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ADB:Huber, Victor Aimé

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Artikel „Huber, Victor Aimé“ von Rudolf Elvers in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 249–258, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Huber,_Victor_Aim%C3%A9&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:20 Uhr UTC)
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Huber: Victor Aimé H., zuerst bekannt geworden durch litterarische Arbeiten über die Zustände, Litteratur und Geschichte von Spanien, Portugal, Frankreich und England, – dann als journalistischer Vorkämpfer der conservativen Partei Preußens und endlich als unermüdlicher Arbeiter auf dem Gebiet der innern Mission und der auf Abhülfe der Noth der untern Klassen gerichteten socialen Bestrebungen, – ist ein Sohn von Ferdinand und Therese H. (siehe diese) und am 10. März 1800 in Stuttgart geboren. Die französische Sprache, welche sich während des Aufenthalts seiner Eltern in der französischen Schweiz in deren Hause eingebürgert hatte, war die Sprache seiner ersten Kindheit und wurde durch die deutsche Sprache erst verdrängt, als die Mutter nach dem in seinem fünften Jahre erfolgten Tode des Vaters zu einem Verwandten in die Gegend von Ulm auf das Land gezogen war. Im Frühjahr 1806 kam er nach Hofwyl, um mit den Kindern von Emanuel von Fellenberg (Bd. VI S. 612), einem Freunde seines Vaters, erzogen zu werden; als 1808 Fellenberg seine lang geplante Erziehungsanstalt für Söhne höherer Stände zur Ausführung brachte, trat H. als erster Schüler in dieselbe ein und blieb dort bis zum Herbst 1816. – Fellenberg’s vielseitige und rastlose Thätigkeit war von dem Gedanken getragen, die Jugenderziehung müsse so gestaltet sein, daß sie einen reformatorischen Einfluß auf die öffentlichen Zustände ausübe, und er hatte seine reichen Mittel diesem Ziele dienstbar gemacht. Es war ihm auch gelungen, bedeutende Männer zu Mitarbeitern zu gewinnen und Hofwyl zu einem Sammelpunkt für viele Freunde philanthropischer Bestrebungen zu machen. Das Alles blieb nicht ohne nachhaltigen Einfluß auf Huber’s Entwickelung, zumal ihn auch die Mutter bei ihren zahlreichen und langen Besuchen in Hofwyl und in ihren ausführlichen Briefen zu einer idealen und die Förderung des Gemeinwohls als Zweck des Daseins hinstellenden Lebensauffassung hinzuleiten suchte. Dagegen entfremdete er sich dort den engen bürgerlichen Verhältnissen Deutschlands, in denen er nach dem Wunsch der Mutter dermaleinst leben sollte, und seine [250] wissenschaftliche Ausbildung wurde unter den mancherlei Experimenten, deren die dortige, damals noch unfertige, im Wesentlichen von Pestalozzi beherrschte Methode noch bedurfte, nicht genügend gefördert. Auch wurde er schon frühe daran gewöhnt, seinen Lehrern und seiner ganzen Umgebung gegenüber scharfe Kritik zu üben, zumal als die frühere Freundschaft seiner Mutter zu Fellenberg und zu dessen Kreise einem schweren Mißverhältniß Platz machte, durch welches die Mutter verleitet wurde, sich vielfach mit scharfem Tadel über das Hofwyler Treiben auch ihrem jungen Sohne gegenüber auszusprechen. H. selbst kam in einen lang dauernden schweren Conflikt mit Fellenberg, weil er sich nicht, wie dieser forderte, dazu verpflichten wollte, seine Kräfte für immer den Fellenberg’schen Unternehmungen zu widmen, und dieser Conflict, in welchem auch der erst sechzehnjährige H. leidenschaftlich erregt ward, führte zu seinem plötzlichen Ausscheiden aus der Anstalt.

Trotz seines jugendlichen Alters und seiner noch ungenügenden Vorkenntnisse bezog er nunmehr die Universität Göttingen, wo er bis zum Frühjahr 1820 im Hause seiner Stiefgroßmutter Heyne verblieb. Er sollte zunächst unter Leitung seiner Verwandten Heeren und Blumenbach seine allgemeine Ausbildung vervollständigen und dann Medicin studiren. Für einige Zeit vermochten ihn die Naturwissenschaften zu fesseln, so daß er sie mit lebhaftem Interesse betrieb; bald aber wurden sie durch die Neigung zurückgedrängt, die Kenntniß möglichst vieler neuerer Sprachen zu erwerben und sich eingehend mit Poesie und volksthümlicher Litteratur zu beschäftigen. Schon frühe regte sich das Schriftstellerblut. Nachdem er bereits 1819 eine Uebersetzung von: „Medical logic“ von Sir Gilbert Blanc herausgegeben hatte, bearbeitete er spanische Romanzen, für die er aber erst 1821 einen Verleger fand. Sie erschienen anonym unter dem Titel: „Sammlung spanischer Romanzen aus der früheren Zeit“ bei Sauerländer in Aarau. – Voll Mißbehagen über die ihn umgebenden gesellschaftlichen und staatlichen Zustände begeisterte er sich für den Gedanken, an den seit 1820 in Spanien durch Riego angefachten Kämpfen auf Seiten der Liberalen Theil zu nehmen, und es bedurfte der ernstesten Vorstellungen der Mutter, um ihn zu bestimmen, daß er zunächst sein medicinisches Studium abschließe. Zur Wahrung seiner baierischen Staatsangehörigkeit brachte er den Sommer 1820 auf der Universität Würzburg zu und wurde dort zum Doctor der Medicin promovirt. In dem darauf folgenden Winter, den er bei der Mutter in Stuttgart verlebte, gab er seine Dissertation: „De lingua et osse hyoideo pici viridis“ heraus. Im Frühjahr 1821 ging er nach Paris, von wo er sich im Herbst nach Spanien begab, um dort die nächsten anderthalb Jahre meistens in Madrid, zum Theil auch in den großen Städten des Südens zuzubringen. Nachdem er im Sommer 1823 einige Monate in Portugal geweilt hatte, reiste er über Hamburg nach Edinburg und kehrte endlich nach einem mehrwöchentlichen Aufenthalt in London im Sommer 1824 nach Deutschland zurück. Der nächste Zweck seiner Reisen, die Vollendung seiner medicinischen Ausbildung, war schon in Paris in den Hintergrund getreten und kam erst in Edinburg wieder einiger Maßen zur Geltung. Kunst und Litteratur, zumal die volksthümliche der Spanier und Schotten übten eine größere Anziehungskraft auf ihn aus, und die damaligen politischen Kämpfe der von ihm besuchten Länder nahmen seine lebhafteste Theilnahme in Anspruch. In Paris ward er durch die alten Freunde seiner Eltern, namentlich durch Benjamin Constant in die Kreise der Führer der liberalen Opposition eingeführt. Von ihnen ward er mit warmen Empfehlungen an die politischen Freunde in Madrid versehen und war dadurch in den Stand gesetzt, so weit es einem Fremden in Spanien überhaupt möglich war, sich thätig an den politischen Vorgängen zu betheiligen. Begeisterter Anhänger der entschiedenen Liberalen, der Exaltados, hat er einige Zeit einem [251] besonders prononcirten Corps der Madrider Bürgerwehr angehört. Daß bald nach seinem Fortgang aus Spanien die ganze constitutionelle Herrlichkeit in Folge des Einmarsches der Franzosen, den H. für unmöglich gehalten hatte, ohne ernsten Kampf zusammenbrach, gehörte zu seinen bittersten Lebenserfahrungen. Den Zusammenbruch der portugiesischen Verfassung, den er in Lissabon erlebte, und den er später in seinen Skizzen aus Spanien drastisch geschildert hat, ertrug er mit größerem Gleichmuth. Wenn er auch zunächst dem portugiesischen Volksthum die Schuld für die Erbärmlichkeit des ganzen Vorganges glaubte auferlegen zu können, so begann doch auch allmälig die Ueberzeugung in ihm Raum zu gewinnen, daß nicht allein von dem Vorhandensein liberaler Institutionen das Glück oder Unglück eines Landes abhänge, und er richtete mehr und mehr seine Aufmerksamkeit auf die socialen Zustände der einzelnen Länder.

In Paris hatte er schon damit begonnen, allerlei kleine Bilder aus dem Volksleben, wie sie ihm hier und da auf den Straßen entgegengetreten waren, festzuhalten und zur Erheiterung der Mutter zu Papier zu bringen. Diese „Guckkastenbilder“, unter welchem Titel die Mutter sie im Morgenblatt zum Abdruck brachte, dürften in unserer Litteratur zu den ersten Versuchen gehören, durch Darstellung des alltäglichen Lebens der Armen und Niedrigen unsere Kenntniß von dem geistigen Leben eines fremden Volkes zu ergänzen, und sie gewannen für Huber’s weitere Schicksale noch dadurch besondere Bedeutung, daß sie Cotta’s Aufmerksamkeit auf ihn lenkten und denselben bestimmten, seine weiteren Reisen durch pekuniäre Beihülfe zu ermöglichen. Die Cotta’schen Zeitschriften, namentlich das Morgenblatt, brachten demnächst mancherlei Berichte über künstlerische, sociale und politische Verhältnisse der von ihm bereisten Länder. Die ausgereiften Früchte seiner Reisen brachten aber erst die von 1828 bis 1833 in drei Theilen erschienenen „Skizzen aus Spanien“, ein Werk, welches bei den Zeitgenossen reichen Beifall fand, mehrmals aufgelegt und ins Französische, Englische und Holländische übersetzt ist, aber auch einen dauernden Werth in der Litteratur beanspruchen kann, da es in geschmackvoller Novellenform ein lebensgetreues Bild des Fühlens und Denkens der einzelnen Stände Spaniens giebt.

Vom Sommer 1824 ab bis dahin 1825 weilte H. zuerst in Göttingen, dann in Augsburg im Hause der Mutter und in München. Er wollte sich jetzt mit aller Energie in die Arzneiwissenschaft einarbeiten und unternahm zunächst eine medicinisch-historische Arbeit, für welche er seine Sprachkenntnisse verwerthen und viele alte Chroniken studiren konnte. Sie erschien 1825 bei Cotta unter dem Titel: „Bemerkungen über die Geschichte und Behandlung der venerischen Krankheiten“. Nach deren Beendigung rüstete er sich zum Bestehen der Staatsprüfung für Aerzte in Baiern. Sein Bildungsgang und seine dadurch bedingte Eigenart stachen aber zu sehr von der gewohnten Weise ab, so daß er mancherlei Anstoß nicht vermeiden konnte und endlich zu der Ueberzeugung gelangte, daß Neigung und Vergangenheit ihn auf andere Wege, als auf den ärztlichen Beruf hinwiesen. Er entschloß sich daher, sich ganz historischen und sprachlichen Studien zu widmen und zunächst von dem Ertrage seiner Feder zu leben. Er weilte zuerst in Augsburg, dann in Paris und London und kehrte im Sommer 1826 nach Göttingen zurück, wo er bis zum Sommer 1828 blieb. Das anfängliche Dienstverhältniß zu Cotta, für dessen Zeitschriften er thätig war, und der ihm zeitweilig die Redaction der politischen Annalen übertrug, löste sich bald, da H. nicht die ihm erforderlich erscheinende Unabhängigkeit zu finden glaubte. Neben zahlreichen größeren Aufsätzen und Recensionen schrieb er in dieser Zeit die „Geschichte des Cid Ruy Diaz Campeador von Bivar. Nach den Quellen bearbeitet“, welche 1829 erschien.

[252] Um einen festen Lebensberuf zu gewinnen, übernahm er im Herbst 1828 eine Stellung als Lehrer der Geschichte und der neueren Sprachen an der Handelsschule in Bremen, nachdem er zuvor eine mehrmonatliche Reise durch Italien als Begleiter eines kränklichen jungen Mannes gemacht hatte. Von der Handelsschule ging er demnächst an das Gymnasium über, in dessen oberen Klassen er Unterricht ertheilte und bald die Liebe und Anerkennung der Schüler gewann. Ostern 1833 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor der neueren Litteratur und Geschichte nach Rostock und ging von dort im Herbst 1836 in gleicher Eigenschaft nach Marburg, wo er bis zu seiner im Herbst 1843 erfolgten Uebersiedelung nach Berlin blieb. Soweit die engen Verhältnisse der Universitäten Rostock und Marburg es gestatteten, gelang es ihm, Theilnahme für seine von dem Brodstudium abgelegenen Fächer unter den Studirenden zu gewinnen und in seiner Lehrthätigkeit Befriedigung zu finden. Er gab heraus: „Spanisches Lesebuch, Auswahl aus der classischen Litteratur der Spanier in Prosa und Versen nebst kurzen biographischen und litterarischen Nachrichten und einem vollständigen Wörterbuch“ 1832, – „Handbuch der englischen Poesie“ 1833, – „Die neuromantische Poesie in Frankreich und ihr Verhältniß zu der geistigen Entwickelung des französischen Volkes“ 1833, – „Beiträge zur Kritik der neusten Litteratur“ 1837, – „Die englischen Universitäten, eine Vorarbeit zur englischen Litteraturgeschichte“, 2 Bde. 1839 und 1840, – ein Werk, welches von Newmann ins Englische übersetzt und in England viel genannt ist. – „Chronica del famoso cavallero Cid Ruydiez Campeador“, 1844 mit einer spanisch geschriebenen historisch-litterarischen Einleitung – und „De primitiva cantilenarum popularium epicarum [vulgo Romances] apud Hispanos forma“, 1844.

Diese wissenschaftlichen Arbeiten hinderten ihn aber nicht, die Entwickelung der öffentlichen Angelegenheiten mit lebhafter Theilnahme zu verfolgen. Obwol er die Pariser Julirevolution von 1830 als gerechte Vergeltung für vorgekommenen Rechtsbruch und als das Ende einer in sich unwahren Herrschaft von Fanatismus freudig hatte begrüßen und dem Verzweiflungskampfe der aufständischen Polen seine herzliche Sympathie hatte schenken können, so entfernte er sich doch immer mehr von den Bestrebungen des damaligen deutschen Liberalismus und gelangte immer entschiedener zu der Ueberzeugung, daß von der Herrschaft der liberalen Partei und von den von ihr vorgeschlagenen Mitteln, namentlich von der Beschränkung des Staatsoberhauptes mittelst Verfassungsparagraphen eine freiheitliche und gesunde Entwickelung des Volkslebens nicht zu erwarten sei; er empfahl dagegen, daß man das Gemeinde- und überhaupt alles Corporationsleben reich ausgestalte und ihm möglichst freie Bewegung gewähre, daneben sich aber immer die rechtliche Möglichkeit bewahre, bei außerordentlichen Wirrnissen und Stockungen des Staatslebens mittelst der absoluten Gewalt des Fürsten Heilung bringen zu können. Auch die Stellung, welche er jetzt zu den religiösen Dingen einnahm, wirkte auf seine politischen Anschauungen ein. Er war zunächst ohne Anschluß an eine bestimmte Confession aufgewachsen, indem der Vater seiner katholischen Kirche ebenso entfremdet gewesen war, wie die Mutter ihrer lutherischen. Als in seinen Jünglingsjahren Mutter und Erzieher von ihm forderten, daß er sich um seiner äußern Lebensstellung willen einer bestimmten Confession anschließe, verhielt er sich durchaus ablehnend und glaubte lange Zeit, in einem unbestimmten Deismus völlig Genüge finden zu können. Allmälig war er aber dazu gekommen, sich eingehender mit Glaubensfragen zu beschäftigen, und zwar zum Theil von Freunden angeregt, denen diese Fragen zu Lebensfragen geworden waren, zum Theil durch die Erwägung geleitet, daß wer das Volksleben verstehen wolle, auch an dem wichtigsten Factor desselben nicht theilnahmlos vorübergehen dürfe. Ein dringendes Bedürfniß nach [253] einem geistigen Halt und Trost kam hinzu, das umsomehr wuchs, je theilnahmvoller und empfänglicher er für den Schmerz aller Unterdrückten und Unglücklichen wurde. In den ersten Jahren seines Aufenthalts in Bremen gelangte er, nachdem er sich mit Eifer dem Studium der Bibel und der Werke Luther’s hingegeben hatte, zu der Gewißheit, daß er in dem Glauben der evangelischen Kirche den von ihm gesuchten Trost finden werde, und er hat lebenslänglich daran festgehalten. Gegen den damals noch herrschenden Rationalismus zog er mit scharfen Waffen zu Felde und stand nicht an, sich zu den christlich-gläubigen Kreisen und den von ihnen unternommenen Liebeswerken öffentlich zu bekennen. Der Umstand, daß er in Bremen zunächst der dortigen reformirten Kirche beigetreten war, hinderte ihn nicht, sich später in Rostock und Marburg zu den dortigen lutherischen Landeskirchen und demnächst nach seiner Uebersiedelung nach Berlin zur preußischen Landeskirche zu halten. Seinen politischen und religiösen Ueberzeugungen hat H. während seines Aufenthalts in Bremen, Rostock und Marburg in zahlreichen Aufsätzen und Recensionen Ausdruck gegeben, welche in verschiedenen Zeitschriften, namentlich in den von Brockhaus herausgegebenen Blättern für litterarische Unterhaltung erschienen sind, sowie in einzelnen besonderen Schriften. Dahin gehören die Brochüren: „Ueber die Feier des achtzehnten Octobers“, 1831, und: „Einige Zweifel und Bemerkungen gegen einige Ansichten über die teutschen Universitäten, deren Verfall und Reform“, 1834, eine sehr entschiedene Streitschrift gegen die auf den Wiener Ministerialconferenzen geplanten Angriffe auf die akademische Freiheit. In Rostock[1] gab er auch 1834 eine besondere Zeitschrift heraus: „Mecklenburgische Blätter“, die das Verständniß für vaterländische Geschichte, Litteratur und Kunst wecken und den berechtigten Localpatriotismus pflegen sollte. Die Schwierigkeiten, welche die Censur ihm bereitete, veranlaßten ihn, das Unternehmen nach Jahresfrist aufzugeben.

Zu einer praktischen Bethätigung seiner Auffassung von dem Werthe selbständiger Corporationen fand er Gelegenheit, als die mecklenburgische Regierung in die bis dahin bewahrte Unabhängigkeit der Universität eingriff und schließlich deren seitherige Verfassung im Verwaltungswege beseitigte. Die scharfe Opposition, in die er sich dadurch gedrängt sah, wurde der Grund, daß er Rostock bald verließ. Demnächst als Vertreter der Universität Marburg in die kurhessische Ständeversammlung entsandt, war er dort eben so sehr bemüht, jedem Verfassungsbruch, wie er kurz zuvor in Hannover stattgefunden hatte, vorzubeugen und die Regierung von Eigenmächtigkeiten zurückzuhalten, als auch der kleinlichen Nergelei entgegenzutreten, die seiner Meinung nach auf Seiten der Stände geübt wurde, und das Verhältniß zwischen Fürst und Volk verbitterte. Nachdem er sich fast ein Jahr lang in diesem Sinne bemüht hatte und zu der Ueberzeugung gelangt war, daß er auf keiner Seite Verständniß für die von ihm gewünschte Weise der Geschäftsbehandlung finde, legte er im Widerspruch mit den ihm ausgesprochenen Wünschen des Regenten sein Mandat nieder.

Als nach dem 1840 erfolgten Regierungsantritt des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die Wogen der Politik in Deutschland höher zu schlagen begannen und die Jung-Hegel’sche Schule gar laut ihre Stimme erhob, um, wie H. meinte, die sittlichen Grundlagen von Staat, Kirche und Gesellschaft zu untergraben, fühlte er sich gedrungen, alle noch gebundenen und unthätigen, erhaltenden Kräfte des Staates zum Kampf gegen die von dorther drohenden Gefahren aufzurufen und zur Bildung einer selbständigen conservativen Partei aufzufordern, die nicht, wie es seither geschehen, allein der Regierung den Kampf gegen die destructiven Mächte überlassen, sondern selbständig und unabhängig auf dem Kampfplatz erscheinen sollte. In diesem Sinne ließ er die Brochüren ausgehen: „Ueber die Elemente, die Möglichkeit oder Nothwendigkeit einer conservativen [254] Partei in Deutschland“, 1841, und: „Die Opposition“, 1842. Da er hier bestimmt ausgesprochen hatte, daß er in Preußen den Hort und Schutz Deutschlands sehe, und daß er für Preußen die Führung in Deutschland fordern müsse, so hatte er allerlei Angriffe von ultramontaner Seite zu erfahren, die er in einer weiteren Brochüre: „Was wollen eigentlich die Münchener historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“ 1843, zurückwies. Gegen die Anglomanen, welche die deutschen Zustände nach englischem Muster eingerichtet haben wollten, richtete sich die Brochüre: „Zur vergleichenden Politik. I. Die englische Verfassung und ihr it works well!“ 1843. Huber’s Ausführungen und Forderungen, welche der Zeit weit vorausgingen, fanden damals bei dem großen Publikum nur wenig Beachtung und Verständniß. Aber Friedrich Wilhelm IV., mit dessen Gedanken und Plänen sie vielfach zusammen trafen, ward dadurch zu dem Entschlusse bestimmt, eine unabhängige conservative Zeitschrift ins Leben zu rufen, welche den liberalen Organen, namentlich den Ruge’schen Hallischen Jahrbüchern entgegen zu wirken vermöge, und H. die Leitung dieser Zeitschrift zu übertragen. Zunächst erfolgte unter der Vermittlung von Radowitz seine Berufung für eine um seinetwillen neu gegründete Professur der abendländischen Sprachen an der Berliner Universität, der er im Herbst 1843 Folge leistete. In Berlin erwartete ihn mancher schwere Mißerfolg. Während er selbst den Schwerpunkt seiner ganzen Stellung nach wie vor in seinem akademischen Amte finden zu müssen glaubte und dem Rufe in der Meinung gefolgt war, daß er ihn hauptsächlich seinen wissenschaftlichen Arbeiten verdanke, empfing ihn die gelehrte Welt Berlins mit Mißtrauen, weil es bekannt geworden war, daß man ihm die Professur um politischer Zwecke willen übertragen habe. Das Ungenügende der Form seines Vortrags, welche er auf den kleinen Universitäten einem rein auf das Sachliche gerichteten Zuhörerkreise gegenüber vernachlässigt hatte, und welche dem jetzt aus Neugierde zusammenströmenden und mißgünstig gestimmten großen Publikum gegenüber sehr scharf hervortrat, wurde als Waffe benutzt, um ihm jede wissenschaftliche Bedeutung abzusprechen, und es gelang ihm erst im Laufe der Jahre allmälig dies Vorurtheil zu überwinden und einen kleinen Kreis strebsamer Schüler festzuhalten. Sein des Mißerfolges wegen wiederholt eingereichtes Abschiedsgesuch ward nicht angenommen.

Nachdem er den Sommer 1844 zu einer Informationsreise durch die westlichen Provinzen, und durch Belgien, England und Frankreich benutzt hatte, trat mit dem Jahre 1845 die neue Zeitschrift unter dem Titel: „Janus, Jahrbücher deutscher Gesinnung, Bildung und That“ ins Leben. Sie erschien bei Wilhelm Besser in Berlin in vierzehntägigen Heften. Obwol die Kosten derselben, was jedoch als Geheimniß galt, vom Staatsschatz getragen wurden, erfreute sie sich dennoch einer vollständigen Unabhängigkeit, so daß es dem Ermessen des Redacteurs anheimgestellt blieb, welche Stellung er den einzelnen Tagesfragen gegenüber einnehmen wollte. Dafür blieb aber auch jede amtliche Förderung aus, auf die gehofft war, und die in Aussicht gestellte Mitwirkung eines großen Kreises von wissenschaftlichen oder staatsmännischen Notabilitäten erwies sich ebenfalls als eine Illusion. Trotz einiger Beiträge, die ihm von bedeutenden Männern zugingen, war H. im Großen und Ganzen auf die eigenen Kräfte angewiesen. Dennoch sind die erschienenen sieben Bände des Janus reich an einer Menge tüchtiger Arbeiten und umfassen die verschiedensten Gebiete des Wissens. Aber leider war Huber’s Stil, der in seinen Jugendarbeiten leicht und fesselnd gewesen war, unter der gelehrten Arbeit und bei dem Streben, sich von jeder Uebertreibung frei zu halten, mehr und mehr schwerfällig geworden, und hatte grade damals, bei der ihm obliegenden Vielarbeit seine schlimmste Periode; er verstand es daher nicht, seine tiefen und oft durch Neuheit überraschenden [255] Gedanken in eine der Menge leicht faßliche und sie anziehende Form zu kleiden. Mit scharfem Blick sah er die kommenden Entwickelungen mit ihren schweren Gefahren für die Bildung und Freiheit voraus, so daß seine Vorherverkündigungen nach Jahren in oft überraschender Weise eingetreten sind, aber die Mittel, die er dagegen angewendet haben wollte, waren für ihre Zeit so fremdartig und standen mit dem damaligen Denken und Fühlen so wenig in Einklang, daß niemand ernstlich ihre Durchführung unternehmen mochte. Er blieb unverstanden, wenn er die constitutionellen Ideale, welche die Zeit beherrschten, mit scharfen Waffen angriff und dagegen auf die sociale Frage, als auf die brennende Frage der Zukunft hinwies und in Beziehung auf sie schöpferische Thaten von den oberen Klassen der Gesellschaft forderte. Auch die Maßregeln der Regierung, einschließlich die der äußern Politik erfuhren gelegentlich seine ernste Mißbilligung.

Die Märztage von 1848 brachten dieser eigenartigen officiösen Zeitschrift, die immer nur einen wenig zahlreichen Leserkreis gehabt hatte, ein jähes Ende. Die damaligen Ereignisse hatten H. nicht unerwartet getroffen; dennoch erregten sie ihn auf das Tiefste, jedoch ohne ihn muthlos zu machen und zur Unthätigkeit zu veranlassen. Er hoffte vielmehr, daß nunmehr in weiten Kreisen Verständniß dafür erwachen werde, was dem Vaterlande Noth thue, und suchte durch Vereine, Flugblätter und Brochüren die Sammlung der Conservativen und die Aufraffung derselben zu entschiedenen Thaten herbeizuführen. Er betheiligte sich deßhalb auch an den ersten Schritten für Begründung der Kreuzzeitung. Gar bald aber kam es ihm zum Bewußtsein, daß sich seine Wege von denen der Kreuzzeitungspartei scheiden mußten, zumal seitdem die Revolution niedergeworfen war. Er beschuldigte sie, daß sie den Sieg nur benutze, um ihr Parteiregiment aufzurichten, und daß sie somit beitrage, das alte königliche Regiment durch den Parlamentarismus zu verdrängen. Auch war er unzufrieden, daß man das deutsche Gemeinwesen ohne Oesterreich ordnen und den Föderalismus nicht als die einzige, der deutschen Art entsprechende Form des deutschen Gemeinwesens anerkennen wollte. In diesem Sinne schrieb er nicht nur eine Reihe von Artikeln für die Kreuzzeitung, sondern auch, als die Differenz mit ihr zu groß wurde, besondere Brochüren, so: „Suum cuique in der deutschen Frage“, December 1849, – „Berlin, Erfurt, Paris“, April 1850, – und „Recht, Ehre, Vortheil in der deutschen Frage“, November 1850. Der Hauptvorwurf, welchen er der Kreuzzeitungspartei machte, war aber, daß sie kein Herz und kein Verständniß für die sociale Frage habe und ihn nicht unterstütze, wenn er in dieser Beziehung auf rettende Thaten dringe. Daß er hier auch von allen anderen seitherigen Freunden und namentlich auch von denen, mit welchen er sich in Betreff des kirchlichen Standpunktes eins wußte, in Stich gelassen wurde, war für ihn so schmerzlich, daß er sich ganz aus den seitherigen Verhältnissen zurückzuziehen und nur den socialen Bestrebungen zu leben sich entschloß. Er legte deßhalb 1851 seine Professur nieder und siedelte demnächst nach Wernigerode im Harz über, wo er sich ein Haus hatte bauen lassen. Vorher ließ er noch eine Brochüre ausgehen: „Bruch mit der Revolution und Ritterschaft“, 1852, in welcher er die Gründe, welche ihn von der preußischen conservativen Partei schieden, scharf hervorhob und seine Stellung vertheidigte. Von da ab ist er nur noch vereinzelt, wenn die Wogen besonders hoch gingen, auf das Gebiet der Politik zurückgekehrt, so in der Zeit der preußischen sogenannten neuen Aera nach dem Regierungsantritt des Königs Wilhelm mit der Brochüre: „Die Machtfülle des altpreußischen Königthums und die conservative Partei“, 1862, und später mit der Brochüre: „Zur Schleswig-Holsteinischen Frage“, 1863. In der letzteren Schrift forderte er im Gegensatz zu den damaligen Stimmführern der [256] conservativen Partei sehr energisch Preußens Eintreten für Deutschlands Recht und Ehre, selbst auf die Gefahr hin, daß dadurch ein Weltkrieg entzündet werde.

Der Schwerpunkt seines Interesses und seiner Thätigkeit lag aber fortan auf dem Gebiet der socialen Fragen. Bei dem offnen Blick, den er von Jugend an in den von ihm besuchten Ländern für die gesellschaftlichen Gliederungen und namentlich für die Lage der Armen gehabt hatte, war es ihm bei seiner Reise durch England 1844 zur Gewißheit geworden, daß die gewerbliche Produktion, welche mehr und mehr in den Fabrikbetrieb übergehen werde, nicht mehr ohne schroffe Uebergänge von der Ueberproduktion zur Verdienst- und Arbeitslosigkeit der großen Arbeitermassen möglich sei, und daß es daher darauf ankomme, diese Massen für solche Zeiten der Stockung vorzubereiten und zur Ertragung derselben stark zu machen. Er glaubte das hauptsächlichste Hinderniß für eine gedeihliche Entwickelung der ökonomischen Lage der Arbeiter in der Ausbeutung zu finden, der sie Seitens der Kleinhändler und Wohnungsvermiether unterlägen, und er sah in der Association der Arbeiter ein Mittel, um sie ökonomisch unabhängig zu stellen und zugleich zur Sparsamkeit und Umsicht zu erziehen. Er wagte aber nicht zu hoffen, daß sie mit eigener Kraft ein solches Ziel erreichen könnten, und er forderte deßhalb von der Regierung und von der Geburts-, Geld- und Geistesaristokratie, daß sie mit Aufwendung von Millionen durch Gründung von Arbeiterquartieren, die mit allem Comfort ausgestattet seien, wie sie die neuen Erfindungen ermöglichten, und durch innere Colonisation solche Associationen ins Leben riefen und damit die dumpfen Wohnungen der Großstädte, in welchen bis dahin die Arbeiter zusammengepfercht seien, entvölkerten. Dabei betonte er nachdrücklich, daß er die Selbständigkeit des Familienlebens nicht beeinträchtigt sehen wolle, und daß er die sittliche und religiöse Hebung der unteren Stände für die Hauptsache halte, daß ihm aber die Verbesserung ihrer ökonomischen Lage als die Grundlage und Vorbedingung dafür erscheine. In dieser Gestalt hatte er seine Gedanken und Pläne schon in den vierziger Jahren und inmitten der politischen Kämpfe, in die er in Berlin gestellt war, und die sich fast ausschließlich um Verfassungsfragen drehten, wiederholt dargelegt, obwol er noch nirgends Verständniß und Anklang fand. Dabei hatte er nach allen verwandten Bestrebungen sorgfältig Ausschau gehalten und sich z. B. bei der Berliner gemeinnützigen Baugesellschaft lebhaft betheiligt. Die Erfahrungen von 1848 hatten ihn noch fester davon überzeugt, daß von der Lösung der socialen Fragen die Gestaltung der Zukunft abhänge, und durch die persönliche aufopfernde Bethätigung an vielen Werken der Barmherzigkeit, wie sie die damalige Zeit ins Leben rief, war er noch mehr zu einer unmittelbaren Anschauung der thatsächlich bestehenden Zustände gelangt und hatte sich überzeugt, daß neben jenen mehr abstracten socialen Idealen, für welche er seither eingetreten war, auch eine Menge näher liegender Hülfsmittel vorhanden seien, durch welche den unteren Ständen geholfen werden könne. Nachdem Wichern die innere Mission als eine Aufgabe der Zeit hingestellt hatte, trat auch Huber mit allem Nachdruck für sie ein, wie er auf der anderen Seite aber auch die Unternehmungen von Schulze-Delitzsch, soweit sie auf Hebung des kleinen Gewerbebetriebes auf dem Wege der Selbsthülfe mittelst der Genossenschaft gerichtet waren, nicht nur mit lebhaftem Interesse verfolgte, sondern auch gegen Anfeindungen politischer Gegner und polizeiliche Behinderungen mit großer Wärme vertheidigte. In Wernigerode rief er selbst eine Reihe von Unternehmungen, wie Vorschußverein, Lehrlingsschule, Herberge zur Heimath, Arbeitsschulen u. s. w. mit großen persönlichen Opfern ins Leben, welche dem Handwerkerstande dienen und im Sinne der innern Mission wirken sollten, und hat mit großer Treue und Hingabe bis an sein Lebensende daran gearbeitet. Seine Hauptaufgabe sah er aber darin, in der Presse und durch [257] persönliche Einwirkung nach außen hin für die Gedanken der Association und innern Mission einzutreten und zur thatsächlichen Durchführung derselben anzuregen. Zu diesem Zwecke folgte er mit Aufmerksamkeit den verwandten Bestrebungen aller Culturstaaten. Auf vielfachen Reisen durch Deutschland, Belgien, Holland, Frankreich und zumal durch England unterrichtete er sich über den Fortgang der dortigen Genossenschaften und knüpfte mancherlei Verbindungen an, so daß er lange bevor die Nationalökonomen von Fach auf diese Dinge aufmerksam wurden, gleichsam einen Sammelpunkt und eine Auskunftsstelle über alle auf dem Princip der Association beruhenden Unternehmungen bildete. Er war es z. B., der zuerst weitere Kreise auf die räthselhaften Erfolge der unter dem Namen Pioneers von Rochdale zusammengetretenen Gesellschaft von Fabrikarbeitern hinwies, die bis dahin selbst in England wenig bekannt geworden waren und durch H. zu einer europäischen Berühmtheit gelangten. Aus den verschiedensten Gegenden wurde sein Rath in Anspruch genommen und dort auf seine Anregung hin Genossenschaften oder Werke der innern Mission gegründet. Seine sehr zahlreichen größeren und kleineren Schriften aus den letzten beiden Decennien seines Lebens enthalten eine reiche Fundgrube für die Geschichte dieser Bestrebungen. Als die wichtigsten sind zu nennen: „Concordia, Blätter der Berliner gemeinnützigen Baugesellschaft“ Berlin 1849. „Reisebriefe aus Belgien, Frankreich und England im Sommer 1854“, 1855. „Concordia, Beiträge zur Lösung der socialen Fragen“; in zwangslosen Heften (6), Leipzig 1861–1862. „Sociale Fragen“ 1863–1869. „Noth und Hülfe unter den Fabrikarbeitern auf Anlaß der Baumwollensperre in England“, 1863. „Die Arbeiter und ihre Rathgeber“, 1863. „Zur Reform des Armenwesens“, 1867. Außer in vielen andern Brochüren hat er seine Ansichten und Erfahrungen in sehr zahlreichen Artikeln in den verschiedensten kirchlichen, nationalökonomischen und politischen Zeitschriften und Sammelwerken Deutschlands und hin und wieder auch in englischen und französischen Zeitschriften dargelegt. Außerdem hat er an manchen Orten Wandervorträge gehalten und auf vielen Congressen, wie denen für innere Mission, für Socialwissenschaften u. s. w. in Deutschland, Belgien und England geredet. Der Erfolg seiner Agitationen ward freilich durch die trotz aller Anstrengung niemals ganz überwundene Schwerfälligkeit seines Stils und seinen Mangel an Beredsamkeit geschmälert, aber die Würde seiner Persönlichkeit, die Ueberzeugungstreue, Selbstlosigkeit und Aufopferungsfähigkeit, die sich in seinen ganzen Auftreten aussprach, verfehlte nicht einen nachhaltigen Eindruck zu machen und ihm manche mit großer Liebe und Treue an ihm hangende Schüler zu gewinnen. Freilich, die Menge der Wohlhabenden und Gebildeten und die Machthaber im Staate für seine Ideen zu gewinnen und sie zu den von ihm geforderten rettenden Thaten anzutreiben, – ist ihm nicht gelungen, und er hat dort keinen Glauben gefunden, wenn er immer bestimmter die Gefahren vorhersagte, welche dem Gemeinwesen aus den Ideen erwachsen mußten, die bereits die Arbeitermassen zu beherrschen begannen, und hauptsächlich von der Bethätigung herzlichen Wohlwollens der oberen Stände für die unteren Hülfe erwartete. Nach seinem Tode hat auch das blödeste Auge die Richtigkeit seiner Vorherverkündigungen einsehen können, wie sich beispielsweise im Mai 1871 in Paris das Wort bewahrheitete, welches sich in dem letzten, von ihm geschriebenen, im Sommer 1869 in der deutschen Vierteljahrsschrift veröffentlichen Aufsatz findet: „Man vergesse nicht, daß die rothe Republik das furchtbarste elementarische Zerstörungsmittel bisher noch nicht angewendet hat – die Brandfackel. Warum sollte sie nicht ihre Brandgensdarmen haben, wie die polnische Insurrection ihre Hängegensdarmen?“

[258] Möge am Schluß noch ein Wort von ihm Raum finden, in welchem sich seine Auffassungsweise besonders scharf charakterisirt hat, und welches auch für künftige Zeit seine Bedeutung behält. Er schrieb 1868 in einem Aufsatz in der Augsburger Allgemeinen Zeitung: „Die sociale Frage ist vor Allem eine Bildungsfrage für alle dabei betheiligten sociellen Elemente. Sie ist dies vor Allem in ihrer sittlichen Bedeutung, und so lange nicht alle Bildungsanstalten und Bildungsmittel dahin wirken, das Bewußtsein eines socialen Berufs und damit verbundener Pflichten zu wecken und zu nähren, wie dies hinsichtlich des allgemein sittlich-religiösen und menschlichen und des politischen Berufs längst anerkannt ist – so lange hat unsere nationale Bildung eine höchst bedenkliche Lücke.“

Obwol er die letzten Lebensjahre kränkelte, blieb er bis zu seinem am 19. Juli 1869 in Wernigerode erfolgten Tod, in dem selbst gewählten Beruf rastlos thätig. Er war seit 1830 mit Auguste geb. Klugkist aus Bremen verheirathet. Seine Wittwe hat ihn überlebt. Kinder sind ihm nicht geschenkt worden.

Vgl. Victor Aimé Huber. Sein Werden und Wirken. Von Rudolf Elvers. 2 Theile. Bremen 1872 und 1874.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 253. Z. 23 v. o.: Die „Mecklenburg. Blätter“ erschienen zu Parchim 1834–35. [Bd. 15, S. 796]