ADB:Merode, Johann II. Graf von
Grafen Buquoy von Passau her nebst einer größeren Menge Munition Truppenverstärkungen zuzuführen, welche Aufgabe er so glücklich ausführte, daß es Buquoy bald darauf möglich wurde, seinem Gegner Ernst v. Mansfeld bei Zablat und Netolitz ein Gefecht anzubieten, in welchem M. durch Umgehung des Feindes den Ausschlag gab. Seit dieser Zeit verblieb er beim Heere Buquoy’s und zeichnete sich in der Schlacht auf dem Weißen Berge nicht nur durch seine Tapferkeit besonders aus, indem er nach vollständiger Niederwerfung des Feindes unnützes Blutvergießen zu verhindern suchte. Am 10. Juli 1621 Augenzeuge des Todes Buquoy’s bei Neuhäusel in Ungarn, kehrte er verwundet mit dem führerlosen Heere unter fortwährenden Kämpfen nach Oesterreich zurück, wo er als Oberstlieutenant das Commando über ein vom Fürsten Karl von Liechtenstein errichtetes Reiterregiment übernahm. Am 19. Juni 1622 wurde er unter schmeichelhafter Anerkennung seiner vorzüglichen Dienste „bei Hofe wie beim Heere“ zugleich mit seinem Vater in den erblichen Reichsgrafenstand erhoben. Fast gleichzeitig erwarb er durch Kauf die Theilherrschaft Auscha-Lewin (Liebeschitz) in Böhmen. Ein Jahr später bereits Oberst und Inhaber eines Regiments Musketiere, focht er den Feldzug dieses Jahres gegen Bethlen Gabor mit, wobei durch seine Wachsamkeit und Energie der drohende Verlust der Festung Hradisch verhütet wurde. Frühzeitig kam er Wallenstein, bevor dieser die Stellung eines kaiserlichen Generalissimus erlangt hatte, mit vertrauensvoller Ergebenheit entgegen. Auf dessen Vorschlag erhielt er am 7. Juni 1625 vom Kaiser die Bestallung eines Obersten über 8000 Mann „hochdeutscher Knechte“ zu Fuß, welche Bestallung aber nicht zur Durchführung gelangte, indem M. wenige Monate nachher angewiesen wurde, in seiner Heimath sowol ein Cavallerie- als auch zwei Infanterie-Regimenter zu werben, mit welchen Truppen er im April 1626 zur Friedländischen Armee stieß, um mit derselben nach längerem Verweilen in den Sachsen-Ernestinischen Landen, die von seinen Leuten sehr hart bedrückt wurden, nach Schlesien und Ungarn zu marschiren, wo seine Regimenter durch die Strapazen des Krieges große Verluste erlitten. Im Winter 1626–27 in Mähren stationirt und daselbst nach Marradas’ Abgang zum Landescommandirenden ernannt, war er genöthigt, den größten Theil seines Volkes wieder zu entlassen, so daß seinem unmittelbaren Befehl nur mehr ein Regiment zu Fuß unterstellt blieb.
Merode: Johann (II.) Graf M., kaiserlicher General, geb. um 1589, † 1633. – Der Sprosse einer der ältesten Adelsfamilien des Landes Lüttich, sonach eine Wallone von Geburt, erhielt M. von seinen Eltern, Johann Peter und Margaretha, geb. Freiin Mouton v. Harchies, eine sorgfältige Erziehung. Sodann Soldat in spanischen Diensten, empfing er nach Ausbruch der böhmischen Revolution als Capitän über 800 wallonische Musketiere den Befehl, im Frühjahr 1619 dem im südlichen Böhmen commandirenden kaiserlichen GeneralMit dem Obersten Georg Pechmann eröffnete M. in Schlesien den Feldzug des Jahres 1627. Hier schlug er im Juli dieses Jahres bei Bernstein an der pommerschen Grenze die unter Mitzlaff vereinigten Dänen in einem blutigen Treffen, in welchem Pechmann den Tod fand, der dänische Oberst Heinrich Holk aber gefangen wurde (vergl. A. D. B. XII, S. 736). Ein eigenhändiges „Dankbriefel“ des Kaisers Ferdinand II. belobte neuerdings den rühmlichen „Valor“ und die seltene „Kriegserfahrenheit“ Merode’s. Mit Wallenstein drang er siegreich bis nach [449] Holstein vor; im folgenden Winter hielt er die Grafschaften Gleichen, Schwarzburg und Stolberg besetzt; im nächsten Frühjahr stand er in Pommern; im Sommer 1628 focht er wieder an Wallenstein’s Seite und begleitete denselben nach der vergeblichen Belagerung von Stralsund nach Mecklenburg, um jedoch alsbald nach Pommern, dann nach Sachsen und gleich darauf wieder nach Pommern zurückzukehren. Seine vielfältigen Bemühungen, sich der kaiserlichen Sache nützlich zu erweisen, sollten eine stattliche Belohnung durch Ueberlassung der braunschweigischen Grafschaften Blankenburg und Regenstein finden, die ihm gegen Abtretung seines böhmischen Besitzes (April 1629) förmlich „eingeräumt“ wurden, ohne daß jedoch M. oder seine Rechtsnachfolger jemals hieraus einen praktischen Vortheil gezogen hätten. – Eben im April 1629 erhielt M. vom Kaiser selbst die Mission, mit einer größeren Anzahl Truppen die vom Bodensee durch Graubünden nach dem Herzogthum Mailand führenden Schweizer Pässe durch einen Handstreich zu nehmen, um einem nach Italien bestimmten kaiserlichen Heere für alle Fälle den Durchzug zu sichern. Obwol dadurch verstimmt, daß er gegen seinen Willen von Wallenstein dem Befehl des neuernannten Generalwachtmeisters Gallas unterstellt wurde, führte er den empfangenen Befehl mit einer Geschicklichkeit und Raschheit durch, die bezeugte, daß er als Soldat einer wichtigen und gefahrvollen Unternehmung durchaus gewachsen war. Am Abend des 25. Mai brach er mit 4000 Mann zu Fuß und 4 Compagnien Reiter von Lindau auf und überschritt von Bregenz her oberhalb St. Margarethen die Schweizer Grenze. Ohne Aufenthalt erreichte er in einem nächtlichen Marsch mit fast unglaublicher Schnelligkeit um 7 Uhr des anderen Morgens den von Lindau neun Meilen entfernten hochwichtigen Luziensteig, den er besetzte, um sogleich, ohne zu rasten, nach Passirung dreier Brücken bis in die Nähe von Chur vorzurücken und so dem nachfolgenden Gallas den Weg zu ebnen. Dieser nächtliche Gewaltmarsch wird mit Recht unter den Infanteriemanövern jener Zeit als ein Meisterstück bezeichnet.
Unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen verblieb M. zwei Jahre lang in Graubünden, wo er die besetzten Pässe durch allerhand Befestigungen dauernd zu sichern suchte, während sein neues Cavallerie-Regiment unter dem Oberstlieutenant Jacob D’Erlin von Borneval im Mantuaner Kriege mit Auszeichnung focht. Proviantmangel und Pest, nicht minder aber die Feindseligkeit der Bevölkerung des Landes, die von französischen Emissären fortwährend gegen M. aufgereizt wurde, verursachten ihm viele und große Schwierigkeiten, die er jedoch mit der ihm eigenen Widerstandsfähigkeit alle glücklich überwand. Obgleich Wallenstein seinem Wunsch, neue Werbungen im großen Stile anzustellen, nicht willfahren wollte, ja sogar eine von ihm bereits geworbene Anzahl Reiter einem andern Obersten untergab, konnte M. die Enthebung seines bisherigen Oberfeldherrn vom Commando im August 1630 doch nicht gutheißen, sondern beeilte er sich vielmehr auf die Nachricht von diesem großen Tagesereigniß, dem „abgedankten“ Generalissimus persönlich seine Huldigung darzubringen. Wie im Frühjahr 1629 den Einmarsch der kaiserlichen Truppen in Italien, so leitete er nach Abschluß des Friedens von Chierasco 1631 den Rückmarsch dieser Truppen nach Deutschland, wohin er selbst nach kurzem Aufenthalt in Pavia im September dieses Jahres zurückkehrte. Hier hatte soeben Gustav Adolf von Schweden durch den Sieg bei Breitenfeld die ligistisch-kaiserliche Macht beinahe vollständig vernichtet. M. zog mit seiner geringen Mannschaft über Schweinfurt gegen Hessen, wo er sich erst mit Otto Heinrich Fugger, dann mit Tilly selbst verband. Doch war seines Bleibens nicht lange. Eine kaiserliche Sendung an den Herzog Philipp Spinola führte ihn im Herbst 1631 noch einmal nach Mailand. Im December nach Wien zurückgekehrt, empfing er [450] aus der Hand des Kaisers die Bestallung zum Generalwachtmeister. Kurz zuvor hatte Wallenstein wieder den Oberbefehl übernommen. Dieser betraute ihn in den ersten Tagen des Jahres 1632 mit Aufträgen an Aldringen, der in Baiern stand, an Pappenheim, der am Rhein und an der Weser commandirte, und an den Kurfürsten von Köln, auf dessen Kosten M. umfassende Werbungen anstellte. Damals besetzte Johann’s Bruder, Ernst M., Generalwachtmeister in spanischen Diensten, die Stadt Coblenz, die jedoch bereits am 1. Juli d. J. nach kurzer Belagerung an Gustav Horn übergeben werden mußte. Die unter französischem Einfluß stehenden rheinischen Kurfürsten erschwerten Merode’s Bemühungen, eine größere Truppenmacht am Rhein zu concentriren, und nachdem er vergeblich versucht, nach Wallensteins Befehl sich mit den im Elsaß operirenden Obersten Ossa und Montecuculi zu verbinden, ging er rheinabwärts und überschritt bei Kaiserswerth den Rhein, um sich nach Westphalen zu wenden, wo er mit Jobst Maximilian Grafen Gronsfeld mehrere Monate lang den vereinigten Schweden und Hessen unter Landgraf Wilhelm, Herzog Georg von Braunschweig und Wolf Heinrich Baudissin Stand hielt, ohne jedoch den Fall von Duderstadt und die Einschließung der Städte Wolfenbüttel und Paderborn verhindern zu können. Die Rückkehr Pappenheim’s an die Weser stellte daselbst alsbald das Uebergewicht der katholischen Waffen wieder her. Baudissin wurde aus seinem Lager in Höxter verjagt. Auf dem Wege nach Hildesheim detachirte Pappenheim etliche und zwanzig Reitercompagnien unter M. zum Entsatz des von Herzog Georg belagerten Wolfenbüttel. In der Nacht zum 3. October überraschte M. die Feinde so vollständig, daß er fast ohne Widerstand den Blockade-Cordon erreichte und diesen auch sogleich durchbrach, um ohne Aufenthalt in die befreundete Stadt zu dringen und, kaum in ihren Mauern angelangt, noch am selben Morgen, verstärkt durch den größten Theil der Besatzung, einen allgemeinen Sturm auf das feindliche Lager zu unternehmen, das nach harter, verzweifelter Gegenwehr mit zahlreichen Gefangenen, Fahnen und Corneten in Merode’s Hände fiel. Der glänzende Erfolg dieser Cavalcade stellte M. in die Reihe der besten Reitergenerale der ligistisch-kaiserlichen Armee.
Gemeinschaftlich mit Pappenheim eroberte M. am 8. October Hildesheim. Wallenstein’s Ordonnanzen nöthigten hierauf Jenen, sich mit dem größten Theil seines Heeres gegen Sachsen zu wenden, wobei ihn M. begleitete. Nur mit Widerstreben gehorchte Pappenheim, der seinen Marsch über Gebühr verzögerte. Nach einem Versuch, sich Hannovers zu bemächtigen, ging er nach Pattensen und Hornburg; von Osterwieck mußte er ohne Erfolg abziehen; dagegen ergab sich Mühlhausen mit Accord. Da aber mittlerweile Gustav Adolf Miene machte, gleichfalls nach Sachsen aufzubrechen, empfing M. von Wallenstein Befehl, die Pappenheim’sche Armee ohne weitere Verzögerung nach Leipzig zu führen und sich daselbst mit ihm zu conjungiren. Unter solchen Umständen mußte Pappenheim seine Vereinigung mit der kaiserlichen Hauptmacht beschleunigen. Seine Avantgarde, von M. geführt, nahm am 27. October Langensalza und streifte bis Weimar, wo sie bereits mit den Schweden handgemein wurde. Pappenheim war genöthigt, seine Marschrichtung zu ändern; er ging an die Unstrut, nahm das Schloß Heldrungen, während Merode’s Vortruppen Sangerhausen überfielen, und langte am 3. November in Uebra ein. Drei Tage später erfolgte über Merseburg und Leipzig die Conjunction beider Heere bei Wurzen. Bis Weißenfels ging Wallenstein mit gesammter Macht Gustav Adolf entgegen. Da dieser eine Feldschlacht nicht annehmen zu wollen schien, wurden Pappenheim und M. mit vierzehn Regimentern zu Roß und Fuß wieder gegen Halle entlassen, als Gustav Adolf dem bedeutend geschwächten kaiserlichen Feldherrn in Schlachtordnung sich entgegenstellte. Es kam zur Schlacht bei Lützen am 16. November, in welcher bekanntlich [451] Pappenheim, der mit seiner Cavallerie während des Kampfes eingetroffen war, neben Gustav Adolf den Tod fand, wogegen M. mit den ihm anvertrauten sechs Infanterieregimentern nicht so eilig folgen konnte, trotzdem aber das Schlachtfeld noch rechtzeitig erreichte, um den geordneten Abzug Wallenstein’s zu decken. Er wurde am 10. December 1632 zum kaiserlichen Feldzeugmeister ernannt, nachdem er kurz vorher vom Generalissimus die Bestimmung nach Westphalen und Köln, gleichzeitig aber einen höchst vertraulichen Auftrag an die Herzöge von Orleans und Lothringen erhalten hatte. Mit großen Hoffnungen kehrte M. nach Köln zurück, wo er sich neuerdings durch Werbungen ansehnlich stärkte. Leider mußte Wallenstein seine ursprüngliche Absicht, M. an Pappenheim’s Stelle mit dem selbständigen Commando an der Weser zu betrauen, mit Rücksicht auf den Kurfürsten von Baiern wieder aufgeben; M. wurde mit Befehl vom 1. März 1633 dem Commando des Grafen Gronsfeld unterstellt, der seiner Aufgabe in keiner Weise gewachsen war. Während M. im Verein mit dem spanischen General Isenburg im Kölnischen mit vielem Erfolg gegen Baudissin und Pfalzgraf Christian von Birkenfeld kämpfte und das Erzstift gänzlich von Feinden säuberte, erlitt Gronsfeld in Verbindung mit Lothar Bönninghausen empfindliche Niederlagen und sah sich derselbe endlich genöthigt, als auch sein Hauptwaffenplatz Hameln an der Weser zu fallen drohte, M. zu Hilfe zu rufen. Mitte Juni brach M. mit 4000 Mann, zumeist neugeworbenem Fußvolk, von Köln auf, überschritt abermals bei Kaiserswerth den Rhein, erzwang sich bei Fröndenberg den Uebergang über die Ruhr und die Lippe, wo er die Truppen Bönninghausen’s an sich zog, so daß er mit 8000 Mann bei Warendorf die Ems erreichte, sodann durch den Thüringer Wald bis an die Hunte vordrang und zwischen Lintorf und Wittlage ein festes Lager aufschlug, während Gronfeld in Minden den Rest seiner Truppen concentrirte, um sich alsdann gleichfalls gegen Lintorf in Bewegung zu setzen. Ein Theil des feindlichen Belagerungsheeres von Hameln warf sich unter Melander, Kniphausen und Stalhanske zwischen Minden und Wittlage, um die Vereinigung Gronsfeld’s mit M. zu hindern. Vergebens bemühte sich dieser, von Gronsfeld den Auftrag zu erwirken, die sehr günstige Gelegenheit benützen und den Feind bei Lintorf angreifen zu dürfen. Gronsfeld bestand darauf, gemeinsam mit M. unter die Wälle von Hameln zu marschiren. Auf dem Zuge dahin traf man am Abend des 7. Juli vor Hessisch-Oldendorf, eine Meile nördlich von Hameln, die gesammte gegnerische Heeresmacht, eines Angriffs gewärtig. Ein Kriegsrath, vor Allem aber Merode’s Drängen, entschied am andern Morgen für eine Schlacht, die nun Gronsfeld wieder gern vermieden hätte. Trotz dem Aufgebot großer Tapferkeit von Seite Merode’s wurde Gronsfeld, dem es ebenso an Ansehen wie an Fähigkeit mangelte, vollständig geschlagen; M. empfing drei tödtliche Wunden, welchen er bald darauf erlag; er starb ohne Nachkommenschaft.
M. war eine offene, edle Soldatennatur, der Sache wie der Person, der er diente, treu ergeben; kühn und thatkräftig, kannte er in Erfüllung seiner Pflicht keine Rücksicht. So war sein frühzeitiges Ende namentlich für Wallenstein ein schwerer Verlust. Wol nur die häufige Entlassung vieler von ihm kaum geworbener wallonischer Söldner, besonders in den Jahren 1627–29, trug ihm im Volksmund durch ein Wortspiel mit dem viel älteren Ausdruck „Maraud“ den Namen eines Vaters der „Merodebrüder“ ein. Gewiß ist, daß er für seine Person den guten Ruf wallonischer Kriegstüchtigkeit, wenn nicht begründet, so doch wesentlich gefestigt hat.
- H. Hallwich, Gestalten aus Wallenstein’s Lager I (Leipzig 1885).