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ADB:Engel, Johann Christian von

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Artikel „Engel, Johann Christian von“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 115–117, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Engel,_Johann_Christian_von&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:38 Uhr UTC)
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Engel: Joh. Christian v. E., geb. 17. Octbr. 1770, † 1814, ist ein Sohn des Zipser Sachsenländchens am Fuße der Tatra, in dessen Vororte Leutschau er das Licht der Welt erblickte. Der junge Deutschungar, Sprößling einer protestantischen Bürgerfamilie, empfing seine Schulbildung an dem Leutschauer und Preßburger Gymnasium. Wie so viele seiner Glaubensgenossen, suchte er seine höhere wissenschaftliche Ausbildung an einer Universität Deutschlands, denn seit dem 16. Jahrhunderte können wir die geistigen Wechselbeziehungen des „Reiches mit Deutschungarn, insbesondere den starken, durch Stipendien oder Stiftungen geförderten Besuch der protestantischen Hochschulen, zu Wittenberg, Jena, Halle in erster Linie, wahrnehmen. E. bezog 1788 die „Muster-Universität“ seiner Zeit, die Göttinger Georgia-Augusta. Geschichtswissenschaft und classische Philologie wurden seine Hauptfächer und Autoritäten darin, wie Heyne, Gatterer, Schlözer, ein bahnbrechender Geist auf dem Felde der Völkergeschichte und Staatenkunde, seine Lehrer. Das spätere Verhältniß Engel’s zu Schlözer trübte sich, denn auch E. fand Einseitigkeiten und Schwächen des Göttinger Gelehrten und Professors heraus und konnte den oft einseitigen Standpunkt desselben in geschichtlichen Fragen nicht theilen. So kam es zu litterarischen Antipathien, deren die Biographie und der Briefwechsel Schlözer’s gedenkt. Dagegen blieb E. mit Heyne bis zum Tode im engen Verkehre. Unstreitig zeigt die wissenschaftliche Erstlingsarbeit Engel’s: „Commentatio de republica militari seu comparatio Lacedaemoniorum, Cretensium, Cosaccorum“ vom J. 1790 den Einfluß archäologischer Studien bei Heyne und der universalhistorisch-comparativen Methode Schlözer’s. Die Leistung des 20jährigen geistig frühgereiften Zipsers erhielt den [116] Preis, 1791 fand E. durch Vermittlung des Grafen Samuel Teleki eine Stellung bei der siebenbürgischen Hofcanzlei in Wien und begann damit die Laufbahn im Staatsdienste. Drei Jahre später übertrug man ihm das dornige und undankbare Amt eines k. k. Hofbüchercensors. Noch 1801 bekleidete er nebenbei die Würde eines k. k. weltlichen Consistorialrathes der augsburgischen Confessionsverwandten. 1812 erreichte er die einflußreiche Stellung eines Secretärs der siebenbürgischen Hofcanzlei und wurde geadelt. Daß ihn sein Heimathländchen, die Zips und zwar das Comitat durch Ernennung zum Gerichtstafelbeisitzer oder Jurassor (juratus assessor tabulae nobilium comitatus) und die Leutschauer Stadtgemeinde durch das Ehrenbürgerdiplom auszeichnete, erscheint um so begreiflicher, als E. nicht blos im österreichischen Staatsdienste seinen Weg gemacht hatte und ein pflichteifriger Beamter war, sondern als Historiker Ungarns eines weithin begründeten Rufes genoß und dies mit vollem Rechte. Seit Georg Pray’s und Stefan Katona’s, der beiden Exjesuiten, bahnbrechenden Arbeiten, deren lateinischer Stil und riesiger Umfang (Katona’s Hist. crit. regni Hungariae zählt 42 dickleibige Octavbände!) wenig Genuß dem geschichtsfreundlichen Lesepublicum bieten konnte, wurde E. der erste ungarländische Historiker, welcher, deutsch von Hause aus und doch auch des Magyarischen mächtig, von deutscher Bildung durchdrungen, die Geschichte des Karpatenreiches neu in Angriff nahm und auf Grundlage umfassender Quellenstudien eine wahrhaft erstaunliche Masse zeitschriftlicher Abhandlungen, Monographien und umfangreicher Werke lieferte, die, vorzugsweise deutsch geschrieben, dem Auslande hochwillkommen sein mußten und – bei allen unvermeidlichen Mängeln in der Anlage und Durchführung – den viel zu frühen Tod des Mannes von rastloser Feder bedauern lassen. Die angedeuteten Abhandlungen in den verschiedenen Zeitschriften Deutschlands, Oesterreichs und Ungarns können hier nicht einzeln berücksichtigt werden. Ebenso kurz müssen wir uns über die Bedeutung der Monographien und umfangreichern Werke Engel’s fassen. Die Dissertation Engel’s über den Ursprung der ungarischen Nation als Anhang zu Daniel Cornides’, seines Landsmannes, „Commentatio de religione veterum Hungarorum“ (Wien 1791) ist ziemlich vergessen und nicht ohne Grund. Dagegen eröffnet Engel’s „Geschichte von Halitsch und Wladimir bis 1772, verbunden mit einer Auseinandersetzung der österreichisch-ungarischen Besitzrechte auf diese Königreiche; nach russischen und polnischen Jahrbüchern bearbeitet" (2 Thle., Wien 1792–93) die historischen Leistungen Engel’s von bleibendem Werthe, wie veraltet auch Einzelnes der Gegenwart vorkommt. Allerdings spiegelt sich in diesem größeren Erstlingswerke eine politisch-staatsrechtliche Tendenz, immerhin aber tritt darin historische Forschung an den Tag und zwar ganz anderen Schlages als in dem ziemlich gleichzeitigen Werke von Hoppe über Galizien. Die von der Göttinger gelehrten Gesellschaft preisgekrönte „Commentatio de expeditionibus Trajani ad Danubium et origine Valachorum“ (Wien 1795) fällt in die Litteratur der Rumänen- oder Wallachenfrage, deren Anstoß dem Werke Sulzer’s „Geschichte des transalpinischen Daciens“ (Wien 1781) zu danken ist. E. hat in dieser lateinischen Schrift, sodann in den Werken: „Geschichte des ungarischen Reiches und seiner Nebenländer“, deren wir weiter unten gedenken werden, als Freund ethnographischer Forschung übereinstimmend mit seinem Vorgänger Sulzer, die Continuität der Rumänensitze im antiken und mittelalterlichen Dacien (Siebenbürgen, Ostungarn, Moldau-Wallachei) in Abrede gestellt und ihre Einwanderung oder eigentlich Rückwanderung in das 9., 10. Jahrhundert gesetzt. Die „Geschichte der Ukraine und der ukrainischen Kosaken, wie auch der Königreiche Halitsch-Wladimir" (Halle 1796) ist eine theilweise Reception der Monographie von 1792. Von bleibenderem Werthe und in der That ein Werk, das von erstaunlicher Stoffkenntniß und Belesenheit [117] Zeugniß gibt, – ist die „Geschichte des ungarischen Reiches und seiner Nebenländer“ – zunächst als Bestandtheil der Hallenser „Fortsetzung der allgemeinen Welthistorie“, 1797–1804 (49. Theil) in 4 bezw. 6 Quartbänden erschienen. E., unläugbar vom Schlözer’schen Geiste angeregt, hatte sich darin die wahrhaft riesige Aufgabe gestellt, eine quellenmäßige Specialgeschichte Ungarns und seiner mittelalterlichen Nebenländer zu liefern. Bei dieser Anlage, welche an die Geschichte des alten Pannoniens eine solche Bulgariens, Dalmatiens, Croatiens, Slavoniens, Serbiens und Bosniens, der Moldau und Wallachei reiht, ist es begreiflich, daß der Verfasser über die Historie der Nebenländer nicht hinaus kam, Siebenbürgens Geschichte und die des ganzen Ungarns in dieser Bearbeitung nicht Raum fanden. Wie E. es mit der Geschichte Ungarns halten wollte, zeigt am besten der ausführliche Excurs über Quellen der Geschichte Ungarns, und eine breite, gesättigte Beleuchtung der Finanzlage Ungarns im 16. Jahrhundert aus ungedruckten Acten und der Chronik des Fugger’schen Agenten, Thurnschwamb. Was E. bezüglich Ungarns in dem berührten groß angelegten Werke schuldig blieb, suchte er in der „Geschichte des Königr. Ungarn“ (5 Bde. 8°, Wien 1812, I. Bd. in 2 Abth. 1813 s. das Ganze) zu ersetzen. Es ist ein noch immer brauchbares Werk, obschon es sich an stofflichem Umfange und Tiefe mit der Arbeit Feßler’s, seines Zeitgenossen (1817 ff. ersch.) nicht auf eine Linie stellen läßt. In formeller Beziehung ist es allerdings nüchterner und klarer und jedenfalls nicht minder auf eigenständigen Forschungen beruhend. Als Herausgeber erscheint E. in der Publication: „Danielis Cornidis Vindiciae anonymi Belae regis Notarii editae“ (sammt Hell’s Karte Altungarns 1801 zu Ofen in 4° gedruckt); es ist dies eine gutgemeinte Apologie des bekannten namenlosen Chronisten, der so viel Unheil in der Geschichte der magyarischen Urzeit angerichtet. – Ein sehr brauchbares Büchlein ist Engel’s „Geschichte des Freistaates Ragusa“ (Wien 1807), worin sich eine ungemein reichhaltige Litteratur gedruckter und handschriftlicher Werke zur Geschichte Ragusa’s und Dalmatiens verzeichnet und besprochen findet. Eine Quellensammlung zur Geschichte Ungarns u. d. T. „Monumenta ungrica“ gab E. 1809 zu Wien heraus. Sie enthält unter anderm das Registrum Thurocziense, nämlich ein interessantes Verzeichniß der königlichen Zinsrechte im Thuroczer Comitate aus dem 14. Jahrhundert und den versificirten Bericht des Stieröchsel (Taurinus) über die Bauernrebellion Ungarns vom J. 1514. Eine so umfassende und angestrengte litterarische Thätigkeit und ausgedehnte litterarische Correspondenz neben streng amtlicher Berufsarbeit mußten die ohnehin schwächliche Gesundheit Engel’s bald untergraben. Er starb schon mit 44 Jahren (1814, 20. März zu Wien), ein empfindlicher Verlust für die Geschichtschreibung Oesterreich-Ungarns.

Biogr. in den Abh. der k. böhm. Gesellsch. d. Wiss., Prag, VI. Bd. Ersch u. Gruber, Allg. Encyklopädie der Wiss. u. Künste, Leipz., I. Section XXXIV, Bd. S. 239. Oesterr. Nat.-Encyklop. h. v. Gräffer und Czikann II. Bd. Uj magyar muzeum (Neues ung. Mus.) h. v. d. ung. Akad., Pest 1855, 2., 3., 11. Heft: Aus den Correspondenzen des Joh. Chr. Engel, eine interessante Skizze der litter. Beziehungen Engel’s mit dem In- und Auslande.) C. v. Wurzbach, Oesterr. biogr. Lexikon IV. Bd. S. 47–49 (1858). Flegler, Ueber magyar. Geschichtschreibung. In Sybel’s histor. Zeitschr. XIX. Bd.