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ADB:Jacobi, Theodor

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Artikel „Jacobi, W. A. Theodor“ von Wilhelm Scherer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 599–600, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jacobi,_Theodor&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:45 Uhr UTC)
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Jacobi: W. A. Theodor J., deutscher Philolog. Geb. den 31. Januar 1816 zu Neisse in Schlesien und auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt vorgebildet, bezog er im Herbst 1834 die Universität Breslau und wandte sich von juristischen Studien zu geschichtlichen, litterarischen, philologischen, die er seit Ostern 1837 in Berlin fortsetzte. Von Wachler und Stenzel angeregt und in seinen ersten Schritten geleitet, erhielt er jetzt von Ranke und Lachmann die entscheidende Ausbildung. Im August 1839 promovirte er zu Breslau mit einer Dissertation über den Reimchronisten Ottokar. Einige Wochen darauf habilitirte er sich ebendaselbst, und seit dem Sommer 1840 hielt er Vorlesungen, unter andern über Kulturgeschichte des Mittelalters, über Litteraturgeschichte des 18. Jahrhunderts, über Goethe, über deutsche, angelsächsische, altnordische Grammatik und über vergleichende Grammatik. Ende 1843 wurde er außerordentlicher Professor zu Breslau und blieb es, bis er am 23. Febr. 1848 starb. In ihm ward eine wissenschaftliche Kraft ersten Ranges dahingerafft, ehe sie ihr Bestes geben konnte. Der Kreis seiner Vorlesungen bezeichnet den Kreies seiner wissenschaftlichen Interessen und die Ziele, denen er zustrebte. Der Geschichte im engsten Sinne diente außer der Schrift über Ottokar (De Ottocari chronico austriaco, Vratisl. 1839), welche den Grund zur Kritik der steirischen Reimchronik legte und noch heute geschätzt wird, nur der „Codex epistolaris Johannis regis Bohemiae“ (Berlin 1841), dessen Einleitung nach culturhistorischen Ergebnissen strebte. Aber ein geschichtlicher Gesichtspunkt und der Trieb nach genauer historischer Erkenntniß blieb ihm auch in seinen sprachlichen Studien. Wo Jacob Grimm das Ursprüngliche suchte, da wollte er den Fortschritt erkennen. Wenn bei Jacob Grimm mehr der formelle Verfall der Sprache im Vordergrunde stand, so wollte er auf die damit Hand in Hand gehende geistige Vervollkommnung den Accent legen. Er war der erste deutsche Philolog, der vom Boden der vergleichenden Grammatik aus die Forschungen Jacob Grimm’s weiterzubilden unternahm. Er suchte nicht bloß von Grimm und Bopp, sondern auch von Wilhelm von Humboldt und K. F. Becker zu lernen. Er erkannte den Vortheil, den die grammatische Lautlehre aus der physiologischen ziehen kann. Er verband die linguistischen und altdeutschen Studien mit dem Studium der neueren und neuesten deutschen Litteratur. Er hat „Beiträge zur deutschen Grammatik“ (Berlin 1843) und „Untersuchungen über die Bildung der Nomina in den germanischen Sprachen“ (erstes Heft, Breslau 1847), aber auch über Goethe („Tasso und Leonore, oder welchen Stoff hatte Goethe?“ in Prutz’ Litterarhistor. Taschenb. 1848) und über Friedrich von Sallet (in dem Buch: „Leben und Wirken Friedrichs von Sallet, herausgegeben von einigen Freunden des Dichters“, Breslau 1844) geschrieben. Und überall suchte er von den Erscheinungen zu [600] den Ursachen derselben vorzudringen. „Jetzt thut es noth“, sagte er, „in die historische Grammatik die Physiologie und die Philosophie hineinzutragen, dem märchenhaften „es war einmal“ Grenzen zu setzen, und was äußerlich geschieht, aus dem geistigen Processe, der es hervorruft, oder aus der Beschaffenheit der menschlichen Organe zu erklären“. Sein wichtigstes Werk sind die genannten „Beiträge“. Das kleine Buch von kaum 200 Seiten enthielt drei Abhandlungen; jede war in ihrer Art ein Meisterstück und jede wäre in ihrem Gebiet „epochemachend“ zu nennen, wenn das Wort nicht von der litterarischen Reclame so mißbraucht würde. Die erste über den Ablaut löste das Problem nicht, dem sie galt, gab aber principiell ein bedeutendes Vorbild für die Anwendung der Lautphysiologie auf die Erkenntniß des Vocalismus, wie sie etwas früher von Rudolf von Raumer für die Erkenntniß des Consonantismus verwerthet worden war. Die zweite Abhandlung wies den Weg zu chronologischen Bestimmungen in der Geschichte des althochdeutschen Vocalismus und fand nebenbei den Begriff der psychologischen Anticipation für die Erklärung des Umlautes. Die dritte suchte in der Betrachtung der schwachen Conjugation von den Unterschieden der Form aus tiefer in die Bedeutung einzudringen, wo an einen Unterschied der Bedeutung noch gar nicht gedacht worden war. Ebenso faßten die Untersuchungen über die Bildung der Nomina sogleich auch die Bedeutung der Suffixe schärfer ins Auge, als es bis dahin geschehen war und steckten dadurch der Stammbildungslehre neue Ziele. Die Wirkung dieser Schriften war zunächst gering. Später jedoch hat ihnen die verdiente Anerkennung nicht gefehlt, wenn auch das Beispiel, das sie gaben, zum Theil bis heute noch nicht genug zur Nacheiferung anspornte.

Vgl. Weinhold in der Zeitschr. für deutsche Philologie 5, 85–98.