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ADB:Heß, Johann

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Artikel „Heß, Johann“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 283–284, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:He%C3%9F,_Johann&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:05 Uhr UTC)
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Heß: Dr. Johann H., erster evangelischer Pfarrer in Breslau, 1490 im September von bürgerlichen Eltern in Nürnberg geboren, † den 6. Jan. 1547 in Breslau, hatte auf der damals berühmten Schule in Zwickau den ersten gelehrten Unterricht empfangen und 1506–1510 in Leipzig vorzugsweise classische Studien betrieben. 1510 ist er in Wittenberg, doch war Luther damals auf seiner römischen Reise abwesend, auch sein Name noch wenig bekannt. Wie lange H. in Wittenberg geblieben ist und was ihn nach Schlesien geführt hat, ist unbekannt; 1513–1515 finden wir ihn als Notar der bischöflichen Kanzlei wegen seiner vorzüglichen historischen Kenntnisse hochgeschätzt am Hofe Bischof Thurzos in Breslau; 1517 im September in Oels bei Herzog Karl, dessen Sohn Joachim von ihm auf die Universität nach Prag begleitet wird. Schon 1515 in Besitz eines Canonicats in Neisse, zu welchem er später noch ein zweites an der Breslauer Kreuzkirche vom Bischof erhielt, unternahm H. 1518 zur Vollendung seiner Studien eine Reise nach Italien, von welcher er als Doktor zurückkehrte. Die Nachricht von seiner in Rom 1520 empfangenen Diaconatsweihe ist unbegründet; Ende 1519 ist Heß bereits auf der Heimreise in Wittenberg, wo er mit Luther in nähere Verbindung tritt und mit Melanchthon einen innigen Freundschaftsbund schließt. Nach Breslau zurückgekehrt trat H. dem Freundeskreise Crautwald’s, in welchem Luthers Schriften begierig erwartet und noch begieriger studirt wurden, näher, ohne indeß entschiedene Stellung zu nehmen, ja die ihm 1520 am Tage vor Trinitatis ertheilte Priesterweihe und der Tod seines Gönners Thurzo, sowie Luthers Excommunication und offener Bruch mit Rom scheinen ihn in bedenkliches Schwanken versetzt zu haben. Melanchthon ist 1521 über seinen Mangel an Muth voll Sorge und Schwenckfeld mahnt ihn ernst zu entschiedenem Bekenntniß der Wahrheit. Um seinen Feinden in Breslau aus den Augen zu kommen, folgte H. 1521 im Herbste einem Rufe Herzog Karls nach Oels, und dort fand er im täglichen Verkehr mit dem Enkel Georg Podiebrads den innern Halt, der zu jedem Bruche mit der Vergangenheit unumgänglich nöthig ist; H. trat offen auf die Seite der Wittenberger. In mehreren Städten Schlesiens wurde bereits evangelisch gepredigt; auch in Breslau beschloß der Rath dem die ganze Bürgerschaft bewegenden neuen Geiste die Kirchen zu öffnen. Gelegenheit dazu bot die seit 1507 unbesetzte, nur durch Vicare verwaltete und zuletzt mit ihren Einkünften gar verpachtete Maria Magdalenenkirche. Ohne die wegen Uebertragung des Patronats angerufene Entscheidung des Papstes abzuwarten, berief der Rath im Einverständniß mit dem Bischof 1523 Mittwoch nach Exaudi unsern durch seine Canonicate der Breslauer Kirche zum Dienst verpflichteten Johann H., den damals auch die Königin Maria von Böhmen und Ungarn gern in ihren Dienst gezogen hätte, zum Pfarrer an die Magdalenenkirche und setzte ihn trotz des Widerspruchs des Domkapitels als solchen ein. Damit war der Sieg der Reformation in Breslau entschieden. Unter dem Schutze des Rathes ging H. an eine vorsichtige Abschaffung der Mißbräuche; Hauptsache blieb ihm Ausbreitung und Befestigung der Wahrheit durch die Predigt; was von alten gottesdienstlichrn Ceremonien damit vereinbar war, blieb unangetastet, um die Schwachen nicht zu ärgern und den Bischof nicht ohne Noth noch mehr zu reizen. Mit den Schwenckfeldisch gesinnten Liegnitzern in nähere Verbindung zu treten hütete H. sich weislich; sie standen am Hofe zu schlecht angeschrieben. Besondere Sorge wurde den Schulen und der Armenpflege gewidmet. Heß’ Weigerung zu predigen, so lange er über seinen lieben Herrn Christus, (er meinte die vor der Kirchthüre liegenden Siechen und [284] Armen), hinwegschreiten müsse, gab dem Rathe 1526 Anlaß zur Stiftung des Allerheiligenhospitals, heut eines der ersten und größten Krankenhospitäler Deutschlands. Dem von ihm einst ausgesprochenen Satze, daß Theologen es wie Fuhrleute machen müssen, die nur so weit fahren, als sie mit Roß und Wagen kommen können, lebenslang treu bleibend, hat H. durch weises Maaßhalten und kluge Beschränkung auf das augenblicklich Erreichbare sich um die Sache der Reformation in Schlesien unsterblich verdient gemacht. Ihn zum Reformator Schlesiens hinaufschrauben zu wollen, zeugt von gänzlicher Verkennung der Verhältnisse; sogar für Breslau würde ihm dieses Prädicat nur mit großer Einschränkung zuzuerkennen sein; dennoch wird sein Name in Schlesien allezeit ein gefeierter und sein Gedächtniß ein gesegnetes bleiben.

Sein Leben ist von Köstlin in der Zeitschrift für Geschichte und Alterthum Schlesiens VI. S. 97–131 und 181–265 ausführlich beschrieben. Ehrhardt, Presbyterologie I. 76 ff. 296 ff. Fischer, Denkschrift der 300jährigen Jubelfeier der Reformation in Breslau. 1817. Kolde, Johann Heß, der schlesische Reformator. Breslau 1843. Pol, Hancke, Fibiger ff.

Schriften hat H. nicht hinterlassen, nur verdankt ihm die geistliche Liederpoesie die zwei bekannten noch heute in evangelischen Gesangbüchern erhaltenen Lieder „O Mensch, bedenk zu dieser Frist“ und „O Welt, ich muß dich lassen“ (nach der Melodie „Innsbruck ich muß dich lassen“). Das erstere erscheint schon zu seinen Lebzeiten 1540 gedruckt unter seinem Namen, das andere erst nach seinem Tode, zuerst in den Nürnberger Gesangbüchern 1569, 1571, 1579 und 1585, in dem Straßburgischen 1584 und in dem Dresden’schen 1597, zwar ohne beigesetzten Namen, jedoch nach den Forschungen älterer Hymnologen unzweifelhaft von ihm verfaßt.

Vergl. J. Chr. Olearius, Remarques über das Sterbelied: O Welt etc. Arnst. 1716; Serpilius, histor. Untersuchung, wer des Sterbelieds … Autor sei. Regensp. 1716: Wetzel, Hymnopoeogr. I. S. 423–429; Goedeke, Grundriß I, 217 und daselbst weitere Quellen.