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ADB:Harnier, Wilhelm von

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Artikel „Harnier, Wilhelm von“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 17–19, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harnier,_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 11:28 Uhr UTC)
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Harnier: Wilhelm von H., Afrikareisender, wurde 1836 zu Eckezell im Großherzogthum Hessen geboren. Er widmete sich dem Officiersberufe, war jedoch schon nach kurzer Zeit aus Gesundheitsrücksichten gezwungen, seinen Abschied zu nehmen. Um Erholung zu suchen, begab er sich im Herbst 1856 nach Aegypten. Den Winter verbrachte er theils in Kairo, theils auf einer Nilfahrt. Im folgenden Jahre hielt er sich in verschiedenen Gegenden Syriens, namentlich in den Thälern des Libanon auf. Dann kehrte er nach Kairo zurück und durchstreifte unermüdlich als Kameelreiter die weitere Umgebung. Im Frühjahr 1859 trat er eine längere Reise nach Nubien an. Er fuhr den Nil aufwärts bis Korosko, benutzte dann die vielbegangene Karawanenstraße [18] durch die nubische Wüste nach Abu Hammed, zog darauf am östlichen Nilufer entlang bis Berber und weiterhin zu Schiffe bis Chartum. Nachdem er hier längere Zeit als Jäger und Naturaliensammler verweilt hatte, unternahm er im Ruderboot einen Abstecher bis Roseires am Blauen Nil. Hierauf begab er sich wieder nach Kairo zurück, wo er nach einer Abwesenheit von 9 Monaten im Januar 1860 eintraf. Er brachte eine reiche Ausbeute an Thieren und ethnographischen Gegenständen, sowie eine Menge eigenhändig aufgenommener sorgfältiger Zeichnungen mit und veröffentlichte einen Bericht über seine Erlebnisse in Petermann’s Mittheilungen (1861, S. 129–133). Der glückliche Erfolg dieser ersten Reise ermuthigte ihn zu einer zweiten größeren, die er in das Gebiet des oberen Weißen Nil unternehmen wollte. Um sich hinreichend auszurüsten und um mit bewährten Afrikanern persönliche Fühlung zu gewinnen, begab er sich nach Deutschland. Bereits im Juni traf er wieder in Kairo ein, und nach wenigen Wochen trat er die Fahrt nilaufwärts an. Als Gefährten begleiteten ihn der Jäger Repp aus Hessen und der Präparator Wilke aus Preußen. Nachdem er sich in Chartum mit schwarzen Dienern versehen hatte, ruderte er den Weißen Nil hinauf und durchquerte das Gebiet der Schilluk, Nuer, Kitsch, Elliab, Bor, Tschir, Bari und anderer Negerstämme. Wo die Verhältnisse es gestatteten, landete er und widmete sich der Jagd. Die Eingeborenen wußte er überall durch freigebige Austheilung von Fleisch günstig zu stimmen. Am 10. Februar 1861 traf er in Gondokoro ein, besuchte die weiter südlich gelegenen Stromschnellen des Nils und drang bis zum 4. Breitengrad vor. In dieser Gegend verlor er seine beiden europäischen Gefährten, die dem Fieber erlagen. Da die Regenzeit nahte, beschloß er, sich für mehrere Monate an einem geeigneten Orte fest niederzulassen. In Gondokoro mißfiel ihm das räuberische Treiben der Kaufleute und Sclavenhändler. Er zog deshalb etwas weiter nördlich und erbaute unter dem 6. Breitengrad im Grenzgebiete der Elliab- und Tschirneger auf dem Hochufer des Nils für sich und seine Leute eine Hüttencolonie, neben der er einen botanischen Garten und eine Pflanzung anlegte. Da die Jagd ergiebig war, siedelten sich um ihn bald zahlreiche Negerfamilien an, die er reichlich mit Fleisch versorgte und deren Leben und Sitten er auf diese Weise eingehend beobachten konnte. Bald aber stellte sich infolge seiner Streifereien durch die ungesunden Sumpfwälder ein heftiges Fieber ein, das ihn nicht wieder verließ. Da öfters Todesahnungen über ihn kamen, wünschte er zu seiner Beruhigung und Aufheiterung in Verkehr mit gebildeten Europäern zu treten. Er verließ deshalb seine Station und begab sich Ende August nach dem weiter nördlich unter dem 7. Breitengrade gleichfalls am Nil gelegenen kleinen Handelsplatze Heiligenkreuz, wo der ihm von früher her bekannte Missionar Morlang lebte, der sich seiner annahm. Bald war er wieder soweit gekräftigt, daß er auf die Jagd gehen konnte. Am 23. November 1861 hatte er das Unglück, einen mächtigen Büffelstier anzuschießen, der sich auf ihn stürzte und ihn mit Hörnern und Hufen bis zur Unkenntlichkeit zerriß und zermalmte. Morlang sandte die Tagebücher und Sammlungen des so plötzlich Verschiedenen an die Verwandten in Deutschland. Die Aufzeichnungen erschienen zuerst auszugsweise in Petermann’s Mittheilungen (1862, Ergänzungsheft 11, S. 125 bis 141), dann ausführlicher als selbständiges Werk („Wilhelm v. Harnier’s Reise am oberen Nil. Nach dessen hinterlassenen Tagebüchern herausgegeben von Adolf v. Harnier.“ Darmstadt u. Leipzig 1866). Dieses enthält außer dem Text eine Specialkarte der Reise und auf 27 farbigen Tafeln allerhand Landschaften, Thierbilder und Völkertypen in trefflicher lithographischer Reproduction nach den Originalzeichnungen des Verstorbenen. Diese Abbildungen [19] gehören zu den besten, die man aus jenen Gegenden hat. – H. ist kein wissenschaftlicher Reisender im höheren Sinne, da es ihm an der nöthigen Vorbildung fehlte. Doch besaß er ein schönes Zeichentalent, das ihm zu einer Zeit, in der die photographische Technik noch wenig entwickelt war, trefflich zu statten kam. Seine Hauptleidenschaft war die Jagd, die er bis zur Tollkühnheit betrieb. Er starb in der Blüthe der Jugend. Bei längerem Leben hätte die Afrikaforschung Großes von ihm erhoffen dürfen.

Petermann’s Mittheilungen 1862 S. 274 f.