Zum Inhalt springen

ADB:Kopisch, August

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kopisch, August“ von Hermann Palm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 661–663, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kopisch,_August&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:29 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Köpffel, Wolfgang
Nächster>>>
Köpke, Balthasar
Band 16 (1882), S. 661–663 (Quelle).
August Kopisch bei Wikisource
August Kopisch in der Wikipedia
August Kopisch in Wikidata
GND-Nummer 118983776
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|16|661|663|Kopisch, August|Hermann Palm|ADB:Kopisch, August}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118983776}}    

Kopisch: August K., Dichter und Maler, ist geboren in Breslau, wo sein Vater Kaufmann war, den 26. Mai 1799. Seine Gymnasialbildung erhielt er auf dem Magdalenengymnasium unter Manso, jedoch ohne das Abiturientenexamen zu absolviren; denn früh entwickelte sich sein Talent zur Malerei, zu dessen Ausbildung er 1815 auf die Kunstakademien zu Prag und später zu Wien [662] ging. Seine Malerstudien störte ein unglücklicher Fall auf dem Eise, in Folge dessen er am freien Gebrauche der rechten Hand gehindert wurde. Er dachte daher an ein Studium der Theologie, doch regte in Wien die Bekanntschaft mit Wuk Stephanowitsch, dem Sammler der serbischen Volkslieder und mit Meynert, dem schlesischen Sagen- und Liedersammler, sein Dichtertalent an, wobei er sich gewöhnte in der Weise des Volksdichters im Kopfe zu dichten und seine Dichtungen mündlich aus dem Gedächtniß mitzutheilen. Man hat ihn deshalb fälschlich für einen Improvisator gehalten, was er nie gewesen ist. In Wien lebte er halb künstlerischen, halb gelehrten Studien des klassischen Alterthums bis 1819, wo er nach Breslau zurückkehrte, um dann wieder drei Jahre lang sich in Dresden der Kunst hinzugeben. Zur Heilung seiner Hand unternahm er eine Reise nach Italien, doch ohne den gewünschten Erfolg zu erreichen, so daß er in Rom schon der Malerei entsagen zu müssen glaubte und sich der Poesie ganz widmen wollte. Gefesselt von den Reizen Neapels, brachte er von den fünf Jahren seines italienischen Aufenthaltes dort drei Jahre in schmerzvoller Unthätigkeit zu, nur bestrebt, die Eindrücke der Natur und des Volkslebens in sich aufzunehmen. Eifrigst durchforschte er die Küsten und Inseln des Golfs von Neapel und wurde bei seiner Fertigkeit im Schwimmen Entdecker der blauen Grotte von Capri. (Die Schilderung des Ereignisses gibt er selbst im fünften Bande der gesammelten Werke.) Im Umgange mit Donizetti, für den er u. A. den Text zu einem Melodrama dichtete (4. Bd.), und im freundschaftlichsten Verkehr mit dem Lustspieldichter Camerano, dem Inbegriff des neapolitanischen Volkslebens, hatte er sich in die Eigenthümlichkeiten des Volks so hineingelebt, daß er dessen ausgezeichnetster Interpret wurde, wie er dies nicht nur in seinen „Agrumi“ und Pulcinellstücken, in der Bearbeitung neapolitanischer Komödien und in seiner Uebersetzung und Bearbeitung des Dante, sondern vielfach auch als Führer der deutschen Besucher Neapels dargelegt hat. In letzter Eigenschaft erwarb er sich u. A. auch die Gunst des preußischen Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV., bei dessen Aufenthalte in Neapel im Herbst 1828, die ihm dieser bis an sein Lebensende bewahrt hat. Im Begriffe, die Insel Sicilien zum zweiten Male zu bereisen und ein episches Gedicht, die Kriege der Normannen mit den Saracenen an Ort und Stelle zu dichten, machte er 1827 Platen’s Bekanntschaft und wurde von ihm aufs neue an Neapel gefesselt. Der Einfluß des gereiften Dichters auf K. war höchst bedeutend; Platen wurde für Inhalt und Form der ernsten Dichtungen ihm strenger und unnachsichtiger Lehrer und Vorbild, durch ihn gewann K. jene Herrschaft über die antiken Metra, jene Würde und Glätte der Sprache, die ihn zu einem der vorzüglichsten Nachahmer der Alten machte. Im J. 1828[1] kehrte er nach Breslau zurück mit reichen Schätzen im Kopfe und Mappen. Bisher hatte er von Neapel aus nur einzelne Gedichte in schlesischen Provinzialblättern mitgetheilt; jetzt im regen Verkehr mit den geistvollen Männern des Breslauer Künstlervereins begann er fleißiger zu veröffentlichen. Im Archive des letzteren (I. Sammlung 1832) findet sich auch zuerst das mit Reißiger’s Melodie so populär gewordene Trinklied „Noah“. Von 1833 ab lebte K. in Berlin, wo er durch das Wohlwollen Friedrich Wilhelms IV. im königlichen Hofmarschallamte eine seinen künstlerischen Einsichten angemessene Anstellung fand; dazu erhielt er 1844 den Professortitel. Im J. 1847 siedelte er nach Potsdam über und schrieb dort im Auftrage des Königs ein Werk über die Schlösser und Gärten Potsdams (unmittelbar vor seinem Tode vollendet und nach demselben herausgegeben von Karl Bötticher, 1854). Die Malerei, der er doch nicht völlig hatte entsagen können, hatte er in den letzten Lebensjahren ganz eingestellt; seine Arbeiten sind meist skizzenhaft; doch existiren auch ausgeführte Landschaftsbilder, z. B. „Die Wasserfälle bei Terni“, „Die blaue Grotte“, „Die pontinischen Sümpfe“. Bemerkenswerth war auch seine Kunst, Landschaftsbilder [663] in plastischen Modellen darzustellen, wie er denn ein solches möglichst genau von der Insel Capri und der blauen Grotte geschaffen hat. Er starb plötzlich am 6. Februar 1853 zu Berlin. K. war ein vielseitig gebildeter, aber origineller Dichter. Seiner Vertrautheit mit der Natur und dem Volksleben des Südens stand eine gleiche Bekanntschaft mit den Sagenstoffen und den Volksschwänken der deutschen Heimath zur Seite, und namentlich letztere erzählt er in ganz eigenthümlicher und durchaus populärer Weise. Mit sinnigem Gemüth versetzt er uns in seinen „allerlei Geister“ in die Welt der kleinen Naturwesen, der Heinzelmännchen, Kobolde, Zwerge und Elfen, und mit fröhlichem Humor weiß er in den „Histörchen“ und in „Scherz und Ernst“ den volksthümlichen Schwänken, den Tollheiten und Streichen unserer Krähwinkel, den Dummheiten der Altklugen Geschmack abzugewinnen und sie für Jedermann genießbar zu machen. Beide Gebiete sind für ihn charakteristisch, kein anderer deutscher Dichter ist ihm hierin an die Seite zu stellen und seinen hierher gehörigen Dichtungen sowie seinen prächtigen und vielfach componirten Weinliedern verdankt er namentlich seine Popularität. Meister ist er u. A. in der treffenden Nachahmung der Naturlaute, durch welche er das Treiben seiner kleinen Phantasiewesen gleichsam für das Ohr hörbar zu machen versteht; doch auch ernstere Stoffe weiß er im Volkstone und mit sprachlichem Wohllaut vortrefflich zu erzählen, so in seinen „Sagen“ und „Geschichten“, die den Vorräthen der verschiedensten Völker, mit Vorliebe aber der deutschen und der märkischen Geschichte entnommen sind. Zu größeren epischen Leistungen hat er verschiedene Anläufe genommen, aber nur Bruchstücke hinterlassen. Nicht unbedeutend ist die Zahl seiner Gelegenheitsgedichte, unter denen durch ihre Gesinnung die an Friedrich Wilhelm IV., durch ihre Formenschönheit und tiefen Gedankengehalt besonders die an Platen gerichteten Oden ausgezeichnet sind. Aus seinem Nachlasse wurden im vierten Bande auch zwei Trauerspiele veröffentlicht, deren erstes, „Walid“, nicht durch seinen Stoff, sondern durch seine Formen, das zweite „Chriemhield“, eine bis auf den Schluß dem Originale treue Bearbeitung des Theils der Nibelungen, auch durch den Stoff zu fesseln vermag. Der Dichter flieht in beiden in seine Jamben lyrische Partien in antiken Maßen von vollendeter Schönheit ein und verwendet in ungebundener Weise zur Erhöhung des Wohllautes seiner Sprache den Stabreim mit großem Erfolge. „Chrimhield“ ist auch um des Versuchs willen beachtenswerth, den furchtbaren Charakter der Hauptperson milder und psychologisch erklärlicher darzustellen. – Werke: Die erste Sammlung erschien unter dem Titel „Gedichte“, 1836; dann folgten „Agrumi, volksthümliche Poesien aus allen Mundarten Italiens und seiner Inseln“, 1838; „Die göttliche Komödie des Dante Alighieri. Metrische Uebersetzung nebst beigedrucktem Originaltexte mit Erläuterungen, Abhandlungen und Register“, 1842. Seine zerstreuten Beiträge in verschiedenen Musenalmanachen und Taschenbüchern, sowie die als Einzelndrucke erschienenen Festgedichte finden sich mit reichen Nachträgen aus seinem Nachlasse und einem Nachworte des Herausgebers „Zum Leben des Dichters“ in den „Gesammelten Werken, geordnet und herausgegeben von Freundes Hand“ (Karl Bötticher), 5 Bde., Berlin 1856.

Nowack’s schles. Schriftstellerlexikon, 6. Heft und Bötticher’s Zum Leben des Dichters, 5. Bd. der gesammelten Werke.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 622. Z. 16 v. u. l.: 1829 (statt 1828). [Bd. 55, S. 890]