ADB:Gerhard I. (Bischof von Cambrai und Arras)
Gerbert’s Geist erfüllte Schule von Reims eingetreten, dessen Erzbischof Albero sein mütterlicher Verwandter war; hier verband ihn innige Freundschaft mit dem nachmaligen Abt Richard von St. Vannes zu Verdun, der in der Geschichte der klösterlichen Reformbewegung zu Anfang des 11. Jahrhunderts eine so bedeutende Rolle spielt. G. ergriff, nicht wie Richard, die Mönchslaufbahn, sondern trat in die Kapelle König Heinrichs II. ein und wurde von diesem, obwol er erst die Diaconatsweihe empfangen hatte, im Januar 1012 zum Nachfolger des Bischofs Erlvin vom Cambrai ernannt. Heinrich hatte gewünscht, daß G. sich zu Bamberg vor dem versammelten deutschen Episcopate zum Bischof weihen lasse, was ihm bei den eigenthümlichen Verhältnissen des politisch zum deutschen Reich, kirchlich aber zur Erzdiöcese Reims gehörenden Hochstifts von besonderer Wichtigkeit sein mußte. Allein G., dessen erster Grundsatz während seiner fast vierzigjährigen Waltung es war, jeden Conflict, wenn irgend möglich, in kluger Vorsicht zu meiden, lehnte diesen Antrag ab und empfing in Reims am 27. April die bischöfliche Weihe. An den Angelegenheiten des Reiches und insbesondere der westlichen Theile desselben nahm G. während der Regierung Heinrichs II. hervorragenden Antheil. Schon 1012 oder 1013 soll auf seine Veranlassung Gottfried aus dem Hause der Ardennergrafen zum Herzog von Niederlothringen ernannt sein, darauf suchte er zwischen dem neuen Herzog und dem Grafen Lantbert von Löwen allerdings vergeblich Frieden zu vermitteln, wie er auch später in den lothringischen Localfehden stets um Friedensstiftung bemüht war. Dagegen lehnte er seine Theilnahme an der Landfriedensvereinigung, welche um 1020 die Bischöfe der Reimser Kirchenprovinz abschlossen, ab, weil dadurch die geistliche Gewalt in die Rechte und Pflichten des Königthums eingreife, dem es zukomme den Frieden mit starker Hand zu wahren, und weil man durch die Beschwörung solcher Friedensbünde nur die Zahl der Meineide vermehre. 1012 nahm er an der Belagerung von Metz durch Heinrich II. Theil und 1021 wohnte er dem Hoftage zu Nimwegen bei, auf welchem der dritte Zug Heinrichs II. nach Italien beschlossen wurde. Im Mai 1023 ging er mit dem Abte Richard als Gesandter des Kaisers an den französischen Hof und verabredete die Zusammenkunft beider Herrscher zu Ivois im August desselben Jahres, während welcher er Heinrich begleitete. Nach Heinrichs II. Tode schloß er sich zwar der lothringischen Partei, welche gegen Konrad II. sich gebildet hatte, nicht offen an, hielt aber auch mit seiner Anerkennung des letzteren so lange zurück, bis er Weihnachten 1025 mit den lothringischen Herzögen zusammen die Huldigung leisten konnte. Am Hofe Konrads II. tritt Gerards Einfluß weniger bedeutend hervor als an dem Heinrichs II., und mit Heinrich III. stand er sogar 1041 und 1042 in einem sehr gespannten Verhältniß, was vielleicht mit seinem Widerstand gegen die von dem König begünstigten, von Aquitanien und Burgund nach Nordfrankreich und Lothringen verpflanzten Bestrebungen für die Anerkennung des Gottesfriedens (treuga Dei) zusammenhängt. Im Inneren seiner Diöcese lag G. während des größten Theils seiner Regierung in erbitterter Fehde mit dem Chatellain Walter von Cambrai, der oft genug mit Unterstützung des Markgrafen von Flandern sich Eingriffe in die bischöflichen Rechte erlaubte. [737] Auch als Walter 1041 in der Marienkirche zu Cambrai meuchlerisch ermordet war, hatte G. noch nicht Ruhe; da er dem im Bann Gestorbenen das Begräbniß in geweihter Erde verweigerte, setzten Walters Wittwe, Ermentrudis, und ihr zweiter Gemahl Johannes, Vogt von Arras, die Feindseligkeiten fort; letzterer besetzte die Burg von Cambrai für seinen unmündigen Stiefsohn, und G. wurde gezwungen, um seine Kirchengüter vor weiteren Verwüstungen zu schützen, den verstorbenen Chatellain noch nach dem Tode zu absolviren und seine regelmäßige Bestattung zu erlauben. Erst der bald darauf erfolgte Tod von Walters Sohn befreite den Bischof von diesen Nachstellungen und nöthigte Johannes, der die Verleihung des vakanten Lehens für sich wünschte, mildere Saiten aufzuziehen, ohne daß indessen die Angelegenheit bis zum Tode des Bischofs zu völligem Abschluß kam. Auf den Stammbesitzungen seines Hauses zu Florennes gründete G. ein St. Johanneskloster, dessen Leitung er dem Abte Richard v. St. Vannes übertrug. Durch denselben ließ er auch das Peter-Paulskloster zu Hautmont bei Maubeuge reformiren, vertrieb die Kanoniker, die sich hier widerrechtlich festgesetzt hatten, und schützte den von Richard eingesetzten Abt Folkuin gegen die Umtriebe der verjagten Kleriker. Auch die von Bischof Wolbodo von Lüttich angeordnete Reform von Kloster Lobbes sowie die Befreiung des reichsunmittelbaren Klosters St. Ghislain von den Bedrückungen des Grafen Rainer von Mons durch Konrad II. und die Restitution des Klosters Burtscheid an das Bisthum Lüttich durch Heinrich II. vollzogen sich unter Gerard’s Mitwirkung. In Cambrai begann er 1023 (1021) den prächtigen Neubau der kleinen und verfallenen Marien-Kathedrale, die am 18. October 1030 (1027?) geweiht wurde; auch die Befestigung von Cateau Cambrésis durch den Bau eines mächtigen Thurmes aus Quadersteinen und die Gründung und Dotirung des am 22. September 1025 geweihten St. Andreasklosters daselbst sind sein Werk. Um die Historiographie erwarb er sich ein hervorragendes Verdienst, indem er durch einen gewissen Fulbert das Leben des Bischofs Autbert von Cambrai (633–69?) schreiben ließ und namentlich indem er einen ihm nahestehenden, dem Namen nach unbekannten Domherrn seiner Kirche zur Abfassung der Bisthumsgeschichte von Cambrai (Gesta episcoporum Cameracensium), einer der wichtigsten Quellen für lothringische Verhältnisse, veranlaßte. G. starb nach längerer schwerer Krankheit am 14. März 1051; sein Nachfolger ward der Propst Lietbert, der von ihm erzogen war und ihm im Leben sehr nahe gestanden hatte.
Gerhard I., Bischof von Cambrai und Arras, † am 14. März 1051, war aus angesehener und begüterter Familie zu Florennes geboren, wo sein Vater Arnulf Erbherr war und ein Kloster gegründet hatte. In früher Jugend war er in die noch von- Gesta episcop. Cameracensium lib. III; Mon. Germ. SS. VII, 465 ff.; dann das Chron. S. Andreae Cameracensis, die Ann. Elnonens. u. a. Vgl. Le Glay, Cameracum christianum. p. 22 ff.