verhandlungen über diese discrete Angelegenheit kamen in einer für M. kränkenden Weise in die Oeffentlichkeit nicht nur der österreichischen, sondern auch der deutschen Blätter und die fortwährenden anonymen Angriffe, die Zurücksetzungen an der Facultät, sowie die nicht ausbleibenden Reibungen dauerten über ein Jahr bis zum Beginn 1857, wo infolge einstimmigen Beschlusses des Professorencollegiums und auf Antrag des akademischen Senates vom Kaiser Franz Josef I. gestattet wurde, daß M. von der Universität Prag das Ehrendiplom eines Doctors der Rechte ausgefertigt werde. Damit hatte der interne Universitätsstreit wol sein Ende erreicht, er hatte aber auf Mischler’s Gemüthsstimmung eine nachtheilige Einwirkung gehabt, welche so nachhaltig war, daß sich trotz seiner Beilegung zu Gunsten Mischler’s das Gefühl friedlicher Beruhigung in ihm nie wieder einstellte; er spannte infolge dieser Vorgänge seine Arbeitskraft aufs Höchste an, um allen auf seine Gelehrtenehre gerichteten Angriffen, welche vorwiegend in der großen Beliebtheit Mischler’s und in der populären Art seines Wesens lagen, erfolgreich begegnen zu können, sodaß in diesem Umstand im Verein mit dem vorhin erwähnten die Keime seines frühzeitigen und plötzlichen Endes zu suchen sind.

Mischler’s Lehrthätigkeit blieb in Prag dieselbe, welche sie schon in Freiburg gewesen war. Während Hasner gleichzeitig an der Hochschule die abstrakte Nationalökonomie vertrat, war in M. die angewandte verkörpert; er las auch hier nicht nur über die üblichen akademischen Wirthschaftslehren, sondern auch über deren Hilfswissenschaften, über Landwirthschafts-, Gewerbs- und Handelskunde. Sein Vortrag war bei strenger Wissenschaftlichkeit leicht faßlich, wurde anziehend, mit klangvollem Organ vor stets gefülltem Auditorium gehalten und durch Excursionen in die größeren industriellen Etablissements Prags wie der umliegenden Orte, aber auch durch solche in die Industriegegenden des nördlichen Böhmens vervollständigt, bei welchen er stets von einer größeren Zahl der intimeren Schüler begleitet wurde. M. liebte es aber auch, sich auf seinen zahlreichen größeren Reisen, insbesondere denjenigen zur Besichtigung der gleichzeitigen wirthschaftlichen Ausstellungen im In- und Auslande, von seinen Lieblingsschülern umgeben zu sehen. Ueberhaupt stand M. stets jedem seiner Schüler mit Rath und That bei, indem er vielen den Studiengang überhaupt ermöglichte, seine zur Zeit in Prag vollständigste Bibliothek aus dem Gebiete der Staatswissenschaften zu ihrer Benutzung offen hielt und auch nach Vollendung der Studienzeit bemüht [8] war, deren Stellung im Leben zu sichern. So war zunächst allseitige weit über die kurze Lebens- und Lehrzeit Mischler’s reichende Anhänglichkeit und Liebe die Folge dieses Umganges mit seinen Hörern, so kam es aber auch, daß M. für die Entwickelung der Nationalökonomie in Böhmen und für deren Popularisirung von größter Bedeutung wurde. Bisher war die Nationalökonomie daselbst bei rein abstracter Lehrmethode ganz abseits vom praktischen Leben gestanden und wurde jetzt erst durch ihn mit demselben verknüpft. Mischler’s Excursionen lehrten den vielfach ganz unbekannten wirthschaftlichen Zustand Böhmens durch die öfters sehr werthvollen Berichte aus der Feder seiner Begleiter kennen; in dieser Beziehung ist er der erste Vertreter der heutigen sogenannten beschreibenden Schule in der Nationalökonomie, welche von mehreren „fahrenden Schülern“ derselben repräsentirt wird und alle Schriften nationalökonomischer Natur, welche nach Antritt von Mischler’s Lehrthätigkeit in Prag von Pisling, Peez, Dormitzer, Schebek, v. Novicky u. A. in Böhmen erschienen und deren Zahl der früheren Sterilität gegenüber keine kleine war, sind auf seine Anregung oder Mitwirkung zurückzuführen, wie sie auch nicht selten von ihm geradezu eingeleitet wurden. Wenn M. auch nicht theoretische Schule gemacht hat, so suchte und fand er in dieser Richtung seine „Schule“, indem eine große Zahl von gründlich wissenschaftlich gebildeten Beamten, Parlamentariern, Industriellen u. dgl. aus seinen Hörsälen hervorging.

Auch in Prag begrenzte M. sein Arbeitsfeld nicht auf den akademischen Jüngerkreis, sondern entfaltete eine rege öffentliche Thätigkeit für wirthschaftliche Interessen, besonders im Vereinigungspunkt derselben, in der k. k. patriotisch-ökonomischen Gesellschaft. Er wurde von der Regierung wie von den verschiedensten Seiten der privaten Thätigkeit in vielen Fällen wegen seiner praktischen Erfahrungen um seinen Rath angegangen, und es stammen eine große Reihe von Denkschriften für Regierung wie Industrielle, Körperschaften und Einzelne aus seiner Feder. Am wichtigsten war seine Wirksamkeit als Mitglied und Berichterstatter der „Centralcommission zur Abhilfe des Nothstandes im Erz- und Riesengebirge“, deren Arbeitslast er allein auf seine Schultern genommen hatte, und für welche er seine Schrift „Zur Abhilfe des Nothstandes im Erz- und Riesengebirge. Gutachten des Centralcomité’s zur Förderung der Erwerbsthätigkeit im Erz- und Riesengebirge über Auftrag des k. k. böhmischen Landesausschusses erstattet und bearbeitet“, 1862, verfaßte, welche nach einer Untersuchung der Ursachen der Uebelstände die Vorschläge zu deren Behebung enthält. M. begnügte sich jedoch nicht, in Wort und Schrift für dieses unglückliche Ländchen zu wirken, er griff auch – in Ausführung seiner eigenen Vorschläge – selbstthätig durch Förderung der Arbeitsbedingungen in jenen Gegenden ein, indem er unermüdlich und mit glücklichem Erfolge bestrebt war, für einzelne wichtige böhmische Industrien den Arbeitsmarkt dahin zu verlegen. Mischler’s Excursionen hatten zuerst auf jene Verhältnisse helles Licht verbreitet, und wenn sich dieselben nach kurz andauernder Besserung bis heute nicht wesentlich geändert haben, so liegt die Ursache darin, daß sich Niemand mehr so warm dieser Sache angenommen hat. Ueberhaupt erachtete es M. als Pflicht eines jeden Volkswirthes, zur Hebung des Wohlstandes der Bevölkerung beizutragen, statt sich ausschließlich auf die Erforschung der Gesetzmäßigkeit in der von ihm als „Wohlstandswissenschaft“ bezeichneten Disciplin zu beschränken. Anläßlich der Weltausstellung in London betheiligte sich M. im Auftrag des Handelsministeriums an der Abfassung des Ausstellungsberichtes, für welchen er über gewerblichen Unterricht, Handelsverhältnisse, Patentgesetzgebung und Consularwesen sowie überhaupt über allgemeine Fragen schrieb. Gleichfalls der Lust, selbstthätig ins wirthschaftspolitische Leben einzugreifen, entstammt die ausgedehnte litterarische Thätigkeit, welche M. auch während seiner Prager Zeit entwickelte. Es waren vorwiegend [9] wirthschaftliche Fachblätter und katholische Tendenzen verfolgende Tagesblätter, denen er seine Mitwirkung widmete. In der „Reichenberger Zeitung“, der „Donau“, der „Kreuzzeitung“, in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“, dann in „Haimerl’s Magazin“, in den „Oesterreichischen Blättern für Literatur und Kunst“, in der „Katholischen Literaturzeitung“, in der „Germania“ und in der „Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen“ besprach er die wirthschaftlichen Tagesfragen und litterarischen Erscheinungen mit steter Beziehung auf seine wirthschaftliche Richtung und seine katholische Lebensanschauung; außerdem nahm er regen Antheil am Zustandekommen der „katholischen Encyklopädie“ von Manz in Regensburg, für welche er den Theil „Staatswirthschaft“ übernommen hatte. Die Verzögerung im Erscheinen dieses Werkes jedoch ermöglichte es M. nur, die zu den Buchstaben A und B gehörigen Artikel zu verfassen. Aus dieser Zeit stammt auch die kleine Schrift „Volkswirthschaftliche Betrachtungen über den Gewerbfleiß“, 1861, dann aber sein auf 2 Bände berechnetes Hauptwerk, das „Handbuch der Nationalökonomie“. Groß angelegt, ist es unvollständig geblieben, indem nur des ersten Bandes erster Theil, enthaltend die „Grundsätze der Nationalökonomie“ und zweiter Theil, „Die Entstehung des Nationalreichthums und Lehre vom natürlichen Reichthum der Länder“ (beide 1857) erschienen, während die folgenden Theile, die Lehre von der Arbeit und vom Capital, vollständig druckfertig, und der zweite Band zum großen Theil fertig gestellt zurückblieben. Ebenso befindet sich im Nachlasse ein bereits weit vorgeschrittenes, kurzgefaßtes „Lehrbuch der Nationalökonomie“.

Sowie M. als Lehrer durch seine poliklinische Methode und ferner durch seine praktisch wirthschaftliche Thätigkeit eine von den Nationalökonomen seiner Zeit ganz verschiedene Stellung einnimmt, ist er auch als Theoretiker von eigenartiger für die heutige Ausgestaltung der Nationalökonomik bahnbrechender Bedeutung, obgleich ihn das Loos traf, mehr ausgebeutet und benützt als anerkannt und genannt zu werden. M. bezeichnete die politische Oekonomie mit Vorliebe als „Wohlstandswissenschaft“ und seine Stellung zu dieser Disciplin ist eine consequente Ausführung seines nationalen und empirischen, realen Wesens. Was seine theoretischen Anschauungen anbelangt, stellt er sich ausdrücklich und entschieden in Gegensatz zu der Schule der abstracten Nationalökonomie und der Ableitung ihres Systems aus wenigen allgemeinen Grundsätzen, indem er ihr – durchgehends die Berechtigung der inductiven Beweisrichtung anerkennend – die methodische Eigenschaft einer Experimentallehre, gleich wie den Naturwissenschaften, vindicirt. Er erkennt ihre Aufgabe wie die einer jeden Wissenschaft in der Erforschung der allgemeinen, ständigen Ursachen, im Gegensatz zu den besonderen, veränderlichen. Dementsprechend genügt nicht eine hypothetische Prämisse, entnommen dem Individualismus, sondern es müssen, der gesellschaftlichen Anschauung Mischler’s vom Leben der Menschheit gemäß, die verschiedenen Formen der Gemeinschaft als Familie und Gemeinde dem Selbstinteresse gegenübergestellt werden, an welchen letzteres seine Schranke findet. Hiermit sind die heutigen „socialen“ oder „collectivistischen“ Principien gegenüber den „atomistischen“ bereits ausgesprochen. Dann aber faßt M. die wirthschaftliche Bethätigung des Menschen, gemäß der Dreiheit der menschlichen Natur als einer sinnlichen (Körper-), sittlichen (Willens-) und geistigen (Geistes-Kräfte) immer nur im Verein mit Religion, Recht einerseits und Erziehung, Sitte andererseits auf. Mit dieser Dreiheit ist auch der Staatszweck gegeben, den M. in Wohlfahrt, Recht und Cultur findet (wobei die Religion außerhalb des Staates ihr eigenes System erhält), da die Ziele der Gesellschaft nur im Staatsleben erreichbar sind. Durch die Idee des Staates wird aus dem Gesellschaftsbegriff der Volksbegriff und die Nationalökonomie ist darnach die Lehre von den empirischen Gesetzen für den socialen Körper in seiner wirthschaftlichen Bethätigung innerhalb der Schranken, [10] welche ihm durch seine übrige Bethätigung auferlegt werden. Dadurch wird die Nationalökonomie zu einer von M. geradezu so benannten Physiologie des Gesellschaftskörpers und M. selbst zum Vorläufer der heute bedeutenden physiologischen Schule in der politischen Oekonomie. Nur gelangen bei M. Religion und Recht, Bildung und Sitte zu ungleich größerer Bedeutung, so daß sie dem gesellschaftlichen Systeme im Ganzen eine prononcirt ethische und katholisch-confessionelle Färbung verleihen. Folgende sind (mit Kürzungen der Zwischensätze) die Hauptstellen, welche zeigen sollen, wie streng M. das Leben des Gesellschaftskörpers mit demjenigen eines natürlichen Organismus in eine bis in die letzten Consequenzen verfolgte Analogie stellt: „Das Wirthschaftsganze trägt die Kennzeichen eines Organismus. Wie der Leib aus Atomen besteht, deren jedes im isolirten Zustande bedeutungslos ist, so besteht der Wissenschaftsorganismus aus Grundbestandtheilen (Einzelwirthschaften). So stark wie die chemische Verwandtschaft auf die Verbindung der Grundstoffe, so mächtig wirkt das Bedürfniß der Geselligkeit auf das innige Aneinanderschließen der Einzelwirthschaften. Wie der Leib aus Gliedern besteht, so besteht der Organismus der Wirthschaftsthätigkeit aus Gliedern, Ständen und Classen. Ein Stand ohne den anderen läßt sich gar nicht denken. Das Bindemittel, das die Elemente der Gesellschaft zu einem Organismus von Wirthschaftsthätigkeiten verbindet, ist der Verkehr. Er hat die Rolle in der Volkswirthschaft, die der Blutumlauf im menschlichen Körper hat (Handbuch I S. 42/43). Die Wirthschaftslehre ist für den Gesellschaftskörper des Volkes, was die Physiologie für den menschlichen Leib“ (S. 26). – Eine besondere Eigenthümlichkeit in Mischler’s System ist, daß er in den vier Theilen der Disciplin (Volkswirthschaftslehre, Staatswirthschaftslehre, Finanzwirthschaft und Wohlfahrtspolizei) die Systematik gleichmäßig durchführt, so daß die innere Harmonie (im Tableau S. 36/37) wie bei keinem anderen Theoretiker ersichtlich wird, und womit sich eine eigenartige Dreigliederung der Finanzwissenschaft und zwar der Besteuerung nach Stoffgewinnung und -Umformung, Verkehr und Consumtion ergibt. Auf dem Gebiete der Wirthschaftspolitik bekennt sich M. selbst als Anhänger der strengen Schutzzöllner und es ist seine Richtung in Lehre und öffentlichem Wirken besonders für die deutsche und deutsch-österreichische Zolleinigung hier derjenigen List’s sehr ähnlich. Sonst im Ganzen seines Systemes nennt sich M. einen Schüler Schmitthenner’s.

M. schied am 20. Juli 1864, erst 43 Jahre alt, aus dem Leben. Den unmittelbaren Anlaß zur letzten Krankheit, zu welcher die Disposition durch die bereits oben erwähnten Ereignisse vorhanden war, gab die Reise zur Weltausstellung nach London im J. 1852, in Folge deren er an einem Lungenleiden erkrankte, welches ihn nöthigte in den Taunusbädern Genesung zu suchen. Nach fast zweijähriger Enthaltung jeglicher Arbeit kehrte M. in besserem Gesundheitszustande nach Prag zurück, erlag aber in Folge der Anstrengungen der Reise kurz nach seiner Ankunft in Prag daselbst seinen Leiden. – M. war seit dem 16. September 1856 mit Rosa, geb. Teuchert, vermählt, aus welcher Ehe drei Söhne und eine Tochter entstammten. Er war correspondirendes Mitglied der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien und Mitglied des Gelehrtenausschusses am Germanischen Museum zu Nürnberg.