Zum Inhalt springen

ADB:Haugwitz, Friedrich Wilhelm Graf von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Haugwitz, Friedrich Wilhelm Graf von“ von Anton Victor Felgel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 66–69, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Haugwitz,_Friedrich_Wilhelm_Graf_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:23 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 11 (1880), S. 66–69 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Wilhelm von Haugwitz in der Wikipedia
Friedrich Wilhelm von Haugwitz in Wikidata
GND-Nummer 118773437
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|11|66|69|Haugwitz, Friedrich Wilhelm Graf von|Anton Victor Felgel|ADB:Haugwitz, Friedrich Wilhelm Graf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118773437}}    

Haugwitz: Friedrich Wilhelm Graf v. H., wurde um das J. 1700 geboren als ältester Sohn des sächsischen Generals Georg Karl Freiherrn (seit 1733 Grafen) von H., aus dessen Ehe mit seiner Nichte Anna Helena von H. – Er trat schon in seiner Jugend zum Katholicismus über. Seit dem Jahre 1725 in österreichischem Staatsdienste, zeichnete er sich als Beisitzer (– seit 1736 –) des Breslauer Amtes und nachher als Oberamtsrath von Schlesien vor seinen Genossen dadurch aus, daß er selbst arbeitete und nicht wie Andere nur die Arbeiten eines Secretärs mit seinem Namen versah. Bald wurde er bei jedem wichtigen Geschäfte in der Provinz zu Rathe gezogen und endlich mit der Leitung des neuen Contributionssystems betraut, das noch Karl VI. in Schlesien einführen wollte. Der Sache Oesterreichs blieb H. auch dann noch treu, als Schlesien von den Preußen besetzt wurde. Arm an Geld und Hoffnungen ging er nach Wien. Dort lebte er anfangs in sehr gedrückten Verhältnissen, bis Maria Theresia durch ihren Gemahl und durch den Grafen Tarouca auf ihn aufmerksam gemacht, ihn aus seiner Verborgenheit emporhob, und nach dem Frieden von Breslau und Berlin – 1742 – zum Präsidenten des ihr gebliebenen Theiles von Schlesien ernannte. Rasch gelangte er in den Ruf eines bedeutenden finanziellen und organisatorischen Talentes und wurde am 18. Jan. 1743 in Anerkennung seiner „durch 18 Jahre lang mit unwandelbarer Integrität, treuem Eifer und ungemeiner Activität gleichmäßig geleisteten Dienste“ mit der geheimen Rathswürde bekleidet. Schon im Hochsommer des vorhergegangenen Jahres – kurz nach dem Abschlusse der Breslauer Friedenspräliminarien – hatte H. behauptet: König Friedrich werde sich, wenn man ihm drei oder vier Jahre Zeit und Ruhe lasse, mit der Eroberung Schlesiens nicht begnügen, sondern sich auch Böhmens zu bemächtigen suchen. Der zwei Jahre später wirklich erfolgte Einbruch Friedrichs in Böhmen gab den Vorhersagungen des Grafen Recht und trug nicht wenig dazu bei, der Kaiserin auch großes Vertrauen in seine politische Voraussicht einzuflößen. Er fand daher auch mit seinen wiederholten Vorstellungen, wie dringend nöthig es sei für Erhöhung der Wehrkraft des Reiches bei Zeiten vorzusorgen, wenn nicht in kürzester Zeit Böhmen und Mähren das Schicksal Schlesiens unrettbar theilen sollten, geneigtes Gehör bei Maria Theresia, welche ihn endlich beauftragte, einen Plan auszuarbeiten, dessen Verwirklichung die Unterhaltung einer Heeresmacht von 108000 Mann ermögliche. H. entledigte sich dieser Aufgabe in kürzester Zeit und in einer Weise, die ihm stets einen ehrenvollen Namen in der österreichischen Verwaltungsgeschichte sichert. Er ging hiebei von der Ueberzeugung aus, Schlesien sei nur darum verloren gegangen, weil sich nicht genug Truppen im Lande befunden hätten, [67] während die übrigen Streitkräfte in die am weitesten entfernten Gegenden Ungarns verlegt gewesen wären, und es monatelanger Märsche bedurft hätte, um sie von dort auf den Kriegsschauplatz zu ziehen. Die Ursache davon sei der kurzsichtige Egoismus der böhmischen Stände gewesen, die ohne Rücksicht auf das Staatsganze, nur um ihrem Lande die Militärlasten zu erleichtern, nicht die Summen bewilligen wollten, welche zur Erhaltung einer genügenden Heeresmacht in ihrem – doch zunächst und zumeist bedrohten – Lande erforderlich gewesen wären. Der Wiederholung solcher Uebelstände vorzubeugen, sei es nothwendig, alle Verfügungen, welche auf das Militärwesen sich bezögen, aus den Händen der Landstände zu nehmen und in die des Staates zu legen. Der zur Unterhaltung von 108000 Mann erforderliche Betrag von jährlichen 14 Millionen sollte aus den österreichischen Ländern – ausgenommen Lombardei und Niederlande – aufgebracht werden. An die Stelle der jährlichen Bewilligungen von Truppen und Geld durch die Stände sollte ein Vertrag treten, demzufolge diese sich auf 10 Jahre verpflichteten, den Betrag von 14 Millionen zu bezahlen. Zwar sei diese Summe um 5 Millionen höher als die bisher jährlich von den Ständen regelmäßig bewilligte. Dafür sollten sie aber – mit alleiniger Ausnahme der Einquartierung – aller anderer Leistungen (Rationen, Fourage, Pferdelieferungen etc.) für die Truppen enthoben sein. Die Steuerlast sollte namentlich dadurch gleichmäßiger vertheilt werden, daß auch die Gutsherren zur Theilnahme an der Steuerzahlung herangezogen und überhaupt alle Steuerbefreiungen des Adels, der Geistlichkeit und einzelner Städte aufgehoben würden. Diese Vorschläge Haugwitz’s stimmten in wesentlichen Punkten mit den eigenen Anschauungen Maria Theresia’s überein und fanden ihren und ihres Gemahls ungetheilten Beifall. Mit alleinigem Vorwissen Bartensteins genehmigte die Kaiserin alsbald den Haugwitz’schen Entwurf, ehe er noch den Ministern zur Berathung vorgelegt wurde. Im Schoße des Ministeriums ward allerdings mancher Widerspruch laut, mancher Einwand dagegen erhoben. Da aber keiner der Minister bessere Wege zu weisen vermochte um die Absichten der Kaiserin durchzuführen, wurde der Haugwitz’sche Entwurf endlich angenommen. Nun galt es aber die Stände zur Eingehung des vorgeschlagenen Vertrages zu bewegen. Die Grafen Harrach und Kinsky waren die Häupter der dem „neuen System“ Widerstrebenden. Sehr schwierig zeigten sich namentlich die Stände von Böhmen und Mähren. Im Auftrage der Kaiserin begab sich H. selbst in diese zwei Provinzen, und es gelang ihm in der That zunächst in Mähren, dann auch in Böhmen, die Stände zum Abschlusse des zehnjährigen Rezesses zu bewegen. Gleichzeitig wußte er auch die Kaiserin zu milderem Verfahren gegen die Juden in Böhmen und Mähren zu bewegen. Den meisten Widerstand fanden die Haugwitz’schen Pläne aber bei den Ständen Niederösterreichs, an deren Spitze die beiden Brüder Harrach standen. Erst nach dem Rücktritte des Grafen Friedrich Harrach brachte H. – zum landesfürstlichen Kommissär bei den Ständen ernannt – den zehnjährigen Receß auch mit dem Lande Niederösterreich zu Stande. Hand in Hand mit dieser Ordnung der directen Besteuerung gingen andere große Reformen in der inneren Verwaltung, deren Durchführung nach seinem von der Kaiserin genehmigten Plane H. als Chef der Hofdeputation zur Organisirung der Central-Hofstellen leitete. Die Justiz wurde von der Verwaltung getrennt und eine „Oberste Justizstelle“ geschaffen. Es wurden selbständige vom landständischen Regimente unabhängige Landesregierungen und zur einheitlichen Leitung der gesammten politischen und finanziellen Verwaltung der deutsch-slavischen Erbländer das „Directorium in politicis et cameralibus“ geschaffen. H. selbst wurde an die Spitze dieses Directoriums gestellt, da er — wie Maria Theresia erklärte — das neue Werk mit eben so viel Unerschrockenheit begonnen, [68] als durchgeführt habe, ohne sich an dem Hasse zu stoßen, den er sich dadurch allgemein zugezogen. Die Kaiserin war von der Vortrefflichkeit dieser großen in den Jahren 1748 und 1749 durchgeführten Reformen völlig überzeugt. Sie empfahl das „neue System“ in einer Denkschrift eigens ihren Nachfolgern und legte ihnen an das Herz, diese Einrichtungen nicht zu verändern, sondern sie „wie einen Augapfel“ sorgsam zu bewahren. – Mochten auch diesem ersten Versuche einer einheitlichen Leitung des österreichischen Staates manche Mängel anhaften und namentlich die dem Directorium aufgebürdete Last der Geschäfte zu groß erscheinen, so waren doch die centralisirenden Bestrebungen des Grafen H. nützlich und segensreich für Oesterreich. Es wurden nicht nur die Einkünfte vermehrt, sondern auch die Ausgaben verringert, das Schuldenwesen des Staates geordnet, die Schuldentilgung angebahnt. Das Heer wurde verstärkt und regelmäßig besoldet und verpflegt. – Am 8. Juni 1750 nahmen die niederösterreichischen Stände den Grafen aus eigenem Antriebe in die alten Herrenstandsgeschlechter auf. Mit Lehensbrief vom 10. August 1754 erlangte H. für sich und seine Mannssprossen das Erbland-Thürhüteramt in Niederösterreich und wurde am 29. November 1759 von dem Kaiser durch Verleihung des goldenen Vließes ausgezeichnet. Am 30. Decbr. 1760 wurde H. seines bisher bekleideten Postens als oberster Kanzler enthoben und als Staatsminister in inländischen Geschäften in den neu errichteten Staatsrath berufen. Mit den inneren Verhältnissen der österreichischen Monarchie innig vertraut, brachte er seinen Einfluß in den Berathungen über die Reform der obersten Staatsverwaltung, welche im J. 1761 im Staatsrathe stattfanden, zu maßgebender Geltung. An denselben centralisirenden Grundsätzen, von denen er in seinem in den Jahren 1748–1749 ausgearbeiteten „neuen System“ sich leiten gelassen hatte, – die Staatsgewalt zu stärken und alle Theile des weiten Reiches nach möglichst gleichen Principien zu regieren – hielt er auch jetzt noch unverrückt fest. Mit aller Entschiedenheit trat er für Beibehaltung der von ihm eingeführten Trennung der Justiz von der Verwaltung ein. Mit der Errichtung eines unabhängigen obersten Rechnungshofes – einer Hofrechenkammer – zur Prüfung der Geldgebahrung aller Verwaltungszweige war H. allerdings einverstanden. Die vorgeschlagene Sonderung der politischen von der finanziellen Verwaltung aber bekämpfte er und nahm sich der Vereinigung der ganzen Verwaltung der deutsch-slavischen Länder in der Hand Einer Behörde, des Directoriums in politicis et cameralibus, – das ja den Schlußstein, die Krönung seines Systems von 1749 bedeutete – warm und erfolgreich an. In einigen dem staatsräthlichen Protocolle vom 2. Mai 1763 eigenhändig beigefügten Zeilen sprach Maria Theresia ihre Befriedigung aus, daß „nach so vielen Ausstellungen und Contradictionen doch nach reifer Ueberlegung für das Beste erkannt wurde, was durch den Eifer, die Einsicht und Activität des Grafen H. allein vor 15 Jahren geschehen; welches auch noch in übrigen Sachen wird gefunden werden.“ – H. starb im September 1765. Maria Theresia bezeugt in mehreren Briefen, wie schmerzlich sie den Verlust dieses „redlichen und getreuen Ministers“ empfinde, der „durch die besondere Vorsehung Gottes und zum Heile dieser Länder“ ihr bekannt geworden, „aus Treue und Eifer für mich Alles in Schlesien verlassen und hier üble Zeiten mit mir ausgestanden hat.“ Sie schildert ihn als einen Mann, der „ehrlich, ohne Nebenabsicht, ohne Voreingenommenheit, ohne Ehrgeiz und Anhang“ war, der „das Gute, weil er es als gut erkannte“ unterstützte, der die größte Uneigennützigkeit mit unerschütterlicher Anhänglichkeit an seinen Landesfürsten, die umfassendste Begabung mit Freude und Fleiß zur Arbeit verband, der das Licht nicht scheut und noch weniger sich fürchtet vor dem ungerechten Hasse derjenigen, welche durch ihn ihre Privatinteressen gefährdet [69] glauben. Er allein habe 1747 den Staat „aus Confusion in Ordnung gebracht.“ Seinem unausgesetzten Diensteifer seien alle Verbesserungen zu danken, die in der obersten Staatsverwaltung und in den einzelnen Provinzen eingeführt worden. Sie habe einen „großen Minister und wahren Freund“ an ihm verloren, wie sie wol keinen mehr finden werde, „indem er mir meine Fehler mit aller Klarheit öfter vorgestellt“ und vieles Schädliche verhindert habe. Gewiß das schönste Denkmal, das die große Kaiserin ihrem um den Staat und das Herrscherhaus so hochverdienten Staatsminister setzen konnte, gleich ehrend für Beide! – Die äußere Erscheinung des Grafen H. war nicht einnehmend, deutete jedoch auf die stete rastlose Arbeit seiner Geisteskräfte. – Seine erste Gemahlin (vermählt 1731) Maria Eleonora, geborene Gräfin von Nostitz, war am 27. Octbr. 1736 kinderlos gestorben. Seiner zweiten Ehe mit Hedwig Therese geb. Gräfin von Frankenberg (vermählt am 7. Jan. 1738) war ein Sohn – Otto Karl – entsprossen, der zwar vermählt aber kinderlos am 30. Mai 1761 als Gubernialrath in Mähren starb. – Die nach dem Tode seines Vaters ihm angefallene Erbschaft in Preußisch-Schlesien hatte H., den die preußischen Behörden mit vieler Härte behandelten, veräußern müssen. Am 30. Juni 1752 kaufte er die Grafschaft Namiest sammt dem Gute Knönitz in Mähren und stiftete hier ein zweites Fideicommiß (eines bestand zu Krappitz). – Dieses gelangte durch Haugwitz’s Testament an seine Nichte, die Gräfin von Frankenberg und deren Gemahl, den Generalmajor Karl Wilhelm von H. –

Nach Acten des kaiserl. und königl. Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien. – Ferner wurde benützt Ranke (Leop.), Histor.-politische Zeitschrift, Bd. 2. ((Berlin 1833–1836). – Wurzbach, Biogr. Lex., Theil 8, S. 65 bis 69 (und die dort angegebene Litteratur). – v. Hock, Der österreichische Staatsrath (Wien 1868). – v. Arneth (Alfred), Geschichte Maria Theresia’s, 10 Bde. (Wien 1863–1879). Bd. 4. 5. 6. 7. und 9.