ADB:Glück, Christian Wilhelm von
David Friedr. Strauß’ Berufung hervorgerufenen kirchlichen Wirren theilnehmend, fabricirte G., von gleichgesinnten Freunden aufgeregt, eine päpstliche Bulle: „Kreisschreiben Sr. Heiligkeit Gregor XVI. an die Bürger des Kantons Zürich. Rom 1839. In der Druckerei der hl. Congregation für Ausbreitung des Glaubens“ (12 Seiten 8°), welche er alsbald in einer neuen Schrift: „Sr. Heiligkeit Gregorius XVI. Verdammungsbulle der ganzen Schweiz“ mit sarkastischen Seitenhieben wüthend angriff. Dadurch vereitelte er nicht nur die nahe Aussicht auf einen akademischen Lehrstuhl in Bern, sondern fühlte auch seine persönliche Sicherheit bedroht. Er flüchtete zum zweiten Male und lebte in Straßburg über ein Jahr lang in Verborgenheit. [257] Das Berner Amtsgericht leitete gegen den Abwesenden eine Kriminaluntersuchung ein, die mit einer Verurtheilung zu vierjähriger Freiheitsstrafe endete; das Obergericht jedoch erkannte auf Freisprechung. Die genannten Erfahrungen aber weckten das Verlangen zur Rückkehr in die Heimath, wozu er endlich 1845 die Erlaubniß erhielt. Die wieder aufgenommene Untersuchung auf Hochverrath erhielt ihren Abschluß durch ein vom obersten Gerichtshof am 20. Nov. 1846 erlassenes Freisprechungs-Erkenntniß und G. war nun auch formell von einer Schuld gereinigt, von welcher er innerlich jederzeit frei geblieben. Geschichtliche und sprachliche Forschungen, insbesondere im Gebiete des Keltischen, füllten die nächsten Jahre und mehrere Schriften gaben öffentliches Zeugniß davon. Zu Ende der fünfziger Jahre trat G., wie ein schiffbrüchiger Mann, eine neue Existenz suchend, in die neidlose Stelle eines Praktikanten an der k. Hof- und Staatsbibliothek zu München, wo er 1859 zum dritten Scriptor und 1861 zum dritten Secretär vorrückte. Seit dem Sommer 1865 wurde seine Thätigkeit durch schwere körperliche Leiden gehemmt. Schlaflosigkeit und unaufhörliche Nervenaufregung, die sich auch in seinen Schriften und der dabei leidenschaftlich geführten litterarischen Polemik kundgaben, zehrten an der Lebenskraft und drückten auf das Gemüth. So suchte er den Schlaf und fand, durch eine wol absichtlich vergrößerte Dosis Opium die ersehnte Ruhe am 13. Juni 1866. Schon früher hatte er seine Frau durch den Tod verloren. Sein Scheiden scheint nur Wenigen bekannt geworden. Der einzige ausführlichere Nekrolog findet sich in Bacmeister’s geistvollem vierten Artikel über „Deutsche Wörterbücher“ in Beil. 305 Allgem. Ztg. vom 1. Nov. 1866. – Von seinen kaum in weitere Kreise gedrungenen Schriften erwähnen wir außer den obengenannten, so viel uns bekannt geworden, in historischer Folge: „Ein freies Wort über den jetzigen Dr. Troxler und seine projectirte Berufung als Professor der allgemeinen Geschichte am Lyceum zu Luzern“, 1839. – „Ueber das Recht der Staatsgewalt, Bisthümer einzurichten und über die Rechtswidrigkeit und Ungültigkeit der Concordate. Eine staatsrechtliche Abhandlung“, 1840. – „Die Jesuiten in ihrer Wirksamkeit von ihrer Entstehung bis auf unsere Tage. Eine Volksschrift“, 1845. – Mit Lud. Snell und A. Henne arbeitete G., gleichfalls wie bei den vorstehenden Schriften größtentheils ohne seinen Namen, an der „Geschichtliche Darstellung der kirchlichen Verhältnisse der katholischen Schweiz von der frühesten Zeit bis zur Helvetik“ und verfaßte die von Lud. Snell herausgegebene „Geschichte der Einführung der Nuntiatur in der Schweiz“, 1847. – „Die Bisthümer Noricums, besonders das Lorchische zur Zeit der römischen Herrschaft. Ein Beitrag zur Urgeschichte des Christenthums in Oesterreich, Salzburg, Steiermark und Kärnten“ in den Sitzungsberichten der philos.-histor. Classe d. kais. Akad. d. W. XVII. S. 60 ff. Auch besonders abgedruckt 1855. – Angeregt durch die keltische Grammatik des Kasp. Zeuß, welchem er auch eine biographische „Erinnerung“ 1857 setzte, warf sich G. ganz auf ähnliche Forschungen, welche er mit einer rücksichtslosen Polemik betrieb, die zur Bedingung seines Lebens zu gehören schien. Gaugengigl nannte ihn deshalb „einen litterarischen Turko“ und A. Holtzmann vergalt die ihm angemutheten Lieblichkeiten mit gleicher Artigkeit. So entstanden folgende Abhandlungen: „Die bei C. Jul. Caesar vorkommenden keltischen Namen in ihrer Echtheit festgestellt und erläutert“, 1857 (vgl. Holtzmann’s Antwort darauf in Pfeiffer’s Germania, 1864, IX. Bd. S. 4). – „Die neueste Herleitung des Namens Baier aus dem Keltischen beleuchtet“, 1864 (besonderer Abdruck aus den Verhandlungen des historischen Vereins von Niederbaiern, X. Bd. 1. Heft). – „Der deutsche Name Brachio nebst einer Antwort auf einen Angriff Holtzmann’s“, 1864. – „Rênos, Moinos und Mogontiâcon, die gallischen Namen [258] der Flüsse Rein und Main und der Stadt Mainz erklärt“, 1865 (auch ein besonderer Abdruck aus den Sitzungberichten der k. Akademie). Sein mephistophelisches Behagen in der Polemik und eine alle Grenzen der Billigkeit überschreitende Nergelei mit der krankhaften Sucht des alleinigen Besserwissenwollens trugen die Schuld, daß Glück’s Wirken und Forschen gegen Verdienst nicht in weitere Kreise drang. G. war und blieb ein Opfer der ehemaligen Demagogen-Riecherei, die damals erlittene Schmach und Verfolgung verbitterte und untergrub sein ganzes Leben.
Glück: Christ. Wilh. v. G., Jurist und Keltolog, geb. am 31. Decbr. 1810 zu Erlangen, jüngerer Sohn des berühmten, 1831 verstorbenen Pandektisten Christian Friedrich G., bezog nach beendeten Vorstudien erst die Universität seiner Heimath, dann Tübingen, um sich der Wissenschaft seines Vaters zu widmen. Dort wurde G. in die wegen demagogischer Umtriebe auf Hochverrath eingeleitete Untersuchung verwickelt, welcher er rechtzeitig mit anderen Unglücksgenossen nach der Schweiz entfloh, wo er zu Zürich seine Studien fortsetzte und sich endlich zu Bern als Privatdocent des „Kirchenrechts“ niederließ. In exaltirter Weise an den durch