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ADB:Manso, Johann Kaspar Friedrich

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Artikel „Manso, Joh. Kaspar Friedr.“ von Colmar Grünhagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 246–248, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Manso,_Johann_Kaspar_Friedrich&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:38 Uhr UTC)
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Manso: Joh. Kaspar Friedr. M., Historiker, † 1826. Geboren am 26. Mai 1760[1] zu Blasienzelle im Herzogthum Gotha ward er im elterlichen Hause durch Privatlehrer unterrichtet und zeigte dabei solchen Fleiß und Eifer namentlich für die alten Sprachen, daß, als er in seinem 17. Lebensjahre in das Gymnasium zu Gotha eintrat, er bereits die lateinischen Classiker zum großen Theile durchgelesen und sich auch in Uebersetzungen seiner Lieblingsschriftsteller unter den Griechen, des Hesiod und Theokrit, versucht hatte. 1789[WS 1] bezog er die Universität Jena in der Absicht, Theologie zu studiren, vertauschte aber die Gottesgelahrtheit bald mit der Philologie. Nach Gotha zurückgekehrt ward er 1783 zum Collaborator an dem dortigen Gymnasium ernannt und war bereits längere Zeit zum Professor avancirt, als er 1790 einen Ruf als Direktor des Magdalenäums zu Breslau erhielt. In dieser Stellung hat er dann bis an seinen Tod mit dem größten Erfolge gewirkt und sich in der Stadt, namentlich in den Kreisen der Gelehrten, viele Freunde und bei seinen Schülern in ganz ungewöhnlichem Maße Liebe und Verehrung sich erworben. Als Lehrer wirkte er vornehmlich in der obersten Klasse, wo er die Interpretation der classischen Schriftsteller leitete und dabei seinen Schülern in der anregendsten Weise ein Eindringen in den Geist der behandelten Autoren zu ermöglichen sich bemühte. Ganz besonders berühmt waren aber seine Lehrstunden auf dem Gebiet der deutschen Litteraturgeschichte, Rhetorik und Aesthetik in solchem Maße, daß vielfach Studirende der seit 1806 hier neu gegründeten Hochschule sich die Erlaubniß zur Theilnahme an diesen Stunden auswirkten. Doch untergruben die übergroßen Anstrengungen, die er, der neben seinem Schulamte als Dichter, Uebersetzer und Geschichtsschreiber eine ganz staunenswerthe Productivität entwickelt hat, sich zumuthete, seine Gesundheit, und eine Reise, die er 1823 nach Triest in seines Freundes G. A. Stenzel’s Gesellschaft unternahm, brachte mit ihren Anstrengungen statt der gehofften Erfrischung nur schlimmere Entkräftung. Von seinen Schülern selbst verpflegt ist er den 9. Juni 1826 gestorben. M. hat uns mehrere, seiner Zeit viel bewunderte metrische Uebersetzungen hinterlassen (Virgil v. d. Landwirthschaft, 4 Bücher, 1783, Bion u. Moschus, griechisch und deutsch, 1784, 1807, Sophokles, König Oedipus, 1785; außerdem in Sulzer’s Nachträgen II u. III die schönsten Stellen römischer Elegiker); doch wie glatt und wol lesbar sie auch erscheinen, statt die Individualität des übertragenen Autors zum Ausdruck zu bringen, verwischen sie dieselbe vollständig. Unter den eigenen Poesien Manso’s finden wir manches fein empfundene, wohllautende Gedicht, deren schönstes vielleicht sein Schwanengesang Philomela ist (zugleich lateinisch und deutsch vielfach abgedruckt, z. B. bei Glocker Nr. 42); sein „wielandisirendes“ Lehrgedicht, „Die Kunst zu lieben“ (1794), hat Schiller, den M., der, wie sein intimer Freund Garve, eine gewisse Animosität gegen die Genies von Jena und Weimar nie ganz verleugnen konnte, durch Kritiken in Dyk’s allgem. Bibl. gereizt hatte, zu einer ganzen Anzahl von sehr beißenden Epigrammen in den Xenien Anlaß gegeben. Diese Pfeile waren zu sehr geschärft, um nicht schwer zu verwunden. M. antwortete durch ein Schriftchen: „Gegengeschenke an die Sudelköche in Jena und Weimar von einigen dankbaren Gästen“ (1797), doch wie hätte er solche Gegner bestehen können? Offenbar liegt die Hauptbedeutung Manso’s auf dem Gebiete der Geschichtsschreibung, und was ihm hier dauernden Ruhm verschafft, sind nicht sowol seine auf gelehrter Forschung beruhenden Darstellungen aus älterer Vergangenheit, unter denen „Sparta, ein Versuch zur Aufklärung der Geschichte und Verfassung des Staats“ (3 Bände, 1800–1803), [247] ferner sein ausführliches „Leben Kaiser Constantin’s d. Gr.“, 1817 und vor allem die „Geschichte des ostgothischen Reiches in Italien“, 1824, als tüchtige und in ihrer Art und Zeit verdienstvolle Arbeiten hervorragen, als vielmehr das muthige und in mancher Hinsicht merkwürdige Unternehmen einer zeitgenössisch-vaterländischen Historiographie, die „Geschichte des preußischen Staates bis zur zweiten Pariser Abkunft“, 3 Bände, 1819–1820, ein Werk, welches noch nach Manso’s Tode zwei Auflagen erlebt hat. Der Hauptnachdruck liegt auf den beiden ersten Bänden, welche bis 1807 reichen. Um sie zu verstehen, muß man wissen, daß sie in der Franzosenzeit vor 1813 geschrieben worden sind. Unter dem Eindruck der furchtbaren Katastrophe von 1806, die M. sammt allen Schrecken der Breslauer Belagerung selbst mit erlebt, faßte er den Gedanken, den Untergang des Reiches Friedrichs d. Gr. zu schildern. Das Werk ward unter seinen Händen zu einer erschütternden Tragödie; die tragische Verschuldung, welche bei Jena und Auerstädt gebüßt wurde, datirte nach Manso’s Auffassung schon aus den Zeiten des großen Königs, der seinen kleinen Staat künstlich zu einer Höhe hinaufgeschraubt, die den wirklich gegebenen Machtverhältnissen nicht entsprochen habe. Als die Riesenaufgabe, diese Bedeutung aufrecht zu erhalten, den schwächeren Nachfolgern zugefallen, hätten diese erliegen und schließlich im Kampfe mit einem der hervorragendsten Kriegshelden, dessen Größe M. mächtig imponirte, ihren Untergang finden müssen. Wie sich dieses Verhängniß erfüllte, das wird uns hier in einer edlen, an klassischen Mustern gebildeten, von taciteischem Geiste, mitunter freilich allzu absichtlich, durchwehten Sprache vorgeführt. Den Schmerz des Patrioten läßt die gehaltene Würde der Darstellung nur hier und da durchblicken. Diese Geschichte war darauf angelegt, mit dem Niedergange Preußens zu schließen, aber die Vorsehung verrückte das Concept des Verfassers und nöthigte ihn, in einem weiteren dritten Bande die wunderbare Erhebung Preußens zu schildern. Aber das ruhmreiche Jahr 1813 fand M. in schwerer Krankheit lange darnieder liegend, er hat jenen großartigen Aufschwung geistig nicht miterlebt. Als er dann endlich aus dem langen Fiebertraume seiner Krankheit erwachte, fand er die Welt zum Nichtwiedererkennen verwandelt, und wie er unter dem Druck der Fremdherrschaft nichts von jenen Regungen unverwüstlichen Lebens gespürt hatte, an denen sich bei so vielen Geistern des niedergeworfenen Staates die Hoffnung besserer Zeiten belebte und aufrecht hielt, so verstand er auch jetzt die Zeit der Wiedergeburt nicht in ihrer ganzen Bedeutung, und kein Mensch wird sagen können, daß sein dritter Band dieser Bedeutung gerecht geworden sei. Das ganze Werk aber wird in jeder Darstellung, die das geistige Leben jener Epoche in Betracht zieht, als nach den verschiedensten Seiten hin interessant seinen Platz immer behaupten. Um jedoch den großen Anklang, den Manso’s preußische Geschichte bei den Zeitgenossen gefunden, ganz zu erklären, werden wir auch hervorheben müssen, daß gerade jene zahlreichen Aeußerungen einer freimüthigen und unerschrockenen Kritik der Staatseinrichtungen und politischen Handlungen, wie sie der schlichte Breslauer Schulrector in einer Zeit, die dem Gedanken der Preßfreiheit noch sehr fern stand, gewagt hatte, bei der vorherrschend oppositionellen Zeitströmung, welche nach den Freiheitskriegen die Gemüther beherrschte, besonders gern gelesen wurden. Auch den König Friedrich Wilhelm hatte manches tadelnde Wort getroffen, und als er das Buch selbst zu lesen begehrte, sollen geschäftige Hände ihm besonders gravirende Stellen durch eingelegte Zeichen markirt haben. Aber er täuschte die Erwartungen seiner übereifrigen Diener, und sich selbst zugleich mit dem freimüthigen Historiker ehrend verlieh er demselben den rothen Adlerorden.

Unmittelbar nach Manso’s Tode erschienen zwei das Leben und die Bedeutung des Dahingeschiedenen darlegende Gedächtnißreden, die eine von seinem [248] Kollegen, dem Prorektor am Magdalenäum, Dr. Glocker, Breslau bei Gosohorsky, 1826, die andere von dem Professor Dr. Passow als akademische Rede an des Königs Geburtstag am 3. August 1826 gehalten, und Manso’s Verdienst als Schulmann und Gelehrter würdigt ebenso fein wie pietätvoll einer seiner Schüler, Dr. Kluge, schles. Provinzialblätter 1826, Septemberheft. Chronologische Verzeichnisse seiner sämmtlichen Schriften im Anhange zu Glocker und in dem neuen Nekrolog der Deutschen, Jahrgg. 4, 1826, 496.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 246. Z. 5 v. o.: In einem Briefe an Matthisson (Breslau 21. Januar 1805) schreibt Manso: „Ich bin 1759 (nicht 1760) den 26. May (nicht März) zu Zella im Thüringer Walde geboren.“ Vgl. Fr. v. Matthisson’s Litterarischen Nachlaß, 4. Bd. S. 130. [Bd. 24, S. 786]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wohl verdruckt statt: 1780.