ADB:Müthel, Johann Ludwig
G. v. Bunge sagt von ihm: „Müthel’s Vorlesungen über das livländische Recht waren ohne Zweifel die gründlichsten, die auf der Universität Dorpat gehalten worden sind. Jedoch waren seine Arbeiten nach einem zu weiten Plane angelegt; nur die äußere Rechtsgeschichte und das livländische Criminalrecht sind von ihm vollendet worden, von dem Privatrecht nur ein kleiner Theil, das von ihm sogen. Solitairrecht“ (Das livländische und esthländische Privatrecht 1847 I, p. 61 f.). Nach kaum 10jähriger Thätigkeit an der Universität raffte M. am 24. Mai 1812 ein plötzlicher Tod dahin. Seinen handschriftlichen Nachlaß, „ein Ehrendenkmal seines angestrengten Fleißes und seiner wissenschaftlichen Forschung“ kaufte die Dorpater Universitätsbibliothek an. Aus demselben wurde veröffentlicht: „Handbuch der livländischen Criminalrechtspflege“, herausg. von G. v. Bunge, Thl. I, Dorpat 1827 (die Fortsetzung ist nicht erfolgt) und „Die Geschlechtsvormundschaft nach livländischem Recht“ (in Bunge’s und Madai’s theoretisch-praktischen Erörterungen Bd. I, p. 185 ff.).
Müthel: Joh. Ludwig M., geb. am 20. Februar 1763 auf dem Pastorat Seßwegen in Livland, ward seit dem 12. Lebensjahre in Klosterbergen bei Magdeburg erzogen, studirte darauf in Halle und Göttingen, zuerst auf des Vaters Wunsch Theologie, dann der inneren Neigung folgend Jurisprudenz. 1784 wurde er Protocollist am Civilgerichtshof in Riga, 1785 Secretär bei dem rigischen Oberconsistorium, 1797 Secretär des rigischen Landgerichts. In diesen Stellungen leistete er so Ausgezeichnetes, daß er 1802 bei der Wiedereröffnung der Dorpater Universität auf den Lehrstuhl für livländisches Recht und praktische Rechtsgelehrsamkeit berufen wurde. Er war der erste Decan der juristischen Facultät, gehörte zu der 1803 zusammenberufenen Commission für Entwerfung der Universitätsstatuten und war ein eifriges Mitglied der Universitäts-Schulcommission, welcher die Einrichtung und Beaufsichtigung der Landesschulen oblag. Besondere Verdienste aber erwarb er sich als akademischer Lehrer um die Wissenschaft des vaterländischen Rechts, welches bis dahin einer systematischen Behandlung entbehrt hatte. Letzterem Umstande, der M. zwang seine Vorlesungen aus dem Rohen herauszuarbeiten, verbunden mit seiner großen Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit (in seinen Collegienheften findet man sehr Vieles aus ungedruckten Quellen beigebracht), ist es ebenso wie der Kürze seines Lebens zuzuschreiben, daß er selbst mit keinem juristischen Werke an die Oeffentlichkeit getreten ist. Nur eine criminalistische Abhandlung „Ueber die Grade der Imputabilität“ war von ihm kurz vor seinem Tode zur Erlangung der Doctorwürde der juristischen Facultät zu Halle zugesandt worden, hatte aber das Unglück auf dem Wege dorthin verloren zu gehen. So beschränkte sich Müthel’s wissenschaftliches Wirken zwar auf seine Kathederthätigkeit, doch hat er durch dieselbe den Grundstein zu dem System des baltischen Rechts gelegt. Die Zeit- und Amtsgenossen rühmen in ihm den eifrigen, enthusiastischen Lehrer und ein competenter Beurtheiler wie- Vgl. G. F. Parrot, Trauerrede auf J. L. Müthel, Dorp. 1812; Bröcker, Jahrb. für Rechtsgel. Rußlands, Bd. I, p. 229 ff. (über Müthel’s rechtswiss. Nachlaß); Recke-Napiersky, Allgem. Schriftstellerlex. der balt. Prov. Bd. III; G. v. Bunge a. a. O. und in seiner Einleitung in die liv.-esth.-kurländische Rechtsgesch. p. 280.