ADB:Herlin, Friedrich (Maler)
van Eyck ein neuer Morgen erschienen. Flandern blühte fortan als die hohe Schule derer, die Pinsel und Palette führten. Auch H. zog in das gelobte Land und suchte dort Vorbild und Lehre. Beides ward ihm durch Roger von Brügge. Gänzlich beherrscht von den Einflüssen dieses Meisters, kehrte H. nach Deutschland zurück. Man trifft ihn dann beschäftigt in Rothenburg, auch in Dinkelsbühl, bald jedoch und bei weitem am längsten in Nördlingen. Hier scheint er, schon ehe er Bürger wurde, als fahrender Maler gearbeitet zu haben. Vorübergehend nach Rothenburg zurückgekehrt, vollendete er dort 1466 die acht Altarblätter in der Jacobskirche. Im folgenden Jahre erhielt er das Nördlinger Bürgerrecht. Das dortige Bürgerbuch meldet: „Maister Friedrich Hörlin von Rotemburg Maler ist mit ainem Rat überkomen und rechter Burger worden sein lebtag; und hat ihn ain Rat sein lebtag geferiet Stuirens, Wachens, Raisens und Grabens; doch so sol er in ain Zunft komen und der Statt Gesatzt und Gebott halten. Darauff hat er den gemainen Burgeraid geschworn uff sant Margrethen Tag 1467“. – Von jetzt an verblieb Herlen’s Thätigkeit der Stadt Nördlingen. Nur ab und zu erfüllte er noch einzelne Aufträge nach auswärts. Im J. 1472 arbeitete er am Altar der Blasiuskirche zu Bopfingen. Eine vielfach gerühmte Anbetung der Könige im Dom zu Meißen führt man ebenfalls auf H. zurück. Sein Fleiß war ungewöhnlich. Die reichste Sammlung von Gemälden Herlen’s besitzt Nördlingen. Ungerechnet verschiedene Bilder, als deren Schöpfer er wenigstens in Frage kommt, bewahrt das Rathhaus zu Nördlingen einige 20 Gemälde [116] auf Holz, die zweifellos von H. stammen. Sie hingen früher in der Hauptkirche und vergegenwärtigen Scenen aus der hl. Geschichte, aus der Legende St. Georgs und anderer Heiligen. Auf einem Altarblatt mit der thronenden Maria begegnet uns der Maler selbst; er kniet seitwärts im Vordergrunde mit vier Söhnen, ihm gegenüber seine Ehefrau mit fünf Töchtern. Das Gesicht des Meisters ist von regelmäßigem Schnitt und zeigt ohne sonderlich markirte Züge einen ruhigen, etwas spießbürgerlichen Ernst. Dieses Werk Herlen’s vom Jahre 1488 gilt mit den zugehörigen Flügeln als eines seiner letzten. Daß er aber bereits 1491 gestorben sei, stößt auf erheblichen Widerspruch. Winckelmann’s Malerlexikon rückt Herlen’s Tod bis ins J. 1541 hinaus. Fast alle anderen kunstgeschichtlichen Berichte vereinigen sich auf das J. 1491. Die Steuerbücher Nördlingens führen jedoch den „Maler Friedrich H.“ als von seinem Hause steuernd bis zum J. 1499 fort; von 1498 an erscheint dort neben ihm auch sein Sohn Laux; von 1500 an steht der letztere allein. So wird es denn schwer anzufechten sein, daß H. im J. 1499 auf 1500 starb. Wenn Nagler im Künstlerlexikon neben dem J. 1491 überdies als Todestag des Malers den 12. October nennt, so beruht das auf nachweislicher Verwechselung. Nagler stützt sich bei seiner Angabe auf die Nördlinger Geschlechtshistorie von Beyschlag. Dieser spricht aber an der fraglichen Stelle keineswegs vom alten H., sondern von Herlen’s Urenkel, Friedrich H. dem jüngeren, der ebenfalls Maler zu Nördlingen war und daselbst, wie sein Todtenschild bezeugt, am 12. October 1591 gestorben ist. Kunstgeschichtlich betrachtet, steht H. mit voran unter jenen Meistern, welche den Realismus und die ganze Weise der flandrischen Schule nach Deutschland übertrugen. Er hatte, als er in die Heimath zurückkam, „mit niederländischer Arbeit“ umgehen gelernt. Das war es, was ihn zu Rothenburg empfahl und ihm die Pforte zum Nördlinger Bürgerrecht eröffnete. An seinen Meister Roger von Brügge erscheint er lange Zeit völlig hingegeben, so sehr, daß er einzelne Gestalten aus den Werken Roger’s ohne weiteres copirt und in seine eigenen Bilder herübernimmt. Zum Beweis genügt es, die Gemälde des berühmten Niederländers in der Münchener Pinakothek mit Herlen’s Bildern in Nördlingen zu vergleichen. Herlen’s Verdienst beruht also großentheils auf einer Reproduction dessen, was er in Flandern gesehen, und auf der Einbürgerung der niederländischen Malweise in Schwaben. Genialität, freie Selbständigkeit, der Flug einer kühnen Phantasie sind nicht seine Eigenschaften. In seiner Beschränkung aber bleibt er ein verdienstvoller, höchst beachtenswerther Meister. Ein wohlthuender Zug gemüthvoller Naivetät geht durch seine Bilder. Die Farben sind meist sehr frisch, doch wenig gebrochen; die Ausführung ist genau. Bei Darstellung bedeutender und aufgeregter Scenen ringt er wie andere seiner Zeitgenossen oft vergebens mit der Aufgabe, den Figuren den nothwendigen Grad von Affect und Bewegung zu geben. In der Regel waltet eine gemüthliche Ruhe vor und eine gewisse feierliche Würde, obgleich H. bei weitem nicht der steifste Maler seiner Periode ist. Eigenthümlich ist seinen Köpfen häufig eine starke Verkürzung des Kinns. Es finden sich aber unter ihnen treffliche Porträts von klarem, individualisirtem Ausdruck und ersichtlicher Naturwahrheit. – Das Beispiel Herlen’s und die Ehre, die er als Maler gewann, war bestimmend für seine Familie. Aus seinen Nachkommen erwuchs eine förmliche Malersippe. Doch bleibt der alte Fritz H. der eigentliche Träger des Ruhms. Die Söhne, Enkel und Urenkel zehrten mehr von dem Ruf der guten alten Firma, als daß sie ihren Glanz erhöhten. Das Malgeräth wurde in ihren Händen zum Handwerkszeug. Von den vier Söhnen des Friedrich H. ist einer vermuthlich frühe gestorben; die drei anderen: Hans, Jörg und Lukas oder Laux, folgten sämmtlich dem Beruf des Vaters. Dem Laux H. schrieb man [117] u. a. eine Darstellung des jüngsten Gerichtes zu, die, an der Ostwand des Ulmer Münsters über dem Triumphbogen befindlich, 1817 übertüncht wurde. Des Lukas Söhne waren Laux der Goldschmied und Jesse der ältere. Der letztere wird oft in der Kunstgeschichte irrigerweise als Sohn des Friedrich H. behandelt. Er ist dessen Enkel, ist 1500 oder 1501 geboren, wird vom J. 1525 an in den Steuerbüchern Nördlingens aufgeführt und stirbt am 19. August 1575. Nach seinem Großvater ist er das genannteste Glied des Geschlechts. Er half die Außenwand des Rathhauses mit Bildern schmücken, malte Epitaphien und strich, wenn es verlangt und bezahlt wurde, auch die Adler an den Thoren und Gebäuden der Reichsstadt an. Von den Arbeiten seiner Hand existiren noch acht kleine Tafeln aus dem J. 1568; sie bildeten einst den Aufsatz des kleinen Altars in der Hauptkirche zu Nördlingen, befinden sich aber gegenwärtig, nach einer Wanderung durch verschiedene Hände, im dortigen Rathhaus. Künstlerisch ohne jede Bedeutung, sind sie nur als Trachtenbilder des 16. Jahrhunderts nicht ganz werthlos. Eine derselben zeigt auch das Conterfei des Meisters. Des Jesse Herlen’s Söhne waren: David, ein Maler, der von 1555 an steuerte; Joseph, ein geschickter Faßarbeiter, gest. 1606; Jesse der Jüngere, wie sein Vater am Nördlinger Rathhaus beschäftigt, ebenfalls 1606 gestorben; endlich der jüngste, Friedrich H. der Jüngere; dieser starb, wie schon bemerkt, 1591. Er malte 1582 gegen 15 Gulden eine Justitia über der Treppe des Nördlinger Rathhauses, dessen Pförtnerin sie noch heute ist. Dies ist die letzte Arbeit eines H., die als solche erwiesen ist; sie gehört ihrer Ausführung nach mehr dem Handwerk, als der Kunst an. Somit ist es wenig zu beklagen, daß das künstlerische Schaffen der Familie H. allmählich aufhörte, mochte auch sie selbst noch fortdauern. Aber mit dem Anfang des 17. Jahrhunderts scheint das Geschlecht überhaupt erloschen. Eine Familie gleichen Namens, die sich heutzutage in Nördlingen findet, ist anderen Stammes.
Herlen: Friedrich H., auch Hörlin, Herlin und Herlein geschrieben, Stadtmaler zu Nördlingen, mag im dritten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts geboren sein. Hinsichtlich seines Geburtsortes schwanken die Meinungen zwischen Rothenburg a. T. und Nördlingen. Bisher vermochte weder die eine Stadt, noch die andere ihren Anspruch zu beweisen. In Nördlingen kommt zwar 1442 ein Hans H. vor; daß aber der Maler dessen Sohn war, ist bis jetzt nur Vermuthung. Allein ebensowenig ist die Tauberstadt dadurch als des Meisters Geburtsort erwiesen, daß H. bei seiner Aufnahme in Nördlingen als Maler „von Rotemburg“ eingetragen wurde. Denn diese Bezeichnung kann ebensogut nur bedeuten, daß H. vorher in Rothenburg gemalt habe und von dort nach Nördlingen gekommen sei. In den Jahren 1449 und 1454 erscheint H. urkundlich als Bürger und Maler zu Ulm. Nun erst trat er in seine eigentlichen Lehrjahre. Denn von Ulm wandte sich H. nach den Niederlanden. Dort war vor kurzem für die Malerei durch die Brüder