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ADB:Hübner, Alexander Graf von

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Artikel „Hübner, Alexander Graf von“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 498–501, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:H%C3%BCbner,_Alexander_Graf_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:38 Uhr UTC)
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Hübner: Joseph Alexander Graf von H., österreichischer Diplomat und Reisender, wurde am 26. November 1811 zu Wien als Sohn einer bürgerlichen Familie namens Hafenbredl geboren. Nachdem er in seiner Vaterstadt und in Mailand vorgebildet worden war, studirte er an der Wiener Universität die Rechtswissenschaft, hielt sich darauf längere Zeit in Italien auf, wo er die allgemeine Unsicherheit der öffentlichen Zustände gründlich kennen lernte, und trat 1833 als Hülfsarbeiter in die Staatskanzlei des Fürsten Metternich ein. Hier schloß er sich namentlich an den Regierungsrath Joseph Anton von Pilat, den Redacteur des officiösen „Oesterreichischen Beobachters“ an, dessen conservativ-clericale Gesinnung er theilte und mit dessen jüngster Tochter er sich 1834 vermählte. Da er rasche Auffassungsgabe mit ungewöhnlicher Anpassungsfähigkeit und mit einem hervorragenden Geschick, sich schnell in verwickelte politische Angelegenheiten einzuarbeiten verband, wurde er bereits 1835 in einer außerordentlichen Mission nach Paris geschickt und zwei Jahre später als Gesandtschaftsattaché dahin versetzt. Im folgenden Jahre kehrte er nach Wien zurück und wurde von Metternich zur Bearbeitung von Angelegenheiten der äußeren Politik, sowie zur Erledigung diplomatischer Geschäfte in Italien verwendet. Unter anderem wohnte er 1838 der Krönung des Kaisers Ferdinand zum Könige der Lombardei und Veneziens in Mailand bei. 1841 ging er als erster Gesandtschaftssecretär nach Lissabon. 1844 wurde ihm das [499] Generalconsulat für Sachsen in Leipzig und zugleich die Vertretung der österreichischen Monarchie an den Höfen von Anhalt, Schwarzburg und Reuß mit dem Titel eines Legationsrathes übertragen. Zwei Jahre später beauftragte ihn Metternich mit der Ueberwachung jener Umtriebe gegen die russische Herrschaft in Polen, welche von dem Freistaate Krakau ausgingen. In dieser Angelegenheit wurde er noch in demselben Jahre nach Paris gesandt, um die französischen Machthaber von der Nothwendigkeit einer Einverleibung der kleinen Republik in die österreichische Monarchie zu überzeugen. Als im Anfang des Jahres 1848 der Ausbruch revolutionärer Bewegungen in Italien erwartet wurde, rief ihn Metternich zunächst zur persönlichen Information nach Wien zurück und schickte ihn dann nach Mailand. Er sollte sich hier als Mann von Menschenkenntniß und Geschäftsgewandtheit möglichst genau mit den Stimmungen und Wünschen der Bevölkerung vertraut machen und darüber nicht nur an den Wiener Hof, sondern auch an den Vicekönig Erzherzog Rainer und den Feldmarschall Grafen Radetzky berichten. Als im März der Aufstand gegen die österreichische Herrschaft in Mailand ausbrach, vermochte sich H. nicht rechtzeitig zu entfernen. Er wurde von den Aufrührern gefangen und als Geisel internirt. Erst nach 106 Tagen erhielt er durch Auswechslung seine Freiheit wieder und kehrte nach einem kurzen Erholungsaufenthalte in der Schweiz nach Wien zurück. Ende August sollte er als österreichischer Geschäftsträger nach Brasilien gesandt werden. Da jedoch auch in Wien die revolutionäre Bewegung rasch um sich griff, reiste er nicht ab, sondern wurde vom Fürsten Felix Schwarzenberg, der im October den energischen Widerstand der Regierung gegen die radicalen Strömungen zu organisiren begann und dessen volles Vertrauen er genoß, zur Erledigung wichtiger Aufträge im Inlande verwendet. Er begab sich nach Schönbrunn und geleitete von hier aus die kaiserliche Familie nach Olmütz. An der Bildung des Ministeriums Schwarzenberg-Stadion nahm er wesentlichen Antheil, ebenso an der Ausarbeitung der wichtigen Staatsacten, Bekanntmachungen und Aufrufe, welche sich auf die Abdankung des Kaisers Ferdinand, auf die Thronbesteigung seines Neffen Franz Joseph und die Anfänge einer inneren Neugestaltung des Kaiserstaates bezogen, sowie an der Feststellung der octroyirten Verfassung vom 4. März 1849. Ueberhaupt gehörte er zu den Personen, welche am tiefsten in die inneren Verhältnisse Oesterreichs während der Revolutionsperiode von 1848–1849 eingeweiht waren. Noch im März des letzteren Jahres wurde er von dem jungen Kaiser in außerordentlicher Mission nach Paris geschickt und einige Monate später zum Gesandten und bevollmächtigten Minister daselbst ernannt. Diesen wichtigen und schwierigen diplomatischen Posten bekleidete er durch volle neun Jahre, während welcher er sich mit den politischen Zielen Napoleon’s und seiner Staatsmänner, mit den Intrigen seines Hofes, mit den Bestrebungen der legitimistischen und radicalen Opposition und mit den Wünschen und Stimmungen des französischen Volkes genau vertraut zu machen suchte. Er bemühte sich, ein gutes Verhältniß zwischen Oesterreich und Frankreich aufrecht zu erhalten und gewann namentlich während des Krimkrieges einen entscheidenden Einfluß auf die Politik seiner Regierung. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er im Mai 1854 in den Freiherrenstand erhoben und 1857 zum Botschafter ernannt. An den Berathungen und Beschlüssen des Pariser Friedenscongresses nahm er regen Antheil, und er bemühte sich längere Zeit mit Erfolg, den Ansprüchen Cavour’s und der italienischen Nationalpartei energischen Widerstand entgegen zu setzen. Dabei übersah er aber die Absichten, welche Napoleon im geheimen in Italien verfolgte, und so wurde er durch die eine scharfe Spitze gegen Oesterreich enthaltende Neujahrsrede des Kaisers von 1859 aufs [500] unangenehmste überrascht. Doch war er mit aller Besonnenheit darauf bedacht, in dieser schwierigen Lage der Würde seines Staates nichts zu vergeben. Als der Krieg ausbrach, verließ er Paris und kehrte nach Wien zurück, doch ging er kurz darauf in außerordentlicher Mission nach Neapel und wirkte dann vorübergehend als österreichischer Gesandter am päpstlichen Hofe. Bald nach Beendigung des Feldzugs gegen Italien wurde er im Ministerium Rechberg-Goluchowski am 21. August 1859 zum Polizeiminister ernannt, doch trat er bereits am 22. October desselben Jahres von diesem Posten, der seine Neigungen wenig befriedigte, wieder zurück, obwohl er namentlich durch eine verhältnißmäßig liberale Handhabung der Censur auch in der Presse mancherlei Anerkennung gefunden hatte. Seitdem befand er sich mehrere Jahre hindurch auf Reisen durch die meisten Länder Europas, wo er überall, unterstützt durch reichliche Geldmittel und persönliche Verbindungen mit den maßgebenden Kreisen, als Grandseigneur auftrat. Noch einmal kehrte er in das politische Leben zurück, als ihm im September 1865 der Botschafterposten in Rom übertragen wurde. Doch bereits im November 1867 legte er dieses Amt wieder nieder und schied endgültig aus dem Staatsdienste aus, um ungestört seinen Neigungen leben zu können. Zunächst benutzte er seine Muße zur Abfassung einer umfangreichen Biographie des Papstes Sixtus V., der von 1585–90 regierte („Sixte-Quint, d’après des correspondances diplomatiques inédites“. Paris 1870, 3 Bände. 2. Ausgabe 1883; „Sixtus der Fünfte. Deutsche Ausgabe, vom Verfasser autorisirt“. Leipzig 1871, 2 Bände; „Life and Times of Sixtus V., trad. by H. E. H. Jerningham“. London 1872; „Sisto V dietro la scorta delle corrispondenze diplomatiche ined. Versione di Filippo Gattari“. Roma 1887). Das Quellenmaterial hatte er sich aus den Archiven des Vaticans, von Simancas, Venedig, Paris, Wien und Florenz verschafft. Das Werk, dessen Auffassung sich im wesentlichen derjenigen Ranke’s anschließt, zeigt seinen Verfasser als einen kühlen, leidenschaftslosen, streng logisch urtheilenden Diplomaten, der sich für seinen Helden weder selbst erwärmt, noch andre zu erwärmen vermag. Seine katholische Weltanschauung tritt überall zu Tage, jedoch werden auch die religiösen Gegner mit anerkennenswerther Objectivität geschildert. Nach der Vollendung dieses Buches beschloß H., zu seiner Erholung eine Reise um die Welt anzutreten. Im Mai 1871 fuhr er über den Atlantischen Ocean, durchquerte die Vereinigten Staaten und den Großen Ocean, besuchte die Küsten Japans und Chinas und kehrte dann durch den Indischen Ocean und das Mittelmeer nach Hause zurück. Ueberall besuchte er fast nur die großen Städte und Regierungssitze und knüpfte Beziehungen zu den maßgebenden officiellen Persönlichkeiten an. Während der Reise führte er über seine Erlebnisse und Eindrücke ein Tagebuch, das er ein Jahr nach seiner Heimkehr durch den Druck veröffentlichte („Promenade autour du monde“. Paris 1873, 2 Bände. 5. Auflage 1877; „Passeggiata intorno al mondo. Traduzione di Mich. Lessona.“ Torino 1873. Milano 1877 ; „Ein Spaziergang um die Welt. Deutsche Ausgabe, vom Verfasser autorisirt.“ Leipzig 1874, 2 Bände. 7. Auflage 1891, auch in einer illustrirten und einer Volksausgabe erschienen; „Ramble round the World, trad. by Lady Herbert.“ London 1874). Das Werk bietet in geographischer Hinsicht nichts neues. Doch enthält es anmuthige Landschaftsschilderungen und eine Reihe werthvoller und anregender politischer Bemerkungen. Auch fesselt es den Leser durch seinen eleganten Stil. In den nächsten Jahren verlebte H. die Sommermonate meist in Frankreich oder England, die Winter in Italien oder in Wien. 1879 wurde er vom Kaiser zum lebenslänglichen Mitgliede des österreichischen Herrenhauses ernannt. Hier schloß er sich der conservativ-clericalen Partei an, trat mehrfach als Redner [501] hervor und wurde regelmäßig in die cisleithanische Delegation gewählt. Als er das 70. Lebensjahr überschritten hatte, konnte er dem seit Jahrzehnten gehegten Drange nicht länger widerstehen, das Wunderland Indien mit eigenen Augen zu schauen. Nachdem er 1882 durch einen kurzen Aufenthalt in Brasilien die Widerstandsfähigkeit seiner Natur gegen die Einflüsse des Tropenklimas erprobt hatte, reiste er im Juni 1883, ausgerüstet mit Empfehlungen an die leitenden Männer aller britischen Colonien, nach der Capstadt, durchstreifte flüchtig die südafrikanischen Besitzungen Englands, besuchte dann Neuseeland, Victoria, New-South-Wales und Queensland, verweilte kurze Zeit in Batavia, Singapur und Ceylon, durchquerte zweimal Vorderindien bis zur Nordwestgrenze, fuhr darauf über den Indischen und Stillen Ocean nach S. Francisco und kehrte schließlich durch den nördlichen Theil der Vereinigte Staaten und durch Canada im September 1884 nach Europa zurück. Auch diesmal veröffentlichte er bald nach der Heimkehr ein glänzend geschriebenes, mit einer Fülle seiner Beobachtungen und geistreicher Bemerkungen ausgestattetes Reisetagebuch, das namentlich in England viel beachtet wurde („Through the British Empire.“ London 1886, 2 Bände; „A travers l’Empire Britannique.“ Paris 1886, 2 Bände. 2. Auflage 1890; „Durch das Britische Reich.“ Leipzig 1886, 2 Bände. 2. Aufl. 1891). Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte H. mit der Redaction seiner Tagebücher, die er während seiner diplomatischen Wirksamkeit geführt hatte. 1888 wurde er in den österreichischen Grafenstand erhoben. Kurz vor seinem Tode gab er eine Schilderung seiner Erlebnisse im Revolutionsjahre 1848–49 heraus („Une année de ma vie.“ Paris 1891; „Ein Jahr meines Lebens.“ Leipzig 1891; „Milano il 48. Traduzione di Alfredo Comandini.“ Milano 1898). Am 30. Juli 1892 starb er zu Wien, fast 81 Jahre alt. Aus seinem Nachlaß veröffentlichte sein Sohn Alexander Karl Joseph ein wichtiges Memoirenwerk: „Neun Jahre der Erinnerungen eines österreichischen Botschafters in Paris unter dem zweiten Kaiserreich 1851–59“ (Berlin 1904, 2 Bände), das nicht nur das Getriebe der großen Politik jener Zeit, sondern auch die Personen und Verhältnisse am Hofe Napoleon’s, sowie in der alten legitimistischen und in der neuen bonapartistischen Gesellschaft anziehend und anschaulich schildert.

Wurzbach, Biographisches Lexicon des Kaiserthums Oesterreich IX, 1863, S. 391–97. – Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik XII, 1890, S. 41–43 (mit Bildniß).