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ADB:Hasner von Artha, Leopold

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Artikel „Hasner, Leopold, Ritter von Artha“ von Johann Friedrich von Schulte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 54–58, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hasner_von_Artha,_Leopold&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:28 Uhr UTC)
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Hasner: Leopold H., Ritter v. Artha, geboren am 15. März 1818 zu Prag, † am 5. Juni 1891 zu Wien. Sohn des im Sommer 1863 gestorbenen, seit 1856 im Ruhestande befindlichen Hofraths und Kammerprocurators in Prag, der 1836 geadelt und später in den Ritterstand erhoben wurde, verlebte er eine angenehme Jugend in geselligem Elternhause, legte seit 1827 am Altstädter Gymnasium zu Prag die Vorstudien zurück, trat 1833 in die „Philosophie“ an der dortigen Universität, absolvirte daselbst von 1836 [55] bis 1840 die juristischen Studien. Promovirt wurde er in Wien, wohin er zu jedem der vier Rigorosen fuhr, im J. 1842 zum Doctor der Rechte und trat daselbst als Praktikant bei der Kammerprocuratur ein. In dieser Stellung hatte er den späteren Collegen in Prag und im Ministerium, Eduard Herbst, die späteren Minister Bach und Lasser zu Amtsgenossen, erwarb unter den bedeutenden jungen Männern Wiens zahlreiche Freunde, genoß in künstlerischer Hinsicht – H. war ein musikalisch hochbegabter Mann, hatte ein hervorragendes Talent zum Maler – ein genußreiches Leben. Eine Reihe von Versuchen eine Professur zu erlangen, schlug trotz aller Empfehlungen fehl, er entschloß sich, da er sich schon als Student verlobt hatte, zur Advocatur überzutreten, machte die Advocatenprüfung und heirathete im October 1847 als Adjunct der Finanzprocuratur seine Braut Toni Gail, die Tochter eines Arztes, wie er selbst schreibt „ein Mädchen von seltener Schönheit und Anmuth, von aller Welt bewundert“. Das Jahr 1848 brachte für seine Laufbahn eine entscheidende Wendung. H. war, wie er in klarer und anziehender Weise schreibt, ein begeisterter Anhänger freiheitlicher Entwicklung, aber nicht Demokrat, nicht für das Aufgehen Oesterreichs in Deutschland und ein strammer Anhänger des geschichtlich gewordenen österreichischen Staates. Die Zustände in Wien veranlaßten ihn, nach dem 26. Mai die Stadt zu verlassen und nach Prag zu gehen. Kaum waren die unruhigen Junitage vorbei, als ihn der Statthalter Graf Leo Thun zum Besuche aufforderte und ihm infolge der Anregung seines Freundes Wenzel Stulc, der als Propst von Wissehrad starb und einer der begeistertsten Tschechen war, die Redaction der „Prager Zeitung“ antrug. H. ging darauf ein, entwarf sofort eine Proclamation an das Volk und überließ sich mit aller Kraft der ihm gestellten Aufgabe. Mit solchem Erfolge, daß 1849 Graf Stadion ihn zur Uebernahme der Redaction eines Wiener Regierungsorganes aufforderte; er lehnte unbedingt ab. Graf Thun bot ihm sofort nach seiner Ernennung zum Minister für Cultus und Unterricht eine außerordentliche Professur der Rechtsphilosophie an der Prager Universität an, die H. freudig annahm. Das Jahr 1851 brachte ihm die ordentliche Professur der politischen Wissenschaften (Nationalökonomie usw.). Am Tage meiner Ankunft in Prag (September 1854) lernte ich H. kennen, wir sind bis zu seinem Tode in ungetrübter Freundschaft geblieben, er hat mir in seinen „Denkwürdigkeiten“ (S. 54 ff.) liebevolle Worte gewidmet, aus denen ich folgende anführe: „Was aber mein persönliches Verhältniß zu ihm anbelangt, so war es eigenthümlich, daß, so fundamental verschieden unsere Grundanschauungen waren (er meint die religiös-kirchlichen), vielleicht gerade infolge der Offenheit, mit welcher ich von den meinen nie ein Hehl machte, während andere in jener Zeit beginnender Reaction sich vorsichtig zurückhielten, er sich mir auf das freundlichste anschloß und meinen Verkehr suchte, da ich dann selbst zu seiner Familie in nähere Beziehungen trat, wie zu denjenigen der meisten meiner anderen Collegen. Und auch mich interessirte der oftmalige, wenn auch immer friedliche Streit mit dem jedenfalls geistvollen Manne. Denn seine Gegenstände waren bedeutend genug.“ Ich darf hinzufügen, daß ich redlich beigetragen habe, daß das Verhältniß zu seiner Frau, das er mit großer Schonung (S. 51 ff.) bespricht, solange er in Prag lebte, nie zu äußerem Risse führte. Seine Frau – sie starb in Geistesumnachtung – war eine unglückliche, nervöse und von krankhafter Eifersucht besessene Frau, welche ihm ohne jeden Grund das Leben verbitterte; ich war der Einzige, bei dem er, von den Geschwistern abgesehen, Trost suchte. Doch auch ich will, wie er schreibt, nicht weiter „den dunkeln Schleier lüften, der von da an über seinem ganzen Leben ausgebreitet lag“, halte mich aber für berechtigt und verpflichtet, mit [56] diesen Worten zur Klärung beizutragen. Im J. 1861 wurde er von deutscher und tschechischer Seite als Landtagscandidat aufgestellt, obwohl er rückhaltlos erklärte, daß „sein Standpunkt ein ausschließlich politischer und in keiner Weise ein nationaler, als politischer aber ein streng österreichischer sei“; er wurde mit großer Mehrheit in der Altstadt Prag gewählt. Er wurde vom Landtage zum Abgeordneten in den Reichsrath entsandt. Die Regierung, welche zuerst das Präsidium bestellte, ernannte ihn zum ersten Vicepräsidenten des Abgeordnetenhauses. In dieser ersten, vom 1. Mai 1861 bis in den Sommer 1862 dauernden Session entwickelte sich H. zum hervorragenden Redner und Parlamentarier, hatte auch neben dem Vicepräsidium eine bedeutende Stellung als Obmann des Finanz- und Bankausschusses von 40 Mitgliedern. Im J. 1863 wurde H. Präsident des neu errichteten Unterrichtsraths. Nach Ernennung des bisherigen Präsidenten Hein zum Justizminister wurde H. zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses ernannt und trat als solcher zuerst auf am 17. Juni 1863. Im J. 1865 reichte er, weil das Haus die für den Unterrichtsrath im Budget geforderte Summe nicht bewilligte, die Resignation auf dessen Präsidentschaft ein, lehnte die vom Sistirungsminister Grafen Belcredi ihm angebotene Stellung als Sectionschef in der Unterrichtsabtheilung des Ministeriums des Innern ab und erhielt auf seinen Antrag die Rückversetzung als Professor an die Universität Wien; er wurde für das Jahr 1867/68 zum Rector der Universität gewählt. Am 5. Mai 1867 wurde H. zum Mitgliede des Herrenhauses ernannt, offenbar, wie er sehr richtig schreibt, ein Schachzug Beust’s, der keinen Präsidenten des Abgeordnetenhauses brauchen konnte, welcher Centralist und Gegner des mit Ungarn geplanten Ausgleichs war. Von H. war das seinerzeit Aufsehen erregende „Programm vom Kolowratring“ verfaßt, das von zahlreichen beim Abgeordneten Skene versammelten Parteigenossen gegen den Ausgleich erlassen worden war. Einige Monate nachher entbot ihn Beust zu sich und trug ihm mit Zustimmung des Kaisers das Ministerium für Cultus und Unterricht an. Er nahm an, schrieb aber nach reiflicher Erwägung sofort ab. Fürst Carlos Auersperg, der Beust ablöste, bot H. dasselbe Ministerium an und erklärte, falls er ablehne, werde er (Auersperg) die Bildung des Ministeriums selbst aufgeben. Dies konnte H. nicht auf sich nehmen, er wurde am 30. December 1867 Minister. H. bewirkte die Pensionirung des Sectionschefs v. Kriegsau und die Ersetzung desselben durch den Professor des Strafrechts Julius Glaser. Das vorzüglichste Werk seines Ministeriums war die Neubildung des Volksschulwesens, deren Grundzüge waren: achtjährige Schulpflicht, Interconfessionalität der Schule bei confessionellem Religionsunterricht, staatliche Beaufsichtigung des Volksschulwesens. Das Abgeordnetenhaus nahm den Entwurf en bloc an, das Herrenhaus trat bei, am 14. Mai 1869 wurde er vom Kaiser sanctionirt. Oesterreich war damit den meisten deutschen Staaten vorausgeeilt. Man hat H. in Ischl, wo er im letzten Jahrzehnt den Sommer und Herbst verlebte, ein Denkmal gesetzt, auf welchem sein Verdienst um das Volksschulwesen eine würdige Anerkennung findet. Eine andere Leistung seines Ministeriums war die Eröffnung der medicinischen Facultät an der Universität Innsbruck. Das sog. Bürgerministerium hatte eine schwierige Stellung. Dem Kaiser waren außer Auersperg nur H. und der Finanzminister Brestel sympathisch. Beust intriguirte fortwährend, brachte Auersperg im Sommer 1868 zum Rücktritt, weil er, ohne denselben zuzuziehen, mit tschechischen Führern in Prag verhandelt hatte, Auersperg trat ab ohne seine Collegen vorher in Kenntniß zu setzen. Berger, der Preßminister, „der Mann der deutschen Souveränität von 1848“, sprang ab. Das Ministerium legte in einer Denkschrift dem Kaiser die Sachlage [57] unumwunden dar, die Gegner machten ein von Berger verfaßtes Gegenmemorandum, jene siegten, Graf Taaffe, Berger und Graf Potocki traten ab, H. wurde am 1. Februar 1870 Ministerpräsident, Dr. Banhans trat an Potocki’s Stelle, v. Stremayr wurde Cultusminister. Der Polonismus siegte. Das Ministerium gab durch die auf allerhöchster Entschließung vom 4. Juni 1869 ruhende Ministerialverordnung vom 5. Juni, welche die polnische Dienstsprache in Galizien einführte, gegen Hasner’s Stimme nach, weitere Concessionen lehnte es ab. Zu dieser Schwierigkeit gesellte sich die dalmatinische, sodann die slavische Orientpolitik. H. begab sich an das Hoflager zu Ofen, als er in das Wartezimmer eintrat, war der mit demselben Zuge angekommene Graf Beust beim Kaiser eingetreten. Der Kaiser hörte Hafner’s Vorstellungen freundlich an, erklärte sogar, das, was H. gesagt, habe viel für sich, er sei aber bereits gebunden. H. erbat seine Entlassung und erhielt sie am 4. April 1870. Graf Potocki wurde Präsident, ihn löste ab Graf Hohenwart, der durch den unersättlichen Tschechismus selbst zum Sturze kam.

Im Herbst 1870 wurde H. nochmals im Bezirke Trautenau-Braunau zum Abgeordneten des Böhmischen Landtags gewählt, in welchem er insbesondere gegen die Errichtung einer tschechischen Universität scharf sprach. Im Herrenhause des Reichsraths entfaltete er eine reiche Thätigkeit als Referent über die kirchenpolitischen Vorlagen, die im April 1874 Gesetze wurden, als Referent über die Quotenfrage des neuen Ausgleichs mit Ungarn (1877), als Gegner der Orientpolitik bezüglich Bosniens – er hebt als sein Hauptmotiv hervor, daß die Occupation „nur der erste Schritt zu einer mit Rußland concurrirenden Orientpolitik sein konnte, daß man für die Folge mit seiner Ehre engagirt wurde ohne die Macht sie aufrecht zu erhalten“ –, als Verfasser der Antwort auf das Programm des Ministeriums Taaffe in der Adresse des Reichsraths (1879), die eine scharfe Verurtheilung der Taaffe’schen Politik war, als Kriegserklärung galt und eine Anzahl von Ernennungen von Herrenhausmitgliedern hervorrief, wodurch die Verfassungspartei des Herrenhauses in die Minderheit versetzt wurde. Diese kämpfte vergeblich für das Festhalten der einheitlichen Verfassung, den Schutz der Minderheiten in den Kronländern und die einheitliche Staatssprache. Wie in diesen Fragen, so mußte H. erleben, daß er vergeblich kämpfte für die Integrität des Volksschulgesetzes und gegen die Aenderung des Wahlgesetzes. Außer dieser politischen Thätigkeit trat H. noch zwei Mal in der Oeffentlichkeit auf, im November 1880 als Redner bei der Kaiser Josefs-Feier des deutschösterreichischen Lesevereins der Wiener Studenten, wo er begeistert sich als Josefiner bekannte, dann am 9. December 1880 bei dem zur Feier des 60. Geburtstags von Herbst seitens der Concordia veranstalteten Bankette. Eine neue amtliche unabhängige Stellung fand er nicht, suchte sie auch nicht, seine finanzielle wurde dadurch gebessert, daß er unter dem Ministerium des Fürsten Adolf Auersperg die Stelle eines Delegirten der Karl-Ludwigsbahn annahm. Schwere Schicksalsschläge trafen den Mann, am 8. September 1880 starb seine einzige Tochter, welche ihm das Leben versüßte, er war gebrochen, eine italienische Reise im Herbste 1882 bot Erleichterung; der einzige Sohn verlor beide Kinder, der Sohn starb, die Frau starb, er war allein; ich sah ihn zum letzten Male am 25. August 1885 in Ischl, er war ein gebrochener Mann.

H. war ein genialer, durch und durch edler, hervorragender Mann, ein echter österreichischer Patriot, dessen Leben und Wirken ein Bild des Niedergangs bildet, der in Oesterreich seit 1870 unaufhaltsam eingetreten ist. Als Schriftsteller hat er wenig hinterlassen, aber auch dies Wenige bekundet seine Bedeutung, es ist, außer Aufsätzen: „Philosophie des Rechts und seiner Geschichte. [58] In Grundlinien“, Prag 1851; „System der politischen Oekonomie“. 1. Theil, 1860. In den von seinem Bruder veröffentlichten „Denkwürdigkeiten von Leopold von Hasner“, Stuttg. 1892 hat er reizend seinen Lebensgang beschrieben, die S. 139–191 abgedruckten „Aphorismen“ bekunden den genialen Denker.