ADB:Müller, Fritz
C. F. Hornschuh. Mit Bemerkungen von Creplin, Fr. Müller, Karsch, Max Schulze und dem Uebersetzer“, Greifswald 1846. Dann schrieb er: „Ueber die Geschlechtstheile von Clepsine“ in Müller’s Archiv f. Anatomie 1846; „Ueber Begattung von Clepsine complanata“ in Zeitschr. f. Zoologie, Bd. 1, 1848 und „Ueber Orchestia Euchore und Gryphus im Archiv f. Naturgeschichte, 14. Jahrgang 1848.
Müller: Johann Friedrich (Fritz) Theodor M. wurde am 31. März 1822 in Windischholzhausen bei Erfurt als Sohn des dortigen Pfarrers geboren. Den ersten Unterricht erhielt er in der Dorfschule zu Mühlberg, dann unterrichtete ihn sein Vater selbst und brachte ihn so weit, daß er in die Tertia des Gymnasiums in Erfurt eintreten konnte. Nach Absolvirung dieser Anstalt trat M. als Lehrling in eine Apotheke in Naumburg ein, um sich der Pharmacie zu widmen. Doch gab er diesen Vorsatz bald wieder auf und bezog 1840 die Universität in Berlin, um Mathematik und Naturwissenschaften zu studiren. Nachdem er 1844 auf Grund seiner Dissertation: „De Hirundinibus circa Berolinum observatis“, Berolini 1844, promovirt, veröffentlichte er noch in demselben Jahre zwei kleine Abhandlungen: „Ueber „Hirundo tessulata“ im Archiv f. Naturgesch. 1844, Jahrg. 10, Bd. 1, S. 370–376, und „Ueber Gammarus ambulans“, ebd. 10. Jahrg., Bd. 1, S. 296–300. 1845 bestand er das Staatsexamen für den höheren Schuldienst und fand am Gymnasium zu Erfurt Beschäftigung. Allein die Lehrthätigkeit sagte ihm nicht zu. Seine Liebe zu der Natur erweckte in ihm das unwiderstehliche Verlangen, das Thier- und Pflanzenleben fremder Länder kennen zu lernen. Schon nach einem halben Jahre gab er seine Stellung auf, bezog die Universität Greifswald und studirte dort von 1845–48 Medicin. Daneben trieb er jedoch eifrig zoologische Studien und veröffentlichte mehrere kleinere Arbeiten. Zunächst betheiligte er sich an der Herausgabe einer Uebersetzung des Werkes von Steenstrup: „Untersuchungen über das Vorkommen des Hermaphroditismus in der Natur. Aus dem Dänischen vonDie Promotion in der medicinischen Facultät unterblieb, weil ein kirchlicher Eid verlangt wurde, den er als Freidenker nicht leisten zu können glaubte. Nachdem er noch kurze Zeit als Hauslehrer thätig gewesen war, entschloß er sich 1854, wie er schreibt, der religiösen Unduldsamkeit in Preußen müde, nach Brasilien auszuwandern. Dort ließ er sich als Farmer in der [517] Colonie Blumenau nieder und schuf sich mit unermüdlichem Eifer ein neues Heim, aber seine wissenschaftlichen Arbeiten mußten während dieser Zeit ruhen. Er war daher sehr erfreut, als er 1855 eine Stelle als Lehrer der Naturwissenschaften am Lyceum zu Desterro erhielt. Hier beschäftigte er sich mit der Erforschung der Meerthiere und namentlich mit der Entwicklung der Krustaceen. Bald erschienen eine Reihe von kleineren Abhandlungen, die ebenso wie seine früheren Arbeiten, von einer außerordentlich gründlichen Beobachtungsgabe Zeugniß ablegen. Ich erwähne nur: „Die Magenfäden der Quallen“ in Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 9, 1858; „Zwei neue Quallen von Santa Catharina“, Halle 1859; „Polypen und Quallen von Santa Catharina“ im Archiv f. Naturgesch., Jahrg. 25, 1859, Bd. 1; „Das Colonialnervensystem der Moosthiere“, ebd. 26. Jahrg. 1860, Bd. 1; „Ueber Balanus armatus“, ebd. 33. Jahrg. 1867, Bd. 1.
Als Darwin’s Werk über die Entstehung der Arten erschien, wurde M. ein begeisterter Anhänger der neuen Lehre. 1864 erschien sein Werk „Für Darwin“, welches großes Aufsehen erregte. Es zeichnet sich durch Exactheit der Forschung und großen Scharfsinn in der Deutung des Beobachteten höchst vortheilhaft aus. Er entwickelt in demselben auch zuerst die Ansicht, welche Häckel später weiter fortsetzte, daß die Entwicklung des Individuums (Ontogenie) eine kurze Wiederholung der Entwicklung des Stamms (Phylogenie) ist. Dieses Werk trug viel zur Verbreitung der Darwin’schen Lehre in Deutschland bei.
Als 1865 die Schule zu Desterro einging, kehrte M. nach Blumenau zurück. Es gelang ihm, die Stelle eines „Naturforschers der Provinz Santa Catharina“ und bald darauf die eines „naturalista viajante“ des Museums zu Rio de Janeiro zu erhalten. In dieser Stellung hatte er vollkommen Muße seine naturwissenschaftlichen Studien fortzusetzen und er lieferte auf den verschiedensten Gebieten der biologischen Wissenschaft ein unschätzbares Material. Leider sind seine zahlreichen Schriften aus dieser Periode sehr zerstreut. Darwin, welcher ihn den „Fürsten der Beobachter“ nennt, spricht in einem Briefe den Wunsch aus, daß er seine zahllosen und höchst interessanten Entdeckungen zusammenstellen möge, denn, sagt Dr. Krause, seine Beobachtungen sind derartig in in- und ausländischen Zeitschriften zerstreut, vielfach sogar nur in Briefen niedergelegt, daß nur wenig Menschen eine Ahnung davon haben, wie unendlich viele und wichtige Beobachtungen dieser deutsche Naturforscher der brasilianischen Regierung auf den verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaften zu Tage gefördert hat. Dabei war er für das Museum außerordentlich thätig, und dasselbe verdankt ihm eine Fülle des werthvollsten Materials. Aber nur Undank war sein Lohn. 1891 wurde ihm mitgetheilt, daß alle „naturalistas viajantes“ in Rio de Janeiro ihren Wohnsitz nehmen sollten und er also auch dorthin übersiedeln müsse. Aber seine Besitzung in Blumenau war seine Beobachtungsstation. Diese konnte er nicht aufgeben, ganz abgesehen davon, daß sein Gehalt ihm in der Stadt nur eine sehr kärgliche Existenz bot. Als M. sich weigerte, der Aufforderung nachzukommen, setzte die brasilianische Regierung den verdienstvollen Naturforscher, dem sie so viel zu danken hatte, ab. Die brasilianische Regierung hielt es nicht einmal der Mühe werth, ihn sogleich davon zu benachrichtigen. Er erfuhr die Thatsache durch den Steuereinnehmer, der ihm sein Gehalt nicht mehr auszahlte, und aus den Zeitungen. Wenn seine Besitzung ihm bei seinen bescheidenen Ansprüchen auch die nöthigen Existenzmittel gewährte, so sah er sich doch beschränkt in den Ausgaben für seine wissenschaftlichen Arbeiten, da er sich die nöthigen Werke aus Berlin kommen ließ. Aber wenn M. auch bei der brasilianischen [518] Regierung keine Anerkennung fand, das Vaterland versagte sie ihm nicht. Zu seinem 70. Geburtstage übersandten ihm 117 deutsche Naturforscher, Darwinisten und Anti-Darwinisten, ein künstlerisch ausgestattetes Album mit ihren Photographien und einer Adresse, in welcher es hieß: „Es führt uns der Wunsch zusammen, Ihnen, dem scharfsinnigen Meister biologischer Forschungen die herzlichsten Glückwünsche bei Vollendung des 70. Geburtstages auszusprechen“. Zugleich wurde ihm eine kleine Summe für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt. Doch nur wenige Jahre waren ihm noch beschieden. Er starb am 21. Mai 1897.