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ADB:Joël, Manuel

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Artikel „Joel, Manuel“ von Adolf Brüll in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 679–680, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jo%C3%ABl,_Manuel&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:50 Uhr UTC)
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Joel: Dr. Manuel J., hervorragender Religionsphilosoph und Prediger, geboren am 19. October 1826 in Birnbaum, † am 3. November 1890 in Breslau. Er wurde durch seinen Vater, der Rabbiner war, frühzeitig in die hebräische Litteratur eingeführt und erhielt nebstdem gründlichen Unterricht in den Gymnasialfächern. Nach dem Tode seines Vaters trat J. 1845 in die Secunda des Friedrich-Wilhelm Gymnasiums in Posen, wo er besonders durch seine stilistische Begabung auffiel. Nach Absolvirung des Gymnasiums bezog er die Universität in Berlin und widmete sich dort mit Eifer dem Studium der classischen Philologie und Philosophie, während er durch Michael Sachs, den damaligen Rabbinatsassessor daselbst, und Leopold Zunz reiche Anregung für seine jüdischen Studien erhielt. 1852 bestand H. das Oberlehrerexamen mit ausgezeichnetem Erfolge und erlangte in Halle a. d. S. die philosophische Doctorwürde. Da J. als Jude keine Aussicht auf die Erlangung eines höheren Lehramts hatte, nahm er eine Hauslehrerstelle in Nakel an und wandte sich, nachdem er die Autorisation als Rabbiner erlangt, mit Eifer jüdisch-wissenschaftlichen Studien zu. 1855 wurde J. als Hilfslehrer an das neubegründete jüdisch-theologische Seminar nach Breslau berufen, dem Dr. Zacharias Fränkel vorstand, um bald als ordentlicher Lehrer an demselben beschäftigt zu werden. Er lehrte an demselben bis 1863 classische Philologie, deutsche Sprache und Litteratur, Geschichte und Geographie, Religionsphilosophie und Homiletik und versah nebstdem in der mit dem Seminar verbundenen Synagoge das Predigtamt. Daselbst erschienen von J. werthvolle Biographien über R. Akiba, R. Meïr, R. Simon ben Jochai, R. Jose ben Chalafta, Juda ben Ilai in Frankel’s Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums (Jahrg. 1855, 1856, 1857). Hervorragendes leistete J. als Religionsphilosoph und sind seine Arbeiten auf diesem Gebiete bahnbrechend. Er behandelte die classischen Hauptvertreter der jüdischen Philosophie in der ihm eigenen lichtvollen Weise und wies deren Einfluß auf die christlichen Scholastiker nach. Er brachte durch seine Arbeiten, die von bleibendem Werthe für die Geschichte der jüdischen Religionsphilosophie sind, die bis dahin nur wenig gewürdigte Bedeutung jüdischer Denker zur Geltung, indem er den Nachweis führte, daß Juden und Judenthum zu keiner Zeit blos müßige Empfänger der fremden Cultur waren, sondern daß ihnen die Wissenschaft vielmehr als redlichen Mitarbeitern zu Dank verpflichtet ist. 1858 erschien: „Ibn Gebirol’s Bedeutung für die Geschichte der Philosophie“, 1859 „Die Religionsphilosophie des Moses ben Maimon“, 1862 „Levi ben Gerson als Religionsphilosoph“, 1863 „Verhältniß Albert des Großen zu Maimonides, 1866 „Don Chasdai Cresca’s religionsphilosophische Lehren in ihrem geschichtlichen Einflusse dargestellt“. 1863, als Abraham Geiger von Breslau nach Frankfurt a. M. als Rabbiner berufen wurde, wählte die jüdische Gemeinde in Breslau J. einstimmig zu seinem Nachfolger und trat er sein Amt am 1. Januar 1864 an. Er stand, was seine persönliche theologische Richtung anlangt, auf historischem Standpunkte, [680] und trat nur dann für Reformen ein, wenn sie den Zusammenhang mit dem Ueberkommenen nicht vermissen ließen und gleichsam aus dem Boden der geschichtlichen Entwicklung des Judenthums herauswuchsen. Seine Ideen über Fragen des Cultus und Ritus hatte er Gelegenheit, in der Rabbinerversammlung in Cassel (1868) und in der Synode zu Leipzig (1869) darzulegen und schaffte er denselben weitere Verbreitung und praktische Bedeutung durch seine Schriften: „Zur Orientirung in der Cultusfrage“ (Breslau 1867), „Zum ‚Schutz‘ gegen ‚Trutz‘“ (Breslau 1867) und „Israels Gebetbuch für die öffentliche Andacht des ganzen Jahres“ (3. Aufl., 2 Theile, Breslau 1893). Diese Arbeiten, wenn auch aus localen gelegentlichen Veranlassungen hervorgegangen, eröffnen doch allgemeine historische Perspectiven. Seine gediegenen, tief angelegten, durch Klarheit und formvollendete Sprache ausgezeichneten Predigten waren das Spiegelbild seines Geistes und er wirkte besonders auf die Kreise überzeugend, welche für die Wahrheiten der Religion und des Judenthums nur auf dem Wege des Denkens zu gewinnen waren. 1867 erschien von J. ein Band Festpredigten, 1872 „Predigt, gehalten bei der Einweihung der neuen Synagoge in Breslau am 29. September 1872“, 1898 „Sabbatreden“ und später aus seinem Nachlasse die von seinen Schwiegersöhnen Herrn Dr. Eckstein und Dr. Ziemlich herausgegebenen „Fest- und Gelegenheitsreden“ (Breslau 1892–1898). Die in Berlin an der Bahre Meyerbeer’s, Dr. Moritz Veit und Dr. Michael Sachs gehaltenen Leichenreden, die im Drucke erschienen sind, waren wohl mit Veranlassung gewesen, daß ihm zwei Mal die Rabbinerstelle in Berlin angetragen wurde, die er aber ausschlug. Von großer Bedeutung sind die von J. erschienenen Arbeiten über Spinoza. J. gab der Forschung über den großen jüdischen Weisen eine neue Richtung, indem er den Nachweis führte, daß die jüdisch-mittelalterliche Philosophie in Spinoza münde und sich dann durch ihn in den Strom der modernen Gedankenrichtung ergieße. Näheres hierüber in seinen Schriften: „Spinoza’s theologisch-politischer Tractat“ (1870), „Zur Genesis der Lehre Spinoza’s, mit besonderer Berücksichtigung des kurzen Tractates von Gott, dem Menschen und dessen Glückseeligkeit“ 1871. Hervorzuheben sind noch Joel’s Schriften: „Vortrag über das Buch Daniel“ (1873), „Etwas über die Bücher Sefra und Sifre“ (1873), „Religionsgeschichtliche Zeitfragen“ (1876), „Beiträge zur Geschichte der Philosophie“ (1876), „Mein aus Veranlassung eines Processes abgegebenes Gutachten über den Talmud in erweiterter Form herausgegeben“ (1877), „Juden und Christen in den ersten Jahrhunderten der römischen Caesaren“ (1879), „Blicke in die Religionsgeschichte. I. und II. Abtheilung“ (1880–83), welche auch wichtige Materialien zur neutestamentlichen Zeitgeschichte enthalten. Sein Leichenbegängniß fand am 6. November 1890 unter ungemein großer Betheiligung statt und hat auch bei demselben der 1884 in Deutschland ins Leben gerufene Rabbinerverband der Trauer um seinen ersten verdienstvollen Vorsitzenden würdigen Ausdruck gegeben.