ADB:Heinrich von Stretlingen
[576] Ansehen und Reichthum der Familie verdarb, unser Dichter. Er ist 1258–94 zu belegen; die Art der Gedichte weist mehr in diese Zeit als in die Jahre 1250–63, in denen sein gleichnamiger Vater auftritt. – Die Manessische Handschrift bringt von ihm drei Liebeslieder; das letzte hat er bereits in höheren Jahren gedichtet. Inhaltlich sind die Gedichte bedeutungslos, reich an Reminiscenzen, die gelegentlich in künstlich aufgeputzter Gestalt erscheinen. Der Form nach sind sie Zeugnisse für den Einfluß des echten Volksliedes auf den Minnesang; aber die kurzen, volksthümlichen Verse, die Anreden und Refrains sind ebenfalls durch Reimhäufung und Responsionskünste höfisch übergüldet.
Stretlingen: Heinrich v. St., Minnesinger. Das Geschlecht der Stretelinger, dessen Stammburg am Thuner See liegt, war so alt und vornehm, daß die angeblich von dem letzten Gliede zusammengedichtete Stretlinger Chronik es mit den burgundischen Königen in engen Zusammenhang bringt. Wahrscheinlich war aber gerade Heinrich III. von Stretelingen, der durch übermüthige WeltfreudeDer bernische Staatsmann und Historiker N. F. v. Mülinen (s. A. D. B. XXII, 783), Besitzer eines altstretelingischen Gutes, setzte dem Minnesinger ein Denkmal, so daß der unbedeutende Dichter vielleicht der erste altdeutscher Sänger war, dem diese Ehre widerfuhr. Auch hat Tieck eins seiner Lieder erneuert.
- Bartsch, Schweizer Minnesinger S. LXIX (Biographisches) und S. 106 f. (Text). – v. d. Hagen, Minnesinger IV, 116–117 und Bildersaal S. 66 bis 74. – Bächtold, Gesch. d. deutschen Dichtung in der Schweiz S. 153. – Weitere Litteratur bei Bartsch. – Die Stretlinger Chronik herausg. von J. Bächtold, Frauenfeld 1877 (besonders S. VII–XXVI).