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ADB:Heyfelder, Johann Ferdinand

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Artikel „Heyfelder, Johann Ferdinand“ von Ernst Gurlt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 369–371, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heyfelder,_Johann_Ferdinand&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 20:06 Uhr UTC)
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Heyfelder: Johann Ferdinand H., kaiserl. russischer wirklicher Staatsrath und Professor der Chirurgie zu Petersburg, wurde am 19. Jan. 1798 in Küstrin, wo sein Vater Deichinspector war, geboren. Im Alter von 16 Jahren bereits trug er die Waffen gegen Frankreich. Er studirte darauf Medicin in Berlin, Jena, Würzburg, Tübingen und Breslau, woselbst er am 15. März 1820 (mit der Dissertation „De prosopalgia Fothergilli“ etc.) zum Dr. med. promovirt wurde. Er bereiste dann das südliche Deutschland und Oesterreich und hielt sich ein Jahr lang in Paris auf, wurde daselbst mit einer Reihe der ersten Notabilitäten der Wissenschaft bekannt, mit denen er, so lange sie am Leben waren, in freundschaftlichem Verkehr blieb. Er erhielt dadurch die Gelegenheit, vielfach später als Vermittler deutscher und französischer Wissenschaft aufzutreten, eine Rolle, die ihm durch die Fertigkeit, mit der er französisch sprach und schrieb, sehr erleichtert wurde. Eine Frucht seiner Beobachtungen und Studien in den Pariser Hospitälern war eine kleine, einige Jahre später erschienene Schrift („Beobachtungen über die Krankheiten der Neugeborenen etc. nach eigenen Erfahrungen in den Hospitälern zu Paris“, 1825). Nachdem H. auch weiter noch den Westen und Süden von Frankreich bereist hatte, kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich in Trier als praktischer Arzt nieder. Er gewann bald eine ansehnliche Praxis, begründete durch Verheirathung eine Familie, die bald der Mittelpunkt eines anregenden Kreises wurde, zu welchem v. Ammon, Thelemann, Ernst v. Schiller, der Dichter v. Uechtritz, Delius und vorübergehend auch Wilibald Alexis gehörten. Neben seiner praktischen Thätigkeit war H. in der Zeit bis 1831 ein überaus fruchtbarer Schriftsteller, der namentlich seine in Frankreich gemachten Erfahrungen litterarisch verwerthete und die dortigen neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Medicin und Chirurgie seinen Landsleuten bekannt und nutzbar zu machen trachtete. Es finden sich aus dieser Zeit von ihm (namentlich in Harleß’ Rheinischen Jahrbüchern) Abhandlungen über die verschiedensten Gegenstände, auch Nekrologe französischer Celebritäten, ferner Artikel für das Berliner encyklopädische Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften und Aufsätze in Rust’s Handbuch der Chirurgie, endlich eine große Reihe von Recensionen in kritischen Journalen. – Als 1831 von Rußland her die Cholera in Deutschland eindrang und diese bis dahin in Europa unbekannte Geißel die Welt in Schrecken versetzte, wurden von allen Seiten Aerzte zum Studium derselben nach dem Osten Deutschlands und nach Rußland gesendet. So auch H., der, obgleich nicht beamteter Arzt, von der königl. Regierung in Trier den Auftrag erhielt, sich nach dem bereits von der Seuche befallenen Berlin zu begeben. Er ging dahin im September 1831 ab, studirte daselbst, in der Provinz Brandenburg und im Magdeburgischen die Krankheit, erstattete, nach Hause zurückgekehrt, öffentlich Bericht über seine gemachten Erfahrungen („Beobachtungen über die Cholera asiatica“ etc., 1832) und ging im Frühjahr 1832, als auch Frankreich von der Seuche befallen worden war, wiederum in höherem Auftrage, dorthin, namentlich auch nach Paris, und legte seine Beobachtungen in einem den zweiten Band seiner ersten Schrift bildenden Buche („Die Cholera in Frankreich etc.“, 1832) nieder. Für die beiden Cholera-Schriften erhielt H. die königl. preußische kleine goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft und von der Soc. méd. de Lyon eine Preismedaille. – Im J. 1833 wurde H. von dem Fürsten von Hohenzollern nach Sigmaringen als Leibarzt und Medicinalreferent [370] der fürstlichen Landesregierung mit dem Titel eines Medicinalrathes berufen. Er reformirte das dortige Medicinalwesen nach preußischem Muster und widmete, wol durch seine praktische Thätigkeit in dem hohenzollerischen kleinen Curorte Imnau, dessen Brunnenarzt er war, veranlaßt, den Bädern und Curorten der Nachbarländer Württemberg, Baden, Elsaß und Nassau eine eingehende Aufmerksamkeit, die sich durch eine Reihe von Schriften kundgab („Imnau und seine Heilquellen“, 1834 – „Ueber Bäder und Brunnencuren, besonders die Mineralquellen des Taunus“, 1834 – „Die Heilquellen und Molkencuranstalten des Königr. Württemberg, mit Einschluß der hohenzollernschen Fürstenthümer, des Großherzogth. Baden, des Elsaß und des Wasgau“, 1840, 2. Aufl. 1846 – „Die Heilquellen des Großherzogth. Baden, des Elsaß und des Wasgau“, 1841). Er zeichnete sich gleichzeitig auch als Operateur aus, war Mitarbeiter an zahlreichen medicinischen und chirurgischen Zeitschriften Deutschlands und gab außerdem ein seine neuesten Erfahrungen enthaltendes eigenes Werk („Studien aus dem Gebiete der Heilwissenschaft“, 1838, 2 Bde.) heraus. – In Sigmaringen hatte H. Gelegenheit, mehrfach mit den auswärtigen Verwandten des fürstlichen Hauses, wie der Königin Hortense, dem Prinzen Louis Napoleon, und mit anderen namhaften Persönlichkeiten, wie Schönlein, Justinus Kerner in nahe Beziehungen zu treten, während er der ärztliche Berather und Beistand des Fürsten Karl Anton und seiner Familie war. – 1841 erhielt H., als Nachfolger Stromeyer’s, einen Ruf als Professor der Chirurgie und Augenheilkunde und als Director der chirurgischen Klinik an die Universität Erlangen und siedelte dorthin über. Während der 13 Jahre, welche er der chirurgischen Klinik daselbst vorstand, widmete er sich derselben mit ganzem Eifer und erwarb sich den Ruf eines kühnen und unerschrockenen Operateurs, wie eines geschätzten Lehrers. Die in dieser Zeit mit der Einführung der künstlichen Betäubung in die Chirurgie begonnene neue Aera derselben wurde auch von ihm freudig begrüßt und fand in ihm einen eifrigen Mitarbeiter, die Kenntniß der Betäubungsmittel in ihrer bis dahin noch gar nicht gewürdigten Wirkung zu erweitern, wovon zwei kleine Schriften („Die Versuche mit dem Schwefeläther etc.“, 1847 – „Die Versuche mit dem Schwefeläther, Salzäther und Chloroform etc.“, 1848) Zeugniß ablegen. Auch von seiner klinischen Thätigkeit wurden regelmäßig Berichte in verschiedenen Zeitschriften erstattet. 1848 zum Reformcongreß nach München entsendet, suchte H., in Gemeinschaft mit Phil. v. Walther, für die freie Praxis der Aerzte in Baiern zu wirken und den herrschenden Kastengeist zu bekämpfen. Nach seines Collegen, des Professors der medicinischen Klinik, Canstatt, Tode, wurde ihm 1850 auch die allgemeine Direction des Universitäts-Krankenhauses übertragen. – Trotz der großen Erfolge, die H. in Erlangen erzielte, fühlte er sich doch nicht ganz wohl daselbst; die theologische Richtung, welcher die Einen unter seinen Collegen, der Indifferentismus, welchem die Anderen unter ihnen huldigten, behagten der scharf ausgeprägten Persönlichkeit des Norddeutschen in H. auf die Dauer nicht; es kam zwischen ihm und seinen Collegen zu Differenzen und Conflikten und sah er sich dadurch veranlaßt, auf seine Stellung im Herbst 1854 zu resigniren, nachdem er noch in einem größeren Werke eine Anzahl seiner operativen Erfahrungen („Ueber Resectionen und Amputationen“, 1855, mit 4 Tafeln) zusammengefaßt hatte. Gerade im rechten Augenblick erhielt er nach dem mitten im Orientkriege befindlichen Rußland, 1855, einen Ruf, zunächst als Oberchirurg der Truppen Finnlands. Seine Wirksamkeit in den Spitälern Finnlands fällt in die J. 1855 und 56 und hatte er namentlich nach dem Bombardement von Sveaborg daselbst und in Helsingfors zahlreiche Operationen auszuführen; auch mit der Cholera, über die er erst kurze Zeit vorher ein Schriftchen („Das Verhalten zur Abwehr der Cholera“, 2. verm. Aufl., 1854) geschrieben, kam er in [371] Helsingfors wieder in nähere Berührung. Nach Beendigung des Krieges siedelte er nach St. Petersburg über, um daselbst noch eine Reihe von Jahren im Lehrfach und als Hospitalarzt thätig zu sein. Im J. 1866 besuchte er im Auftrage der russischen Regierung den Kriegsschauplatz in Böhmen und die Lazarethe in Preußen und Sachsen; in einer französischen Zeitschrift (Gazette médicale de Paris, 1867) gab er über seine daselbst gemachten Beobachtungen einen kurzen Bericht; im J. 1867 war er amtlicher Vertreter seiner Regierung in Paris auf den beiden dort stattfindenden internationalen Congressen. – Wenn es H. auch in Rußland, wo er den Herbst seines Lebens, fast 15 Jahre, zubrachte, nicht an äußeren Ehren fehlte, so krankte er doch etwas an Heimweh nach deutscher Luft und deutscher Erde. So zog es ihn auch unwiderstehlich dorthin, als ihn schon die Todeskrankheit ergriffen hatte. Die letzten Monate lebte er in Wiesbaden mit der treuen Gattin und starb dort, umgeben von Freunden und Bekannten aus den verschiedensten Lebensepochen, am 21. Juni 1869. – H. war Mitglied einer großen Reihe von gelehrten Gesellschaften, als Schriftsteller auf den verschiedensten Gebieten der Medicin und Chirurgie überaus fruchtbar, Mitarbeiter an fast allen bedeutendsten Zeitschriften und Sammelwerken jener Zeit, ein Polyhistor in der Medicin, von untrüglichem Gedächtniß und classischer Bildung; er war ein Charakter, wie sie jetzt immer seltener werden, mehr interessant als angenehm, mehr bedeutend als wohlthuend; dem Schlendrian, der Denkfaulheit, dem Coteriegeist, der frömmelnden Beschränktheit Feind und daher ein Stein des Anstoßes, tausend Leidenden ein Helfer, aufstrebenden Talenten ein Hort.

Vgl. Unsere Zeit. Deutsche Revue der Gegenwart. Neue Folge, 5. Jahrg. 2. Hälfte, 1869, S. 707. – Meyer’s Conversations-Lex., Bd. VIII. 1876, S. 900. – Heyfelder’s sehr zahlreiche litterarische Leistungen s. in Callisen, Medicin. Schriftsteller-Lex., Bd. VIII. 1831, S. 477; Bd. XXVIII. 1840, S. 522. – Engelmann, Bibliotheca medico-chirurg., 6. Aufl. 1848, S. 249; Supplementheft 1868, S. 108. – Deutsche Klinik, Jahrg. 2–15.