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ADB:Elze, Karl

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Artikel „Elze, Karl“ von Ludwig Proescholdt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 343–346, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Elze,_Karl&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 11:20 Uhr UTC)
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Elze: Friedrich Karl E. wurde am 22. Mai 1821 als ältester Sohn des damaligen Pfarrers und nachherigen Seminardirectors Karl August Wilhelm E. (geboren am 12. December 1791 zu Oranienbaum, † am 24. August 1854 in Dessau) und dessen Gattin Luise Charlotte, geb. de Marées, einziger Tochter des Superintendenten und Consistorialraths Ludwig Marius de Marées, [344] in Dessau geboren. Sein äußerer Lebensgang gestaltete sich so ruhig und einfach wie nur möglich. Den Grund zu seiner wissenschaftlichen Bildung legte er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt; danach studirte er in Leipzig unter Gottfried Hermann und in Berlin unter A. Böckh classische Philologie. Nach glänzend bestandener Staatsprüfung kehrte er nach dem heimischen Dessau zurück und wirkte länger als ein Vierteljahrhundert als Lehrer am Gymnasium. Aber das Lehramt ließ ihm Kraft und Zeit zu vielseitigem Studium, und besonders der Verkehr mit Männern wie A. Fuchs, Fiedler und Ed. Müller lenkte seinen Sinn auf die Schätze der neueren Litteraturen, besonders der englischen, hin. Bei seinem Fleiße und seiner Begabung konnte es nicht ausbleiben, daß er nach wenigen Jahren in der Reihe der Vorkämpfer für die Erforschung der englischen Sprache und Litteratur in Deutschland stand. Der erste Ertrag seiner Arbeit war der „Englische Liederschatz“ (1851), der bis 1868 fünf Auflagen erlebte. Im Jahre 1853 gründete E. eine Zeitschrift „Atlantis“, in der er alle Kräfte zu sammeln versuchte, die im Interesse der englischen und amerikanischen Cultur und Litteratur bei uns zu arbeiten versprachen. An solchen Kräften fehlte es nicht, finden sich doch unter den Mitarbeitern Männer wie Lothar Bucher, Böttger, Freiligrath, Fontane u. A.; woran es aber um jene Zeit noch mangelte, das war das weit- und tiefgehende litterarische Interesse für England und Amerika, und so mußte die umsichtig geleitete und gut geschriebene Zeitung nach zweijährigem Bestehen aus Mangel an Lesern eingehen. Wenige Jahre später trat E. unter dem Titel „Westward Ho!“ (1857) mit der Uebersetzung von britischen und amerikanischen Gedichten hervor, und um dieselbe Zeit wandte er sich bereits demjenigen Dichter zu, mit dessen Werken sein Name auf das innigste verknüpft werden sollte. Hätte E. für die englische Philologie nichts weiter geleistet, als was er für die Biographie Shakespeare’s und für die Durchforschung und Auslegung seiner Werke gethan hat, so würde ihm ein dauernder Platz in der Geschichte dieser jungen Wissenschaft gesichert sein. Seine Hamlet-Ausgabe (1857, zweite, gänzlich umgearbeitete Ausgabe 1882) ist eine wissenschaftliche That, die trotz des Widerspruchs, den sie erfahren hat, ihre dauernde Bedeutung behalten wird. Von dem größten Dramatiker wandte sich E. dem größten Epiker zu: 1864 veröffentlichte er seinen „Walter Scott“ (Dresden, 2 Bde.), nachdem er vorher seinen Studienaufenthalt in Schottland in dem Schriftchen „Eine Frühlingsfahrt nach Edinburg“ (Dessau 1860) feuilletonistisch verwerthet hatte. Die 300jährige Geburtstagsfeier Shakespeare’s gab ihm Anlaß zu der Festschrift „Die englische Sprache und Litteratur in Deutschland“ (Dresden 1864). Daß ein Mann wie E. an der Gründung der um jene Zeit ins Leben gerufenen deutschen Shakespeare-Gesellschaft nicht unbetheiligt bleiben konnte, versteht sich fast von selbst. Auch dem Jahrbuche dieser Gesellschaft gewährte er seine thatkräftige Unterstützung, nicht nur indem er zahlreiche werthvolle Beiträge dazu lieferte (in Buchform veröffentlicht, Halle 1877; auch ins Englische übersetzt, London 1874), sondern indem er nach dem Rücktritte Fr. Bodenstedt’s vom 3. bis zum 14. Bande (einschließlich) die Herausgabe besorgte. Für den von der Shakespeare-Gesellschaft edirten verbesserten Schlegel-Tieck bearbeitete E. König Johann, Hamlet, Die bezähmte Widerspenstige und Timon von Athen. Daneben beschäftigte ihn die englische Metrik („Der englische Hexameter“, Dessau 1867) und das elisabethanische Drama (George Chapman’s Tragedy of Alphonsus, Emperor of Germany, Leipzig 1867); auch zog er jetzt Byron in den Bereich seiner Studien. Seine Biographie des Dichterlords (Berlin 1870; 3. Aufl. 1884; ins Englische übersetzt 1872, ins Dänische 1876, ins Russische 1885) ist [345] trotz mancherlei in der Zwischenzeit bekannt gewordenen neuen Materials bis auf den heutigen Tag nicht veraltet, sondern hat sich für die in jüngerer Zeit veröffentlichten Lebensbeschreibungen als unversiegliche Fundgrube erwiesen.

Den Hauptwendepunkt in Elze’s Leben bildete das Jahr 1875. Nachdem durch die neuen preußischen Lehrpläne von 1859 den neuern Sprachen, besonders auf den Realgymnasien, ein breiterer Raum zugemessen worden war, mußte dem Staate sehr bald die Pflicht erwachsen, die erforderliche Zahl von studirten Neuphilologen heranzubilden. So entstanden um jene Zeit die Professuren für Englisch und Französisch an unsern Hochschulen, und es war nur natürlich, daß bei der Besetzung dieser Stellen ein Mann von den wissenschaftlichen Verdiensten Elze’s nicht außer Betracht bleiben konnte. Ostern 1875 erfolgte seine Berufung als außerordentlicher Professor für englische Sprache und Litteratur nach Halle, und bereits im Jahre darauf, nachdem sein Hauptwerk, „William Shakespeare“ (Halle) erschienen war, wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. Jetzt war E. an dem Platze, an dem er erst seine ganze Kraft bethätigen konnte. In einem Lebensalter, wo Viele schon geistig abgewirthschaftet haben, entfaltete E. eine Thätigkeit, die für die Wissenschaft als solche wie für seine Schüler gleich ersprießlich war. Wenn es ihm auch nicht gelungen ist, eine eigene Schule heranzuziehen, so hat er doch eine große Zahl Neuphilologen ausgebildet, die seiner Lehre ebenso sehr auf dem Gebiete der Schulpraxis wie auf demjenigen der Wissenschaft zur Ehre gereichen. Seine Vorlesungen, besonders die Interpretationen Shakespeare’scher Dramen, waren in hohem Maße anregend, und seine unbeschränkte mündliche und schriftliche Beherrschung der lebenden englischen Sprache ließ die Empfindung nicht aufkommen, daß die historische Pflege der ältesten Vorstufen dieser Sprache etwas zu kurz komme. Lange Jahre hat E. der kritischen Durchforschung der elisabethanischen, besonders der pseudo-Shakespeare’schen Dramen gewidmet. In drei stattlichen Heften „Notes on Elizabethan Dramatists with conjectural Emendations of the Text“ (Halle 1880, 1884, 1886; 2. Auflage in einem Bande, ebd. 1889) hat er die Ergebnisse seiner Studien niedergelegt. Wie alle Conjecturalkritiker hat auch E. vielfach Widerspruch hinnehmen müssen; aber im allgemeinen ist anerkannt worden, daß seine Noten und Conjecturen zu dem Feinsinnigsten gehören, was die Shakespeare’sche Textkritik zu Tage gefördert hat. Das letzte Werk, das E. geschaffen hat, ist sein „Grundriß der englischen Philologie“ (Halle 1887; 2. Auflage 1889). Darin hat er gewissermaßen sein philologisches Glaubensbekenntniß abgelegt. Aber vielleicht gerade deshalb, weil es eine so durchaus selbständige, die Eigenart des Verfassers kennzeichnende Arbeit ist, hat sie nicht die nachhaltige Wirkung geübt, die sie ihrem innern Werth entsprechend hätte haben müssen. Andere, ähnliche Werke, die mehr den praktischen Bedürfnissen des Studirenden Rechnung trugen, sind an die Stelle des Elze’schen Grundrisses getreten, und es läßt sich die Zeit absehen, wo E. nur noch als Shakespeareforscher gekannt und genannt sein wird. Als solcher ist er aber trotz aller Tagesmeinungen und Gegenströmungen unvergeßlich.

Dem Charakterbild Elze’s würde ein wesentlicher Zug fehlen, wenn seiner dichterischen Veranlagung nicht Erwähnung geschähe. Gewißlich kann nur derjenige Kritiker einen Dichter recht verstehen, in dessen Innerem eine verwandte Saite mitklingt. Aber bei E. beschränkte sich die poetische Bethätigung nicht nur auf die Auslegung oder Uebertragung fremder Dichtwerke, sondern er schuf auch eigene. Sie erschienen im Druck 1878 (2. Aufl., Halle 1881) und würden ihre Daseinsberechtigung schon erwiesen haben, wenn die Bändchen [346] nichts anderes enthielten als das einzige Epyll „Wainona“. – Im J. 1882 nahm E. als Vertreter der Universität Halle an der 300jährigen Jubelfeier der Universität Edinburg theil und wurde bei dieser Gelegenheit mit der Würde eines L. L. D. ausgezeichnet. Er starb am 21. Januar 1889.

Vgl. Karl August Wilhelm Elze, Seminardirector zu Dessau. Ein Lebensbild. Als Familienhandschrift gedruckt. Dessau 1862.